Bundesweites Kernabitur

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Traitor
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Sa 22. Okt 2011, 11:45 - Beitrag #1

Bundesweites Kernabitur

Mal ein interessanter Vorschlag, der da von einem gewissen "Aktionsrat Bildung" in die Welt gesetzt wurde: es soll ein deutschlandweites "Kernabitur" geben.

Der ganz große Wurf, ein Schritt zur echten Vereinheitlichung unseres balkanisierten Bildungswesens, stellt der Vorschlag aber leider nicht ansatzweise dar, denn es soll nur um 10% der Gesamtnote gehen und nur Mathe, Deutsch und Englisch abgefragt werden. Dafür sollen die Klausuren dann aber knallhart an einem einzigen Tag durchgezogen werden, was sicher nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen führen würde.

Und eine eher dämliche Idee ist es auch, hunderttausende Klausuren zentral von einer einzigen Stelle korrigieren zu lassen. Oder vielleicht ist das ja genau die große Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die unsere Konjunktur braucht...? ;)

Vielleicht kann so ein Vorschlag aber mal wieder Bewegung in die generelle Bildungszentralisierungsdebatte bringen. Für mich wäre es ja ganz einfach: alle Länderspezifika abschaffen, zumindest bei den Abschlüssen, idealerweise aber im Gesamtsystem.

janw
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Sa 22. Okt 2011, 12:34 - Beitrag #2

Ich bin ganz grundsätzlich hin- und hergerissen, was das Zentralabitur betrifft: Wir haben eine föderal organisierte Bildungslandschaft mit von Land zu Land wechselnden Stoffkanons, meines Wissens auch in den abiturrelevanten Fächern, dazu wechselnde Durchlässigkeiten zwischen Realschule und Gymnasium, denen ein Zentralabitur nicht gerecht würde. Ich kann mich noch erinnern, daß es für meine Lehrer damals nicht einfach war, die richtigen Schwerpunkte zu setzen, wo sie nicht wussten, welche ihrer Vorschläge angenommen würden, die zunehmende landesweite Zentralisierung macht dies nicht einfacher. Zugleich gehen in diesem Zuge Spielräume verloren für individuelle Unterrichtsgestaltung. Wenn die Zentrale New-Science-fixiert ist, fällt die Ökologie und Formenkenntnis auch bei entsprechend engangierten Lehrern im Unterricht zwangsläufig zurück.
Dabei ist meines Wissens bisher nicht bekannt geworden, daß bzw. wie weit sich die Verwendbarkeit der Abiturienten im Zuge der bisherigen Zentralisierungen verbessert habe.

Von daher denke ich, daß es besser wäre, erstmal die Schullandschaften so weit zu vereinheitlichen, daß Schüler, die von einem Bundesland in ein anderes ziehen, keine Nachteile zu erleiden. Für das Abitur würde es mE genügen, einheitliche Stoffkanons mit verbindlichen und fakultativen Bereichen festzulegen, die dann landesweit zentral geprüft werden.
Und dann sollte das Bachelor-Master-System wieder zum alten System zurück gedreht werden, zumindest der Bachelor verbessert werden, so daß das Regelstudium wieder zu brauchbaren Abschlüssen führt.

Ipsissimus
Dämmerung
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Sa 22. Okt 2011, 16:42 - Beitrag #3

ich denke auch, dass das Abitur als Spitze der Vorausbildung der falsche Ort ist, um mit der Vereinheitlichung zu beginnen. Erst mal wären einheitliche Curriculi notwendig, dann eine Vereinheitlichung der Lehrerausbildung - bevorzugt auf hohem Niveau - und eine Vereinheitlichung der Ausstattung mit Lehrmitteln.

Auch würde meines Erachtens eine Rückkehr der früheren Drill-basierten Methodik Wunder wirken, auch wenn die damals oft damit verbundene Brutalität gern in der Mottenkiste bleiben darf

Lykurg
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Sa 22. Okt 2011, 17:58 - Beitrag #4

Der Vorschlag klingt ziemlich chinesisch - ich war eigentlich bisher froh, daß wir eben nicht diese große landesweite einheitliche Prüfung haben; gerade in der Unterschiedlichkeit der Stoffe und Zugriffe durch Lehrer und Schüler gleichermaßen liegt meines Erachtens eine der ganz großen Stärken unseres pluralistischen Wissens- und Denksystems. Und daß drei große Prüfungen an einem Tag wirklich heftig sind, keinesfalls aber Vergleichbarkeit sicherstellen, liegt auch auf der Hand. Wie geht man mit spontan Erkrankten um, müssen die trotzdem schreiben, kriegen sie später eine Extraklausur oder werden sie bis dahin kaserniert? Bild

Mehr Mut zu frontalen Unterrichtsformen wäre je nach Lehrinhalt sicher wünschenswert. Wir haben viele Schulstunden mit Diskussionen vergeudet, bei denen wenig herauskam, aber auch ohne dabei vernünftig zu diskutieren zu lernen. Und meine Schule galt schon als gut.

Maglor
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So 23. Okt 2011, 19:59 - Beitrag #5

Von den bereits existierenden landesweiten Abituraufgaben habe ich bisher nur schlechtes auch nur gehört.

Eigentlich geht es um eine zusätzliche zentrale Prüfung für die angeblich wichtigsten Fächer Deutsch, Englisch und Mathe.
Der tollkühnste Plan zu diesem Kernabitur übertölpelt jedoch alles: Die Durchführung als Multipible-Joice-Test!

Ansonsten glaube wird die Sache mit den 10 % des Endschnittes ohnehin niemand weiter beachten. Am Ende schauen ohnehin alle auf diesen Endschnitt. Wie die Note zusammenkommt, verstehen ohnehin die wenigsten. Es wäre sicher ein interessanter Test für die Abiturienten ihren Notenschnitt selbst zu berechnen. ;)

Ipsissimus
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Di 25. Okt 2011, 15:14 - Beitrag #6

ich spreche ja nicht davon, alle Schultypen zu vereinheitlichen. Aber warum Schüler in Hessen was anderes lernen sollen als Schüler des gleichen Schultyps und der gleichen Klassenstufe in Niedersachsen erschließt sich mir nicht wirklich.

Traitor
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Sa 29. Okt 2011, 11:21 - Beitrag #7

@Jan: Die föderale Organisation ist ja eben das Problem. Im Gegensatz zu machen anderen Bereichen, in denen man sagen kann, dass z.B. Wirtschaft oder Verkehr eben lokale Besonderheiten haben, denen die Länderebene einfach besser gerecht werden kann, ist mir bis heute kein gutes Argument bekannt, das rechtfertigt, dass Bayern anders und Anderes lernen sollen als Hamburger. Zumal heutzutage die Mobilität nach dem Schulabschluss so groß ist, dass die diskriminierenden Effekte der Unterschiede bei der Hochschulzulassung und Jobsuche jedes vielleicht doch vorhandene solche Argument locker übertreffen.
Genaugenommen wären mir zentrale Abiturrichtlinien, nach denen jede Schule ihre Prüfungen weiterhin (bzw. je nach Land wieder) selbst durchführt, mit nachgelagerten zentralen Kontrollstellen (evtl. nur auf Anruf), aber auch lieber als ein echtes Zentralabitur, da ich im Gegensatz zu den Ländern den Schulen wiederum die von dir gewünschte Schwerpunktsetzung durchaus zubillige. Insbesondere, weil in den meisten Gegenden die Schüler/Eltern sich ja eine Schule mit genehmen Schwerpunkten aussuchen können, während ein gezielter Landeswechsel nur in wenigen Grenzlagen realistisch ist.

Bachelor/Master ist eine ganz andere Frage, die mit den Schulen nichts zu tun hat, und ein Zurückdrehen definitiv nicht mehr realistisch. Ein Abrücken gerade von "der Bachelor muss vollwertig sein" wäre für mich übrigens der wichtigste Reformschritt, dazu aber im Zweifel einen Extra-Thread.

@Ipsi: Ja, das Hochziehen neuer "Bundesklassen" von 7 oder vielleicht 10 hoch und dann erst für diese Jahrgänge erstmals Zentralprüfung (oder besser nur zentralisierte Prüfung, s.o.) wäre definitiv besser, als fast fertigen Jahrgängen plötzlich ein neues Prüfungsformat vor die Nase zu setzen.
Mehr Drill, je nach Fach, gerne. Aber natürlich in Maßen, und bitte ohne Verlust der neueren Methoden, sondern entweder in Ergänzung zu oder im Wechsel mit diesen.

@Maglor: Ja, die bisherigen Landeszentralumsetzungen waren furchtbar dilettantisch. Was da an falsch gestellten Aufgaben so durchrutschte, man könnte meinen, die hätte sich ein einzelner Ministerialer alleine ausgedacht und niemandem zum gegenlesen gegeben.

Notenschnittberechnen wurde bei uns recht viel praktiziert, sowohl im Nachhinein zur Kontrolle, ob man nicht betrogen wurde, als auch im Voraus, um genau zu wissen, ob sich ein Mehraufwand überhaupt noch lohnt. ("Wenn die Endnote bis aufs erste Nachkomma ja eh schon feststeht und die Nachprüfung daran nichts mehr ändert, kann ich auch die Nacht durchmachen und im Vorbereitungsraum einschlafen.") ;)


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