Zum Tod von Aaron Swartz

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009
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So 13. Jan 2013, 21:24 - Beitrag #1

Zum Tod von Aaron Swartz

Unter dem Beitragstitel berichtet die Süddeutsche vom ableben eines mir bis dato in personam unbekannten.

Aber dennoch muß ich konstatieren ihn sehr zu schätzen - für die Miturheberschaft am RSS-Protokoll, ohne dessen Existenz meine Internetnutzung anders aussehen würde und ich, zugegeben ohne zu wissen was, wohl etwas vermissen würde.
Was Reddit ist mußte ich gestern nach Artikellektüre erstmal herausfinden. Das wiederum ist etwas, von dem ich nur staunend die Existenz zur Kenntnis nehme und keinen Bezug dazu entwickeln und keinen Nutzen daraus ziehen kann.

Noch ein paar wie ich finde relevante Stellen über de nur 26 gewordenen:
Im Jahr 2011 brach ein junger Hacker in die Online-Datenbank JStor ein, indem er das Computernetzwerk am Massachusetts Institute of Technology (MIT) austrickste. JStor ist ein Speicherplatz für Millionen wissenschaftlicher Artikel, Aufsätze und Quellen. JStor lässt sich das Lesen der Texte bezahlen, auch wenn die Autoren gar kein Geld mit ihren Artikeln machen wollen. Dem jungen Hacker passte das nicht und so stahl er wohl bis zu 4,8 Millionen Artikel aus dem System. Er wollte sie nicht verkaufen, sondern frei zugänglich machen, und zwar weil er glaubte, auf diese Art eine bessere Welt zu schaffen. Eine, in der Wissen frei zugänglich ist auf dem günstigsten und schnellsten Weg für alle, die lernen wollen. Der Einbruch war also weniger ein profaner Diebstahl als ein politischer Akt.

[...]

Immer wieder stellte er zum Beispiel staatliche Dokumente, die amerikanische Bürger nur gegen Geld erhalten können, kostenlos ins Netz, um seine Vision einer freien Gesellschaft zu demonstrieren. Dabei gehörte Swartz zu den wenigen Hackern, die sich auf politischer Ebene für die digitale Gesellschaft einsetzen und er war umgekehrt ein Aktivist, der die technischen Grundlagen seiner eigenen Forderungen verstehen konnte. Er konnte beide Felder, Politik und Technik, miteinander verbinden und leitete seine Ideen stets aus dem Wissen um das technisch Mögliche ab.

Ipsissimus
Dämmerung
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So 13. Jan 2013, 22:04 - Beitrag #2

ein bemerkenswerter Mensch offenbar. Er möge in Frieden ruhen.

Traitor
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So 20. Jan 2013, 11:55 - Beitrag #3

Eine sehr undurchsichtige Geschichte. Naheliegend wäre, dass die juristischen Probleme (s.u.) direkte Ursache waren, u.a. der bei der Süddeutschen auch verlinkte Doctorow äußern daran aber Zweifel, da er wohl schon lange psychisch instabil war. Dass es aber zumindest ein Mitauslöser war, bleibt anzunehmen.

Die JSTOR-Geschichte ist ziemlich übel und sehr fruchtbar für Verschwörungstheorien. Die Aktion war ziemlich dumm und sinnlos, die Verfolgung aber unverhältnismäßig, insbesondere, nachdem die "Betroffenen" die Sache nicht mehr verfolgen wollten. Fest steht, dass die US-Haftstrafenregelung für "computer crimes" völlig übertrieben ist, und zunehmend gerne dazu benutzt wird, politisch oder wirtschaftlich unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen oder Exempel zu statuieren. Zum Glück ist es bei uns noch nicht so weit.

Angenehm, dass die Medien ihn durchgehend als Mit-Autor von RSS und CC und Mit-Gründer von Reddit führen; in solchen Situationen neigen sie ja sonst oft dazu, einer tragischen Figur allen Ruhm zukommen zu lassen.

Dass RSS noch so jung ist, hat mich überrascht.

@009: Reddit ist auch nur so eine Art Matrix in weiß. ;)

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So 20. Jan 2013, 23:55 - Beitrag #4

Kann nicht sein, Matrix leuchtet mir ein, macht Sinn, verstehe ich, Reddit nicht.

Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der USA gab es ja hier schon vielfach; eine Justizministerien opferte letzlich sogar ihr Amt ihrer Sicht in der Frage.

Eine interessante Art der posthumen Würdigung erfährt Swarz dadurch, dass in klarem Bezug auf ihn mehr und mehr nun frei als PDF veröffentlicht wird, wie vielfältig verlinkt bei der Jugendabteilung der SZ zu finden ist.

Traitor
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Di 22. Jan 2013, 21:23 - Beitrag #5

Was Reddit von einem normalen Forum unterscheidet, sind vor allem die "Upvotes" - Themen in der Hauptübersicht und Beiträge in den Themen werden weder chronologisch noch im Baum angezeigt, sondern nach klickinduzierter Popularität sortiert. Das macht es furchtbar unpraktisch, um zusammenhängende Diskussionen lesen zu wollen, aber hoecheffizient als "Durchlauferhitzer" für aktuelle Trend-Themen.

Justizministerin, was war da? Man möge bitte mein Gedächtnis auffrischen.

Der Sinn dieser pdftribute-Sache wird mir auf die Schnelle nicht ganz klar - in den meisten Fällen gibt es doch entweder schon Open-Access-Versionen, oder Verlag/Journal erlauben dem Autor eine solche nicht. Oder geht es dort vor allem um geisteswissenschaftliche Monographien, die nicht ins Journal-System eingebunden sind und deren Autoren bisher zu faul waren, sie über die eigene Homepage oder ihre Institution zugänglich zu machen?

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Mi 23. Jan 2013, 00:05 - Beitrag #6

Hertha Däubler-Gmelin äußerte in einen nicht öffentlichen Vortrag, was dann aber natürlich doch öffentlich wurde, die USA hätten ein lausiges Rechtssystem. Je nach Meinung der Gelehrten war ihr Fehler entweder, das amerikanische Rechtssystem als nicht so gut darzustellen oder zu behaupten, es gäbde dort so etwas wie ein Rechtssystem.

Bei der pdf-Geschichte nehme ich eher eine Art demonstrative posthume Würdigung an.

Eine weitere zu begrüßende posthume Entwicklung ist ein Überdenken der Strafrahmen bei Computerverbrechen, wie die SZ berichtet.

Traitor
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Fr 25. Jan 2013, 00:27 - Beitrag #7

Ich finde auf die Schnelle nur diese Geschichte, klingt ähnlich, enthält aber kein entsprechendes Zitat. Kam das danach oder davor? Und sie wollte doch eh schon vor diesem Semiskandalen nicht mehr amtieren, oder?

Dass gerade Republikaner Maßnahmen ankündigen, ist ziemlich absurd. Zwar halten die sich offiziell ja für Verteidiger der Bürgerrechte, sind aber de facto doch normalerweise sowohl die besten Freunde der "Content-Industrie" als auch Befürworter selbstherrlicher Strafverfolger...

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Fr 25. Jan 2013, 08:45 - Beitrag #8

Beispielsweise im Spiegel bei einem Artikel über Ramsi Binalshibh findet sich hier dies:
Der Fall Binalshibh birgt also politischen Sprengstoff: Fragen nach möglicher Beeinflussung des Zeugen durch Druck oder Zusagen von Straffreiheit, der immer wieder kolportierte Einsatz von psychischen Drogen oder gar Folter durch die CIA würden gestellt und müssten beantwortet werden. Im schlimmsten Fall würden am Ende Gutachter vor Gericht wiederholen, was die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin nach den Äußerungen über die angeblich "lausige" Rechtsstaatlichkeit des US-Justizsystems bereits ihr Amt kostete und für eiskalte Stimmung zwischen Washington und Berlin sorgte.


SChon interessant, wie schwer manches im nachhinein zu finden ist.

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So 27. Jan 2013, 19:01 - Beitrag #9

Nun muß Swart als Rachemotiv für Anonymus herhalten, wie die SZ berichtet:
Aus Rache für den Tod des 26-jährigen Internetaktivisten Aaron Swartz hat die Hackergruppe Anonymous dem US-Justizministerium mit der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente gedroht. Die Gruppe teilte am Samstag mit, in die Internetseite der zum Ministerium gehörenden Sentencing Commission eingedrungen zu sein. Die Seite der unabhängigen Behörde, die Grundsätze für Strafbemessungen ausarbeitet, war offenbar am Samstag blockiert.

Anonymous wirft dem Ministerium vor, im Fall des jungen Internetaktivisten übertrieben hart vorgegangen zu sein. Mit dem Tod des 26-jährigen Programmierers sei eine rote Linie überschritten, hieß es den Angaben zufolge in dem Schreiben, das laut CNN mit Anonymous unterzeichnet gewesen sei.


Auch wenndie überharte Sanktionierung vom Computerstraftaten auch mir unverständlich erscheint, weiss ich nicht so recht, ob dadurch die geschilderte "Rache" der Sache angemessen ist. Auch frage ich mich, inwieweit Swartz hier möglicherweise nur als nicht mehr wehrfähiges Mittel instrumentalisiert werden soll (hängt auch daran, wie groß das Thema Swartz und sein Ansehen aktuell in den USA ist).

e-noon
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So 27. Jan 2013, 19:36 - Beitrag #10

Zitat von 009:Hertha Däubler-Gmelin äußerte in einen nicht öffentlichen Vortrag, was dann aber natürlich doch öffentlich wurde, die USA hätten ein lausiges Rechtssystem. Je nach Meinung der Gelehrten war ihr Fehler entweder, das amerikanische Rechtssystem als nicht so gut darzustellen oder zu behaupten, es gäbde dort so etwas wie ein Rechtssystem.

:D

Ich habe bisher nicht von Aaron Swartz gehört, aber er scheint gute Ideen zu haben. Was JSTOR angeht, so war ich als Student nie in der Position, nicht hineinzugelangen, aber es ist natürlich traurig, dass diese traumhafte Position der Zugänglichkeit von soviel Wissen nur Studenten zugänglich sein soll.

Lykurg
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Mo 28. Jan 2013, 10:58 - Beitrag #11

Meine UB hat sehr lange gezögert, sich die für Institutionen wohl ziemlich teure JSTOR-Lizenz zu kaufen, insofern stand ich über Jahre auch an der Tür zum Schatzhaus und kam nicht hinein. Dementsprechend einerseits meine Hochachtung für einen Schritt, das Wissen in der Welt zu verbreiten - andererseits weiß ich, was für ein Heidenaufwand Retrodigitalisierung im großen Maßstab ist, und möchte ein Unternehmen, das diese (doppelt) verdienstvolle Aufgabe unternimmt, nicht in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sehen.

Ziemlich schwierig, den Suizid eines Depressiven zum Anlaß von Rachekampagnen zu nehmen - unabhängig davon, wieweit die Umstände seine gefühlte Lage verschlimmert haben (daran zweifle ich nicht) ist kaum zu beurteilen, inwieweit man von Schuld sprechen kann. Anonymous interessiert das allerdings wohl weniger.

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Mo 28. Jan 2013, 11:33 - Beitrag #12

Bei diesen Lizensierungen wäre IMHO auch öfters über eine staatliche Mitbeteiligung nachzudenken. So wie einst Bibliotheken und Printmedien finanziert wurden, macht es heute eben Sinn auch oder teils nur noch die digitale Version bereitzuhalten.
Gleichzeitig sollte ein Auge darauf gerichtet sein, dass ach Retrodigitalisierer nicht ihre Position kartellartig zu überhöhten Erträgen ausnutzen.


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