Google Street View

Die Große Welt des WWW. Hier kann über Technik, Seiten und Programme (Browser, Messenger, Chats, Email usw) geredet werden.

Google Street View...

werde ich nie ausprobieren
1
6%
werde ich mir mal angucken
5
31%
wird wohl eine meiner Lieblingsseiten
1
6%
- sollte ganz verboten sein
1
6%
- soll mein Haus nicht zeigen
3
19%
- kann und soll machen was es will
5
31%
 
Abstimmungen insgesamt : 16

Lykurg
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Do 12. Aug 2010, 14:32 - Beitrag #1

Google Street View

Städteurlaub am Schreibtisch - mit Google View wirds möglich... dank der öffentlichen Aufregung hat der neue Dienst in Deutschland viel kostenlose Werbung erhalten. Aber was ist wirklich dran, wie nützlich ist es und wie schätzt ihr die Risiken ein?

Ipsissimus
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Do 12. Aug 2010, 17:04 - Beitrag #2

was mich daran, alle Nebenkriegsschauplätze beiseite gestellt, wirklich aufregt, ist die Beweislastumkehr. Nicht Google ist daran gebunden, ohne Willensbekundung der relevanten Personen davon auszugehen, dass keine Erlaubnis vorliegt, sondern die Erlaubnis wird als Standard gesetzt, und wer nichts damit am Hut hat, muss von sich aus aktiv werden. Das ist, mit einem Wort: Scheiße. Das ist genau die Art von raffiniert-dummdreister Bösartigkeit, die Menschen in den Terrorismus treiben kann.

Google muss gezwungen werden, davon auszugehen, dass die Erlaubnis in keinem Fall vorliegt und also für jedes einzelne Haus aktiv seitens Google erfragt werden muss. Wobei dann, wenn Google keine Antwort erhält, die Erlaubnis als verweigert gilt, nicht als erteilt.

Lykurg
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Do 12. Aug 2010, 21:11 - Beitrag #3

Ich finde die Beweislastumkehr ebenfalls problematisch, und schade, daß die deutschen Großstädte nicht rechtzeitig eine geeignete Straßensondernutzungsgebühr eingeführt haben, wie Ratingen. (In Hennef hält man das allerdings für problematisch.) Allerdings wäre die Sache als zustimmungspflichtige Maßnahme witzlos, wenn nicht genügend Leute mitmachen.
Das könnten die allerdings ganz einfach hinbekommen, wenn sie wollten - haben sie nicht auch IP-Adressen registriert? Dann könnten sie relevante Dienste, z.B. die Google-Suche, an das Einverständnis knüpfen...

Ich sehe aber auch deutliche Vorteile des Dienstes, z.B. bei der Wohnungssuche, und auch Google Earth dringt schon recht weitgehend in die Privatsphäre ein, ohne daß deswegen ein Aufschrei durch das Land ging.

Ipsissimus
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Fr 13. Aug 2010, 09:36 - Beitrag #4

ich vermute dahinter ja System, und letztlich Deckung seitens der Politik. Einfach deswegen, weil die Beweislastumkehr nirgendwo thematisiert wird. Sie soll wohl als Selbstverständlichkeit in den Köpfen implementiert werden. Macht gefügiger^^

Google Earth wird zumindest in meinem Bekanntenkreis ebenfalls als extrem problematisch empfunden, und die Nützlichkeit ist wie immer der Speck, mit dem man die Mäuse anlockt.

Dein Vorschlag, die Zugänglichkeit zu den Grunddiensten von der Zustimmung zu erweiterten Diensten abhängig zu machen und dies per IP zu überwachen, ist allerdings apart^^ ich bezweifele, dass für diesen Fall schon mal ein Unternehmen schneller aus den Höhen des Olymp zum Hades transportiert wurde^^ wenn das Internet eines nicht verzeiht, dann ist es Erpressung. Und Suchmaschinen gibt es wie Sand am Meer^^

Lykurg
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Fr 13. Aug 2010, 10:37 - Beitrag #5

Dein Vorschlag, die Zugänglichkeit zu den Grunddiensten von der Zustimmung zu erweiterten Diensten abhängig zu machen und dies per IP zu überwachen, ist allerdings apart^^ ich bezweifele, dass für diesen Fall schon mal ein Unternehmen schneller aus den Höhen des Olymp zum Hades transportiert wurde^^ wenn das Internet eines nicht verzeiht, dann ist es Erpressung. Und Suchmaschinen gibt es wie Sand am Meer^^
Darüber habe ich natürlich auch nachgedacht, allerdings glaube ich, daß einerseits eine wirklich relevante Masse von Nutzern (vielleicht zwei Drittel, wenn die Zustimmung mit nur einem Mausklick rechtswirksam wäre?) aus Gewohnheit bei Google bleiben würden; außerdem diverse Google-Dienste (z.B. das für viele meiner fachlichen Ausrichtung jetzt schon fast unverzichtbar werdende Google Books) Alleinstellungsmerkmal genug sind, um auch zu größeren Entblößungen zu zwingen.

Ipsissimus
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Fr 13. Aug 2010, 11:30 - Beitrag #6

na ja, zu derartigen Datenbanken wie Google Books haben die Bibliothekare unter meinen Kollegen eine ziemlich eindeutige Meinung, die im Prinzip auf "nutzlos" hinausläuft. Allerdings treiben sie sich auch in Fachgebieten herum, in denen der Bestand an Literatur jeden Tag um eine 5stellige Zahl wächst, zusätzlich noch ein riesiger Bereich "grauer Literatur" existiert und Lizenzfragen ernsthafte Probleme stellen. Da braucht man ganz andere Datenbanken als das "biedere Google Books", so eine Kollegin wörtlich^^

aber das ist natürlich ein anderer Anwendungsfall, eingestanden. Ich befürchte, deine Darlegungen belegen, dass das Speck-fängt-Mäuse-Prinzip nur allzugut funktioniert

Lykurg
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Fr 13. Aug 2010, 12:29 - Beitrag #7

Klar ist es ein massiver Unterschied, ob man die aktuellen naturwissenschaftlichen Publikationen sucht (in der Richtung wird sich, falls Google kein vernünftiges Rechteverwaltungssystem hinbekommt, vermutlich eine andere Lösung finden lassen müssen, aber wahrscheinlich relativ bald kommen) - oder historische Buchbestände meint, für die die Rechte seit ein oder zwei Jahrhunderten erledigt sind, seltene Bücher aber zugleich, die nicht in jeder Bibliothek zu haben sind. Da ist es schon praktisch, mal eben vom Schreibtisch aus einen Satz in den Ausgaben von 1713 und 1719 vergleichen zu können, statt dafür die Bibliotheken in Berlin und München zu bereisen... ;)
Und über die Verschlagwortung kommt man eben auch in Sekundenschnelle zu Zitaten, die man sonst im Leben nicht (bzw. erst nach ein paar Jahren Recherche oder durch Zufall) gefunden hätte.

Ich glaube wirklich, daß ein sehr großer Bevölkerungsanteil für einen noch so geringen Grad an Bequemlichkeit bereit ist, auf wesentliche Rechte und Einzelentscheidungen zu verzichten - seien es Adressenweitergabe für Preisausschreiben etc., Pauschalangebote aller Art oder das Nichtwählen.

Maglor
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Fr 13. Aug 2010, 15:00 - Beitrag #8

Nunja, das Internet hat sich eben kommerzialisiert.
Vor Jahren kamen noch beschweren, dass halbwüchsige Nerds Hinz und Kunz fotografieren und bei StudiVZ reinstellen, urheberrechtliches Zeugs kopieren und ins Netz stellen...
... jetzt übernehmen dies die Profis. :crazy:

Ipsissimus
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Fr 13. Aug 2010, 16:10 - Beitrag #9

mensch muss es wohl zur Kenntnis nehmen, die Zeit der Träumer nähert sich auch im Internet ihrem Ende

Traitor
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Fr 13. Aug 2010, 19:36 - Beitrag #10

Die Street-View-Debatte ist vollkommen verfehlt, ein Fall, in dem übertriebene mediale Aufmerksamkeit eine Hexenjagd ausgelöst hat, die einerseits ein ziemlich harmloses Projekt unnötigerweise verteufelt, andererseits die dringend benötigte Aufmerksamkeit von sehr viel schlimmeren Datenschutzproblemen ablenkt, und durch die am Ende vermutlich auch noch sinnlose Willkürausnahmen in eigentlich sehr sinnvolle Gesetze reingeschrieben werden.

Sicher mag es manch einem bedenklich vorkommen, sein Haus im Internet sichtbar zu machen. Aber ein Haus ist nunmal ein öffentliches Objekt, das ist schon in der Offline-Welt manifest so. Und da es nunmal völlig logisch ist, dass etwas, das in der Öffentlichkeit unverhüllt rumsteht, auch angeguckt werden darf, gibt es in Deutschland glücklicherweise das Recht der "Panoramafreiheit" - von dauerhaft im öffentlichen Raum angebrachten Objekten, insbesondere Gebäuden, darf jeder Photos machen und diese verbreiten, wie er will. Ebenso darf jeder Photos vom öffentlichen Raum machen, ohne von jedem vorbeieilenden Passanten ein Recht auf dessen Abbildung einholen zu müssen, solange dieser sogenanntes "Beiwerk" ist, also nicht im (inhaltlichen, nicht technischen) Fokus des Bildes steht.

Google veröffentlicht also nichts, was nicht jeder andere Mensch auch abbilden und veröffentlichen darf, genaugenommen veröffentlicht es sogar weniger, denn sie haben sich ja bereits bereiterklärt, Personen unkenntlich zu machen.

Vorwerfen könnte man ihnen nun noch, durch die Erstellung einer leicht zugänglichen und bedienbaren Datenbank diese eigentlich legalen Daten in fragwürdiger Weise aktiv zu verbreiten. Derselbe Vorwurf träfe auf Google Earth zu. Meines Erachtens sollte hier aber dringend ein Paradigmenwechsel einsetzen, der das Argument genau umkehrt: wenn es Daten gibt, die prinzipiell zugänglich sind, dann sollten sie auch allen und so einfach wie möglich zugänglich sein. Mir ist es sehr viel lieber, wenn es eine transparente, für jeden Normalbürger zugängliche und damit kontrollierbare Datenbank gibt, als wenn dieselben Daten bereits jederzeit verfügbar sind, aber nur für ausgewählte Nutzer - also Geheimdienste, Firmen, Arbeitgeber - also tendenziell genau für die Leute, die mir mit Missbrauch dieser Daten schaden wollen, und ohne Möglichkeit, selbst zu kontrollieren, was sie da alles abrufen können.

Analoges gilt für sehr viele "Datenschutzprobleme", die im Internet-Zusammenhang diskutiert werden. Für mit Geld und Verbindungen ausgestattete Interessenten sind die Daten längst verfügbar, abrufbar und aggregierbar, und wenn sie einen Nutzen aus ihrer Gewinnung haben, meistens also ich einen Schaden, dann werden sie den entsprechenden Aufwand auch treiben. Sind entsprechende Daten aber allgemein verfügbar, so werden diese Nutzerkreise sie sich zwar natürlich auch noch einfacher besorgen können, aber gleichzeitig weiß ich auch, was vorliegt, und kann im Zweifel gegensteuern, auf Entfernung der Daten dringen oder bei Nachfragen die entsprechenden Daten erklären. Und parallel können zahlreiche harmlose Mitbürger die Daten für völlig harmlose Zwecke gebrauchen, was ihnen vorher nicht möglich war, bzw. den Aufwand nicht wert.

Allerdings gilt das gesagte natürlich nur für Daten, die sowieso quasi-öffentlich sind, auf deren Geheimhaltung man also kein generelles (moralisches) Recht hat. Und hier komme ich zum zweiten Punkt - während man sich über das harmlose Street View so aufregt, sind die viel relevanteren Debatten über Nutzungsverhaltensstatistiken derzeit stark in den Hintergrund geraten. Und hier sehe ich Google, MS, Apple und co (wobei Google hier nachwievor mit Abstand der transparanteste und fairste Anbieter ist, keine Ahnung, warum die Presse sich in so kurzer Zeit auf sie als Hauptfeindbild eingeschossen hat und dem Rest alles durchgehen lässt) tatsächlich als grob fehlgeleitet an und scharfe gesetzliche Regulierung als notwendig. Das Protokollieren von Websuchen, Durchsuchen von E-Mails und so weiter ist technisch sehr einfach, während entsprechende Offline-Protokolle früher höchstens unter Einsatz von Detektiven erreichbar waren. Hierbei handelt es sich also nicht mehr um Daten, die es eh überall gibt und die nur geordnet werden - hier wird dem Nutzer aktiv hinterherspioniert. Soetwas darf höchstens als aktiv zuschaltbare Funktion vorhandensein, für jene, die gerne für Komfort alles preisgeben.

Ach ja, Beweislastumkehr ist immer eine blöde Sache, aber hier nicht zutreffend. Es wäre Beweislastumkehr, wenn die Leute ein Recht hätten, ihr Haus geheimzuhalten, und man eigentlich nur mit ihrer Einwilligung die Bilder veröffentlichen dürfte, Google die sich dann bis zum Beweis des Gegenteils einfach mal selbst erteilt. Aber die Rechtssituation ist ganz eindeutig die, dass Google das Recht zur Veröffentlichung hat, aber aus Rücksicht auf hiesige Befindlichkeiten (das darf und soll man gerne als "aus Rücksicht auf den eigenen Ruf und damit die eigenen Markanteile" lesen) den Leuten per Kulanz das Recht einräumt, die sie betreffenden Bilder entfernen zu lassen. Sie müssten eigentlich gar keine Entfernungen vornehmen (außer in Ausnahmefällen wie dem über-den-die-offizielle-Höhe-erreichenden-Zaun-gucken oder Passanten, die direkt das Gesicht in die Kamera halten), und schon gar nicht aktiv Genehmigungen einholen.

Ipsissimus
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Sa 14. Aug 2010, 09:24 - Beitrag #11

nur dass Google kein Mensch ist, sondern eine Firma und darüber hinaus ein Global Player und dass kein Mensch in der Lage wäre, eine derartige Datensammlung von dieser Umfassendheit systematisch zu erstellen.

Aber im Prinzip verdeutlichen deine Argumente, Traitor, dass sich ein Paradigmenwechsel anbahnt, möglicherweise tatsächlich schon vollzogen ist und ich diesbezüglich einfach zu den Gestrigen zähle. Das Wesentliche des neuen Paradigmas scheint mir in dem Umstand gegeben, dass Angemessenheit fundamental durch Nützlichkeit begründet wird - absolut passend zur neoliberalen Doktrin, als deren Ausfluss das neue Paradigma wohl charakterisiert werden kann - und dass ich mich dagegen verwahre, wird dich kaum verwundern^^

es scheint unter dem neuen Paradigma ausgemachte Sache zu sein, dass aggressives geschäftsmännisches Gebaren auch dort als grundlegend und selbstverständlich geduldet wird, wo unter dem alten Paradigma noch Schutzzonen für die Privatperson herrschten, tatsächlich - darauf weist du völlig korrekt hin - seltener formal abgesichert, als vielmehr durch Usus, Höflichkeit, Unaufdringlichkeit, Nicht-Obstruktion und dergleichen in der schönen neuen Welt überflüssiger Werte. Über diese Stellen ist ja auch der Angriff erfolgt.

Na ja, ich bin mal gespannt, was alles noch selbstverständlich und überflüssig wird, bis ich sterbe^^

Traitor
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Sa 14. Aug 2010, 12:48 - Beitrag #12

nur dass Google kein Mensch ist, sondern eine Firma und darüber hinaus ein Global Player und dass kein Mensch in der Lage wäre, eine derartige Datensammlung von dieser Umfassendheit systematisch zu erstellen.
Genau diese Interpretation hinterfrage ich ja. Auch bisher konnte schon gerade jede Firma derartige Daten ohne Probleme und mit nicht sehr großem Aufwand beschaffen, wenn sie einen lohnenswerten Grund dafür hatte. Das einzige, was Google neben gewisser Aufwandssenkung für diese Zielgruppe wirklich ändert, ist, dass nun auch Privatpersonen mit realistischem Aufwand an solche Bilder beliebiger Orte kommen. Für jede denkbare Schadanwendung ist die Nutzensteigerung also minimal, für harmlose Nutzungen größer. Der grundlegende Schutz des als Privat empfundenen ist eh schon nicht gegeben und kann dementsprechend nicht mehr gebrochen werden. Das ist hier die relevante Abwägung, nicht Nutzen gegen Schutz, sondern wenig Schaden gegen etwas mehr Nutzen bei eh schon vorher nicht vorhandenem Schutz.

Außerdem ist für mich fraglich, ob hier überhaupt die Umfassendheit der Datensammlung relevant ist. Im Gegensatz zu Texten oder Nutzungsstatistiken sind große Bilddatenbanken auf absehbare Zeit nicht effizient automatisch auswertbar, relevant ist die Datenbank also nur für manuelle Stichproben, und hier liegt eben nur ein gradueller Bequemlichkeitsunterschied zu bisherigen Beschaffungsmethoden vor.

Aber im Prinzip verdeutlichen deine Argumente, Traitor, dass sich ein Paradigmenwechsel anbahnt, möglicherweise tatsächlich schon vollzogen ist und ich diesbezüglich einfach zu den Gestrigen zähle. Das Wesentliche des neuen Paradigmas scheint mir in dem Umstand gegeben, dass Angemessenheit fundamental durch Nützlichkeit begründet wird - absolut passend zur neoliberalen Doktrin, als deren Ausfluss das neue Paradigma wohl charakterisiert werden kann - und dass ich mich dagegen verwahre, wird dich kaum verwundern^^
Ersteinmal ist das Zugänglichmachen von Wissen und Informationen für breite Bevölkerungsschichten für mich kein Neoliberalismus, sondern Aufklärung. Neoliberal daran ist nur die Antriebsfeder - Google handelt natürlich nicht aus Aufklärungsdrang, sondern aus Gewinndenken. Was eine interessante Frage aufwirft - würde ein exakt identisches Projekt auf weniger Gegenwehr stoßen, wenn es als Teil amtlicher Kartenwerke vom Staat herausgegeben würde (vermutlich "ja", weil das dann als Überwachung gilt) oder wenn es von einer wohltätigen Privatorganisation ausginge, z.B. als eine Ausweitung und Systematisierung der Wikimedia Commons, die schon jetzt völlig legal massenweise äquivalentes Bildmaterial anbieten, also hier vermutlich "nein"?

es scheint unter dem neuen Paradigma ausgemachte Sache zu sein, dass aggressives geschäftsmännisches Gebaren auch dort als grundlegend und selbstverständlich geduldet wird, wo unter dem alten Paradigma noch Schutzzonen für die Privatperson herrschten, tatsächlich - darauf weist du völlig korrekt hin - seltener formal abgesichert, als vielmehr durch Usus, Höflichkeit, Unaufdringlichkeit, Nicht-Obstruktion und dergleichen in der schönen neuen Welt überflüssiger Werte. Über diese Stellen ist ja auch der Angriff erfolgt.
Natürlich gibt es Schützenswertes, das nirgends formell festgehalten ist, weil früher niemand auf die Idee kam, es anzugreifen, oder nicht die Methoden hatte. Dazu gehören z.B. das (in völliger Unkenntnis technischer Möglichkeiten) geforderte "Recht auf Vergessen" im Internet, oder das Recht, dass niemand eine Komplettdatenbank aller meiner Einkäufe anlegt. Aber das angebliche "Recht auf das Verstecken der eigenen Hausfront" gehört definitiv nicht dazu, denn es wurde schon in der guten alten Rechtswelt durch die Einführung der Panoramafreiheit explizit verneint. Den offiziellen Gesetzesbegründungstext kenne ich natürlich nicht, aber ich gehe davon aus, dass es die von mir im vorigen Beitrag beschriebenen Gründe sind - es wäre einfach unlogisch und unpraktikabel, etwas vom Wesen her öffentliches als privat deklarieren zu wollen.

Ipsissimus
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Sa 14. Aug 2010, 17:25 - Beitrag #13

deine beiden ersten Absätze zeigen aus meiner Sicht überdeutlich, dass wir unterschiedlichen Paradigmen angehören^^ für dich ist das alles normal und begründbar, für mich ist das schlicht eine ungeheuerliche Anmaßung, nicht nur seitens Google^^ die Gegenwehr hätte allerdings sehr viel früher beginnen und sehr viel effizientere Mittel verwenden müssen, um den Dammbruch aufzuhalten, das sehe ich durchaus ein

für die einen ist es "Zugänglichmachen von Wissen und Informationen", für die anderen Befriedigung von Sensationsgier und Spannerei. Es ist wohl richtig, dass es prinzipiell gesetzlich frei gestellt ist, jedes Haus zu photografieren - obwohl ich da gerne mal genauer lesen würde, was genau frei gestellt ist - eine ganz andere Sache aber ist die allgemeine öffentliche Zugänglichmachung derartiger Photos. Mein Haus und ich sind ganz sicher keine Objekte öffentlichen Interesses, und für derartige Objekte gilt "eigentlich", dass sie nicht so ohne weiteres in Massenmedien abgebildet werden dürfen. Der Photograf hat vielleicht das Recht an seinem Foto, aber das Motiv behält das Recht an sich selbst, so dass der Photograf sich mit den Bildern vielleicht das Schlafzimmer tapezieren kann, aber sie nicht ohne Zustimmung des Motivs öffentlich verwenden darf. Auch das "Recht am Panorama" greift hier meines Erachtens nicht, denn dieses Recht deckt zufällige Situationen ab, nicht den gezielten Gesamtscan. An diesen Stellen IST es Beweislastumkehr, was Google treibt, und allein schon deswegen würde ich es gerne sehen, wenn sie richtig einen in die Fresse bekämen^^

und ja, es ist ein Unterschied, wer was macht. Wikipedia veröffentlicht nur Photos, die den Autoren gehören und von diesen freigegeben sind. Das ist geringfügig etwas anderes als das, was Google macht.

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Ipsissimus
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Mo 16. Aug 2010, 10:16 - Beitrag #14

http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~E4BD2AF68792A4433B340CE8AE366D56C~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

endlich mal eine Diskussion der wirklichen Probleme^^

Google Street View Im Googlegnadentum

Google greift mit hoheitlichem Duktus in die Privatsphäre ein, und die Politik schaut zu. Nur wenige scheinen den Missbrauch der gigantischen Datenmengen zu fürchten. Fast wünscht man sich, Google wäre der Staat - und unterläge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Ist Google der Staat? Man könnte es fast meinen, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der das Unternehmen Deutschlands Straßen und Plätze fotografierte und kartographierte, als sei es das kaiserliche Vermessungsamt. Im Vorbeifahren schöpfte es gleich noch die privaten Datenfunknetze ab, man war so frei.

Beeindruckend auch der hoheitliche Duktus, mit dem Google den Deutschen das „Recht“ zugesteht, „Widerspruch“ gegen die Abbildung ihrer Häuser auf seinen Internet-Seiten einzulegen. Soll man dankbar sein für so viel Googlegnadentum, in dessen Genuss nicht alle Länder kamen, die der Konzern bei der Verfolgung des großen Geschäfts bisher erkennungsdienstlich behandelte?
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Die Deutschen wollten Street View, begründete ein Google-Sprecher die Entscheidung, zunächst zwanzig deutsche Städte so ins Internet zu stellen, dass man auch in Bangladesh sehen kann, wie es in Mannheim hinter dem Bahnhof aussieht. Google glaubt also zu wissen, was das Volk will. Leider droht daran so erschreckend viel zu stimmen, dass man sich wünschen müsste, Google wäre der Staat.

Denn dann unterläge das Unternehmen, das Kenntnisse über seine „User“ anhäuft, die selbst Mielke blass werden ließen, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das hat in seinem Volkszählungs-Urteil von 1983 das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Abwehrrecht gegen den Staat entwickelt.


der gesamte Artikel ist sehr lesenswert. Wir haben Jahrhunderte benötigt, um ein Konzept von "Privatheit" gesetzlich zu verankern, und da kommen zwei Rotznasen (die Google-Gründer und Besitzer) und meinen, sie können das locker übergehen, indem sie mit der Befriedigung der Sensationsgier locken

übrigens gibt es auch in Japan und Südkorea massiven Widerstand gegen Street View, es sind also nicht nur die Deutschen so hinterwäldlerisch^^

Lykurg
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Mo 16. Aug 2010, 13:49 - Beitrag #15

Den Ausdruck Googlegnadentum finde ich überaus hübsch. Aber die Behauptung, die gesammelten Datenmengen ließen "selbst Mielke blass werden", ist haarsträubend übertrieben und dreist. Stasi-Opferverbände haben gegenüber den Täterschutzvereinigungen (PDS und so^^) offenbar keine hinreichende Lobby, um derartige Vergleiche zu unterbinden. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, daß Google jahrelange systematische Abhörvorgänge mit minutiösen Protokollen und heimlich geschossenen Fotos der genutzten Zahnpastamarke, der bevorzugten Sexualpraktiken und Bekundungen zur Regimetreue durchgeführt hätte, deren Ergebnisse dann direkte Konsequenzen auf die persönliche Lebensgestaltung (Ausbildung, Beruf, Wohnort, Besuchsrechte etc.) gehabt hätten.

Mit diesem monströsen Unrecht verglichen, das schon seinerzeit, als die DDR noch 'blühte', von den West-Intellektuellen schöngeredet wurde, sind die von Google Streetview zur Verfügung gestellten Straßenszenen wirklich banal. Amüsant, daß es teilweise dieselben Leute sind (jedenfalls Vertreter ähnlicher Richtungen), die sich nun hiergegen zur Wehr setzen zu müssen meinen, obwohl - bzw. weil - die Bilder nicht vom Staat als Handhabe gegen den Bürger, sondern von allen nach Belieben genutzt werden können; und obwohl (oder weil?) es bei diesen Bildern eben nicht um identifizierbare Bilder von Personen und Fahrzeugen gehen soll.

Ipsissimus
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Mo 16. Aug 2010, 13:55 - Beitrag #16

man kann sich seine Verbündeten nicht immer aussuchen, Lykurg^^ Wenn nur Sündlose sich für die reine Lehre einsetzen dürften, sähe es um selbige sehr schnell sehr bescheiden aus^^

009
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Mo 16. Aug 2010, 17:10 - Beitrag #17

Aktuell fehlt noch immer das für heute versprochene Formular/Verfahren, um der Veröffentlichung der BIlder seiner Wohnung bzw. seines Hauses zu widersprechen.

Maglor
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Mo 16. Aug 2010, 18:27 - Beitrag #18

Google-Street-View ist eine Abbildung der Öffentlichkeit.
Die wesentliche Neuerung ist nun diese, dass neugiere Blicke Blicke in den Vorgarten nicht mehr mit Schrotflinte und Schäferhund beantwortet werden können.

Im Grunde sehe ich keinen Unterschied zu Wikipedia oder X-Beliebigen Bilder-Quellen im Netz. Die Fotos von Google werden auch von Menschen gemacht, nur eben nicht mit dem Scharfschützengewehr sondern mit der vollautomatischen.
Der wesentliche Unterschied bei Google-Street-View ist, dass es sich um den Versuch einer vollständigen Abbildung von Städten handelt und diese dann dann frei verfügbar werden. Ansonsten fragt ja auch keiner, wenn irgendwelche Bewohner, wenn er ganze Straßenzüge im Städteführer, Broschüre, Fernsehen abbildet.

Mal abgesehen davon, die Sache ist sowieso witzlos. Seit Google-Earth kann man sowieso schon alles, nur eben von oben. Wer gerade zur Zeit der Ablichtung im Garten oder auf den Balkon, ist ohnehin schon eingegooglet.

Traitor
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Mo 16. Aug 2010, 23:30 - Beitrag #19

@Ipsi:
deine beiden ersten Absätze zeigen aus meiner Sicht überdeutlich, dass wir unterschiedlichen Paradigmen angehören^^ für dich ist das alles normal und begründbar, für mich ist das schlicht eine ungeheuerliche Anmaßung, nicht nur seitens Google^^ die Gegenwehr hätte allerdings sehr viel früher beginnen und sehr viel effizientere Mittel verwenden müssen, um den Dammbruch aufzuhalten, das sehe ich durchaus ein
Da wäre für mich jetzt die interessante Frage, wann du (ungefähr) den Dammbruch ansetzen würdest. Mit dem Aufkommen großer Datensammlungen und -veröffentlichungen im Internet? Oder schon beim Aufkommen der Photographie? Oder irgendwo dazwischen?
Und "unterschiedliche Paradigmen" halte ich hier für eher hochgegriffen, ich würde sagen, ich nehme datenschutztechnisch in etwa die Mittelposition zwischen dir und Politik+Wirtschaft ein.

für die einen ist es "Zugänglichmachen von Wissen und Informationen", für die anderen Befriedigung von Sensationsgier und Spannerei.
Was da gespannt werden soll, ist mir nur nicht so ganz klar. Soetwas wie in deiner Karikatur geben die Daten natürlich nicht her. Und generell neigen deutsche Wohngebiete eher dazu, verdammt langweilig zu sein. ;)

Die genauen Intentionen und Implikationen der Veröffentlichungsrechte scheinen wir verschieden zu interpretieren; ohne genaue Gesetzeskenntnis lässt sich das wohl auch nicht aufklären. Den Unterschied zu Wikipedia sehe ich wie Maglor aber nicht, der einzige Unterschied ist der zwischen Privatperson und Unternehmen, keiner in der Beziehung zwischen Urheber und Abgebildetem.

@Lykurg: Der Mielke-Vergleich bezieht sich wohl weniger auf Street View als eher auf die Suchprotokolle, E-Mail-Durchsuchungen und Nutzerdatensammlungen. Und ja, darauf wäre Mielke neidisch gewesen. Sicher haben er und Konsorten andere, schlimmere Datenbeschaffungsmethoden gehabt, die Google nicht einsetzt, und vor allem schlimmere Konsequenzen aus den Daten gezogen. Aber rein technisch gesehen hat Google da etwas, was die Stasi nicht hatte. Weniger verharmlosend klänge der Vergleich vielleicht formuliert als "Man mag sich gar nicht vorstellen, was die Stasi noch alles angestellt hätte, wenn sie solche Methoden zur Hand gehabt hätte".

@Maglor:
Die wesentliche Neuerung ist nun diese, dass neugiere Blicke Blicke in den Vorgarten nicht mehr mit Schrotflinte und Schäferhund beantwortet werden können.
Zum Glück kann man sich in Deutschland auch bisher schon ziemlich sicher davor fühlen, von Flinte und Hund angegriffen zu werden, wenn man nur von der Straße aus in einen Garten glotzt.
Mal abgesehen davon, die Sache ist sowieso witzlos. Seit Google-Earth kann man sowieso schon alles, nur eben von oben. Wer gerade zur Zeit der Ablichtung im Garten oder auf den Balkon, ist ohnehin schon eingegooglet.
Der Unterschied ist vor allem einer in der Auflösung, die Satellitenbilder sind ja völlig ungeeignet dazu, Details über die abgebildeten Immobilien oder gar Personen zu erkennen. Dafür hinreichend genaue Satellitenbilder hat nur das Militär - worüber sich übrigens seit Jahrzehnten niemand so richtig aufzuregen scheint.

Ipsissimus
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Di 17. Aug 2010, 12:46 - Beitrag #20

es darf bezweifelt werden, Traitor, ob es eine einzelne Stelle ist, an der der Dammbruch manifest wurde. Am Anfang des Netzes stand wohl eine Art spielerische Unschuld, die Nerds waren begeistert, loteten Möglichkeiten aus, und wenn die ein oder andere Grenze überschritten wurde, meine Güte, lass die Kinder spielen, sie bekommen sich auch wieder ein.

Dann kamen die Kaufleute dazu, die Betriebswirtschaftler, und aus dem Spiel und den spielerisch entwickelten Möglichkeiten wurde Geschäft und Geschäftsskapital und irgendwo entlang dieser Entwicklung ging die Unschuld flöten. Das war der Dammbruch. Seither kann praktisch alles, was irgendwann einmal Spielzeug war, als Waffe eingesetzt werden. Und es besteht im Grunde keinerlei Veranlassung mehr, den Spielkindern des Machbaren noch irgendetwas zuzugestehen, es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit missbraucht werden. Also brauchen wir Regelungen, die diesen Missbrauch wenigstens soweit kanalisieren, dass er im gesellschaftlich anerkannten Rahmen bleibt.

Für einen Spanner ist es nicht wichtig, was genau er zu sehen bekommt, nur dass er wo hinschauen kann, wo was ist, das sich unbeobachtet fühlt

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