Bildungsreform(en)

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e-noon
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Mi 23. Nov 2011, 00:18 - Beitrag #1

Bildungsreform(en)

Bildungsreformen sind in aller Munde. Wie aber könnte so eine Reform aussehen? Was wäre zu reformieren, wo soll es hingehen?

Ich will einmal versuchen, zu sammeln, und würde mich über viele Vorschläge und Meinungen zu diesen freuden.

Über den ersten Punkt werden wir uns sicher alle einig sein - kleinere Klassen, mehr Lehrer/Dozenten/Wissende. Begründung: Lehrperson ist weniger überfordert, kann individueller reagieren und Aufgaben gezielter abstimmen; insbesondere in den Fremdsprachen ist der so wichtige Redeanteil pro Schüler größer. Für Studenten: Mehr Sitzplätze ;), freiere Seminarwahl, keine Studienverzögerung durch Abweisung in überfüllten Seminaren.

Dann sollte Bildung natürlich weiterhin für alle erschwinglich sein - in NRW und Hessen wurden die Studiengebühren wieder abgeschafft, irgendwo gibt es sie wohl noch. Das ist ein ziemlicher Nachteil für Studenten in den jeweiligen Bundesländern. Auch gibt es Einzelfälle, in denen Schülern der Besuch der Oberstufe durch finanzielle Motive erschwert wird - das gilt es sofort abzuschaffen.

Desweiteren fände ich sinnvoll, überflüssige Bildungshürden abzuschaffen - wozu braucht ein Philosophiestudent das Latinum? Machen wir uns nichts vor, eine inhaltliche Begründung gibt es nicht, denn die wenigsten der Menschen, die ihr Latinum an der Uni nachholen, können im Anschluss tatsächlich Latein. Dass wir uns nicht missverstehen, ich finde Lateinkenntnisse sehr sinnvoll, diese werden aber im Latinum in so wenig nachhaltiger Form erworben, dass man es auch gleich sein lassen und den Studenten die unsägliche Pein ersparen kann. Ich sage das als jemand, der Latein sehr mag und auch jedem raten würde, als zweite Fremdsprache Latein zu wählen. Genausowenig braucht man übrigens ein Graecum für das Studium des Lateinischen, auch wenn ich hier geneigt bin, ein 'wenn schon, denn schon' gelten zu lassen.

Dann sollte man einmal grundsätzlich über den Fächerkanon reden - die völlig unzureichende Ausbildung der Lehrämtler lasse ich einmal außen vor und sage, dass an der Schule Sport ersatzlos gestrichen werden sollte (die anderthalb Stunden pro Woche, von denen die Schüler schwitzend und gedemütigt wiederkehren, halten keinen Schüler gesund - lieber AGs ausbauen).
Kunst sollte in der Unterstufe meinetwegen unbenoteter Malunterricht sein (dann aber nur eine Technik und die dann richtig) - ab der Mittelstufe kann es Kunstgeschichte und Bildinterpretation sein, aber nicht mehr das Malen nach Zahlen bzw. Gutdünken, das es bei uns war.
Es sollte zudem ein Fach geben, in dem einerseits auf das praktische Leben vorbereitet wird (Bewerbungen schreiben, Kontoauszüge lesen, Steuererklärung ausfüllen...), andererseits Grundzüge demokratischer Beteiligung vermittelt und auch geübt und diskutiert werden sollten (Wahlzettel herumreichen, Parteiprogramme diskutieren, Menschenrechte durchaus auch in concretu und im einzelnen ansprechen etc).

Fallen euch noch Dinge ein, die ihr wichtig findet?

Lykurg
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Mi 23. Nov 2011, 11:31 - Beitrag #2

Bildungsreform - schulisch oder universitär? Hier sind natürlich Aspekte von beidem, manches läßt sich auch schwer trennen, aber teilweise sind es doch deutlich unterschiedliche Problemstellungen.

Zum Lehrerbedarf sind wir klar einer Meinung; mehr Lehrer können jedenfalls viele Probleme lösen oder reduzieren helfen. Teilweise braucht man wohl einfach bessere, und da gibt es massive Defizite in der Ausbildung. Gerade im Lateinunterricht hörte ich da gerade Ärgerliches: In Hamburg wird im LA-Studium auf Pädagogik ein solches Übergewicht gelegt, daß die Sprachkenntnis darunter leidet. Infolgedessen stellen Hamburger Schulen nach Möglichkeit keine in Hamburg ausgebildeten Lateinlehrer ein, sondern importieren sie. Ein Unding! Grundsätzlich erwarte ich von einem Lehrer fachliche Kompetenz; es ist zwar wichtig, daß er Schwächen seiner Schüler erkennt und auf sie eingehen kann, aber wenn Schüler merken, daß ihr Lehrer Grundlagen seines Faches nicht beherrscht, ist das überaus frustrierend (ok, kann auch mal lustig und irgendwo sogar fruchtbar sein, aber auf Dauer ist das kein Zustand, wenn ich da an meine Geschichtslehrerin in der 9. denke...^^).

Aber zur Notwendigkeit des Lateinischen in geisteswissenschaftlich-historisch orientierten Fächern bin ich fundamental anderer Meinung als du. Es irritiert mich schon zur Genüge, wenn Kommilitonen in der Germanistik sich bei lateinischen Texten völlig ahnungslos anstellen - für den Umgang mit Texten bis weit in die Neuzeit hinein ist das eine immer wieder abgeforderte Sprachkompetenz, wir haben es immer wieder mit zweisprachigen Texten zu tun (etwa Dramen, in denen die Nebentexte selbstverständlich lateinisch sind), oder Literatur (und erst recht wissenschaftliche Texte) des deutschen Sprachraums, die auf Latein verfaßt wurden. Noch wichtiger scheint es mir aber für die Philosophie, wo zentrale Primärtexte im Original lateinisch sind. Gerade dir dürfte doch auch dank deiner Essays und aus Übersetzungserfahrung bewußt sein, wieviel bei Übersetzungen verlorengeht bzw. erst beim Blick ins Original klar verständlich wird. Ich sehe natürlich auch, daß man in der Anwendung, wenn man sich mit neuzeitlichen Philosophen befaßt (aber auch dann nur mit einigen!), sich auf lebende Sprachen (oder gar nur das Deutsche) beschränken kann. Für meinen Anspruch an das Studium als Vermittlung einer geistigen Gesamtheit möchte ich hier aber keine Abstriche machen. Ein Philosophiestudium ohne Latinum wäre für mich eines zweiter Klasse (das Graecum will ich hierfür erst einmal nicht anbringen - wer aber klassische Philologie studiert, wird selbstverständlich auch sein Graecum unbedingt benötigen, und auch für einen Lateinlehrer halte ich das für wichtig).

Zu Kunst teile ich deine Einschätzung völlig, Kunstgeschichte hätte ich sehr gern als Fach gehabt, im Sinne eines allgemeinen Kulturverständnisses. Sport hab ich zwar gehaßt, aber deswegen darauf zu verzichten? Für viele ist es über Jahre der einzige Bewegungsimpuls, jetzt mit Wegfallen der Wehrpflicht (bzw. des Zivildienstes) etc. entfällt damit ein für die körperliche Entwicklung relevantes Element. Besonders ärgerlich am Sportunterricht ist dessen Regellosigkeit, die Selbstverständlichkeit, mit der gerade dort (aufgrund des Unbeobachtetseins in den Umkleiden, aber auch beim Warten auf Laufbahn und Sprunggrube, auf der Weite des Fußballfeldes oder wai, natürlich auch bedingt durch das direkte Kräftemessen) Mobbing und aggressive Verhaltensweisen sich ausleben. Schwierig, seinen Umgang damit zu finden; vielleicht spricht dies tatsächlich für eine Abschaffung, aber ich sehe da ein gesundheitliches Problem.

Grundzüge politischer Bildung sollten ja in GMK erfolgen; Ausfüllen von Steuerformularen u.ä. wird an Haupt- und Realschulen teilweise beigebracht, allerdings finde ich es ärgerlich, darauf Zeit zu verschwenden, wenn sich die Formulare eh regelmäßig ändern bzw. hoffentlich endlich einmal eine wirklich große Steuerreform (=Totalumbau, etwa nach Kirchhof) stattfindet. Menschenrechte wurden bei uns in Geschichte, Ethik bzw. Religion besprochen, auch in GMK, glaube ich, das war jedenfalls ein großer Topf für alles mögliche, was nicht wirklich heißt, daß man sich die Sachen gemerkt hätte.

Studiengebühren sind meines Erachtens ein seperates Thema, das kann ich schlecht in zwei Sätzen abhandeln, es sei denn, sie würden recht lang. Ich kann mir durchaus faire, soziale und wirkungsvolle Systeme auf Basis von Studiengebühren vorstellen, wenn eine wirksame Form der Stipendierung und zinslose Kreditvergabe erfolgt. Die bisherigen Versuche hier waren noch nicht zufriedenstellend, aber das komplett kostenfreie Studium kann seinerseits mit einigem Recht als unsozial betrachtet werden. Entscheidend ist aber jeweils, wie man es umsetzt.

e-noon
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Mi 23. Nov 2011, 11:55 - Beitrag #3

Wenn es tatsächlich um gesundheitliche Aspekte geht, dann müsste jeder Leistungsgedanke im Sportunterricht sofort abgeschafft werden bzw. in den freiwilligen Bereich verlegt werden. Ein übergewichtiges, untrainiertes Kind, das gezwungen wird, 800 Meter am Stück zu laufen, so schnell es kann, und dann zu kotzen, wird wohl eher für sein restliches Leben eine hasserfüllt-vermeidende Haltung zum Sport bekommen. Mein Unterstufensportunterricht sähe vor, dass der Sportlehrer möglichst viele Hobbies abdeckt, die eingeführt werden, mit der Vorgabe, dass jeder sich daran versuchen sollte, aber nicht muss. Es sollten möglichst viele Kooperationen mit örtlichen Vereinen geschlossen werden, die Schnupperstunden in Kampfkunst, Tanzen, Leichtathletik, Ballspielen, Schwimmen, Reiten usw. geben. Dadurch wird viel eher ein Anreiz geschaffen, sich auch außerhalb des schulischen Rahmens mit Freude zu bewegen, was eine viel bessere Voraussetzung für körperliche Gesundheit und Fitness ist, als sich einmal in der Woche widerwillig beim Federball oder Langlauf so gut es geht zu drücken. Für die Fitness ist einmal in der Woche Sportunterricht so gut wie kein Verdienst, denn man kann sehr häufig einfach 'mitlaufen', sich nicht anstrengen, und wenn doch, gleich überanstrengen, was auch nicht gut ist.

Soviel zum Sport, der Rest folgt.

Lykurg
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Mi 23. Nov 2011, 12:05 - Beitrag #4

Anerkennen von Tanzen als Schulsportart! Tolle Idee :) - sowohl ästhetisch als auch als gesundheitliche und bewegungsorientierte Ausgleichshandlung! Und bei Einschluß entsprechend schneller Tänze und komplizierter Figuren sowohl in der Bewertung als auch als Erweiterung der körperlichen Leistungsfähigkeit sehr nützlich. Sollte man unbedingt breitflächig streuen!

blobbfish
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Mi 23. Nov 2011, 14:47 - Beitrag #5

Dem Sportunterricht insbes. in der Mittelstufe fehlt sicher auch die Theorie, wir haben in der Oberstufe im Sportunterricht auch Theorie praktiziert, was zumindest insofern nervig war, als dass man für Sport etwas tun musste. Das geht sicher auch in die Richtung Kunstgeschichte z.B. im Kunstunterricht oder auch Musikgeschichte im Musikunterricht.

Was deine 800-Meterläuferin angeht e-noon, auch Sportlehrer können Hausaufgaben aufgeben und wie man für Klausuren lernt, darf man auch für sportliche Prüfungen lernen. Kritisch ist dann nur der Punkt, wo ein Schüler an körperliche Grenzen stößt - andererseits interessiert das in normalen Fächern eigentlich auch niemanden.

Was Latein in der Universität angeht, so bin ich eher auf Lykurgs Seite. Ich finde Latein z.B. für Philosophen wichtig, ebenfalls auch Griechisch, für weitere Geisteswissenschaften wäre es zu diskutieren. Als Geisteswissenschaftler arbeitet man aber oft historisch, beim historischem Arbeiten ist es unabdingbar, Originalquellen konsultieren zu können. Als Anglist liest man Shakespear ja auch auf englisch, besonders dann, wenn man seine Worte in eine Wagschale werfen will, und wer wissenschaftlich arbeitet, will das. Das Problem am dzt. Latinum ist, dass man zu wenig Latein lernt. An unserer Universität sind die Kurse z.B. recht gut auf die Prüfungsanforderungen für das Latinum in Hessen zugeschnitten.

Ipsissimus
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Mi 23. Nov 2011, 15:22 - Beitrag #6

so früh wie möglich damit beginnen, zusätzlich zu konkreten Inhalten und Fertigkeiten zu lehren, wie man lernt, welche Formen des Lernens für welche Lernstoffe angemessen sind. Lerntechniken stoffabhängig anwenden - es gibt Stoffe, die müssen auf die harte Tour gedrillt werden, oder sie sitzen nie so, dass sie als Grundlage dienen können.

Davon abgesehen halte ich das Bildungssystem für das beste, welches die natürliche Wissbegierde von Menschen nicht beeinträchtigt, und so ein System kann nur als dauerhafter Prozess seiner eigenen Annäherung aufgefasst werden, sobald es statisch wird, verfehlt es sein Ziel.

e-noon
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Mi 23. Nov 2011, 15:55 - Beitrag #7

@blobbfish: Wofür ist es denn gut, Sporttheorie zu erwerben?

@Latinum: Ich streite nicht ab, dass Lateinkenntnisse für gewisse Studiengänge nützlich sind, ich streite ab, dass das Latinum etwas mit Lateinkenntnissen zu tun hat. Und damit beziehe ich mich nur auf das an der Uni in zwei bis maximal drei Semestern nachgeholte. In Geschichte mag es, je nach Bereich, ganz hübsch bis absolut notwendig sein, Latein (Griechisch, Persisch) zu beherrschen. Wer sich auf neuere Geschichte spezialisiert, wird eher französisch und englisch brauchen, wer Antike machen möchte, wird von selbst darauf kommen, dass es ohne Latein (und Griechisch) nicht funktioniert. Wer sich das Mittelalter vornimmt, ist mit Kirchenlatein weit besser bedient als mit einem klassischen Latinum. Wer Deutsch studiert, braucht es eigentlich nicht, es sei denn, er befasst sich sprachhistorisch mit den Übergängen vom Lateinischen zum Deutschen; analog ist Altenglisch für einen Anglisten lange vor Latein die Sprache der Wahl. Pauschal allen das Latinum abzuverlangen, halte ich für verfehlt. Selbst bei den Romanisten, denen Lateinkenntnisse eine wichtige Grundlage für das Verständnis der sprachlichen Entwicklungen legen, könnte ich dafür argumentieren, dieselbe Unnachgiebigkeit und Paukerei lieber auf die eigentlich gelernte Sprache zu verwenden, bei Englisch noch viel mehr - Ein Aussprachekurs würde wohl deutlich mehr Vorteile mit sich bringen als ein durchgehecheltes Latinum. Die Begründung ist hier nicht stringenter als etwa bei Mathe. Frühe mathematische Erkenntnisse sind auch auf Latein verfasst worden...

Ich bin natürlich für Lateinkenntnisse beim Studium des Faches Latein ^^ Um mal die Shakespeare-Analogie aufzugreifen.

Österreich übertreibt imo noch stärker. Latinum für Zahnärzte? Bei meinem Zahnarzt achte ich auf andere Qualitäten.

Ipsi, dein Wort zum Drill im Ohr der Didaktiker!

Zum Sport: Natürlich könnte man auch an seiner sportlichen Leistung arbeiten, aber ich sehe hierin keinen Bildungsauftrag der Schulen. Körperliche Ertüchtigung gehört für mich nicht zur Allgemeinbildung, Sportgeschichte fände ich relativ öde und irrelevant, und angesichts der Stofffülle und -breite des heutigen G8 fände ich eine Streichung des Sportunterrichts angemessen. Im Gegenzug sollte bzw. muss die zunehmende Ganztagesschule sportliche Angebote bereitstellen für diejenigen, die das wollen.

Lykurg
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Mi 23. Nov 2011, 18:53 - Beitrag #8

e-noon, natürlich meine ich auch, daß es richtige Lateinkenntnisse sein sollten und nicht nur ein Schnelldurchgang, an dessen Ende viele Teilnehmer kaum etwas behalten haben. (Aussprachekurs Englisch? Oder Aussprachekurs Englisches Latein?^^) Deswegen sind die Kenntnisse für mich aber nicht disponibel. Da ich aber den Studiengang nicht für diejenigen reservieren will, die Latein in der Schule hatten, brauchen wir irgendeine Form des verbindlichen nachträglichen Lernens - und das möglichst schnell zu Anfang des Studiums, denn dann werden die Kenntnisse ja auch gebraucht. Ist blöd, aber irgendwo ist mE auch, wer nicht dazu imstande ist, sich das Notwendige anzueignen, dort falsch aufgehoben. Ich hätte mich ja auch nicht für ein Physikstudium angemeldet. ;)

Wie dringend bestimmte Mediziner (insbesondere die tatsächlich wohl eher technischen Zahnmediziner) Latein brauchen, sollen die selbst beurteilen, ich enthalte mich dabei lieber. Jedenfalls saßen mir heute morgen in der Bahn drei davon gegenüber, die Muskeln und Sehnen paukten, fand ich lustig, einiges davon spontan zuordnen zu können, und wunderte mich über einen kleinen Fehler, den der eine mehrfach machte, ohne es zu bemerken. Bild

Ja, Ipsissimus, Arbeitstechniken wären wirklich eine wichtige Kompetenz, die bei uns nur bedingt vermittelt wurde. Und hinsichtlich eines teilweisen Frontalunterrichts in geeigneten Themenbereichen kommen wir sicher auch auf einen Nenner. Um Flexibilität haben sich unsere Lehrer sehr bemüht, in der Hinsicht habe ich meist gute Erinnerungen.

Padreic
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Mi 23. Nov 2011, 19:57 - Beitrag #9

Aus Sicht eines Lehrers (oder einer Anwärterin auf einen solche Beruf (eine solche Berufung?)) finde ich es einen sehr verständlichen Wunsch, die Größe der Klassen zu reduzieren - mir selbst ist es eher unangenehm, mehr als 15 Schüler zu unterrichten. Wenn man sich aus dem Reich der reinen Utopien herausbewegt, sollte man jedoch bedenken, dass eine Reduktion der Klassengrößen um auch nur einen einzigen Schüler größenordnungsmäßig eine Milliarde Euro im Jahr kosten dürfte. Das zwingt einen doch dazu, das Kosten-Nutzen-Kalkül noch einmal durchzugehen. Wenn kleinere Klassen nur Vorteile hätten, wäre ich noch gerne dafür zu haben - ein entscheidendes Problem ist jedoch der zu Verfügung stehende Lehrerpool. Z. B. ist es so, dass Physiklehrermangel herrscht - schon jetzt fällt deswegen zum Teil Physikunterricht aus. Würde man kleinere, also mehr Klassen machen, würde sich ein solcher Mangel vergrößern. Auch in anderen Fächern, wo der Mangel geringer ist (Mathematik, Latein,...), würde es zumindest dazu führen, dass man so ziemlich jeden Lehramtsanwärter nehmen muss [bei manchen erlebten Referendaren würde mich da das reine Grauen packen]. Mir ist nicht so ganz klar, ob nicht die Verschlechterung der durchschnittlichen Lehrerqualität die kleineren Klassen wieder ausgleichen würde....

Die momentanen Klassengrößen stellen, denke ich, das größte Problem da in den (lebendigen) Sprachen. Sprachen lernt man zum Gutteil durch Gespräch (mit einem die Sprache Beherrschenden). Dies findet in momentaner Unterrichtsform nur marginal statt... es dürfte mehr oder minder kostenneutral möglich sein, dies abzumildern. Ich denke, zu einem Drittel der Kosten eines Lehrers findet man Studenten, die entweder fragliche Sprache als Muttersprache oder aus anderen Gründen grob ähnlich gut beherrschen. Mit ein bisschen sprachdidaktischer Schulung dürften sie als Lehrkräfte mit einer Drittelklasse durchaus effektiver sein als eine professionelle Lehrkraft mit einer ganzen. Dabei könnte man die theoretischen Teile den Lehrern überlassen, Teile des Einübens aber auf die Studenten geben.

In einer Bildungsutopie würde ich individuelle Lernpläne für jeden Schüler sehen, die zum Teil aus gemeinsamen Unterricht (durchaus über Stufengrenzen hinweg), teilweise aus (durch Lehrer unterstützte) Eigenprojektarbeit bestehen würden - man dürfte (abgesehen von wirklich notwendigen Grundlagen) auch mal Unterricht durch Eigenbeschäftigung mit einem für einen selbst interessanteren Projekt ersetzen, um die Wissensbegierde nicht zu dämpfen... insgesamt setzte das aber eine Qualität der Lehrkräfte (und Schüler) und einen Betreuungsschlüssel voraus, der es wirklich zur Utopie macht.

Zu Lateinkenntnissen fürs Studium: für die Philosophie sollte man, wenn man Latein lernt, wohl auch Kirchenlatein lernen, da die lateinische Antike von nur geringer philosophischer Bedeutung ist. Die wichtigsten Sprachen für die Philosophie sind und bleiben aber Deutsch, Englisch und Griechisch.
Insgesamt will ich bemerken, dass man immer eine Auswahl treffen muss. Natürlich ist es für den Philosophen (z. B. ) nett, wenn er alle vier genannten Sprachen beherrscht, dazu vielleicht noch Französisch (von asiatischen Sprachen ganz abgesehen). Bei endlicher Zeit und endlicher Qualität des Studentenmaterials muss man jedoch immer eine Auswahl treffen. Insgesamt bedeutet meiner Meinung nach bei gleichem Zeitaufwand ein Philosophiestudium mit einem Latinum darin eine geringere Qualität als Philosophieausbildung als ein Studium ohne eine solche, da man diese Zeit beispielsweise für eine Kantlektüre nutzen kann.

blobbfish
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Mi 23. Nov 2011, 20:24 - Beitrag #10

Zitat von e-noon:@blobbfish: Wofür ist es denn gut, Sporttheorie zu erwerben?

Um etwa zu wissen, was man tun muss, um etwaige Ziele zu erreichen. Einerseits ist da der Bereich der Biomechanik, Mechanik am Körper funktioniert z.B. etwas anders. Regeneration ist ein Feld, aber auch generell der Energiehaushalt, wann gibt der Körper welche Ressourcen frei (aerobe,anaerobe Energiegewinnung).

Was den Bildungsauftrag in Bezug auf den Sportunterricht angeht: Es geht ja im Sportunterricht nicht nur darum, sich mal 90 Minuten in der Woche zu bewegen, sondern auch sportliche Fertigkeiten zu erlernen, etwa Laufen auf verschiedenen Distanzen, aber auch Erlernen von Sportarten, etwa Volleyball, Badminton und dgl..
Ob der geneigte Schüler vertieft, sei ihm überlassen, wie es ihm auch überlassen ist, den Faust zu vertiefen, indem er (privat) den Urfaust liest.

Zum Latinum: Für einen Lehrämtler mag das Latinum vielleicht nicht so essentiell sein, aber auch hier gilt: Ein Lehrer soll fundierte Hintergrundkenntnisse haben und da gehört Latein als eine Art Ursprache von gängigen Sprachen durchaus dazu. Abgesehen davon ist ein Abfallprodukt von Lateinlernen ein strukturiertes denken.

Wenn man danach fragt, ob man Latein braucht, wenn man einen Studiengang wählt, in dem man es brauchen kann, ist meiner Meinung nach schon etwas schief. Man sollte auch schon über den eigenen Tellerrand schauen. Es geht nicht nur darum, Fähigkeiten zu erwerben die man braucht, oder von denen man glaubt, man braucht sie, sondern auch Fähigkeiten zu erwerben, die man wahrscheinlich nicht braucht. Es handelt sich dabei um eine Diversität in den Fähigkeiten. Abgesehen davon ist es auch normal, wenn verschiedene Bereiche Berührungspunkte haben. Es steht auch zu bedenken, dass ein Verzicht eine Einschränkung der eigenen Möglichkeiten bedeutet.

Ein wesentliches Problem scheint mir die Zeit zu sein. Man soll immer mehr in weniger Zeit machen, siehe z.B. Lykurgs Einwand zum Latinum. Im Grunde sollten nach dem Latinum noch weitere Kurse angeboten werden, entsprechende Studiengänge so organisiert werden, dass man auch ohne oder mit schlechten Lateinkenntnissen sinnvoll studieren kann, bis man sie hat. Das Problem wird nur sein: Wenn man die Kurse anbietet, muss man sie zur Pflicht machen, weil 80% nicht hingehen, weil sie a) zuviel zu tun haben und b) man nur das macht, was man machen muss.

Besonders Punkt b) ist einer, mit dem wir an den Universitäten noch viel mehr zu kämpfen haben werden.

Zu lehren, wie man lernt ist sehr schön formuliert. Allerdings erfordert das auch Eigeninitiative, nämlich gelerntes auch anzuwenden. Für viele ist Wissen leider völlig von Anwendung befreit, die können dann zwar die schönsten Sachen kreieren, aber eigentlich nichts mit anfangen.

Padreic
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Mi 23. Nov 2011, 21:47 - Beitrag #11

Zwei kurze Anmerkungen noch:
1) Lernen lernen klingt gut; die an unserer Schule zu diesem Zweck angebotenen Methodentage fand ich aber nur beschränkt hilfreich... vielleicht bin ich bei so etwas auch einfach lernresistent ;).
2) Eine gewisse sportliche Allgemeinbildung zu haben, finde ich persönlich angenehm. Um an einer Sportart Spaß zu haben, ist es ganz sinnvoll, zumindest ein grobes Verständnis von Regeln und Grundtechniken zu haben. Dass ich das in Tischtennis, Badminton, Basketball, Volleyball und Fußball habe, ist u. a. auch (wenn auch, außer bei Basketball, nicht hauptsächlich) dem Schulunterricht zu verdanken. Fazit: ich halte den Sportunterricht in seiner jetzigen Form durchaus für ok.

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Fr 9. Dez 2011, 21:26 - Beitrag #12

Zitat von Padreic:dass eine Reduktion der Klassengrößen um auch nur einen einzigen Schüler größenordnungsmäßig eine Milliarde Euro im Jahr kosten dürfte.

Jedes Jahr werden etwa 45 Mia Euro für Bildung aufgewendet (80% Bund, 20% Kommunen). Gut, ein Großteil davon sind Personalkosten, aber ich denke, dass man sich 5 Mia Euro mehr für eine Höchstklassengröße von 25 Schülern irgendwie leisten könnte. Bei Grundschulen sind es ohnehin meist weniger, diese würden nicht betroffen sein und somit auch keine Mehrkosten verursachen. Deine Vorschläge bezüglich der Sprachencoaches als Studenten finde ich sehr sinnvoll.

Zitat von blobbfish:Was den Bildungsauftrag in Bezug auf den Sportunterricht angeht: Es geht ja im Sportunterricht nicht nur darum, sich mal 90 Minuten in der Woche zu bewegen, sondern auch sportliche Fertigkeiten zu erlernen, etwa Laufen auf verschiedenen Distanzen, aber auch Erlernen von Sportarten, etwa Volleyball, Badminton und dgl...


Zitat von Padreic:2) Eine gewisse sportliche Allgemeinbildung zu haben, finde ich persönlich angenehm. Um an einer Sportart Spaß zu haben, ist es ganz sinnvoll, zumindest ein grobes Verständnis von Regeln und Grundtechniken zu haben.


Eure Ansätze finde ich ganz sinnvoll, finde aber, dass der heutige Sportunterricht das in den seltensten Fällen leistet. Statt auf Wünsche der Schüler einzugehen und eine Bandbreite gesellschaftlich relevanter oder motivierender Sportarten einzuführen (neben dem obligatorischen Fußball, das ja zu Hauf vorkommt, zum Beispiel Tanzen, Reiten, (Synchron-) Schwimmen, Ballett, Klettern, Eishockey, Body Building, Diverse Kampfsporte wie Karate, Judo, Taekwondo, Taebo]
Lernen lernen klingt gut; die an unserer Schule zu diesem Zweck angebotenen Methodentage fand ich aber nur beschränkt hilfreich... vielleicht bin ich bei so etwas auch einfach lernresistent [/QUOTE]
Überflieger haben selten Bedarf danach, da sie auch mit einer Methode, die nicht ihrem Lerntyp entspricht, dennoch den anderen voraus sind. Mittlerweile wird im Lehramtsstudium aber ganz stark darauf eingewirkt, den Schülern Lernstrategien nahezubringen und bewusst zu machen.
Zitat von blobbfish:Um etwa zu wissen, was man tun muss, um etwaige Ziele zu erreichen.

Dazu reichen imo Tipps oder einige Einführungsstunden während des Sportunterrichts; man muss keine Klausuren darüber schreiben. Der Bildungsauftrag der Schule umfasst Allgemeinbildung, wie breit die sein muss, darüber kann man trefflich streiten, aber Sporttheorie gehört meines Erachtens nicht dazu und man wird die tieferen Hintergründe auch meines Erachtens nach der Klausur wieder vergessen und nur die Faustregeln, die man auch nebenbei unterrichten kann, nach der Schule vielleicht noch anwenden.

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Sa 10. Dez 2011, 23:20 - Beitrag #13

Angesichts der Schuldenbremse sollte eher von sinkenden Staatsausgaben (im Verhältnis zum BIP) auszugehen sein. Ich halte auch angesichts dessen steigenden Aufwand für die Bildung für sinnvoll. Man sollte sich aber die Größenordnung von 5 Milliarden Euro im Jahr vor Augen führen (ungefähr jedem Schüler jedes Jahr einen Laptop schenken...). Man könnte z. B. mehr Geld in didaktische Forschung und Erarbeitung von Materialien stecken. Mit fünf Milliarden im Jahr sollte es ein leichtes sein, Lehrern für eine Vielzahl von Situationen gute Lernmaterialien zur Verfügung zu stellen, die ihre Vorbereitung deutlich erleichtern, sogar mit deutlich weniger Geld. Das gleiche für so ziemlich alle anderen materiellen Wünsche, die man sich denken kann.

Wir mussten in Sport übrigens nie Klausuren schreiben, wir durften nicht einmal. Nur die Leute mit Leistungskurs hatten das. Das hat uns nicht davon abgehalten, in einem gewissen Rahmen Theorie zu machen. Ob sinnvoll oder nicht, mir hat's meist eher Spaß gemacht.

e-noon
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Sa 10. Dez 2011, 23:55 - Beitrag #14

Angesichts der Schuldenbremse sollte eher von sinkenden Staatsausgaben (im Verhältnis zum BIP) auszugehen sein.
Der Staat gibt mehr denn je für Bildung und Forschung aus (12 Mia sollens wohl nächstes Jahr sein?), allerdings zahlt eben der nicht für Bildung, das tun die Länder. Gut, die sind auch verschuldet, das kommt wohl auf das gleiche raus :D

Angesichts der Überforderung der heutigen Schüler fände ich es angemessen, nicht alles zu unterrichten, was irgendwem Spaß macht und/oder nicht schadet, sondern etwas rigidere Kriterien anzulegen und den Stoff etwas zu reduzieren und dabei bei den Dingen anzufangen, die garantiert 99,9% der Unterrichteten niemals brauchen werden und die nicht für zwingend notwendig im Rahmen einer umfassenden Allgemeinbildung erachtet werden.
(ungefähr jedem Schüler jedes Jahr einen Laptop schenken...).

Lustigerweise passiert genau das: Schulen werben damit, dass jeder Schüler einen Computer zur Verfügung hat (etwas, das jeder zuhause hat und mit dem Schüler in der Regel besser umgehen können als Lehrer), anstatt dass jeder eine angemessene Anzahl an Lehrkräften zur Verfügung hat. :rolleyes:
Mit fünf Milliarden im Jahr sollte es ein leichtes sein, Lehrern für eine Vielzahl von Situationen gute Lernmaterialien zur Verfügung zu stellen, die ihre Vorbereitung deutlich erleichtern, sogar mit deutlich weniger Geld.

In den Sprachen gibt es eine Überfülle an Material, die Auswahl ist das zeitaufwendige (und Anpassung und hinterher Korrektur etc.). Viel lieber wären mir die von dir vorgeschlagenen studentischen Hilfskräfte.

aimless
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So 11. Dez 2011, 15:47 - Beitrag #15

Zitat von e-noon:Lustigerweise passiert genau das: Schulen werben damit, dass jeder Schüler einen Computer zur Verfügung hat (etwas, das jeder zuhause hat und mit dem Schüler in der Regel besser umgehen können als Lehrer), anstatt dass jeder eine angemessene Anzahl an Lehrkräften zur Verfügung hat. :rolleyes:


Dem möchte ich vehement widersprechen. Nicht jeder hat einen PC oder gar eine Internet-Flatrate daheim. Natürlich vergisst man dies oft, wenn man ein Gymnasium besucht oder besucht hat, da diese Schulfom vorwiegend von priviligierte, gutsituierte Schüler und Schülerinnen besucht wird.

Eine ideelle und finanzielle Förderung durch die Eltern gilt im deutschen Bildungssystem als Voraussetzung für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Alles, was die Schule nicht leisten kann oder welches der/die Schüler/in nicht nachvollziehen kann, soll von den Eltern in Form von Hilfe, Nachhilfe oder ähnliches geleistet werden. Dies kann die (Eigen-)Leistung verzerren. Viel schlimmer findet ich jedoch, dass damit die soziale Durchlässigkeit gemindert wird und die Schule als Bildungsanstalt Verwantwortung abgibt. (Gut, Eltern geben die Erziehung auch an die Schule ab, aber darum geht es hier ja nicht.)

Deshalb finde ich neben kleineren Klassen, Ganztagsschulen sinnvoll, so dass Hausaufgaben, Nachhilfe oder Förderunterricht dann mit Hilfe von Lehrern oder anderen Lehrkräften erledigt werden können.

Ich finde auch nicht, dass das Schulstoff zu übergreifend, sinnlos oder massiv ist. Allgemeinbildung, eigene Interesse entdecken und entwickeln kann man nur durch den Überblick durch die verschiedenen Fächer und Themen. Und Fächer, die man nicht leiden kann und dennoch belegen muss, bereiten einen aufs richtige Leben vor :)
In der Oberstufe wählt man dann sowieso einen Schwerpunkt. In einigen Ländern gibt es gar ganze Schwerpunkt-Schulen, welchens an deutschen Schulen durch sogenannte Profilbildung versucht wird.

Das dreigliedrige Schulsystem stört hier niemanden?


Damals wählte ich Französisch und später Spanisch, da Latein nicht nochmal angeboten wurde. Nun studiere ich Deutsch auf Lehramt ohne Latein und könnte mir oft in den Hintern beißen, dass ich damals nicht Latein wählte. Wenn ich _freiwillig_ das Latinum nachholen würde, würde ich ein ganzes Semester allein darauf verwenden müssen, da der Kurs täglich stattfindet und laut Anforderung eine täglich Vor-/Nachbereitung von fünf Stunden nötig sei. Da muss ich ehrlich zugeben, so sehr bereue ich mein fehlende Lateinkenntnisse nun doch nicht.

Ipsissimus
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Di 13. Dez 2011, 12:40 - Beitrag #16

Das dreigliedrige Schulsystem stört hier niemanden?
das ist aber auch so ein ideologisch aufgeladenes Thema, zusätzlich durch sachliche Aspekte erschwert.

Im Sinne einer Hochbegabten-Förderung kann die Differenzierung fast nicht stark genug ausgeprägt sein, über dem Gymnasium würde ich noch ein Elite-Gymnasium ansiedeln. Hochbegabte im Mittelmaß zu belassen ist Verschwendung der Begabung.

Andererseits, Differenzierung führt auf Dauer fast immer zu Dünkel und fehlenden sozialen Kompetenzen. Wie dieser Punkt - bei weiter bestehender Differenzierung - gekontert werden kann, ist mir noch nicht mal in der Theorie klar.

Ich denke, man kann - nicht: muss - die derzeitigen Vorgänge im Schulsystem so auffassen, dass das Schulsystem so umgebaut wird, dass Hochbegabung an Geldadel gebunden wird - im Standardsystem wird nur noch Mittelmaß für die nachrangigen Arbeiten produziert, die Eliteschulen werden, bei formaler Identität der Schulform, nur noch für die Kinder reicher Eltern zugänglich sein. Das Internat Salem dürfte da Pate stehen, auch bei Schulen ohne Internatsteil.

Das System wird also auf perverse Weise dazu benutzt und dazu führen, dass das Gleichmaß eines zweigliedrigen Systems zu noch stärkerer Differenzierung führt, allerdings zu einer Differenzierung, die nur noch formal, nicht mehr faktisch auf sachlichen Grundlagen beruht.

the hui
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Sa 17. Dez 2011, 11:51 - Beitrag #17

Eines der Grundprobleme in unserem hiesigen Schulsystem ist doch schon der Fakt, dass es keine einheitlichen Lehrbücher und Lehrpläne gibt. Wenn ich sehe wie unser Unterricht in der 10. Klasse oder am Gymnasium aussah und dann diesen vergleiche, mit Erzählungen von jetzigen Kommilitonen, dann muss ich sagen wird mir ganz anders.... es sollte doch möglich sein einen Abschluss Bundes-Landesweit gleichzusetzen und nicht noch Kurse dazubelegen zu müssen damit man es angerechnet bekommt.

Zu den Sprachen kann ich nur sagen (ich selbst benötige kein Latinum in meinem Studiengang), das ich in diesem Jahr ein Wahlpflichtmodul belegen musste welches , laut Studienordnung, für meinen Studiengang einen relevanten Bezug haben soll..... das es nun leider für Gebärdensprachdolmetschen so gut wie keine Angebote gibt, blieb die Wahl zwischen Russisch und Russisch....ich als absoluter Sprachendepp dachte mir es wird schon...hier kommt nun wieder der Fakt ins Spiel das die meisten Dozenten und Professoren didaktisch einfach total auf dem 0 Ton sind....abgesehen davon das es möglich sein sollte Wahlpflichtmodule zu belgen die wenigstens etwas oder im entferntesten mit dem Studiengang kohärent sind. Selbstverständlich ist man im Studium selbst für sich verantwortlich und es wird nichts mehr vorgekaut oder "Hausaufgaben kontrolliert", jedoch erwartet man schon ein gewisses Maß an Fachfissen und auch Übermittlungskompetenz um den Studenten das eigene und das Weltwissen weiterzugeben und zu vermitteln.

Ich kann nur für mein Studium sprechen und da ist die Fachkompetenz der dortigen Dozenten, oder zumindest die Vermittlung des Wissens sehr problematisch....alle wissen sehr viel, wissen aber nicht wie es dem Studenten logisch und didaktisch zu übermitteln gilt.

Ja und last but not least der Punkt der schon angesprochen wurde, dass studieren meist nur denen ermöglicht werden kann oder ermöglicht wird, die in den höheren Schichten angesiedelt sind oder Leuten die 3 Nebenjobs haben da 3 Euro zu viel verdient werden um Bafög zu bekommen. Bildung ist wirklich eine Sache des finanziellen Statuses...egal wie intelligent oder klug das Kind auch sein mag....findet man kein Stipendium, Unterhalter oder geht selbst jobben so ist der Weg unzugänglich um sich des Wissens, zumindest auf akademischer Ebene, zu bereichern.

nazgul
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Mo 27. Feb 2012, 14:01 - Beitrag #18

Zu Latein: im medizinischen Bereich sind rudimentäre Kenntnisse echte überlebenshelfer, je besser man Latein kann, umso einfacher fallen bestimmte Lernaufgaben im Studium (die Nomenklatur basiert halt auf Latein) und die Kommunikation zwischen "Providern" unterschiedlicher Nationalität wird durch die latinisierung Eindeutiger. Diejenigen die kein Latein hatten haben es schwerer.

Zu Musik: das findet nach der Unter- und Mittelstufe eh primär theorethisch statt.

Kunst und Sport dagegen leider fast garnicht. Dafür werden hier gezielt, nach Präferenz des Lehrers handverlesene, Schüler gefördert und der Rest ignoriert. Demzufolge beschreiben die Kunstnoten häufig einfach wie gut der Schüler den geschmack des Lehrers trifft bzw dienen die Sportnoten als Belohnung von ausserschulischer Sportaktivität bzw genereller Sportlichkeit.

In letzteren beiden Fächern also die Möglichkeit einzuführen durch Lernen zumindest eine vier zu erreichen, und im ausgleich dafür in Musik etwas mehr Praxis (Monochorde, Fööten, Chor) und an der Front wird alles gut.

Die IMHO wichtigste Reform wäre es, von den Schülern Leistung erwarten zu dürfen. Wenn die Klasse den Stoff nicht kann und gesammelt eine Fünf in der Arbeit schreibt, ist das halt so.
Wiedereinführung von Nachsitzen und Strafarbeiten, eine Handhabe gegen unkooperative Eltern und: Zumindest auf dem Gymnasium den Kindern mal wieder Abstraktion beibringen. Die Probleme beim Verstehen einfacher Aufgabenstellungen (Fächerunabhängig, obwohl die Wissenschaften eher betroffen sind) sind echt peinlich. Es gibt Medizinstudenten die haben nicht mal gecheckt wann man Dreisatz braucht.

Wiedereinführung der Stetigkeit in Geschichte, diese Definitionslücken zwischen Rom und Barbarossa, zwischen Frz. Revolution und erstem Weltkrieg und das enden der Geschichte nach 1950 nur um dem durchschnittlichen Gymnasiasten ungefähr drei Schuljahre von acht die immer gleichen Informationen über die NS-Zeit zu servieren.

Oh: Leistung und Sozialverhalten müssen sich wieder lohnen. Kein diskriminieren von Leistungsträgern sondern harte Verfolgung von Bullies (einschließlich Konsequenzen gegen die Eltern bei mangelnder Kooperation).

Und Ipsi: mich stört das dreigliedrige Schulsystem. Ich sehe zwei mögliche Wege:
1. Mehrgliedriges Schulsystem:
- Handwerksschule (Vorbereitend auf Handwerksberufe)
- Kaufmannsschule (Vorbereitung auf Kaufmännische berufe)
- Volksschule (Umfassende Vorbereitung auf Lehrberufe)
- Gymansium (Allgemeine Hochschulreife)
- Begabtenschule (AHR + Begabungspezifische Förderung/Zusatzausbildungen)

2. Gesamtschul-Kurssystem
Jedes Fach wird in Anfänger, Fortgeschritten, Intensiv angeboten, bestimmte Fächerkombinationen befähigen zu bestimmten weiterführenden Ausbildungen.

Maurer: Deutsch, Sport und Mathe je neun Kurse, und drei mal Neun Nebenfächer

Fußballträiner: 9 Kurse Sport, mindestens 3 Intensiv, ausserdem 5 Kurse Englisch.

Medizin: je 12 Kurse Deutsch, Mathe, Englisch, mindestens je 3 als Intensiv, mindestens 6 Kurse aus Bio, Chemie, Physik, davon mindestens drei Intensiv, 3 Kurse Latein Anfänger.

Da das Abi eh blos noch dafür da ist, Medizinstudenten o.ä. zu Filtern könnte man damit eine viel spezifischere Ausbildungs- und Zulassungslandschaft schaffen.

Durch Grundbesuchspflichten ergäbe sich eine breite Allgemeinbildung. Für zentrale Zulassungsverfahren ließen sich so einfach Scoringalgorithmen entwickeln. Je mehr Kurse der Schüler auf höherem Niveau besser abschließt umso höher wird sein allgemeiner Score (Pendant zum Abitur).
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Und für die Unis: Keine Extrawürste für Studenten die kein Deutsch können. Wenn ich nach Frankreich gehen würde um da zu studieren müsste ich da auch Französich können um die Prüfungen zu bestehen - warum geht sowas hier nicht?


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