Google Street View

Die Große Welt des WWW. Hier kann über Technik, Seiten und Programme (Browser, Messenger, Chats, Email usw) geredet werden.

Google Street View...

werde ich nie ausprobieren
1
6%
werde ich mir mal angucken
5
31%
wird wohl eine meiner Lieblingsseiten
1
6%
- sollte ganz verboten sein
1
6%
- soll mein Haus nicht zeigen
3
19%
- kann und soll machen was es will
5
31%
 
Abstimmungen insgesamt : 16

Lykurg
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Mi 18. Aug 2010, 15:56 - Beitrag #21

Das stimmt natürlich, für die allgemeine Datensammlung von Google ist zumindest das Ausmaß schon etwas angemessener, wenn auch immer noch die Rundumkontrolle von nichtmultimedialen Verbindungen fehlt, die sind allerdings heute fast schon zu vernachlässigen. ;) Die Folgen für den Betroffenen sind allerdings immer noch jenseits der Vergleichbarkeit.

Zu Nichtneuartigkeit von StreetView aber noch dieser taz-Artikel...

@Spanner: Gerade weil die Dinge im Netz allgemein zugänglich und Gesichter verpixelt werden, halte ich die Attraktion für Spanner für gering. Ohnehin: Kann er aus dem Betrachten von Bildern (gleich welchen Inhalts) einen vergleichbaren Lustgewinn ziehen wie aus einer Livebeobachtung?

Ipsissimus
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Mi 18. Aug 2010, 16:36 - Beitrag #22

"Gerade weil die Dinge im Netz allgemein zugänglich und Gesichter verpixelt werden ..."

als Allaussage halte ich das für problematisch. Manche Sachen werden verpixelt, andere nicht. Und von Entschuldigungen im Nachhinein kann sich niemand noch was kaufen, dessen/deren Ruf ruiniert ist, weil er/sie beim Pinkeln am Straßenrand gefilmt wurde und das Gesicht "versehentlich" nicht unkenntlich gemacht wurde

Ipsissimus
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Do 19. Aug 2010, 11:34 - Beitrag #23

und natürlich regt sich auch schon Widerstand gegen den Widerstand

http://www.spiegel.de/video/video-1079798.html

unverpixeltes Zwangsouting^^

Padreic
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Do 19. Aug 2010, 16:14 - Beitrag #24

@Ipsi: Dass man zufällig auf irgendeinem Photo irgendetwas macht, wobei man nicht erwischt werden wollte, und dass dies im Internet landet, kann dir gänzlich unabhängig von google passieren - es ist vielleicht nur weniger wahrscheinlich.

Allgemein würde ich das Gebahren von google schon als dreist bezeichnen (genauso (früher) youtube - ups, die wurden ja von google gekauft...). Andererseits haben natürlich auch eine Menge privater Leute Nutzen davon. Ich nutze books.google auch häufiger, da ich nicht immer Lust hab, in die Bibliothek zu fahren oder auch einfach mal Bücher entliehen sind. Street View ist auch ohne Zweifel recht nett, wenn man z. B. eine Wohnung sucht oder schaut, wie es eigentlich in dem so emphatisch beschriebenen Urlaubsort wirklich aussieht. Wenn ich ein Haus hätte, fände ich es zumindest nicht schlimm, es im Internet zu sehen.

Ipsissimus
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Fr 20. Aug 2010, 10:28 - Beitrag #25

wie gesagt, Padreic, für mich stellt sich nicht so sehr die Frage ob es schlimm ist, auch nicht, ob es nützlich ist, sondern wie dreist es ist. Und ja, natürlich fürchte ich auch den Vorreiter- und Versuchsschuss-Charakter - wir konnten hier an allen Wünschen der Personen und Staaten vorbei unseren Willen durchziehen, mal sehen, ob das nicht auch bei ganz anderen Begehrlichkeiten gelingt, ernsthafter Widerstand ist ja nicht zu erwarten (und nein, ich erachte es nicht als einen Erfolg, die Einspruchsfrist um einen Monat zu verlängern; ein Erfolg wäre es gewesen, die Beweislastumkehr wieder aufzuheben)

Traitor
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So 19. Sep 2010, 22:05 - Beitrag #26

Die aktuellen Meldungen, dass schon hunderttausende Widersprüche eingegangen seien, legen eine Wiederbelebung des Themas nahe. Ich frage mich ja, ob sich wirklich ansatzweise so viele Leute von selbst über StreetView aufgeregt hätten, wenn die Medien nicht so eine Hetzkampagne veranstaltet hätten - zuvor wäre man bei einer Umfrage auf nur geringe Contra-Stimmen-Anteile getroffen, vermute ich.

Zitat von Ipsissimus:es darf bezweifelt werden, Traitor, ob es eine einzelne Stelle ist, an der der Dammbruch manifest wurde. Am Anfang des Netzes stand wohl eine Art spielerische Unschuld, die Nerds waren begeistert, loteten Möglichkeiten aus, und wenn die ein oder andere Grenze überschritten wurde, meine Güte, lass die Kinder spielen, sie bekommen sich auch wieder ein.
Eine einzelne Stelle hatte ich ja auch nicht verlangt, nur eine ungefähre Verortung. Also ist die Antwort auf meine Frage, dass du erst das Internet als kritisches Medium siehst? Wieso wäre es dann so viel weniger kritisch, wenn man ohne Internet bei einer Firma Überwachungsbilder fremder Häuser bestellen könnte? Das hielte ich für den sehr viel suspekteren, bedrohlicheren Modus als für jedermann kontrollierbare, statische Bilder im Internet, und es war schon vor Jahrzehnten möglich.

Dass Dreistigkeit als Kriterium Nützlichkeit und Schädlichkeit überwiegen soll, ist höchstens für das private Naserümpfen geeignet, nicht für offizielle Regelungen, denn "Dreistigkeit" ist ein vollkommen subjektives Empfinden. Ich sehe z.B. überhaupt nichts "dreistes" darin, frei verfügbare Bilder frei zu veröffentlichen.

Obwohl, da fällt mir gerade noch eine Erklärungsmöglichkeit für die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen ein. Für mich ist die Bildinformation zu einem im öffentlichen Raum stehenden Objekt bereits vorhanden, da an sich jederzeit verfügbar - man muss nur hingehen. Das Objekt dann tatsächlich zu knipsen und online zu stellen, ist für mich keine wesentliche Veränderung des Informationszustandes zu diesem Objekt, nur eine Zugangserleichterung.
Für dich ist aber vermutlich das Bild eine vom Objekt weitgehend getrennte Entität, und sein Erstellen und Veröffentlichen verändert die Situation radikal?

Lykurg
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Mo 20. Sep 2010, 15:09 - Beitrag #27

Ohne die breite Berichterstattung wäre die Resonanz sicherlich weit geringer gewesen. Hetzkampagne finde ich von der Wortwahl her aber ein ganzes Stück überzogen, auch wenn deren Zielrichtung schon deutlich war. Das Meinungsbild muß davon noch nicht einmal wirklich maßgeblich verändert worden sein - das ist zwar möglich, aber logischerweise nicht empirisch zu untersuchen, es fehlt eine geeignete Vergleichsgruppe. Von einer stark erhöhten Tendenz zum Widerspruch aufgrund der Information über deren Möglichkeit gehe ich aber aus.

Die Frage nach Bewertung von Objekt und Abbild ist interessant, auch insofern als sie bei Fotokunst die ewige Abwägung zwischen Recht auf Privatsphäre/eigenes Bild, Informationsbedarf der Öffentlichkeit und künstlerische Freiheit betrifft, dazu auch Leistungsschutz und Eigentum zwischen Darstellendem und Dargestelltem.

Ipsissimus
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Mo 20. Sep 2010, 16:20 - Beitrag #28

also, es einer Kampagne vorzuwerfen, dass sie sich der Medien bedient, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, geht meines Erachtens an der Sache vorbei - natürlich geht sie strategisch vor und bedient sich der Mittel, die vorhanden sind, statt brav im Kämmerlein zu schmollen, was niemanden und am allewenigsten Google stören würde (und dich, Traitor, wahrscheinlich zu dem Kommentar veranlassen würde "wenn sie halt nichts dagegen unternehmen ..."^^)

eine ungefähre Verortung des Dammbruchs vermeine ich, dir gegeben zu haben. Es begann ungefähr in der ersten Hälfte der 90er Jahre, als die Kaufleute sich zu den Technik-Freaks gesellten und letztere damit ihre Unschuld verloren. Es geht nicht mehr um "freie Verfügbarkeit", dieser Gedanke entspringt der Naivität der Nerds, es geht um Geschäft. Es geht nur noch ums Geschäft. Dieser Prozess war spätestens nach der .com-Blase abgeschlossen und herrscht seither unangefochten.

Wenn du bei einer Firma Überwachungsbilder bestellen willst, musst du teuer bezahlen, genauso, wenn du jemanden explizit beauftragst, also überlegst du es dir. Und du musst wissen, dass es die Firma gibt. Das errichtet schon mal eine Hemmschwelle dagegen, "einfach mal zu gucken"; dass die Kritik sich nicht nur gegen Street View sondern genauso Google Earth und dergleichen richtet, sollte klar sein.

Also ist die Antwort auf meine Frage, dass du erst das Internet als kritisches Medium siehst?
du meinst, ob ich dem Internet kritisch gegenüber stehe? Nun ja, unkritisch sicher nicht. So ähnlich wie dem Fernsehn, das mal eine tolle Sache war, als Werbung noch 5 min am Stück und pro Stunde nicht überschreiten durfte und es noch keine Privatsender gab. Mittlerweile ... na ja, das führt zu weit, aber du kannst dir denken, warum ich keinen Fernseher habe. Leisten könnte ich mir durchaus einen^^ für jedes Zimmer^^

ich bilde mir ein, kein kleinlicher Mensch zu sein. Aber hier entgleist etwas, und zwar ganz und gar. "In Maßen" ist vieles tolerabel; hier ist jedes Maß überschritten.

Dass Dreistigkeit als Kriterium Nützlichkeit und Schädlichkeit überwiegen soll, ist höchstens für das private Naserümpfen geeignet
sorry, ich fühle mich persönlich angegriffen - nicht von deiner Bemerkung, sondern von Google und Konsorten^^ Dienste wie Street View und Earth sind für mich der Alptraum schlechthin, die ultimative Penetration, reine Vergewaltigung. "Naserümpfen"^^ nee, das deckt es nicht ab^^ Eine Firma hat - noch dazu unter Anmaßung hoheitsartiger Befugnisse - einfach kein Recht dazu, meinen Privatbesitzt zu filmen und öffentlich zu machen. Ich bin keine Person öffentlichen Interesses, es gibt keinen "Informationsbedarf der Öffentlichkeit" hinsichtlich meines Eigentums. Punkt. Und sie hat kein Recht, die Beweislast auf mich abzuwälzen. Sie macht es trotzdem, weil sie die Macht hat. DAS nenne ich eine bösartige Entgleisung des Internet-Gedankens, und ich kann nur hoffen, dass die Medien-Kampagne noch sehr viel mehr Menschen gegen Google & Co. anstachelt.

Die Frage nach Bewertung von Objekt und Abbild ist interessant, auch insofern als sie bei Fotokunst die ewige Abwägung zwischen Recht auf Privatsphäre/eigenes Bild, Informationsbedarf der Öffentlichkeit und künstlerische Freiheit betrifft
siehst du bei mehr oder weniger automatisch aufgenommen Fotos eine künstlerische Leistung? Ich weiß, Kunst ist, wenn der Künstler behauptet, es sei welche. Aber ich sehr hier weder Kunst noch Künstler, sondern einfach nur Dreistigkeit im industriellen Maßstab.

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Mo 20. Sep 2010, 17:18 - Beitrag #29

also, es einer Kampagne vorzuwerfen, dass sie sich der Medien bedient, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, geht meines Erachtens an der Sache vorbei - natürlich geht sie strategisch vor und bedient sich der Mittel, die vorhanden sind, statt brav im Kämmerlein zu schmollen, was niemanden und am allewenigsten Google stören würde (und dich, Traitor, wahrscheinlich zu dem Kommentar veranlassen würde "wenn sie halt nichts dagegen unternehmen ..."^^)
Da bin ich deiner Meinung; allerdings ist eben auch mal wieder denkbar bescheuert und ungerecht, was zu so einer Kampagne führt und was nicht. Wir erleben inzwischen eine Hysteriewelle in Fällen von sehr unterschiedlich gelagerter Bedeutung (und ohne Rücksicht auf Verluste), daß es fast schon schwierig ist, den Medienmachern und Kampagnenbastlern irgendetwas davon nicht vorzuwerfen.
Wenn du bei einer Firma Überwachungsbilder bestellen willst, musst du teuer bezahlen, genauso, wenn du jemanden explizit beauftragst, also überlegst du es dir. Und du musst wissen, dass es die Firma gibt. Das errichtet schon mal eine Hemmschwelle dagegen, "einfach mal zu gucken"; dass die Kritik sich nicht nur gegen Street View sondern genauso Google Earth und dergleichen richtet, sollte klar sein.
Argumentativ schwierig insofern, als das, was du der breiten Masse verweigern willst, also denjenigen möglich bleibt, die genug Geld haben, daß es sie nicht stört, das zu tun. Zugleich haben die minderprivilegierten Gefilmten genau dann keine Möglichkeit einer Einflußnahme, denn sie wissen nichts davon und können sich entsprechend schlecht organisieren. (Selbstverständlich bin ich der Ansicht, daß wohlhabende Menschen automatisch gesetzestreuer und moralisch höherstehend sind als minderbemittelte, wir können das Argument also auch gern begraben?^^)
siehst du bei mehr oder weniger automatisch aufgenommen Fotos eine künstlerische Leistung? Ich weiß, Kunst ist, wenn der Künstler behauptet, es sei welche. Aber ich sehr hier weder Kunst noch Künstler, sondern einfach nur Dreistigkeit im industriellen Maßstab.
Würde ein einzelner Videokünstler hinter einem Aufnahmewagen herfahren und quasi identische Aufnahmen ins Netz stellen, würde das Resultat zweifellos als Kunst gelten. Aber genausogut ließe sich auch ein Großprojekt mit einer Vielzahl von Werkstattmitarbeitern denken, die mit ihren Kamerawagen nach dem Plan eines Meisters oder Kollektivs vorgehen und das Bild unserer Gegenwart, wie sie sich für sie darstellt, aufzeichnen... Ups, vielleicht ist das schon der Fall? ;)

Auch aus anderen Blickwinkeln, etwa dem der Rezeption, funktionieren Google Earth und Google Street View als überaus komplexe Kunstwerke, hochgradig individuell zu betrachtende works in progress jeweils und mit viel Schnittfläche zu Kommerz und zweckgebundener Nutzung, auch dadurch aber mit einem viel größeren Besucherkreis ausgestattet, als ihn die meisten anderen großen Werke der Kunstgeschichte je erreichten.

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Mo 20. Sep 2010, 22:01 - Beitrag #30

@Ipsi:
also, es einer Kampagne vorzuwerfen, dass sie sich der Medien bedient, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, geht meines Erachtens an der Sache vorbei - natürlich geht sie strategisch vor und bedient sich der Mittel, die vorhanden sind, statt brav im Kämmerlein zu schmollen, was niemanden und am allewenigsten Google stören würde (und dich, Traitor, wahrscheinlich zu dem Kommentar veranlassen würde "wenn sie halt nichts dagegen unternehmen ..."^^)
Eine Kampagne an sich würde mich nicht so sehr stören (außer natürlich insofern, wie ich mit ihr anderer Meinung bin ;)), was mich in diesem Fall so stört, ist, dass es die Medien selbst waren, von denen die Kampagne ausgeht. Mir ist zumindest keine "Bürgerinitiative gegen Google" bekannt, die sich viel hätte zitieren lassen, groß demonstriert hätte oder sonstwie die Presselawine ins Rollen gebracht hätte. Eher haben sich die Medien im Sommerloch selbst hochgeschaukelt und eben ohne vorher groß bestehenden Bürgerwillen die öffentliche Meinung erst erzeugt, über die sie eigentlich nur berichten sollen.
eine ungefähre Verortung des Dammbruchs vermeine ich, dir gegeben zu haben. Es begann ungefähr in der ersten Hälfte der 90er Jahre, als die Kaufleute sich zu den Technik-Freaks gesellten und letztere damit ihre Unschuld verloren. Es geht nicht mehr um "freie Verfügbarkeit", dieser Gedanke entspringt der Naivität der Nerds, es geht um Geschäft. Es geht nur noch ums Geschäft. Dieser Prozess war spätestens nach der .com-Blase abgeschlossen und herrscht seither unangefochten.
Damit sind wir wieder am Punkt angekommen, dass es dir wichtiger ist, wer es macht, mir dagegen was gemacht wird. Ich fürchte ja fast, darauf werden wir es beruhen lassen müssen...
Wenn du bei einer Firma Überwachungsbilder bestellen willst, musst du teuer bezahlen, genauso, wenn du jemanden explizit beauftragst, also überlegst du es dir. Und du musst wissen, dass es die Firma gibt. Das errichtet schon mal eine Hemmschwelle dagegen, "einfach mal zu gucken"; dass die Kritik sich nicht nur gegen Street View sondern genauso Google Earth und dergleichen richtet, sollte klar sein.
Hierzu völlige Zustimmung zu Lykurgs Antwort - die Publikumseinschränkung halte ich aus den von ihm genannten Gründen gerade für den gefährlicheren Aspekt als die allgemeine Verfügbarkeit.
du meinst, ob ich dem Internet kritisch gegenüber stehe? Nun ja, unkritisch sicher nicht. So ähnlich wie dem Fernsehn, das mal eine tolle Sache war, als Werbung noch 5 min am Stück und pro Stunde nicht überschreiten durfte und es noch keine Privatsender gab. Mittlerweile ... na ja, das führt zu weit, aber du kannst dir denken, warum ich keinen Fernseher habe. Leisten könnte ich mir durchaus einen^^ für jedes Zimmer^^
Nein, ich meinte, ob du den kritischen Unterschied zwischen "per Post, in einem Buch oder im Fernsehen veröffentlicht" und "im Internet veröffentlicht" siehtst, oder zwischen "veröffentlicht" und "nicht veröffentlicht". Und mich wundert sehr, dass ich dich so zu verstehen meine, dass es ersteres ist.
sorry, ich fühle mich persönlich angegriffen - nicht von deiner Bemerkung, sondern von Google und Konsorten^^ Dienste wie Street View und Earth sind für mich der Alptraum schlechthin, die ultimative Penetration, reine Vergewaltigung. "Naserümpfen"^^ nee, das deckt es nicht ab^^ Eine Firma hat - noch dazu unter Anmaßung hoheitsartiger Befugnisse - einfach kein Recht dazu, meinen Privatbesitzt zu filmen und öffentlich zu machen. Ich bin keine Person öffentlichen Interesses, es gibt keinen "Informationsbedarf der Öffentlichkeit" hinsichtlich meines Eigentums. Punkt. Und sie hat kein Recht, die Beweislast auf mich abzuwälzen. Sie macht es trotzdem, weil sie die Macht hat. DAS nenne ich eine bösartige Entgleisung des Internet-Gedankens, und ich kann nur hoffen, dass die Medien-Kampagne noch sehr viel mehr Menschen gegen Google & Co. anstachelt.
Wie gesagt, angegriffen fühlen darfst du dich natürlich - ich sehe nur in der fundamentalen wie aktuellen Rechtslage keinen Grund, der dieses Gefühl staatlich sanktionsfähig machen würde. Natürlich kann eine große Mehrheit mit diesem Gefühl ein legitimer Grund sein, die Rechtslage dann zu ändern - aber dafür zu sorgen, dass das eben nicht aus kurzfristiger, mediengeschürter Hysterie (bei der Mehrheit, nicht bei dir persönlich) geschieht, sondern nur nach Abwägung mit den gut überlegten bisherigen Rechtsgrundlagen und den langfristigen Folgen, inklusive Schaden-Nutzen-Kalkül, ist nunmal Aufgabe der Politik.
Und natürlich bist du keine Person des öffentlichen Interesses. Aber dein Haus ist in gewissem Sinne Gegenstand des öffentlichen Interesses, oder zumindest Gegenstand des legitimen persönlichen Interesses so manches Mitmenschen. Wer in die Gegend ziehen will, muss das Recht haben, sich die Nachbarschaft anzusehen. Wer sich für Architektur interessiert, sollte das Recht haben, sich einen Überblick über typische Wohnhäuser zu verschaffen. Und so weiter. Und warum soll er das Recht nur haben, wenn er dafür mühsam vor Ort fährt und sich mit bloßem Auge umguckt, aber nicht, wenn er es bequem von zu Hause aus möchte? Und wenn du so partout nicht willst, dass die Öffentlichkeit dein Haus sieht, dann hättest du halt dafür sorgen müssen, dass es hinter dicken Mauern oder Bäumen steht. Und das ist keine neumodische Beweislastumkehr von Google. Das ist die "Beweislastumkehr", oder ich würde lieber sagen die physikalische Realität, seit Jahrzehnten, durch jeden Passanten, der vorbeigeht.
siehst du bei mehr oder weniger automatisch aufgenommen Fotos eine künstlerische Leistung? Ich weiß, Kunst ist, wenn der Künstler behauptet, es sei welche. Aber ich sehr hier weder Kunst noch Künstler, sondern einfach nur Dreistigkeit im industriellen Maßstab.
Nein, keine künstlerische. Aber eine informative, damit lebenserleichternde, sowie eine wissenschaftlich-dokumentarische. Beides meines Erachtens relevantere Güter als Kunst.

@Lykurg:
Von einer stark erhöhten Tendenz zum Widerspruch aufgrund der Information über deren Möglichkeit gehe ich aber aus.
Wäre es nur das, wäre es natürlich moralisch völlig einwandfrei. Eine reine Information zum Widerspruch wäre meines Erachtens aber bei der Mehrheit der Zielgruppe nur auf achselzuckendes "aha, Netzgedöns, da kann ich widersprechen, toll, den Aufwand betreibe ich nicht, wird schon nichts dran sein" gestoßen. Der größte Teil der Widerspruchstendenzerhöhung geht vermutlich eher auf den doch deutlich parteiisch erhobenen Aufruf zum Widerspruch zurück. Aber natürlich, wirklich nachweisen lässt sich das nicht. Ein bisschen soetwas wie Vergleichsgruppen hat man zwar schon, nämlich andere Länder, in denen StreetView kaum jemanden aufregt. Aber da dort die Ausgangsbedingungen anders waren, taugt das natürlich nicht für eine saubere Vergleichsstudie.
Auch aus anderen Blickwinkeln, etwa dem der Rezeption, funktionieren Google Earth und Google Street View als überaus komplexe Kunstwerke, hochgradig individuell zu betrachtende works in progress jeweils und mit viel Schnittfläche zu Kommerz und zweckgebundener Nutzung, auch dadurch aber mit einem viel größeren Besucherkreis ausgestattet, als ihn die meisten anderen großen Werke der Kunstgeschichte je erreichten.
Kunst wird es aber wirklich erst durch Rezeption. An sich ist es ersteinmal eine Dokumentation, die meines Erachtens wie vieles im derzeitigen Internet einen ungeheuren historischen Wert erlangen wird.

Ipsissimus
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Di 21. Sep 2010, 11:08 - Beitrag #31

was mich in diesem Fall so stört, ist, dass es die Medien selbst waren, von denen die Kampagne ausgeht
na ja, die Medien haben wirklich schon jede Menge Bockmist gebaut, aber dieses Mal bin ich geneigt, es hinzunehmen, wenn sie schon mal meinen Ansichten in die Hände spielen^^ so oft kommt das nicht vor^^ davon abgesehen, wenn es wirklich nur Medienhysterie wäre, hätten sich kaum derart viele Einsprüche ergeben^^

dass es dir wichtiger ist, wer es macht, mir dagegen was gemacht wird
das trifft nicht ganz den Punkt. Mir ist wichtig, aus welcher inneren Haltung heraus etwas gemacht wird. Es gibt wenige Dinge, die ich mehr hasse als kommerziellen Eigennutz, verpackt im Gewande der Menschenfreundlichkeit. Dein Satz ist auch insofern nicht ganz richtig, als mir der Punkt der Entgleisung zum Massenphänomen wichtig ist, wie schon zweimal beschrieben. Es ist ein Riesenunterschied, ob ein paar wenige Nerds ihr Hobby ausleben und damit im Prinzip nur ihresgleichen auf den Keks gehen, oder ob sich "der Markt" einer Sache bemächtigt und man in der Flut - z.B. gezielter Werbung - erstickt, so à la "Herr K. wir haben in Street View gesehen, dass Ihr Haus unseren ästhetischen Ansprüchen nicht mehr genügt. Unser Vertreter und unser Kreditberater werden Sie morgen abend gerne über eine Renovierung beraten. Nehmen Sie sich am besten vier Stunden Zeit, und bereiten Sie schon mal Ihre Kontoauszüge und Lohnnachweise vor. Die Schufa-Anfrage erledigen wir als besonderen Service vorab für Sie."^^

Es ist mir also neben der Frage, wer was macht, wichtig, wie es gemacht wird, in welchem Umfang es gemacht wird, aus welchem Geist heraus es gemacht wird und, last not least, in welchem Ausmaß es potentiell und faktisch mit meinem Leben unerbeten wechselwirkt.

... als das, was du der breiten Masse verweigern willst, also denjenigen möglich bleibt, die genug Geld haben, daß es sie nicht stört, das zu tun
ähm, ich verweigere der breiten Masse auch die Möglichkeit, sich Killer zu besorgen und ihre Probleme entlang der Stalinschen Einsicht "ein toter Mensch mehr, ein Problem weniger" zu lösen. Nichtsdestotrotz gibt es Menschen, die ihre Probleme auf diese Weise lösen. Ich denke, ihr werdet es beide für schwierig empfinden, Killer zu resozialisieren, indem man aus ihrem Metier einen normalen Beruf macht, nur weil man nicht vermeiden kann, dass es immer Leute geben wird, die sich ihrer bedienen werden?

Zugleich haben die minderprivilegierten Gefilmten genau dann keine Möglichkeit einer Einflußnahme, denn sie wissen nichts davon und können sich entsprechend schlecht organisieren.
darf ich darauf verweisen, dass "minderprivilegiert" nicht dasselbe ist wie "geistig minderbemittelt"? Und ebenso, dass dann, wenn dein Satz richtig wäre, es absolut unerklärlich bliebe, wieso z.B. Gewerkschaften über gut 120 Jahre hinweg doch zumindest das ein oder andere zu Gunsten der Lohnsklaven bewirken konnten.

Vielleicht darf ich auch anmerken, dass ich das Internet nicht per se für böse halte^^ gerade das Internet ist eine Organisationsplattform für Unterprivilegierte par excellence. Die Plattform darf nur nicht in die Hände von Kaufleuten fallen, zumindest muss es große reservierte Bereiche geben.

ob du den kritischen Unterschied zwischen "per Post, in einem Buch oder im Fernsehen veröffentlicht" und "im Internet veröffentlicht" siehtst, oder zwischen "veröffentlicht" und "nicht veröffentlicht"
den Riesenunterschied sehe ich zwischen "Hobby von Nerds, die nur ihresgleichen und ein paar wenige andere erreichen" und "öffentlicher Massenspam von Informationen privater Natur gegen den Willen derer, die Gegenstand dieser Informationen sind".

Aber okay, ja, das hat was mit elektronischen Datenbanken, Suchalgorithmen und automatisierter Mustererkennung zu tun, also letztlich mit dem Internet oder noch allgemeiner Computern überhaupt. Post, Bücher und Fernsehn eignen sich nicht für diese Art von Massenanwendung.

Und warum soll er das Recht nur haben, wenn er dafür mühsam vor Ort fährt und sich mit bloßem Auge umguckt, aber nicht, wenn er es bequem von zu Hause aus möchte?
weil in dem Fall zwei Rechtsgüter gegeneinander antreten, sein Recht auf Bequemlichkeit und mein Recht auf Privatheit privater Informationen. Ich nehme an, es ist klar, auf wessen Seite ich stehe^^ der normale Passant filmt mein Haus übrigens nicht und stellt es dann ins Internet^^ ich habe es jedenfalls noch nie gesehen, dass das passiert wäre; und wenn es passiert, dann zufällig in einem anderen Kontext, z.B. touristischem, als Erinnerungsphoto, nicht aber in diesem industriell systematischen Kontext. Was ich der Privatperson X gewähre, wenn es zufällig passiert, gewähre ich noch lange nicht dem Konzern Y auf systematischer Basis.

Eine reine Information zum Widerspruch wäre meines Erachtens aber bei der Mehrheit der Zielgruppe nur auf achselzuckendes "aha, Netzgedöns, da kann ich widersprechen, toll, den Aufwand betreibe ich nicht, wird schon nichts dran sein" gestoßen. Der größte Teil der Widerspruchstendenzerhöhung geht vermutlich eher auf den doch deutlich parteiisch erhobenen Aufruf zum Widerspruch zurück.
möglicherweise geht das Achselzucken des ersten Satzes aber auch auf gezielte Abwiegelung und Desinformation zurück, die Widerspruchstendenz des zweiten Satzes auf Aufklärung, auf Verständlichmachen dessen, was da eigentlich passiert? Es ist ja eine beliebte Ausrede von Politkern, dass die Leute nur deswegen gegen etwas sind, weil sie es nicht verstanden haben. Dass sie deswegen gegen etwas sind, weil sie es verstanden haben, scheint undenkbar^^

Lykurg
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Di 21. Sep 2010, 12:22 - Beitrag #32

@Traitor: Eben zur Nichtmeßbarkeit der Auswirkung stimme ich dir zu - die Gegebenheiten anderer Länder insbesondere zu Datenschutz- und Bürgerrechtsfragen sind nun einmal deutlich anders; in GB oder USA meint man die Ausweisdaten nicht oder nur unter Zwang in die Hände des Staates geben zu können, hier ist das Mißtrauen gegenüber privatem Unternehmertum größer. Von Medien vorwiegend Information zu erwarten, ist aber leider mit der langfristigen Entwicklung hin zu aufmerksamkeitsreißenden Schlagzeilen nicht deckungsgleich.
Kunst wird es aber wirklich erst durch Rezeption. An sich ist es ersteinmal eine Dokumentation, die meines Erachtens wie vieles im derzeitigen Internet einen ungeheuren historischen Wert erlangen wird.
Ja, allerdings ist der Übergang von Dokumentation zu Kunst völlig fließend, je nach Kunstbegriff. Ich habe meine Schwierigkeiten mit dem Persönlichkeitsbegriff des deutschen Urheberrechts, meiner Meinung nach greift das zu eng (Schimpansenkunst ist da nur ein Beispiel). Aber das ließe sich bei Gelegenheit auch seperat diskutieren.
Zitat von Ipsissimus:ähm, ich verweigere der breiten Masse auch die Möglichkeit, sich Killer zu besorgen und ihre Probleme entlang der Stalinschen Einsicht "ein toter Mensch mehr, ein Problem weniger" zu lösen. Nichtsdestotrotz gibt es Menschen, die ihre Probleme auf diese Weise lösen. Ich denke, ihr werdet es beide für schwierig empfinden, Killer zu resozialisieren, indem man aus ihrem Metier einen normalen Beruf macht, nur weil man nicht vermeiden kann, dass es immer Leute geben wird, die sich ihrer bedienen werden?
Hierbei handelt es sich aber um ein Problem der mangelnden Umsetzung vorhandener Gesetze, eine andere Kategorie also als die beschriebene Hinderung durch Kosten. Du würdest also vermutlich für ein Verbot öffentlicher Aufnahmen auch durch Dienstleister eintreten? Und wie steht es mit dem Recht auf das private Bild fremden Eigentums? Das wird überaus mühsam, denn wenn man vor jedem Urlaubsfoto eine Genehmigung der Eigner einholen müßte...
darf ich darauf verweisen, dass "minderprivilegiert" nicht dasselbe ist wie "geistig minderbemittelt"? Und ebenso, dass dann, wenn dein Satz richtig wäre, es absolut unerklärlich bliebe, wieso z.B. Gewerkschaften über gut 120 Jahre hinweg doch zumindest das ein oder andere zu Gunsten der Lohnsklaven bewirken konnten.
Du darfst, allerdings hatte ich den Satz mit fragwürdigen Positionen gespickt und mit Dächern angespitzt, die Begriffsverwendung war so absichtsvoll wie unernst. Allerdings ist der Begriff 'minderbemittelt' als Übergangswort zu 'mittellos' so griffig und böse, daß mich seine bisherige Nichtverwendung in diesem Sinne schon fast verwundert.^^
Vielleicht darf ich auch anmerken, dass ich das Internet nicht per se für böse halte^^ gerade das Internet ist eine Organisationsplattform für Unterprivilegierte par excellence. Die Plattform darf nur nicht in die Hände von Kaufleuten fallen, zumindest muss es große reservierte Bereiche geben.
Du darfst, du darfst! Im Netz ist Platz für so ziemlich alles; für Kaufleute ebenso wie für Schenkökonomien. Nur die Gültigkeit der auch außerhalb vorhandenen Gesetze nach innen zu übertragen, führt eben zu gewissen Konflikten, in denen die eine und die andere Seite ihre Positionen gegeneinander abgewogen sehen wollen. Nur braucht sich, wer die Freiheit der einen Seite beschränkt und einer Netzkontrollinstanz unterworfen sehen will, dann nicht zu wundern, wenn diese weiter um sich greift und auch andere Bereiche des Netzes maßzuregeln sich beliebt. Dann wird der Wettstreit um die Deutungshoheit plötzlich in einer weiteren Instanz geführt, deren Entscheidungen für ihre Subjekte vitale Bedeutung haben. Ich kann kaum einschätzen, ob mir das Szenario gefällt, weniger noch für andere.

Ipsissimus
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Di 21. Sep 2010, 13:49 - Beitrag #33

Hierbei handelt es sich aber um ein Problem der mangelnden Umsetzung vorhandener Gesetze, eine andere Kategorie also als die beschriebene Hinderung durch Kosten.
das halte ich für eine irrelevante Differenzierung. Gesetze sind so schnell geändert, wenn man will^^

Und wie steht es mit dem Recht auf das private Bild fremden Eigentums?
wie ich sagte, was ich Privatperson X zugestehe, wenn es zufällig passiert, gestehe ich Firma Y noch lange nicht zu

Nur braucht sich, wer die Freiheit der einen Seite beschränkt und einer Netzkontrollinstanz unterworfen sehen will, dann nicht zu wundern, wenn diese weiter um sich greift und auch andere Bereiche des Netzes maßzuregeln sich beliebt.
hier geht es aber um etwas, das erst mal außerhalb des Webs passiert^^ und das, was passiert, ist die Antastung privater Grenzziehung durch Pauschalannahmen seitens einer Firma, zu denen sie keinerlei Befugnis hat

Ipsissimus
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Mo 27. Sep 2010, 15:46 - Beitrag #34

Die Art von Aufnahmen, Bilder von allen größeren oder touristisch interessanten Städten, um die es im Google-Streit geht, werden von der Firma "Tele-Info" schon vor zehn Jahren gemacht. Zielgruppe der vom Unternehmen gespeisten Datenbank „CityServer“ sollten vor allem kommunale Stellen sein, aber auch Banken und Versicherungen. Die Vermarktung von Geo-Daten beschäftigt längst eine riesige Branche. Der Ditzinger Werbedienstleister Schober etwa brüstet sich, viele Milliarden Daten über die Konsumgewohnheiten der Deutschen in seiner „Geo MarketBase“ mit geographischen und Markt-Informationen verknüpft zu haben. Schober hat nach eigenen Angaben „nahezu 100 Prozent aller Häuser Deutschlands selbst bewertet“. Die firmeneigene Software „ergänzt jede Adresse um ihren exakten individuellen Geoschlüssel“.

Mit anderen Worten: Unser Wohnumfeld ist längst von hinten bis vorne ausgespäht und kategorisiert. Die Nationalität der Nachbarn, die Einkommensverteilung im Kiez, die durchschnittliche Verschuldung in den Querstraßen, das äußere Erscheinungsbild des Viertels – dafür interessieren sich unter anderem Firmen, die mit Immobilien spekulieren oder im „Scoring“ das wahrscheinliche Vertragsverhalten von Menschen aus vergleichbaren Gegenden errechnen. Andere in der Geo-Daten-Branche aktive Unternehmen bieten Dienstleistungen für Geheimdienste und Militär an – nicht zuletzt Google.

http://www.freitag.de/politik/1038-100-prozent-aller-h-user
Insofern also tatsächlich nichts Neues. Nur der Wunsch steigt gebieterisch, Sand im Getriebe zu sein. Wer die Bilder nicht schlimm findet, möge deren kommerziellen Hintergrund bedenken: die Ausbeutung unserer gesamten Lebenswelt ist angesagt.

Lykurg
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Mo 27. Sep 2010, 16:02 - Beitrag #35

Um so mehr verwundert mich, daß das öffentliche Zurverfügungstellen dieser Bilder, das überhaupt erst zu dahingehenden Recherchen (was ist und wer hat bereits photographiert/dokumentiert?) führt, nun schlimmer sein soll als deren rein kommerzielle Nutzung. Ich finde die Bilder und deren Verfügbarkeit insgesamt nicht schlimm, aber es stört mich doch, wenn derartiges im großen Maßstab heimlich angefertigt wird.

Allerdings dürfte es ziemlich viele unangenehme Dinge geben, die tatsächlich nicht heimlich, sondern ziemlich öffentlich passieren, ohne daß sich jemand darum schert. Wahrnehmung, und vor allem Problemwahrnehmung, ist eben hochgradig selektiv und gruppendynamisch organisiert. Wenn die Aufpasser etwas wittern, ergreift die Herde die Flucht oder nimmt Angriffsposition ein.

Ipsissimus
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Mo 27. Sep 2010, 20:31 - Beitrag #36

die Einsicht, dass den Meuterern nur ihre Köpfe zu nehmen seien, damit die Herde wieder fügsam werde, scheint mir allerdings noch keine direkte Widerlegung der Angemessenheit der Anliegen der Herde zu sein. Die Köpfe bestimmter Herden werden immer nur von den Köpfen anderer Herden als kritisch empfunden^^ es ist längst nicht "alles gut", wenn die Leute nur "ruhig" sind

Maglor
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Mo 27. Sep 2010, 21:04 - Beitrag #37

Och, die blöde Herde verlinkt sich dann noch gegenseitig im StudiVZ auf den Bildern und hebt die Anonymität der Bilder auf. Wenn das Google macht ist das natürlich schlimm und böse.
Umgekehrt lateinisch: Quod licet bovis, non licet Jovis.
Wie es Google nicht kommerziell macht, so treibt es die Geltungssucht der Web-2.0-Bullen eben heimlich zum gleichen Ergebnis, auch wenn es keiner anschaut... :crazy:

Ipsissimus
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Mo 27. Sep 2010, 23:18 - Beitrag #38

das mag für das StudiVZ/Facebook/Twitter-Klientel gelten. Aber es gibt selbst im Web noch genügend vernünftige Herden

"schlimm" oder "böse", wenn man es so nennen will, obwohl ich die Begriffe "Unverschämtheit" und "Dreistigkeit" bevorzuge, die natürlich aus Gier geboren und bei weitem nicht auf das Gebaren von Google begrenzt sind. Aber ich sehe natürlich auch, dass Unverschämtheit und Dreistigkeit Werte geworden sind, an denen viele Herden zunehmend Orientierung und Gefallen finden. Wenn das kein Grund zur Besorgnis ist, dann möge die menschliche Welt von mir aus gerne dem Abgrund entgegen taumeln

Traitor
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Mi 3. Nov 2010, 23:24 - Beitrag #39

So, und erneut eine Threadwiederbelebung aufgrund aktueller StreetView-Nachrichten. Anscheinend gibt/gab es einen lustigen Bug, der sporadische Entpixelung erlaubte - an sich aufgrund seiner Obskurität eher harmlos, aber doch sehr tiefgehend, da er zeigt, dass die versprochene Verunstaltung der Rohbilder, nicht nur des ausgelieferten Materials, offenbar nicht stattfand. Das Versprechen war meines Erachtens zwar eh so unsinnig wie die ganze Debatte, aber wenn man so etwas schon verspricht, dann sollte man es gefälligst auch einhalten. Also habe erstmals auch ich etwas an Googles Vorgehensweise zu meckern.

In diesem Zusammenhang möchte ich die zugehörige SpOn-Photostrecke als größtes Stück absurden Journalismus des Jahrzehnts nominieren - durch Vorzeigen eigenhändig verpixelter Bilder wird darauf hingewiesen, dass diese nicht verwiesen seien! Das ist schon Kunst. :D

@Ipsi:
Mir ist wichtig, aus welcher inneren Haltung heraus etwas gemacht wird.
Ok, das kann ich schon deutlich besser nachvollziehen, wenn auch natürlich nicht unterschreiben, für mich zählt weiterhin eher das Faktische als die Intention. Dein folgendes Fassaden-Beispiel ist sicher ein Geschäftsmodell, das erst durch die kostenlose und bequeme Zugänglichkeit der Bildermassen rentabel sein könnte - aber eben gegenüber den auch vorher schon rentablen übleren Rating- und Überwachungsmodellen deutlich harmloser.

hier geht es aber um etwas, das erst mal außerhalb des Webs passiert^^ und das, was passiert, ist die Antastung privater Grenzziehung durch Pauschalannahmen seitens einer Firma, zu denen sie keinerlei Befugnis hat
Wie dein Teleinfo-Beispiel zeigt, und deine Formulierung "außerhalb des Webs", scheint es ja doch eher die Veröffentlichung für alle im Internet zu sein, als die Antastungsanmaßung der Firma? Denn im industriellen Maßstab die "private Grenze" der Fasse antastend sind die im Geheimen / Unauffälligen arbeitenden Dienstleister ja genauso.

Facebook und Co sehe ich allerdings genauso wie du als unvergleichbar, da selbstverschuldet, keine von außen aufgedrängte Kampagne. (Außer, wenn es tatsächlich mal de-facto-obligatorisch werden sollte, um sozial zu überleben oder Jobs zu bekommen.)
Andererseits, es ist ja auch selbst verschuldet, ein Haus in besiedelter Gegend mit einsichtbarer Fassade zu bewohnen, anstatt sich im hintersten Wald hinter 20 Meter hohen Betonmauern zu verschanzen... ;)

Lykurg
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Do 4. Nov 2010, 00:45 - Beitrag #40

Weitgehende Übereinstimmung mit Traitors Punkten zur Verpixelungsposse. Ein bißchen absurd ist die SpOn-Strecke natürlich schon, schlechter hat es aber logischerweise Bild-Online gemacht. Die haben ein unverpixeltes Bild mit der entsprechenden Schlagzeile unverpixelt online gestellt, tatsächlich stammte es aber gar nicht von Google Street View, sondern von Flickr. Bild

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