@Ipsi:
also, es einer Kampagne vorzuwerfen, dass sie sich der Medien bedient, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, geht meines Erachtens an der Sache vorbei - natürlich geht sie strategisch vor und bedient sich der Mittel, die vorhanden sind, statt brav im Kämmerlein zu schmollen, was niemanden und am allewenigsten Google stören würde (und dich, Traitor, wahrscheinlich zu dem Kommentar veranlassen würde "wenn sie halt nichts dagegen unternehmen ..."^^)
Eine Kampagne an sich würde mich nicht so sehr stören (außer natürlich insofern, wie ich mit ihr anderer Meinung bin
), was mich in diesem Fall so stört, ist, dass es die Medien selbst waren, von denen die Kampagne ausgeht. Mir ist zumindest keine "Bürgerinitiative gegen Google" bekannt, die sich viel hätte zitieren lassen, groß demonstriert hätte oder sonstwie die Presselawine ins Rollen gebracht hätte. Eher haben sich die Medien im Sommerloch selbst hochgeschaukelt und eben ohne vorher groß bestehenden Bürgerwillen die öffentliche Meinung erst erzeugt, über die sie eigentlich nur berichten sollen.
eine ungefähre Verortung des Dammbruchs vermeine ich, dir gegeben zu haben. Es begann ungefähr in der ersten Hälfte der 90er Jahre, als die Kaufleute sich zu den Technik-Freaks gesellten und letztere damit ihre Unschuld verloren. Es geht nicht mehr um "freie Verfügbarkeit", dieser Gedanke entspringt der Naivität der Nerds, es geht um Geschäft. Es geht nur noch ums Geschäft. Dieser Prozess war spätestens nach der .com-Blase abgeschlossen und herrscht seither unangefochten.
Damit sind wir wieder am Punkt angekommen, dass es dir wichtiger ist,
wer es macht, mir dagegen
was gemacht wird. Ich fürchte ja fast, darauf werden wir es beruhen lassen müssen...
Wenn du bei einer Firma Überwachungsbilder bestellen willst, musst du teuer bezahlen, genauso, wenn du jemanden explizit beauftragst, also überlegst du es dir. Und du musst wissen, dass es die Firma gibt. Das errichtet schon mal eine Hemmschwelle dagegen, "einfach mal zu gucken"; dass die Kritik sich nicht nur gegen Street View sondern genauso Google Earth und dergleichen richtet, sollte klar sein.
Hierzu völlige Zustimmung zu Lykurgs Antwort - die Publikumseinschränkung halte ich aus den von ihm genannten Gründen gerade für den gefährlicheren Aspekt als die allgemeine Verfügbarkeit.
du meinst, ob ich dem Internet kritisch gegenüber stehe? Nun ja, unkritisch sicher nicht. So ähnlich wie dem Fernsehn, das mal eine tolle Sache war, als Werbung noch 5 min am Stück und pro Stunde nicht überschreiten durfte und es noch keine Privatsender gab. Mittlerweile ... na ja, das führt zu weit, aber du kannst dir denken, warum ich keinen Fernseher habe. Leisten könnte ich mir durchaus einen^^ für jedes Zimmer^^
Nein, ich meinte, ob du den kritischen Unterschied zwischen "per Post, in einem Buch oder im Fernsehen veröffentlicht" und "im Internet veröffentlicht" siehtst, oder zwischen "veröffentlicht" und "nicht veröffentlicht". Und mich wundert sehr, dass ich dich so zu verstehen meine, dass es ersteres ist.
sorry, ich fühle mich persönlich angegriffen - nicht von deiner Bemerkung, sondern von Google und Konsorten^^ Dienste wie Street View und Earth sind für mich der Alptraum schlechthin, die ultimative Penetration, reine Vergewaltigung. "Naserümpfen"^^ nee, das deckt es nicht ab^^ Eine Firma hat - noch dazu unter Anmaßung hoheitsartiger Befugnisse - einfach kein Recht dazu, meinen Privatbesitzt zu filmen und öffentlich zu machen. Ich bin keine Person öffentlichen Interesses, es gibt keinen "Informationsbedarf der Öffentlichkeit" hinsichtlich meines Eigentums. Punkt. Und sie hat kein Recht, die Beweislast auf mich abzuwälzen. Sie macht es trotzdem, weil sie die Macht hat. DAS nenne ich eine bösartige Entgleisung des Internet-Gedankens, und ich kann nur hoffen, dass die Medien-Kampagne noch sehr viel mehr Menschen gegen Google & Co. anstachelt.
Wie gesagt, angegriffen fühlen darfst du dich natürlich - ich sehe nur in der fundamentalen wie aktuellen Rechtslage keinen Grund, der dieses Gefühl staatlich sanktionsfähig machen würde. Natürlich kann eine große Mehrheit mit diesem Gefühl ein legitimer Grund sein, die Rechtslage dann zu ändern - aber dafür zu sorgen, dass das eben nicht aus kurzfristiger, mediengeschürter Hysterie (bei der Mehrheit, nicht bei dir persönlich) geschieht, sondern nur nach Abwägung mit den gut überlegten bisherigen Rechtsgrundlagen und den langfristigen Folgen, inklusive Schaden-Nutzen-Kalkül, ist nunmal Aufgabe der Politik.
Und natürlich bist du keine Person des öffentlichen Interesses. Aber dein Haus ist in gewissem Sinne Gegenstand des öffentlichen Interesses, oder zumindest Gegenstand des legitimen persönlichen Interesses so manches Mitmenschen. Wer in die Gegend ziehen will, muss das Recht haben, sich die Nachbarschaft anzusehen. Wer sich für Architektur interessiert, sollte das Recht haben, sich einen Überblick über typische Wohnhäuser zu verschaffen. Und so weiter. Und warum soll er das Recht nur haben, wenn er dafür mühsam vor Ort fährt und sich mit bloßem Auge umguckt, aber nicht, wenn er es bequem von zu Hause aus möchte? Und wenn du so partout nicht willst, dass die Öffentlichkeit dein Haus sieht, dann hättest du halt dafür sorgen müssen, dass es hinter dicken Mauern oder Bäumen steht. Und das ist keine neumodische Beweislastumkehr von Google. Das ist die "Beweislastumkehr", oder ich würde lieber sagen die physikalische Realität, seit Jahrzehnten, durch jeden Passanten, der vorbeigeht.
siehst du bei mehr oder weniger automatisch aufgenommen Fotos eine künstlerische Leistung? Ich weiß, Kunst ist, wenn der Künstler behauptet, es sei welche. Aber ich sehr hier weder Kunst noch Künstler, sondern einfach nur Dreistigkeit im industriellen Maßstab.
Nein, keine künstlerische. Aber eine informative, damit lebenserleichternde, sowie eine wissenschaftlich-dokumentarische. Beides meines Erachtens relevantere Güter als Kunst.
@Lykurg:
Von einer stark erhöhten Tendenz zum Widerspruch aufgrund der Information über deren Möglichkeit gehe ich aber aus.
Wäre es nur das, wäre es natürlich moralisch völlig einwandfrei. Eine reine Information zum Widerspruch wäre meines Erachtens aber bei der Mehrheit der Zielgruppe nur auf achselzuckendes "aha, Netzgedöns, da kann ich widersprechen, toll, den Aufwand betreibe ich nicht, wird schon nichts dran sein" gestoßen. Der größte Teil der Widerspruchstendenzerhöhung geht vermutlich eher auf den doch deutlich parteiisch erhobenen Aufruf zum Widerspruch zurück. Aber natürlich, wirklich nachweisen lässt sich das nicht. Ein bisschen soetwas wie Vergleichsgruppen hat man zwar schon, nämlich andere Länder, in denen StreetView kaum jemanden aufregt. Aber da dort die Ausgangsbedingungen anders waren, taugt das natürlich nicht für eine saubere Vergleichsstudie.
Auch aus anderen Blickwinkeln, etwa dem der Rezeption, funktionieren Google Earth und Google Street View als überaus komplexe Kunstwerke, hochgradig individuell zu betrachtende works in progress jeweils und mit viel Schnittfläche zu Kommerz und zweckgebundener Nutzung, auch dadurch aber mit einem viel größeren Besucherkreis ausgestattet, als ihn die meisten anderen großen Werke der Kunstgeschichte je erreichten.
Kunst wird es aber wirklich erst durch Rezeption. An sich ist es ersteinmal eine Dokumentation, die meines Erachtens wie vieles im derzeitigen Internet einen ungeheuren historischen Wert erlangen wird.