Volumenlimitierte Telekom-"Flatrates"

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Traitor
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Di 23. Apr 2013, 19:20 - Beitrag #1

Volumenlimitierte Telekom-"Flatrates"

Das aktuelle Lieblingspöbelthema des Internets ist die Ankündigung der Telekom, in absehbarer Zukunft bei DSL-Neuverträgen keine echten Flatrates mehr anzubieten, sondern nur volumenbasierte Tarife wie beim Mobilfunk: ab 75GB/200GB/... wird auf eine deutlich niedrigere Geschwindigkeit (384kbit, immerhin nicht so lahm wie im Mobilnetz, zum Surfen genug, für Videos und Downloads sehr mäßig) gesenkt. Im Gegensatz zum Mobilfunk soll aber angeblich kurzfristiges und einmaliges Hinzubuchen von Extrapaketen möglich sein.

Die eigentliche Flatrate-Kappung erscheint zwar sehr kundenunfreundlich, ist im Prinzip aber sowohl marktwirtschaftlich als auch logisch einsehbar. Warum, das zeigt am besten Sascha Lobos missglückter Vergleich:
Als bekäme man elektrischen Strom ins Haus, aber nach soundsoviel Kilowatt Verbrauch lassen sich nur noch Kleingeräte betreiben. Waschmaschine, Kühlschrank und Elektroherd müssen ausbleiben.
In anderen Bereichen sind Flatrates eben nicht üblich, die Limit-plus-Hinzubuchungs-Variante, sofern halbwegs sauber geregelt, ist modulo Stufenhaftigkeit nur die Anpassung an normale Verbrauchsmodelle.
Worauf er mit dem Stromvergleich vielleicht eigentlich hinauswollte, könnte aber der eigentliche Unterschied sein: bei Strom wird jede Extra-kWh tatsächlich mit Kosten versehen hergestellt, ist also ein normales handelbares Mengengut, während "1 GB Download" nicht mit Herstellungskosten verbunden ist, sondern hier nur eine Infrastrukturnutzungsgebühr entrichtet wird, für ein Gut, das nur manchmal knapp ist, wenn es gerade besonders stark nachgefragt wird. Die logischere und fairere Variante wäre, nur zu Zeiten hoher Auslastung die Kunden mit hohem bisher aufgelaufenen "Verbrauch" runterzudrosseln.

Der richtig fragwürdige Aspekt ist aber der zweite Teil der Ankündigung - Musik- und Filmstreaming und IPTV, die direkt bei der Telekom gebucht sind, fallen aus den Limits raus. Wenn man eine Handvoll Filme bei der Konkurrenz sehen will, liegt man also sofort über der Grenze, aber konzernintern darf man Terabytes verbrennen, soviel man will. Wenn da das Kartellamt nicht einschreitet, kann es sich eigentlich gleich selbst abschaffen: ein Marktführer bei einem Produkt (Festnetzzugang) verhindert mit einer technischen/Abrechnungs-Maßnahme bei diesem zugunsten eines anderen eigenen Angebotes (Medienstreaming) de facto die Nutzung der Konkurrenzdienste. Das ist weitaus direkter und dreister als alles, was sich Microsoft je zuschulden kommen ließ. Da muss man gar nicht mal mit der ideologischen und abstrakten Netzneutralitäts-Debatte kommen, das ist eine ganz einfache marktwirtschaftliche Sache.

Anaeyon
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Di 23. Apr 2013, 20:09 - Beitrag #2

Fefe hat da auch was zu geschrieben.

Ich hab mal nachgeschaut beim Router: 16mbit/s, ca ~135gb pro Monat eingehend. Und bei uns nutze fast nur ich effektiv das Internet, und zwar ohne Filesharing. Wenn ich TKoms pläne richtig verstehe, würde das bedeuten, dass ich schonmal pauschal immer nach ca. 2,5 Wochen gedrosselt werde, wenn ich nicht draufzahle, und das, obwohl warscheinlich auch schon die Anbieter, von denen mein Traffic kommt (Youtube) an die Tkom zahlen müssen, damit das bei mir ruckelfrei ankommt. (wohlgemerkt, ich bin bei KabelBW und mein YT läuft recht gut meistens..).

Allein für diese rotzfreche Propaganda, Kunden würden kein Breitbandinternet brauchen, sollte man sich einen anderen Anbieter suchen. Auch wenn dank quasi-monopol kaum Alternativen existieren.

Wenn man dann die Gewinne der TKom anschaut und unser kaputtes Netz, kann sich das Kartellamt tatsächlich abschaffen und warscheinlich hätte es das schon vor einiger Zeit machen können.

janw
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Di 23. Apr 2013, 23:55 - Beitrag #3

Sascha Lobos Kommentar geht ziemlich an meiner Lebenswelt vorbei - wenn er sinngemäß schreibt, durch die Drosselung werde die Entwicklung einer Beheimatung im Netz verhindert, zeigt sich eine deutlich unterschiedliche Bedeutung des Netzes für ihn und mich.
Für mich ist es ein nützliches Medium, vorrangig zur sachlichen Kommunikation und zum Austausch von Informationen, etwas Unterhaltung durch Diskussionen hier und gelegentliches Betrachten von youtube kommen hinzu.
Letztlich lebe ich aber analog, kaufe z.B. praktisch nur in realen Geschäften ein.

Ich habe den Eindruck, daß die Explosion des Datenverkehrs vor allem durch Unterhaltungsangebote verursacht wird - Neil Postman würde seine Freude haben^^

Anaeyon
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Mi 24. Apr 2013, 00:23 - Beitrag #4

Jan, je älter ich werde desto stärker zeichnet sich für mich ein unterschiedliches Verständnis von Welt, Mensch und Selbst ab zwischen Menschen, die mit bzw. ohne Internet aufgewachsen sind. Die, die derzeit zu denen gehören, die damit aufgewachsen sind, haben viele Jahre lang ein relativ ursprüngliches Internet mitbekommen, welches nun immer mehr zerstört wird.

Netzneutralität ist ein sehr wichtiges Thema im Kampf, das Internet als "world wide" zu erhalten, die demokratischen Werte dessen zu verteidigen. Wenn es nach der Lobby ginge, bekommen Menschen in ein paar Jahren den Livestream der meistbietenden Zeitung kostenlos ins Haus, während sie für die anderen zahlen müssen. Wer auf das amerikanische Facebook zugreifen möchte, bezahlt ebenfalls eine Gebühr, der Rest muss sich mit Deutschland begnügen.
Die ISPs werden sich dafür bezahlen lassen, ihren Kunden Inhalte zugänglich zu machen. Bedenke was das für frei zugängliche Informationen bedeutet. Oder für Innovation. (Edit: Fehlende) Netzneutralität ist ein Geschenk für Monopolisten und Konservative.

All die revolutionären Eigenschaften des Internets, z.b. internationale Kommunikation, sprich Abbau von nationalistischen Vorurteilen, zensurfreie Nachrichten, Gespräche von/mit echten Menschen anstatt auf die gesellschaftliche Norm niederzensierten Talkshowzombies..wird draufgehen für Geld.

Stell dir doch mal vor, man würde einen CDU-Friedrich, ein paar Lobbyisten und den technisch unfähigen 0815-Bürger an die Gestaltung des Internets lassen. Dann wird Internet zu Fernsehen 2.0. Ein Kanal zu dir ohne Rückkanal, der das ausstrahlt, was ausgestrahlt werden soll.

Es wäre ein großer Fehler, die Lebensrealität von Menschen, die auf das Internet verzichten können als Grundlage dafür zu nehmen, wie sich das Internet entwickelt ^^

Ipsissimus
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Mi 24. Apr 2013, 12:36 - Beitrag #5

ach, für die Reichen und Mächtigen sind das doch überhaupt keine Einschränkungen^^ und die Telekom ist eben ein privater Konzern und möchte ein bisschen Geld verdienen^^ wenn der Staat schnelles Internet für alle will, muss er eben einen Staatskonzern damit beauftragen ... äh, war das die Post ... äh, die Telekom nicht mal^^

Traitor
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Mi 24. Apr 2013, 13:17 - Beitrag #6

@Anaeyon: Mit dem Basistarif der Telekom kämst du damit tatsächlich nicht weit, die höheren würden noch reichen.
Bezahlung von Diensteanbietern an Provider wurde schon oft diskutiert, ist meines Wissens aber bisher nicht umgesetzt. Wäre natürlich eine angenehme Alternative.

Was heißt für dich "mit dem Internet aufgewachsen"? Vermutlich nicht "seit man klein war, war man im Internet", sondern eher "man war im Internet, seit es klein war"? Denn heutige Facebook-Kiddies haben sicher eine geringere Verbindung zu den "Urwerten" des Internets als ein heute Siebzigjähriger Fachinformatiker, der schon in den 80ern dabei war.

Netzneutralität ist ein Geschenk für Monopolisten und Konservative.
Da fehlt eine Verneinung. ;)

Deine Schreckensvision träfe so natürlich nur zu, wenn die Neutralität bis zu kompletter Blockierung oder prohibitiver Verteuerung getrieben würde. Angenehmerweise sind die politisch relevanten Nutzungen ja tendentiell gar nicht auf hohe Bandbreiten angewiesen, also sind die Sorgen nicht so irre realitätsnah. Ein "wehre den Anfängen" erscheint hier dennoch sinnvoll.

@Jan: Ja, Unterhaltungsangebote machen für die meisten Privatkunden den Großteil der Bandbreitennutzung aus. Aber auch viele wissenschaftliche und wirtschaftliche Anwendungen erfordern massiven Datenaustausch, und das betrifft nicht nur klassische Firmenkunden, für die diese Tarife eh nicht gelten, sondern auch Freiberufler oder Studenten mit normalen Heimanschlüssen. Und dann wäre da noch der ganze Cloud-Kram, den die Firmen einem eigentlich aufdrängen wollen, der komplett mit dem Limitierungsansatz kollidiert. Und der eben nicht nur Kram ist, sondern auch enorm nützlich sein kann (oder eher könnte).

@Ipsissimus: Die Frage ist halt, ob der Staat das will.

Anaeyon
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Mi 24. Apr 2013, 18:30 - Beitrag #7

Traitor, warum sollten Youtube und Co. an die ISPs bezahlen? Das wäre ja eben nicht angenehm, würden dadurch kleinere Unternehmen keine Chance haben.

Ich meinte tatsächlich eher "vor Facebook schon im Internet gewesen" damit. Und die Verneinung fehlt ebenfalls, stimmt. Es war..spät ^^

Du hast natürlich recht, wenn du meinen Beitrag als Schreckensvision beschreibst, aber so wie auch bei Bundestrojanern und ähnlichem sollte man nicht davon ausgehen, dass politisch relevante Nutzungen 2013 die gleichen sind wie 2025, 2050. Und wenn man sich die ganzen User anschaut, die glauben, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein darf ;) , dann sehe ich da auch, dass sie jegliche Firmenpropaganda schlucken, die man ihnen vorwirft. Ich sehe schlicht keinen Sinn, im Kampf gegen die großen Firmen einen bestimmten Punkt zu benennen, bis zu dem es noch weitergehen darf, denn es wird schon seit Jahren schlechter und jeden weiteren Schritt, den die machen, bringt uns weiter von einem ursprünglichen Internet weg.

Fefe hat heute geschrieben, dass er bei dieser Sache die Netzneutralität nur als Nebenschauplatz sieht, ich sehe es halt als den Schauplatz von Morgen.

janw
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Mi 24. Apr 2013, 22:12 - Beitrag #8

Ana, ich will dem, was Du zur Netzneutralität schreibst, gar nicht widersprechen, das Maß an Möglichkeiten, auf alle möglichen Informationen zugreifen zu können und alle möglichen, auch mißliebigen Informationen verbreiten zu können, ist ein unschätzbarer Wert.
(Wobei ich mich entsinne, daß eben diese Netzneutralität schon wegen des einen dominierenden Filters [große Suchmaschine] in Zweifel gezogen wurde.)

Ich frage mich aber eben nur, ob diese Bandbreitenreduktion etwas Wesentliches mit dieser Netzneutralität zu tun hat, trifft nicht das nicht eben eigentlich ganz andere Anwendungen des Netzes, vorwiegend Unterhaltung?
Und setzt hier das Netz nicht vielleicht einige etwas problematische Anreize, wenn es dazu führt, daß Geschäfte reihenweise schließen müssen? Man stöbert vielleicht noch im Laden, kauft aber dann im Netz.

Letztlich sehe ich ein ganz anderes Problem, daß nämlich diese Diskussion noch immer an sehr vielen, auch an sehr vielen Firmen und Selbständigen, vorbei geht, die nämlich in ländlichen Regionen überhaupt vernünftiges DSL bekommen möchten und auf irgendwelche Satelliten-Lösungen verwiesen werden, meines Wissens recht teuer.

Mich würde dabei auch mal interessieren, wie weit mich das betrifft - ich habe bei gmx DSL 1000 (1024) und zuletzt 1500 MByte darüber verbraucht.

EDIT:
Ana, fefe wird bei mir von Firefox als unsichere Seite angezeigt. Was ist davon zu halten?

Ich hörte heute, daß Estland sein Internetangebot staatlich betreibt, mit dem Zeil, alle Bürger zu guten Konditionen ans Netz zu bringen.
Wäre das eine Alternative - bei allem Mißtrauen, daß mensch dem Staat gegenüber haben mag?

Anaeyon
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Mi 24. Apr 2013, 22:35 - Beitrag #9

Jan, Unterhaltung und Nachrichten sind nicht wirklich klar zu trennen im Netz. Es gibt auf Youtube nicht nur Musikvideos und die Frage ist nicht so sehr, auf was genau jetzt gerade abgezielt wird, sondern was in Zukunft das Ziel sein könnte sobald das Volk weis, dass es ok ist, dass die ISPs entscheiden, was du ruckelfrei bekommst / welche Seiten du benutzen wirst und welche du aufgibst.

Zweitens bist du einfach nicht repräsentativ. Bei Entscheidungen zum Netzausbau kann man ruhig 2-3 Generationen weiter denken. Menschen, die eher so wie ich, vielleicht sogar noch mehr übers Internet erledigen. Tatsächlich ist das Internet etwas, das mich 23/7 umgibt und sich mittlerweile in fast allen Bereichen des Lebens einbringt. Das wird in Zukunft wohl kaum abnehmen.

Richtig ist aber wohl, dass das Thema vielleicht eher generell / weltweit betrachtet ein Thema des freien Zugangs zu unabhängigen Informationen ist, auf Deutschland bezogen aber eher eins des physikalischen Ausbau der Netze.

Fefe benutzt mwn. selbstgenerierte Zertifikate, die Firefox daher noch nicht kennt und somit als unsicher deklariert. Da du mit dieser Seite eh nicht kommunizierst, ausser den Inhalt zu beziehen, sind Zertifikatswarnungen dort nebensächlich. Böse Zertifikate sind dann problematisch, wenn man sich einloggt, Nachrichten schreibt usw.

Das mit Estland: Wenn ich mich recht entsinne war Estland das Land, welches stärker als alle anderen seine Industrie auf Internet basiert. Dort ist es womöglich problematisch, gewinnmaximierende Ausbaublockierer wie die Telekom ran zu lassen. Ich glaube, hier in Deutschland ist eine sorgfältige Abwägung zwischen berechtigtem Misstrauen und evtl. schnellerem Ausbau schlicht machbarer.

Maglor
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Mi 24. Apr 2013, 23:05 - Beitrag #10

Estland hat aber auch ganz andere Probleme. Das Baltikum ist auf dem Lande dünn besiedelt. Es gibt winzige Dörfer und Einzelgehöfte, die weit ab liegen, dass es eben kein Anschluss für sie an das Kabelnetz gibt. Eine private Finanzierung ist da ausgeschlossen.

Ich selbst habe aus ähnlichen Gründen kaum Bandbreite. Darum macht mir auch Youtube keinen Spaß. Download von Filmen kann ich gleich vergessen, außer ich würde nerdige 90er-Jahre-Methoden anwenden. ;)
Ansonsten merke ich ja auch, dass sich das Internet immer weiter verwendet - und zwar zu ungunsten der langsamen. Werbeanzeige haben auf einmal bewegte Bilder und die Texte sind auf nicht mehr Hyper Text Mark Up sondern PDF oder schlimmeres mit langer Ladezeit.

Rein praktisch frage ich mich dann noch, was die Telekom dann in der zweiten Monatshälfte macht. Dann wäre die Autobahn ja frei, weil all die coolen Jungs schon ihre Pornos runtergeladen haben. :crazy:

Anaeyon
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Mi 24. Apr 2013, 23:10 - Beitrag #11

Dann macht die Telekom halt Geld weil die coolen Jungs für die nächsten zwei Wochen draufzahlen

Padreic
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Do 25. Apr 2013, 02:22 - Beitrag #12

Ich kann Traitors Position zustimmen. Dass wer mehr nutzt, auch mehr zahlt, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik. Außerdem ist niemand gezwungen, sein Internet bei der Telekom zu beziehen, insbesondere, da die neuen Verträge erstmal nur für Neukunden gelten. Es ist natürlich denkbar, dass andere Anbieter mit ähnlichen Drosselungen nachziehen - aber erstens hat Vodafone das schon explizit verneint und zweitens: wenn die Telekom tatsächlich mit Vielnutzern exzessive Gewinne machen sollte, wäre es ja ein leichtes für andere Anbieter eben diese abzuschöpfen und immerhin noch ordentliche Gewinne mit ihnen zu machen. So sehe ich diesen Punkt als: Ein Unternehmen hat seine Tarifstruktur geändert, wodurch es für manche Leute teurer wird, die dann zu Konkurrenzunternehmen abwandern können.
Die Bevorzugung von eigenen Diensten halte ich aber, wie Traitor, für kartellrechtlich sehr bedenklich. Kartellamt oder Gesetzgeber sollte hier einschreiten.

Tatsächlich scheint auch durch verschiedene Parteien ein gewisser Aufschrei der Entrüstung gegangen zu sein. Von Grünen hört man (wie üblich) Übertriebenes wie "Das Ende des Internets wie wir es kannten."; aber sogar in der CDU gab es kritische Stimmen. Deswegen wäre ich sogar verhalten optimistisch, dass es Netzneutralität mittelfristig als Gesetz geben wird.

Noch ein paar weitere Punkte:
1) Geschwindigkeitsdrosselungen gab es zumindest gerüchteweise, teilweise aber auch bestätigt schon zum Teil in der Vergangenheit.
2) Angeblich betreffen die Datenvolumen, um die es geht, nur 3% der Telekomnutzer. Vermutlich, weil die meisten Vielnutzer ohnehin einen der schnelleren DSL-Tarife wählen, für die dann die Drosselung bei 200GB, 300GB bzw. 400GB liegt. Und 400GB muss man erstmal schaffen....
3) Die Drosselungsgrößen sind Größen für dieses Jahr. Natürlich mag man in 10 Jahren deutlich größere Datenmengen verköstigen; dann mögen aber auch die Datenvolumina, die die Telekom zulässt größer sein. Als ich jung war, wären auch die 384kb ein Genuss gewesen ;). [obwohl ich dazu sagen muss, dass ich erst wirklich angefangen hab das Internet zu nutzen, nachdem wir DSL hatten. Mit stundenbegrenzter "Flatrate" damals übrigens.]
4) Ich bin durchaus auch der Meinung, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein sollte, auch wenn das Recht sicherlich den im Internet üblichen Gepflogenheiten entsprechend ausgelegt werden sollte.

@Ipsi: Ich vergaß, dass Telekommunikation so viel besser und billiger war, als die Post noch Staatskonzern war ;). OK, Internet war vielleicht günstig wegen der günstigen Ortsgespräche, aber sowohl auf die teueren Ferngespräche als auch auf das Mieten von Telefonen kann ich eigentlich gut verzichten...

Ipsissimus
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Do 25. Apr 2013, 09:27 - Beitrag #13

Padreic, zu Zeiten der Post als böser Staatskonzern war die Kommunikationstechnologie noch nicht wirklich aus den Kinderschuhen herausgewachsen^^ deine Vorstellung mit dem Wechsel der Anbieter wird auch nicht wirklich funktionieren, weil die Telekom immer noch weitgehend das Monopol auf die Leitungen hat. Da ist es ziemlich gleichgültig, ob sie dich direkt runter drosselt, oder ob dein persönlicher Provider das für die Telekom erledigt^^

Davon abgesehen ist die gesamte Geschwindigkeitsdebatte ohnehin von verlogener Werbung geprägt. Von der maximal möglichen Geschwindigkeit der Netze hat ein Privatanwender infolge Kabelsharing praktisch nichts. Es darf vermutet werden, dass auch die 384 kBit nur der "maximal mögliche" Wert sein werden

es läuft m.E. tatsächlich darauf hinaus, die Schönen, Reichen und Mächtigen werden praktisch keine Einschränkungen erfahren, der Rest darf zusehen, wie er von den verbleibenden Almosen satt wird. Die Gesetze des heiligen Marktes werden wieder mal triumphierend bestätigt, und die meisten derer, die was von "Gier" und "Dreistigkeit" brummen, stammen nicht aus den Reihen der Marktapostel, sind also irrelevant^^

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Do 25. Apr 2013, 22:05 - Beitrag #14

Zitat von Traitor:Traitor, warum sollten Youtube und Co. an die ISPs bezahlen? Das wäre ja eben nicht angenehm, würden dadurch kleinere Unternehmen keine Chance haben.
Mir schwebt nicht die Lösung vor, die die Telekom jetzt schon ankündigt - Anbieter sollen sich bei ihr als "Premium-Dienstleister" einkaufen können, die genauso aus der Summe rausbleiben wie die eigenen Angebote - denn das hätte genau den von dir beschriebenen Effekt. Aber man könnte die Volumenlimitierung umdrehen, quasi eine zentrale Traffic-Gebührenerhebung. Privatanbieter und kleine Unternehmen, die nur wenige Daten ausliefern, blieben verschont, ebenso wie die Kunden, aber Großanbieter müssten draufzahlen. Idealerweise ginge diese Gebühr dann nicht zur freien Verfügung an die Provider, sondern zweckgebunden direkt in den Netzausbau, gerne auch auf dem Land.

Zitat von Anaeyon:dass politisch relevante Nutzungen 2013 die gleichen sind wie 2025, 2050.
Sicher können Livestreams von Bundestagsdebatten oder Auslandsnachrichten, VR-Präsenz oder derartiges immer relevanter bleiben - dass für die informationslastigen Anwendungen weniger Bandbreite nötig ist als für die unterhaltungslastigen, dürfte aber eine Konstante bleiben, ganz einfach, weil echte Information besser komprimierbar ist als Ästhetik.

Zitat von Anaeyon:denn es wird schon seit Jahren schlechter und jeden weiteren Schritt, den die machen, bringt uns weiter von einem ursprünglichen Internet weg.
Nur, dass "das ursprüngliche Internet" kein Wert an sich ist. Andere Medien waren auch in ihrer Frühform nicht besser als in ihrer Hochform. (Obwohl manche inzwischen sicher schon sehr stark abgestiegene Spätformen erreicht haben.) Noch scheint etwa die Informationsverfügbarkeit durchaus noch steil anzusteigen, auch und gerade dank einiger Großkonzerne. Man muss aber ohne Frage wachsam sein, womit das erkauft wird.

Zitat von janw:Ich frage mich aber eben nur, ob diese Bandbreitenreduktion etwas Wesentliches mit dieser Netzneutralität zu tun hat, trifft nicht das nicht eben eigentlich ganz andere Anwendungen des Netzes, vorwiegend Unterhaltung?
Die Reduktion an sich ist neutral. Aber sie ist eben ein Türöffner zur selektiven Reduktion, die die Telekom mit der Nichtdrosselung eigener Unterhaltungsangebote ja sogar von Anfang an offen anstrebt. Und sobald die etabliert ist, ist es technisch wie politisch sehr viel einfacher, Angebote auch nach Inhalten zu filtern.

Zitat von janw:Und setzt hier das Netz nicht vielleicht einige etwas problematische Anreize, wenn es dazu führt, daß Geschäfte reihenweise schließen müssen? Man stöbert vielleicht noch im Laden, kauft aber dann im Netz.
Ein Großteil der Geschäfte hat es halt leider auch verdient, wenn beispielsweise der Service schlechter ist als im Netz - warum von inkompetenten Verkäufern falsche Ware aufschwatzen lassen, wenn man sich im Netz genau informieren und im Zweifel auch noch einfacher zurückgeben kann? Es werden sich nur die halten können, die Mehrwert bieten. Das mag teilweise traurig sein, nutzt letzlich aber dem Kunden eher. Zumindest solange, bis es im Netz keine totale Konzentration auf einige wenige Anbieter gibt - und, um die Themenkurve zu kriegen, auch die würde beispielsweise stark begünstigt, wenn die Provider auch noch auf die Idee kämen, bestimmte Händler zu bevorzugten Kooperationspartnern zu machen und andere auszubremsen oder gar zu -sperren.

Zitat von janw:Mich würde dabei auch mal interessieren, wie weit mich das betrifft - ich habe bei gmx DSL 1000 (1024) und zuletzt 1500 MByte darüber verbraucht.
Huch, seit wann vergibt gmx Anschlüsse? Haben die irgendwen aufgekauft? Dein Verbrauch ist dann sicher diesseits jeder diskutierten Grenze. Aber um mal auf für dich passende berufliche Anwendungen zu kommen: wenn du größere Geodatensätze runterladen würdest, regelmäßig Videokonferenzen machen müsstest, vielleicht Biotope per Kamera überwachen - dann kämest du schnell auf ein Vielfaches.

Zitat von janw:Ich hörte heute, daß Estland sein Internetangebot staatlich betreibt, mit dem Zeil, alle Bürger zu guten Konditionen ans Netz zu bringen. Wäre das eine Alternative - bei allem Mißtrauen, daß mensch dem Staat gegenüber haben mag?
Wie auch bei Strom, Gas und Verkehr halte ich grundlegende Infrastrukturangebote eigentlich für beim Staat in besseren Händen.

@Padreic: Freiwillig werden andere Anbieter wohl nicht nachziehen, zumindest nicht kurzfristig, da es ein perfektes Abgrenzungskriterium ist. Spannend würde es erst, wenn die Telekom damit durchkäme, entsprechende Kriterien für die Leitungsweiternutzung anzulegen. Aber vermutlich ist da die Netzagentur strenger als bei den Privatverträgen. (Wer ist dafür eigentlich genau zuständig? Ich werfe hier gerade weitgehend ahnungslos mit Namen um mich. Netzagentur oder Kartellamt? Oder sind die im Wesentlichen derselbe Laden?)

Die politische Reaktion überrascht mich bisher auch positiv, besonders von Rösler kamen recht klare Worte. Fragt sich nur, ob das nach ein paar Wochen Mediensturm alles in der Schublade verschwindet. Auf die Behörden hoffe ich da tatsächlich fürs Erste mehr als auf die Politik.

@Ipsissimus: Meine Erfahrungen zu realen Netzgeschwindigkeiten decken sich bisher ziemlich gut mit der Faustregel (und iirc auch irgendwo gesetzlich festgeschriebenen Standardvertragsinterpretation) "wenn ein Anbieter mehrere Tarifstufen anbietet, bekommt man auf der nächsthöheren Stufe mindestens die beworbene Maximalgeschwindigkeit der darunterliegenden Stufe", beispielsweise bei Angeboten von 6 und 16 Mbit mit dem 16-Mbit-Vertrag mindestens 6 Mbit. Das ist zwar weder fair noch schön, aber immerhin weit von "praktisch nichts" entfernt.

Ipsissimus
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Do 25. Apr 2013, 22:10 - Beitrag #15

aha^^ wenn du also einen 3er BMW kaufst, besagt die Standardvertragsinterpretation, dass es dir gesetzlich verboten ist, mehr als einen 1er BMW zu fahren^^

Wäre auch interessant, wie die Telekom reagieren würde, wenn es Teil der Standardinterpretation wäre, dass ich den Vertrag auf 50 Euro monatlich abschließe, was besagt, dass ich 15 Euro zu bezahlen habe^^

Der erhoffte Effekt ist anscheinend, dass die Kunden sich an die Dreistigkeit gewöhnen und sie irgendwann als Regel verstehen. Jedenfalls habe ich diese Interpretation nicht unterschrieben

Traitor
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Do 25. Apr 2013, 22:26 - Beitrag #16

Nein, genau andersrum: dass es mir gesetzlich garantiert ist, dass mein 3er nicht langsamer als ein 1er ist. ;)
Es gibt ja zig Geschwindigkeitstestseiten, inzwischen sogar eine bundesoffizielle. Bei einem 16Mbit/s-Vertrag (Alice/O2, vom Kundenservice her Saftladen, aber was funktioniert, funktioniert) gibt der mir gerade im Moment "sogar" 12 Mbit/s aus, reale Downloadraten liegen typischerweise bei bis ca. 1,6MB/s, also 12,8 Mbit/s, ist alles völlig in Ordnung.
Die Interpretation wirst du, wenn du den Vertrag im Detail liest, schon unterschrieben haben - oder sogar schlimmeres. Ich glaube, eine Minimalgeschwindigkeit wird explizit überhaupt nicht garantiert, und diese Stufenregelung ist eine staatlich oder gerichtlich vorgegebene kundenfreundliche Leitlinie, um bei dauerhaft massiv hinter der versprochenen Maximalgeschwindigkeit zurückbleibender Realgeschwindigkeit klagen zu können, auf Basis irreführender Werbung (nicht Vertragsformulierung).

Wenn dein Bezahlvorschlag Teil der Standardinterpretation wäre, müsste die Telekom das akzeptieren, schließlich leben wir in einer Juriskratie (Judiskratie?). Viel Spaß dabei, ihn dazu zu machen. ;)

Padreic
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Do 25. Apr 2013, 22:43 - Beitrag #17

@Ipsissimus/Traitor: Ich gehe davon aus, dass die einzelnen Internetprovider die Telekom entweder direkt per Traffic bezahlen oder zumindest bei Überschreitung eines bestimmten Datenvolumens extra bezahlen müssen. Mithin gehe ich davon aus, dass Provider bei Extremnutzern mit mehreren 100GB pro Monat schon jetzt draufzahlen, diese Kosten nur aus "Werbegründen" nicht an die Kunden weitergeben, da es nur relativ wenige betrifft.
Dass Infrastruktur kostet und hoher Traffic mehr Infrastruktur braucht, war schon immer wahr. Deswegen sehe ich keinen Grund, warum eine Endkundentarifänderung der Telekom automatisch ihre Verträge mit den Providern ändern sollte. Insbesondere bezweifle ich, dass diese Verträge die Kosten davon abhängig machen, wie der Gesamttraffic des Providers präzise auf seine Einzelkunden aufgeteilt ist.

@Ipsissimus: Das alle Nachteile der alten Post auf die damals geringer entwickelte Telekommunikationstechnologie zurückzuführen sind, will ich doch herzlich bezweifeln. Der Punkt ist vielmehr, was sich ein Monopolist erlauben kann. Und das beinhaltet auf jeden Fall hohe Ferngesprächspreise und Kundenunfreundlichkeit. OK, die Kundenunfreundlichkeit haben wir immernoch, bei verschiedensten Anbietern, aber wenigstens sind sie billig ;).

janw
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Fr 26. Apr 2013, 11:01 - Beitrag #18

Mal andersrum betrachtet:
Bisher zahlt man einen Geldbetrag X und kann damit einen Monat lang unbegrenzt Daten rauf und runterladen.
Das heißt, daß einerseits die Telekom einem Kunden für das gleiche Geld immer mehr Wert (transportierte Daten) zukommen lässt, sie andererseits die Netze immer weiter ausbauen muss, um nicht irgendwann Datenstau wegen Übernutzung zu haben - wobei dann vor allem Firmen, die auf den Datentransfer angewiesen sind, die damit etwas sinnvolles anfangen, die Leidtragenden wären und allgemein auf die Telekom eingeschlagen würde, die ja mal wider nichts gebacken kriegt...

Ist insofern eine gewisse Staffelung - nach Bandbreite oder nach Datentransfer - nicht gerechter bzw. angemessener?

Ipsissimus
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Fr 26. Apr 2013, 11:20 - Beitrag #19

hat man nicht mit dem Wegfall der früher durchaus üblichen Staffelung Kunden gefangen und Konkurrenten aus dem Geschäft gedrängt? Nun, da fast alle angefixt sind, erntet man die Süchtigen ab^^

Traitor
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Fr 26. Apr 2013, 12:59 - Beitrag #20

Jan, wie können dir gleichzeitig kommerzielle Interessen grundsuspekt sein, aber Bandbreitennutzung durch Firmen ein höheres Gut sein als die durch Privatleute...?

Der Denkfehler bei "immer mehr Wert" ist wie gesagt, dass das beim Kunden gemessene Downloadvolumen eine Mengengröße ist, die infrastrukturell knappe Bandbreite aber eine Flussgröße. Das eine zu limitieren, löst nicht automatisch das Problem mit dem anderen, und fair ist es auch höchstens in statistischer Korrelation.
Korrekter wäre also keine Drosselung nach X GB pro Kunde für den Rest des Monats, sondern bei Erreichen von Schwelle Y der Bandbreitennutzung eine kurzfristige Drosselung aller Kunden, die bereits eine Volumenschwelle X' überschritten haben. Was aber leider bei gleichzeitiger kartellrechtlich verbotener Ausklammerung der TV-Streams zuverlässig beim nächsten Fußballländerspiel einen Volksaufstand auslösen würde. ;)

@Ipsissimus: Nicht ganz. Wenn ich mich recht erinnere, hat die Telekom sowohl DSL als auch Flatrates als erste eingeführt. Die Flatrates wurden dann aber zeitweise wieder abgeschafft, da zu sehr in den Gewinn schneidend. Dann führten kleinere Anbieter sie wieder ein, begannen, damit Kunden abzuwerben, und die Telekom zog irgendwann gezwungenermaßen doch wieder nach.

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