Oberstufe: Diskussionen vs. Lernen

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Maurice
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Di 17. Jan 2006, 14:26 - Beitrag #1

Abgetrennt aus Opium in der Schule - Traitor

Ich frage mich, ob es Zufall ist, dass e-noons Gymnasium in der Methodik mehr der Realschule gleicht, das meine Schwester bis vor kurzen noch besucht hat, als die mir bekannte Oberstufe. E-noon geht auf ein katholisches Gymnasium, was vor Selbstbeweihräucherung stinkt und dabei nicht das Nonplusultra darstellt, was es zu sein glaubt. Die Stoffmenge ist deutlich höher, als bei mir in der Oberstufe, aber das macht für mich noch keine gute Schulbildung aus. Auswendig lernen und nachplappern macht man auch in der Haupt- und Realschule. Selbst zu denken, sollte das Kennzeichen des Gymnasiums sein. Dort reift immerhin die Elite unseres Landes heran. Ok zumindest sollte es so sein.
Klar auch auf dem Gymnasium muss auswendig gelernt und nachgeplappert werden, denn auch da werden Naturwissenschaften, Geschichte, Mathematik usw.unterrichtet. Alle diese Fächer, darunter auch Religion, stellen ihren Inhalt nicht zur Diskussion. Das was vorgegeben wird, gilt es zu übernehmen. Selbst denken, in Frage stellen oder gar Kritik ist nicht erwünscht. Dazu geben nur wenige Fächer einen bestimmten Freiraum.

In meiner Oberstufenzeit hat sich der ein oder andere Lehrer darum bemüht, die Schüler zum denken zu motivieren. Aber daran hatte fast niemand ein Interesse. Und selbst zum nachbeten waren sie meistens zu faul. Ein Armutszeugnis für das deutsche Bildungswesen, wenn man bedenkt, dass in diesen Räumen die deutsche Elite sitzen sollte. Allein noch trauriger ist, dass es in der Uni nicht anders ist und die Tatsache nur noch erschreckender ist. :rolleyes:

Elbereth
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Di 17. Jan 2006, 14:59 - Beitrag #2

@Maurice: Aber bevor man anfängt irgendetwas zu kritisieren, sollte man schon gewisse Vorkentisse haben. Bevor man anfängt seine eigene Meinung zu einem Thema zu bilden, könnte (sollte) man sich vielleicht darüber informieren was andere darüber schon gesagt haben oder zumindest über das Thema im allgemeinen. Ich sehe es nicht als eine große gedankliche Leistung an, wenn man, ohne wirklich zu wissen worum es geht, sagt "Ich finde es doof" oder "Ich bin dagegen". Man kann schlecht darüber diskutieren, wie die Lage irgendwo ist, bevor man einfach nur auswendig gelernt hat was wo das ist oder was da passiert. Und meiner Meinung nach ist die Schule auch genau dazu da, um den Schülern solche Grundlagen zu vermitteln.

Maurice
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Di 17. Jan 2006, 15:03 - Beitrag #3

Sorry aber deine Kritik geht an meinem Post vorbei.
Ich habe nicht kritisiert, dass man in der Schule Dinge auswendig lernen muss. Dass das notwendig ist, ist keine Frage.
Meine Kritik richtete sich gegen ein reines Auswendiglernen in der gymnasialen Oberstufe. Neben dem Übernehmen von Meinungen sollte auch das selbstständige Denken und Bilden von eigenen Meinungen gefördert werden.
Dass man dazu auf vorhandende Meinungen aufbauen muss, habe ich niergendwo in Frage gestellt.

Beim nächsten Mal also bitte gründlicher lesen. Danke.

Elbereth
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Di 17. Jan 2006, 17:40 - Beitrag #4

Du musst ja nicht gleich so verärgert reagieren, mein Post bezog sich auch nicht nur auf die Mittelstufe, sondern auch auf die gymnasiale Oberstufe. Du setzt anscheinend da die Grenze, ab der man anfangen sollte in der Schule selbstständige Gedanken zu fördern, aber ich habe nicht gesagt dass ich es tue. Meiner Meinung nach weiss man mit 18 Jahren noch lange nicht genug um die Zeit in der Schule damit zu "verschwenden" stundenlang endlose Diskussionen im Unterricht zu führen, ob man für oder gegen einen bestimmten Sachverhalt ist (und das ist meiner Meinung nach die Folge davon, dass Lehrer die Schüler dazu zu bringen versuchen, selbstständig zu denken), die Zeit kann man auch viel effiziernter nutzen, indem man etwas wirklich lernt, also etwas neues erfährt. Vielleicht war mein Gymnasium ja irgendwie anders, aber es wurde einfach zu viel "gelabert" und ich hatte selten das Gefühl dass ich jetzt mal was neues erfahren habe. Das selbstständige denken kann man auch woanders fördern, von mir aus auch extra Fächer dazu einführen, aber nicht jede Stunde durch "belanglose" Meinungsäusserung "zerstören" (ich übertreibe jetzt natürlich).

Auch an der Uni finde ich es absolut in Ordnung, dass man wenigstens die ersten paar Jahre damit beschäftigt ist Sachen (auswendig) zu lernen.

Maurice
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Mi 18. Jan 2006, 13:23 - Beitrag #5

Bildungsideale

Sorry wenn ich verärgert rübergekommen sein sollte. War nicht meine Absicht.

die Zeit kann man auch viel effiziernter nutzen, indem man etwas wirklich lernt, also etwas neues erfährt.

Verstehe ichd ich richtig, dass du unter lernen bloßes nachbeten verstehst? Das ist eine Form von Lernen. Die efiizenteste es bekstimmt nicht. Wenn man erreichen will, dass Stoff nicht nur für die nächste Klausur im Gedächnis bleiben soll, dann ist bloßes Nachbeten unangebracht. Über längere Zeit kann nur das in Erinnerung bleiben, mit dem man sich intensiv auseinander gesetzt hat und dazu gehört mehr, als nachzubeten.

Verstehst du untr "Meinung bilden" nur diskutieren? Es klang in meinen Ohren so, als würdest du mir unterstellen, dass ich nur noch Diskussionen in der Oberstufe wollte. Wenn das der Fall sein sollte, handelt es sich um eine voreilige und falsche Unterstellung.

1. Gibt es gutes und schlechtes diskutieren. Was du in der Schule wohl leider erlebt hast, war zuviel schlechtes diskutieren. Als schlecht sehe ich Diskussionen an, wenn es ohne Ziel und Leitung von statten geht und die Schüler einfach chaotisch ins Blaue labern. So bildet man sich in den seltensten Fällen eine eigene Meinung. Eine gute Diskussion ist geordnet und strukturiert. Hier ist ein Lernerfolg deutlich wahrscheinlicher, sowohl was die Inhalte betrifft als auch das Lernen über das Diskutieren selbst.
Ich stimme dir zu, dass wenn in der Schule diskutiert wird (zumindest meinen Erfahrungen nach) leider zu oft schlecht diskutiert wird. Dass sowas dann wenig bringt, stimme ich dir sofort zu.

2. Heißt eine eigene Meinung bilden nicht notwendig nur zu diskutieren. Eine eigene Meinung wird gebildet, wenn man sich argumentativ mit dem Stoff auseinander setzt. Die Diskussion ist eine Möglichkeit dies zu tun, aber nicht die einzige. z.B. kann man sich auch in schriftlicher Form (also Aufsatz oder Essay) kritisch mit einem Thema auseinandersetzen.

Mein Eindruck ist, dass die Oberstufe zu oft nur ein Nachbeten von vorgegebenen Meinungen ist. In manchen Fächern ist dies wie gesagt auch nur möglich. Ich finde aber nicht, dass es sein kann (im Sinne von sein sollte), dass die Bildungselite nicht mehr kann als nur nachbeten und nicht in der Lage ist selbst zu denken. Mein Eindruck ist aber, dass der Großteil unserer "Elite" nicht in der Lage ist sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sprich: Sie sind unmündig.
Dem kann man natürlich nicht damit begegnen den Unterricht mit schlechten Diskussionen voll zu müllen. Das Ideal ist, dass die Lehrkraft den Schüler zum eigenen Denken motiviert und behilflich ist. Angesicht der weitverbreitenden Verdummung der Schüler, denen jeglicher Wunsch zu höheren cognitiven Tätigkeiten fehlt, kein leichtes unterfangen. Und so wird selbst ein talentierter Lehrer nicht in der Lage alle Schüler zu motivieren, wenn in ihnen nicht einmal die Potenz zur Aufklärung vorhanden ist.


PS: Ich schlage, vor diesen Teil der Diskussion abzutrennen, um einen eigenen Thread daraus zu machen. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Thema gemeinsam noch intensiver behandeln könnten.

Lykurg
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Mi 18. Jan 2006, 17:52 - Beitrag #6

Maurice, zum einen stehst du mit dem Elitebegriff hier (bisher) allein da; ich habe nicht das Gefühl, daß man nach den diversen Reformen im Bildungswesen seit den 60ern noch von einer tatsächlichen Elite sprechen kann (mir unbekannte Privatschulen und vielleicht irgendwo selige^^ bayerische Verhältnisse einmal ausgenommen). Durch eine gelungene Diskussion Schülern Kenntnisse zu vermitteln, die über den Einsatz rhetorischer Techniken und anderer rein diskussionsbezogenen Fertigkeiten hinausgehen, halte ich für weitgehend illusorisch. Das mag an Universitäten gelegentlich funktionieren (beileibe nicht im studentischen Alltag!), beim generell viel zu geringen Niveau auch der gymnasialen Oberstufe aber bleibt es im Allgemeinen wenig fruchttragend.

Da wäre es mE weit förderlicher, den Schulen die Möglichkeit zu geben, diejenigen Lehrer, deren persönliche Fähigkeit zur Wissensvermittlung so gering ist, daß sie meinen, es sich durch das Anleiern eines unterrichtsfüllenden Geplauders einfacher zu machen, ihren Fähigkeiten gemäß einzusetzen - in Fächern, die tatsächlich einen Teil (!) der Zeit Diskussionen Raum geben sollten, also Religion/Ethik/Philosophie und Sozialwissenschaft/Gemeinschaftskunde. Schüler sollen selbst denken, und sie müssen dazu angeregt werden.

Die 'Diskussionen', die ich in der Schule erlebt habe, dienten aber kaum je diesem Zweck. Die Versuche, etwa im Deutschunterricht über die literarische Bedeutung von Autoren zu reden, von denen die Klasse gerade mal ein Werk kennt, waren lächerlich (und wurden zum Glück nie wiederholt). Im Geschichtsunterricht die Folgen von Ereignissen zu "diskutieren" bedeutete ja auch nur ein Wiederkäuen der Fakten aus dem Buch. Ich meine nicht, daß das völlig unwichtig wäre, nur fehlten uns damals auch nur die Grundlagen der Quellenkritik, so daß, wären zusätzliche Informationen von außen dazugekommen, weil ein Schüler etwas kennt, das den anderen neu ist (die nächstliegende Art der Wissensvermehrung), wir nicht imstande gewesen wären, dessen Plausibilität hinreichend zu überprüfen. Letztlich liefen diese Bewertungen in etwas aus, was mich gerade an gewisse Lyrics-Vergleiche erinnert (böse^^). Ich sehe noch nicht, was das bringen soll.

Und zum anderen bin ich nicht der Meinung, daß nur unsere 'Elite' zum Selbstdenkertum fähig sein sollte (wobei du das natürlich auch nicht so gesagt hast). Wunschgemäß wäre für mich, daß ein kritisches Bewußtsein (das schon in den Grundlagen weitergehen müßte als das, was wir in der Schule erreichten) entstünde, eine grundsätzliche Befähigung dazu, sich eine eigene Meinung zu bilden. Aber das geschieht nicht durch eine Diskussion im Unterricht. Lieber sollte die Unterrichtszeit der Wissensvermittlung dienen, die Hausaufgaben die dargestellten Informationen kritisch würdigen und (vielleicht als fünf- bis zehnzeiliger Miniaufsatz) eine eigene Position dazu bringen. Ich meine nicht, daß dazu nur Gymnasiasten imstande sind.

nazgul
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Mi 18. Jan 2006, 20:17 - Beitrag #7

Ich mach dann bei dem Offtopic mal mit ;-)


Die "Elite" unseres Landes reift bestimmt nicht auf staatlich anerkannten Gymnasien heran. Diese Schulen sind ja per Gesetz
dazu verpflichtet, das sie selbst die Dümmsten möglichst lange mitschleppen. Mein Vater hat in den paar Jahren "Volksschule" und "Technikerschule" (Insgesamt keine 10) mehr anwendbares Wissen gelernt _und_ Kultur mitbekommen.

Wenn ich dem seine Schulbücher mit meinen vergleiche, dann ist das was heute Abitur heisst mit seiner Schulausbildung vergleichbar.

Was unser land Kaputt macht ist diese "Das sind noch Kinder" Einstellung. Ich bin nicht dafür Kinder in Bergwerke zu schicken, aber man kann zb den Stoff aus den 13 Jahren bis zum abi auf 10 Jahre packen (und spart sich halt das mitschleifen der Dummen (Vogel friss - oder stirb)). Dann hat man auf einmal 3 Jahre, die man dazu benutzen kann, eigenständiges Denken zu fördern.

Diskussionen sind weiterhin nicht das Mittel der Wahl in einer großen Gruppe. Ich hab in meinen letzten beiden Schuljahren recht anspruchsvollen _Reli_-Unterricht(Der allerdings eher Philo/Ethik orientiert statt RK war) genossen. Da wurde Häufiger diskutiert, und meistens waren es die gleichen drei Schüler die sich beteiligt haben an diesen Diskussionen. Der Rest hat schlicht keinen Bock.

Da macht es mehr Sinn, wenn man denen Essays als HA aufgibt, und im Unterricht dann auf Argumentationsfehler hinweist.
Ausserdem könnte man in der Schule noch Sachen unterrichten die man im späteren Leben wirklich braucht.
- Bürgerpflichten und Rechte
- Steuerrecht
- Wirtschaftslehre
- Umgangsformen

Aber auch das darf die Schüler ja in ihrer heilen Welt nicht berühren.

Und dann stellt man einen Reli-Lehrer in die Grundschule (häufig auch Geistliche) und die erzählen den Kindern dann das Jesus über das Wasser lief und das es eine Höle gibt für Böse.

Die meisten Blagen akzeptieren ja das was man ihnen erzählt ungefragt. (Ich hab als ich so 10 war mal ner etwas jüngeren Cousine eingetrichtert, das sie von nem VW Käfer gefressen wird wenn sie nicht brav ist. Die zuckt heute noch zusammen wenn man das richtig anschneide ;-) Sowas hinterlässt schäden fürs leben. Und wenn dann noch Großeltern oä ihre Schauermärchen von Gotteslästerern (Zunge fault ab) und sowas erzählen, das bleibt bei nem Kind halt hängen.

Das ist genau wie mit dem Rattenmädchen bei den Türken.
http://de.wikipedia.org/wiki/Rattenm%C3%A4dchen

Das ist dann der moment wo man mit Religion das Verhalten von Menschen beeinflusst. Das in der Bibel steht "Du sollst nicht *" ist grad egal. Aber wenn man Bestraft wird, wenn man es trotzdem macht, dann hat das Wirkung. Und wenn man von Jmd/Etwas bestraft wird den/das man nicht sehen kann noch besser.

Naja, however.. ich glaub ich fang an in Zungen zu reden oder so... just my 2 cent

janw
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Do 19. Jan 2006, 01:20 - Beitrag #8

Es wäre vielleicht doch ganz gut, mal wieder zum Kern des Themas zurück zu kehren, wenn der noch etwas hergibt.

Was die Qualität von Schule, was sie soll und will gibt es einen gar nicht so alten thread:
[url=the-web-matrix.de/showthread.php?t=14184]Niveau der verschiedenen Schulformen[/url]

Vielleicht dort über diese Aspekte weiter diskutieren...

Ipsissimus
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Do 19. Jan 2006, 13:17 - Beitrag #9

als ich 1976 endlich Abitur machte, hatte ich jeden einzelnen Tag meines schulischen Lebens gehaßt, habe ich doch den Unterricht als fortwährenden Drill empfunden, bei dem mir dogmatisch eingetrichtert wurde, was ich doch viel lieber in Form kritischer Hinterfragungen erlernt hätte.

Bald danach wurde die "reformierte Oberstufe" eingeführt, Mengenlehre ab der ersten Klasse, Ganztagsschulen, ein ganzes Bündel von Maßnahmen, von dem wohl gehofft wurde, gewisse Probleme der schulischen und allgemeinen Ausbildung und Erziehung besser in den Griff zu bekommen.

Nun, ein paar Jahre später hatte ich Gelegentheit, als Assistent an der Uni einige Ergebnisse dieser Bemühungen in Augenschein zu nehmen. Assistenten übernehmen oft die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle von Hausarbeiten und Klausuren, so auch bei mir.

Hmm, da liefern also "gestandene" Abiturienten Arbeiten ab, bei denen ich meinen Augen nicht traute. Hausarbeiten, die ich am liebsten in den Mülleimer geworfen hätte, weil 20 bis 30 Rechtschreibe- und Orthographiefehler auf jeder einzelnen von 20+ Seiten nur bei der allerersten dieser Arbeiten noch witzig sind. Klausuren, die praktisch unlesbar sind, weil offensichtlich die Prinzipien der deutschen Satzbildung in der Eile des Schreibens völlig hemmungslos über Bord geworfen wurden, und nichts anderes übrigblieb, als sich von Stichwort zu Stichwort durchzuschlängeln, in der Hoffnung, daß der Folge der Stichworte eine Folge der Gedanken entsprach (was aber meist nicht zu ermitteln war) - von der Menge der Rechtschreibefehler, die in vier Stunden auf fünf Seiten Papier untergebracht werden können, könnten ganze Generationen von Schülern leben.

Nicht bei einer Arbeit; in den 5 Jahren, die ich als Assistent arbeitete, waren etwa 35 Prozent der Arbeiten von entsprechendem "Format".

Nun stelle ich natürlich einen Bezug her, von dem ich nicht beweisen kann, ob er so existiert - aber ich würde doch meinen, daß der verhaßte Drill sehr viel mehr für die Bildung eines Menschen leistet, als die freieren Formen.

Maurice
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Do 19. Jan 2006, 13:31 - Beitrag #10

Früher war es so, dass auf dem Gymnasium die Elite war. Heute ist das ja bekanntlich nicht mehr so. Ich finde aber, dass es wünschenswert ist, wieder zu diesem alten Zustand zurück zu kommen.

@Lykurg: Ich habe ja gesagt, dass die Diskussion EINE Methode ist, um das selbstständige Denken zu fördern. Ich habe weder gesagt, dass es die einzige ist, noch dass es die beste ist.
Würdest du jegliche Diskussionen aus dem Schulunterricht verbannen?
Ja die Klassengröße ist oft ein Problem. Dann muss sie eben reduziert werden. Also mehr sieben. Es sollte das allgemeine Ziel sein, der Verlotterung des Bildungswesen Einhalt zu gebieten.

Du willst ja auch, dass die Schüler lernen, eine eigene Meinung argumentativ zu vertreten. Ich halte es für offensichtlich, dass die meisten Schüler, aber auch die meisten Studenten dazu nicht in der Lage sind. Das zeigt sich z.B. wenn in der Essay-Aufgabe gefordert wird, einen eigenen Standpunkt zu vertreten, aber die "Argumentation" quasi nur eine Aneinanderreihung von Zitaten ist. Darf ich den Dozenten glauben, dann kommt sowas häufig genug vor. Und das auch bei Nicht-Erstsemestern.

Das Vertreten einer eigenen Meinung muss wie alle anderen Fähigkeiten auch geübt werden. Dazu reicht es nicht, dass man in der neunten Klasse einmal eine Einheit "Argumentation" macht und von da an nur noch in Klausuren in der Oberstufe gefordert wird, dass man seine eigene Meinung argumentativ wiedergibt. Mir selbst lag dieser Teil der Klausuren und hat mir auch am meisten Spaß gemacht. Doch die meisten Schüler konnten das längst nicht so gut. Und dabei war ich ja nicht mal gut. Mir hat es auch nie jemand richtig beigebracht. Ich habe es mir über die Jahre quasi selbst beigebracht.
Man darf nicht vergessen, dass wir über die Schüler der OBERSTEN Schulform reden, dem Gymnasium, also doch die Stätte der Bildungselite, zumindest sollte sie es sein, ist sie doch die oberste Schulform (Uni ist ja keine Schule). Will ich nun, dass die Besucher der höchsten Schulform eine eigene Meinung argumentativ vertreten kann, was man von der Elite erwarten muss, dann muss man auch dafür sorgen, dass sie dies lernen. Das kann aber nur erreicht werden, wenn im Unterricht nicht nur nachgebetet wird, sondern auch selbstständiges Denken gefordert wird. Wer darauf keinen Bock hat ist fehl am Platz und gehört ausgesiebt. Die Realität sieht anders aus, aber diese ist auch kein wünschenswerter Zustand, sondern einer den es zu verändern gilt. Da man nun nicht erwarten darf, dass die Schüler von zu hause aus oder in ihrer Freizeit das geforderte lernen, man aber will, dass sie dies können, muss man sie dazu bringen, die geforderten Fähigkeiten zu erlernen. Das ist nicht möglich, wenn lernen mit nachbeten gleichgesetzt wird. Es ist keine Frage, dass es zuerst Wissen bedarf, um über Sachverhalte urteilen zu können, aber man lernt das Urteilen nicht dadurch, dass man wirklich viel weiß. Wissenserwerb allein kann daher nicht das Ziel sein, wenn am Ende der Produktionskette der mündige Bürger stehen soll. Wer Schule allein als Kathedrale sieht, in der genormte Meinungen auswendig gelernt werden sollen, züchtet brave Schaafe und gehorsame Köter, aber keinen mündigen Menschen.


Edit:
@Ipsi: Wenn ich Elite fordere, dann schließt das einen gewissen "Drill" ein (wobei man mit dem Wort, auf Grund der negativen Konotierung, vorsichtig sein sollte). Ich halte die Erziehung zur Mündigkeit und Elitebildung für keine Gegensätze, sondern sich bedingende Elemente. Für mich gehört es zum Begriff der Elite, dass deren Mitglieder mündig sind. Mündig bedeutet immer auch die Fähigkeit, sich selbstständig Gedanken zu machen und nicht bloß zu reproduzieren.

nazgul
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Do 19. Jan 2006, 14:46 - Beitrag #11

Jo, beziehungsweise ist es schlicht so das nicht alle Menschen gleich sind. Es gibt leute die sind schlicht nicht für was Akademisches geeignet.

Trotzdem werden die erst durchs Gymnasium und dann durch die Uni gequält weil das die Gesallschaft für "sozialer" hält.

Jemand der kein Interesse an einem Thema hat, dem geht eine Diskussion im Unterricht voll vorbei. Und weil man ihm dieses Anmerkt, schädigt er auch noch die Atmosphäre, für die, die tatsächlich etwas lernen wollen.

(Nur so am Rand: Schulen für leute die nicht mal ordentlich Pinkeln können gibt es zuhauf, aber wenn man eine Schule für Menschen mit erhöhtem Potential machen will, dann bekommt man "Elitenbildung" als Negativum vorgeworfen. Das an den "Brettergymnasien" eine "Elite der Dummen" herangezüchtet wird....)

Viele Schüler starten bereits in der 5. KLasse auf dem Gymnasium mit Nachhilfe (und führen diese bis zum Abi fort). Bei diesen Schülern mangelt es schon an der Reproduktion des Stoffes.

Diese Schüler müssen sich dann eine Meinung zu etwas Bilden das sie nicht Verstehen. Wie sich das auf die Qualität der Meinung auswirkt ist doch klar.

Die unterliegen selbst in 20 gegen 1 diskussionen. Sogar dann, wenn ihre Argumente in den drei Vorhergehenden Unterrichtsstunden erläutert wurden und die Debatte lediglich das nochmal veranschaulichen sollte. (Sprich sie hätten den Stoff nur wiederholen müssen)(Das ist kein Witz... das ist leider tatsächlich passiert, mehrfach)

Woraus eigentlich zwei sachen resultieren müssen:
1. Die Lehrer müssen den Stoff so Vermitteln, das er auch Verständlich ist
2. Nicht beschulbare / nicht gymnasialfähige schüler mussen vom Gymnasium entfernt werden (wie auch immer, und auch gegen eltern-willen)

Lykurg
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Do 19. Jan 2006, 20:05 - Beitrag #12

Ipsissimus, die von dir dargestellte Sicht ist sehr beeindruckend. Ich rege mich oft genug innerlich über das auf, was ich auf den Handouts von Kommilitonen sehe (und das sind dann ja schon die mit einem gewissen Mindesteinsatz); aber einen solchen Überblick gewinnt man daraus natürlich nicht. Ganz klar ist, daß zur Entwicklung einer guten Rechtschreibung eben die Abforderung einer ununterbrochenen Textproduktion gehört, gekoppelt mit einem entsprechenden Lesepensum. So unangenehm das auch für den Schüler ist, nazgul hat schon Recht: Friß oder stirb; und die eigentliche Absicht ist ja nun wirklich das Lernen fürs Leben. "Lebenslanges Lernen" ist schön und gut, aber sollte bitte nicht vorwiegend die Grundkompetenzen betreffen.^^

Maurice, etwas genauere Lektüre meines Beitrags hätte die Informationen vielleicht geliefert:
... Fächer, die tatsächlich einen Teil (!) der Zeit Diskussionen Raum geben sollten, also Religion/Ethik/Philosophie und Sozialwissenschaft/Gemeinschaftskunde.
Das liegt für mich daran, daß gerade hier der Austausch der Schüler untereinander von Bedeutung ist, jedenfalls in Religion/Ethik meist ohnehin eher "weiche" Lehrinhalte vermittelt werden, die dann gut genutzt werden können, das mE unerläßliche Training zum freien Sprechen nicht völlig unter den Tisch fallen zu lassen. (Hier könnten aber auch Kurzreferate mit minimaler Vorbereitungszeit Wunder wirken.)

Und ich forderte ausdrücklich, was bei nazgul und dir nicht wieder auftaucht, daß man auch Nichtgymnasiasten die regelmäßige Produktion kurzer Aufsätze abverlangen sollte. Das Herausbilden und Begründen einer eigenen Meinung sollte mE auf keinen Fall auf die 'Elite' beschränkt sein. Wir brauchen mündige Bürger in allen sozialen Gruppen.

Padreic
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Do 19. Jan 2006, 21:35 - Beitrag #13

@Maurice:
Mir selbst lag dieser Teil der Klausuren [eigene Meinung vertreten] und hat mir auch am meisten Spaß gemacht.

Mir eigentlich nicht. Ich will kurz ausführen, warum, um es über ein persönliches Empfinden hinaus zu heben.
Es ging immer recht gut, wenn es Themen waren, mit denen ich mich vorher schon auseinandergesetzt hab; dann hab ich ungefähr das geschrieben, was ich mir vorher schon gedacht habe und es ein wenig zum Thema in Bezug gesetzt wurde. Aber wenn man plötzlich einem Text mit einem Inhalt gegenübersteht, der einem neu (und nicht-trivial) ist, was macht man dann? Für eine vernünftige Meinungsbildung reichen die drei Stunden einer Klausur einfach nicht aus, ich find das schwer genug, auch wenn ich eine Woche Zeit hab (Jahre sind da wohl ein vernünftigerer Zeitraum oder vielleicht Wochen bei sehr intensiver Beschäftigung). Dann hab ich mir eben irgendwas aus den Fingern gesogen, irgendwelche Kritikpunkte fabuliert, die ich in einer vernünftigen Diskussion so oftmals nicht unterschrieben hätte.

Was du in deinem Beitrag IMHO nur unzureichend erwähnst, ist, dass es noch etwas drittes zwischen 'eigene Meinung bilden/darstellen' und 'nachbeten' gibt: Gedankengänge verstehen. Und das ist eine Sache, die mMn ungeheuer wichtig ist zu lernen. Von da wird das eigenständige Denken quasi von selbst anheben, denn, wenn man versucht, den Kant richtig zu verstehen, dann wird einem irgendwann vielleicht auch mal auffallen, dass man bestimmte Sachen daran einfach nicht verstehen kann, und kommt dadurch zur Kritik.
Es gibt nämlich nicht nur das eine Unwesen, dass Leute keine eigene Meinung entwickeln können und immer nur Zitate liefern/nachbeten, sondern auch das andere, dass man Meinungen ohne Tiefe hat, wie schon gesagt wurde. Und das kann man eben nicht nur durch Wissen ändern, sondern vor allem auch durch das echte Verstehen von Meinungen und Argumentationsgängen, die wirklich tief sind.
Dadurch werden auch erst wirklich gute Diskussionen möglich, eben dadurch, dass man lernt, den anderen wirklich zu verstehen, auch wenn seine Gedankengänge deutlich von den eigenen abweichen oder komisch erscheinen.
Das Eintauchen in die Gedankengänge der großen Philosophen hat mich in Philosophieklausuren und -hausarbeiten auch immer am meisten fasziniert. Und IMHO sollte auch darauf in der Schule großen Wert gelegt werden, auch wenn das viel Zeit verbraucht und immer die Gefahr besteht, dass man nur nachplappert [weshalb man immer Texte von verschiedenen Autoren mit verschiedenen Meinungen durchnehmen sollte] oder dass es zu voreilig kritisiert. Was beides oberflächlich ist.... ich will aber auch nicht ausschließen, dass die meisten Menschen nur sehr schwer dazu zu kriegen sind, nicht-oberflächlich zu denken.

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Fr 20. Jan 2006, 15:55 - Beitrag #14

So gesehen, stehen wir anscheinend vor einem Scherbenhaufen der Bildungspolitik der letzten 30 Jahre, seit 1975 etwa...

Woran das liegt? Am "Material" der Schüler, liest man.
Begabung, so wissen wir heute, wird etwa zur Hälfte durch Anlagen und durch die Förderung oder Hemmung durch die Umwelt gesteuert. Geht man von der Überlegung aus, daß die früheren gesellschaftlichen Eliten nicht von ungefähr entstanden, sondern durch Selektion nach Begabung sich rekrutierten, so überrascht die Malaise keineswegs - das Gymnasium Ende der 60er Jahre vereinigte somit den fähigen Anteil der Schülerschaft, gleichbedeutend mit der Fähigkeit des Elternhauses, das Schulgeld zu bezahlen. Die Hereinnahme von Schülern aus unteren gesellschaftlichen Schichten konnte da nur zu einer Absenkung des Leistungsniveaus führen.
Ein Gedankengang, der die Wirklichkeit nicht ganz falsch beschreibt, gleichfalls von großer sozialer Sprengkraft, reaktionär geradezu, ist, so daß ich ihn mir nicht zu eigen mache.

Gewiß ist es so, daß Begabung eine vererbbare Komponente hat, auch kann man sich vorstellen, daß unter materiell besseren Bedingungen die Förderung der Kinder besser ausfällt.
Der Umkehrschluß, daß demnach Kinder aus ärmeren Schichten weniger begabt sind, ist auf den Einzelfall bezogen jedoch falsch, und das Verweigern von Bildungsschancen IMHO ein Verbrechen.

Letztlich im Abbau struktureller Bildungshindernisse den alleinigen Grund für den Niedergang des Gymnasiums zu sehen, greift IMHO ebenfalls zu kurz, andere Ursachen spielen hier mit hinein, und es muss die Frage erlaubt sein, wo wir jetzt stünden, hätte es die Reformen der 70er Jahre nicht gegeben.

Die Situation in den 70er Jahren war nicht nur gekennzeichnet durch eine ungleiche Verteilung von Bildungs- und Aufstiegschancen in der Gesellschaft, sondern auch durch einen absehbaren Wandel in der Arbeitswelt, neue Qualifikationen wurden zunehmend nachgefragt, die nicht im Wege der Berusausbildung durch Lehre zu bewerkstelligen waren.
Ein Gymnasium, das den Bedarf an zukünftigem akademischen Nachwuchs an den Universitäten plus ein paar Leute für Leitungspositionen in Verwaltung und Wirtschaft sowie Lehrern deckte, passte nicht mehr in die Zeit.

In meinen Augen waren die Reformen notwendig, ob sie richtig durchgeführt wurden, ist sicher zu fragen. Ich habe aber, und damit bewege ich mich hier auf Glatteis^^, das Empfinden, daß die Probleme durch Änderungen im Aufwachsen der Kinder verstärkt, wenn nicht wesentlich verursacht wurden, konkret durch die Durchsetzung des Fernsehers im kindlichen Alltag, parallel dazu die Verdrängung des Buches.
Dieses Medium ist in meinen Augen verantwortlich nicht nur für den Verlust an gedanklicher Vorstellungskraft, sondern auch für den Verlust an Konzentrationsvermögen. Daß wer nicht liest und schreibt, auch die Rechtschreibung schwerer verinnerlichen kann, liegt dazu auf der Hand.

Sicher, man soll das Kind nicht mit dem Bade ausgießen, zwei, drei mal Sesamstraße pro Woche schaden sicher nicht, auch die Sendung mit der Maus und Löwenzahn waren oder sind gut gemeint und gut gemacht, aber die permanente Überflutung mit bewegten Bildern über Stunden, und das teils schon im Kindergartenalter, konnte IMHO nicht folgenlos bleiben.

Was die Lehrmethoden und ihre Ergebnisse betrifft, über die Diskursfähigkeit einer Gymnasialen Oberstufenklasse 1965 sollte man sich IMHO nicht zu vielen Illusionen hingeben. Wohl aber waren faktische Grundlagen sicher breiter vorhanden und besser verankert als oft heute, der Grundstein, auf dem Einsichten und Meinungen reifen können.
Ob man deshalb zur damaligen Paukschule zurückkehren sollte, ich meine nein. Sicher muss vieles gelernt werden, auch auswendig, daran führt kein Weg vorbei. Aber die Lehrmittel heute bieten doch Möglichkeiten, den Lernstoff breiter zu verankern, als es mit reinem pauken möglich ist.
Lehrmittel, die allerdings richtig eingesetzt werden müssen. Didaktik ist gefordert, und daran fehlt es vielen Lehrern, und zunehmend der Lehrerausbildung - tragischerweise wird hieran gespart.

Ein weiteres Problem zuguterletzt - was soll gelernt werden?
Wir leben in einer Zeit der wachsenden Wissensvermehrung, Wissen entsteht da neu, das auch an den Schulen vermittelt werden muss. Man nehme nur mal das Fach Biologie - in den 70er Jahren langte es, Genetik mit den Mendelschen Regeln, Erbkrankheiten und dem Genbegriff im Sinne des "Ein Gen - ein Phän" abzuhandeln, alles weitere war nicht bekannt oder gerade so neu, daß es noch nicht relevant war.
Lernen zu lernen, lernen, sich in einer Welt ständig wachsenden Wissens auf dem Laufenden zu halten, wird zu einer Schlüsselqualifikation werden, der Schule jedoch - in keiner Weise gewachsen ist.

Ganz zum Schluss noch dieses: Wer über den Niedergang des Gymnasiums klagt, der werfe einen kleinen, ganz kurzen, Blick auf die Realschulen und Hauptschulen. Was sich dort anbahnt, die Krise derer, die nicht Elite sein können, nicht im Fokus auch nur irgendeines Bildungsstaatssekretärs stehen, keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft, die wesentlich sich als Arbeitswelt definiert haben werden, diese Krise ist die wahrhaft gefährliche, für unsere Gesellschaft, für unser Land.

Anaeyon
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Fr 20. Jan 2006, 16:35 - Beitrag #15

Elite setzt sich nicht auf bestimmten Schulen zusammen, sondern eher in bestimmten Familien. Ich sehe keinen Unterschied wenn ich mir das Gymnasium, welches ich 3 1/2 Jahre besucht habe und die Realschule anschaue.

Ich verallgemeinere mal: Elite ist dort wo Eltern wissen wie man Kinder erzieht. Für die ganzen trendsüchtigen Komapatienten ist Intelligenz ein Fremdwort, deren Einstellung erinnert mich ans Militär. Gewisse Hirnaktivitäten werden unterdrückt, man tut was befohlen wird.

Abgesehen davon das Hauptschulen für Elite wegfallen da diese meist zu 50% + Prozent mit schlecht oder gar nicht integrierten Ausländern voll sind, sind für mich Realschule und Gymnasium eine Art Auffangbecken für den Rest, in dem sich die kleine Elite gegen das dumme Schulsystem wehrt und deswegen schlechte Noten kassiert.

"Gelernt" hat man an Stoff genug wenn man die 9. oder 10. Klasse fertig hat, ab dann sollte man autonomes Denken üben und das nicht zu knapp. Was will ich mit einer PQ-Formel im Kopf, wenn ich es nicht mal schaffe, eine Diskussion ohne Schlägerei zu führen?
Das Schulsystem fordert Abschaum und lässt keine Pluspunkte für eigene Meinungen zu. Höchstens in der Verhaltensnote, und die interessiert nicht.


Bei uns motivieren nicht mal die motivierten Lehrer zum Selbstdenken. Brief an mich, als Antwort auf eine seitenlange Zusammenfassung meiner Meinung zu unserer Klasse:

"Ich sehe vieles genauso wie du und du schätzt die Lage sehr realistisch ein.

Was dich betrifft, so kann ich nur sagen, dass es meinerseits keinerlei Beanstandungen in Bezug auf Höflichkeit, Mitarbeit und Arbeitshaltung gibt. Es wäre sehr zu wünschen, dass dieses auch auf andere Mitschüler abfärben würde.
(...)
Wer es wirklich zu etwas bringt, werden wir in 10 Jahren sehen.
Ich möchte nur, dass jeder und jede von euch ein gutes Zeugniss mitnimmt im Sommer und dass ihr einigermaßen anständig miteinander und mit den Lehrern umgeht."

Tja, und das ist alles. Selbst in Ethik, in DEM Selbstdenkerfach schlechthin, in dem ich wohl die durchdachteste und am besten formulierte (und nichtmal radikale) Meinung habe, gibt es Leute mit besseren Noten, weil sie einfach das schreiben, was die Lehrerin so sinniert.

Man müsste den Schülern Lust auf Diskussionen machen, und diese auch professionell führen können. Da sowas aber nicht erst in der Oberstufe beginnen darf bin ich der Meinung das man konsequent von der ersten Klasse an die eigene Meinung "antrainieren" sollte.

Aber..was bringt eine eigene Meinung in unserer Gesellschaft? Welchen Arbeitgeber interessieren schon persönliche Werte, wenn man keine Spitzennoten á la Streber hat? Welchen Arbeitgeber interessiert eine Elite? Die könnten ihre eigene Meinung haben und wiedersprechen Bild

(tut mir Leid falls ich das Thema verfehle)


janw
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Fr 20. Jan 2006, 17:01 - Beitrag #16

Ana, was Ethik und dergleichen Fächer betrifft, hast Du recht, da muss diskutieren gelehrt und gelernt werden, keine Frage. Tragisch, wenn dann nur die Meinung gut benotet wird, die der Meinung des Lehrers nahekommt. :(
Ich hab mal etwas anderes erlebt, in einer Deutscharbeit. Hab irgendwie eine völlig abweichende Interpretation abgeliefert und war damit nicht ganz fertig geworden. Kommentar der Lehrerin, übrigens eine aus dem Philologenverband: "Das macht nichts, es reicht auch so."
Aber wahrscheinlich fühlen sich viele Lehrer überfordert, wenn sie 30 Arbeiten auf die Schlüssigkeit der Gedankengänge hin analysieren und danach benoten sollen. Dann doch lieber die Argumentation aus dem Lehrerband als Standard nehmen... :rolleyes:
Wobei ich auch mal für die Lehrer eine Lanze brechen muss, viele Schüler sind heute wohl wirklich schwer zu ertragen, viele Eltern erst recht, und was an Bürokratie zu bewältigen ist... Grund genug für mich, derzeit nur ein paar willige Erwachsene zu unterrichten.

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Sa 21. Jan 2006, 00:26 - Beitrag #17

Anaeyon, ich halte es vom Prinzip her für sehr viel schwieriger, sich als "Elite" zu verstehen und die Realschule zu wählen. Nicht, weil ich die Realschule für weit schlechter hielte - dafür fehlen mir jegliche Einblicke - sondern wegen der kaum vorhandenen Studienmöglichkeiten. Sicher, wenn es so etwas wie eine Elite noch gibt, dann dort, wo sich ein Elternhaus noch eine sorgfältige Erziehung und die zum Kind passende Schule leisten kann.

Tatsächlich wäre wohl eine Wiedereinführung bzw. stärkere Berücksichtigung einer Verhaltensnote ein nicht unwichtiger Verbesserungsansatz. Schließlich baut unsere Gesellschaft darauf auf, daß ihre Mitglieder miteinander auskommen können; die Anreize dafür sollte man früh genug setzen.

Zitat von janw: Die Hereinnahme von Schülern aus unteren gesellschaftlichen Schichten konnte da nur zu einer Absenkung des Leistungsniveaus führen.
Ein Gedankengang, der die Wirklichkeit nicht ganz falsch beschreibt, gleichfalls von großer sozialer Sprengkraft, reaktionär geradezu, ist, so daß ich ihn mir nicht zu eigen mache.
janw, ersteres sehe ich absolut nicht so, schließlich hat auch soziale Kompetenz für mich einen hohen Stellenwert, und der Erfahrungszuwachs durch die Durchmischung mit potentiellen Aufsteigern (was aber selbstverständlich entsprechende Begabung voraussetzt, nicht zur Erfüllung ideologischer Ziele nach einer Arbeiter-und-Bauern-Quote erfolgen darf) ist mE wichtig genug, daß man dafür gewisse Abstriche bei vorauszusetzender kultureller Allgemeinbildung [size=75](bei 'klassischen' Arbeiterkindern der 60er, etwas, was es wohl nicht mehr gibt] problemlos hätte machen können. Daß die Durchführung scheiterte, lag mit darin, daß man die Möglichkeiten der Schulen, ihre Qualitätsstandards wirkungsvoll durchzusetzen/zu halten, abbaute. Aufnahmeprüfungen und Schulverweis aufgrund ungenügender Leistungen wären - selbstverständlich auch für Oberschichtkinder - weiterhin nötig gewesen, um den schleichenden Kollapszu verhindern.

Zitat von janw: Gewiß ist es so, daß Begabung eine vererbbare Komponente hat, auch kann man sich vorstellen, daß unter materiell besseren Bedingungen die Förderung der Kinder besser ausfällt.
Der Umkehrschluß, daß demnach Kinder aus ärmeren Schichten weniger begabt sind, ist auf den Einzelfall bezogen jedoch falsch, und das Verweigern von Bildungsschancen IMHO ein Verbrechen.
Das ist doch überhaupt kein Umkehrschluß! Das ist einfach Unsinn! Selbstverständlich gibt es auch in ärmeren Schichten begabte Kinder, deren Förderung die Gesellschaft übernehmen muß. Und genau dort liegt für mich das eine der zwei Verdienste der 68er. Allerdings haben die Maßnahmen infolge oben genannter dilletantischer Durchführung nur bedingt Wirkung gezeigt: Der Niedergang der Schulen macht universitäre Aufnahmeprüfungen und härtere Einstellungstests notwendig, die - weniger kontrollierbar - diese Fortschritte teilweise zurücknehmen. Die Folge sind zwar gegebene Bildungschancen, aber nur ungenügend gesteigerte Berufschancen - auch keine schöne Lösung.

janw
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Sa 21. Jan 2006, 01:42 - Beitrag #18

Lykurg, mein erster Teil zwischen
Geht man von der Überlegung aus,

bis
Ein Gedankengang, der die Wirklichkeit nicht ganz falsch beschreibt, gleichfalls von großer sozialer Sprengkraft, reaktionär geradezu, ist, so daß ich ihn mir nicht zu eigen mache.

war etwas provozierend gemeint, hab das vielleicht nicht hinreichend deutlich gemacht. Ich gebe Dir vollkommen recht, interessanterweise war aber die Bildungsreform damals gerade bei der damaligen "Elite" alles andere als unumstritten, man bleibt halt lieber unter sich... "Soziale Kompetenz" - welch linkes Gefasel^^

Der Umkehrschluß ist natürlich Unsinn! War aber verbreitete "Denke" des "Establishments".
An dem Punkt war ich dabei, meine Maske abzunehmen...

Ja, die Reformen wurden miserabel umgesetzt, ich behaupte, u.a. weil maßgebliche Kräfte sie nicht wirklich wollten.
Ich habe noch im Ohr, wie auch Vertreter des Philologenverbandes von "sozialistischer Gleichmacherei" und synonymem sprachen.

Besonders geärgert hat mich dann vor ein paar Jahren, daß Herr Schröder Lehrer als "faule Säcke" beschimpfte.

Lykurg
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Sa 21. Jan 2006, 02:03 - Beitrag #19

janw, das sah ich sehr wohl, dein Marker "reaktionär" war kaum zu übersehen. Ich hatte aber - was wenig überrascht - mit der Aussage größtenteils keine Probleme, wies daher nur das zurück, was mir nicht tragbar schien, und übernahm den Rest dankbar.^^ Nein, nicht nur der Umkehrschluß ist Unsinn, da habe ich mich falsch ausgedrückt, sondern auch schon dessen Bezeichnung als Umkehrschluß - das meinte ich. Daß der Widerstand des 'Establishments' gegen die Reformen heftig war, ist mir so bewußt wie aus der Situation heraus selbstverständlich; du kannst aber meine Erklärung des Scheiterns unmöglich damit in Verbindung bringen, denn mE handelt es sich dabei um eine Übererfüllung der Ziele. Den Arbeiterkindern den Aufstieg zu ermöglichen, wäre ein unbedingt anerkennenswertes Unternehmen gewesen; der damit verknüpfte Versuch, die gesamte Gesellschaft umzukrempeln und letztlich den Wert der Bildung stark zu reduzieren, war aber keinesfalls förderlich. Die Äußerung des Philologenverbandes ist ohne Kontext weitestgehend wertlos. Schröders Äußerung dagegen ist natürlich per se schlecht. :P

*besorgt zum Thema schiel* Vielleicht sollten wir doch lieber auf Maßnahmen zurückkehren, statt uns in unserer Deutungshoheit über die Geschichte zu suhlen.^^

janw
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Sa 21. Jan 2006, 02:25 - Beitrag #20

Gut, ja, die Berechtigung des Wortes "Umkehrschluss" ist sicher fraglich in dem Zusammenhang - wobei die Verknüpfung Zugehörigkeit zu unterer Schicht - "dumm" für mich historisch gesehen eine gewisse Berechtigung hat, weil in meiner Verwandtschaft mindestens ein Abkömmling der Arbeiterschicht mir gegenüber geäußert hat, er sei in seiner Jugend als Arbeiterkind eben aufgrund dieses Arbeiterkind-Seins automatisch als dumm und unbegabt bezeichnet worden, geradezu gebrandmarkt. Diese gedankliche Verknüpfung hat also bestanden, in dem konkreten Falle um 1930, aber möglicherweise noch deutlich länger.

Werd demnächst mal meinen Bettkasten aufräumen, da ist allerlei politische Propaganda der letzten 20 Jahre versammnelt. Vielleicht fällt mir dann das Philologen-Zitat wieder in die Finger...

Aber erstmal sollten wir die Detung der Gechichte den Helmuts der Welt überlassen^^

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