Der Tod ist für die Franzosen eine Frau?!

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Maglor
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Mi 21. Jul 2004, 12:00 - Beitrag #41

Wer sagt, dass der Schnitter eine indetifikationsfigur ist?

Das mit der Begrenzung kriegerischen Handels auf die Edelfreien ist schon die Tendenz mittelalterlicheer Entwicklung.
Nichtdestotrotz entwickelt sich Mythologie nicht aus der persönlichen Realität sondern aus der überlieferten Realität.
Obendrein ist die edelfreie Krierkaste nicht im gesamten Reich ausgebildet und auch nicht immer vollständig. Im Dittamrschen, in Friesland und in der Schweiz zum Beispiel gab es wohl keine Zeit in der gemeine Bauern (es handelt sich in allen Fällen um Vollfreie) nicht das Recht bzw. pflicht hatten zu Felde zu ziehen. Des weiteren erübrigt sich solcher Gedankengang, da durch die Ministerialität auch Unfreie als Hörige zum Krieg gezwungen worden. Eine totale Arbeitsteilung findet sich im Mittelalter nicht. Wenn es eben solche gegeben hätte, hätte es dann nicht beim Adel einen weiblichen Tod gegeben? :shy:

An der Stelle möchte ich mal genauer die Walküren beleuchten.
Walküren küren jene die auf der Walstatt fielen dazu nach Walhall zu fahren, um dort in Wotan großer Halle zu tafeln.
Die Walküre leitet sich vom germanischen Ahnenkult ab. Der Ahnengeist erscheint dem Schlafenden im Traum in Gestalt kriegerischer Jungfrauen. Neben Walküren zählen hierzu auch Flygien, Disen und Walküren.
Die Walküren als Wodans Gefolge sind selbst produkt einer Deutungsverschiebung.
Sie leitet sich so ab:
Den Wind hört man gelegentlich heulen und pfeifen? Dies wurde als das Geheul ruheloser Seelen gedeutet. Die Bewegung des Wind wurde sich als ein Flug von Schwänen vorgestellt. Hieraus ergab sich die Idee eines untoten Geistes in Schwanengestalt, der Schwanenjungfrau oder Walküre.
Verstorbene Germanen werden also nicht von irgendwelchen Dienern eines Gottes abgeholt, sondern von ihren Ahnen.

Der weibliche Schnitter:
Das Symbol des Abschneiden als Beendigung des Lebens findet sich schon in vorchristlicher Zeit sowohl bei Germanen als auch bei Griechen. Moiren und Nornen (beide weiblich) beenden ein Leben, in dem sie einen Faden durchschneiden. Erst mal den Faden sprinnen, dann aufwickeln und dann druchschneiden, das sollte der Lauf der Dinge sein.
MfG Maglor

Chennyboy
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Mi 21. Jul 2004, 12:00 - Beitrag #42

ttt: Ich antworte mal auf deins, da die Beiträge von den ADMINS meiner Meinung nach nicht zur Diskussion passen.

Das könnte wirklich sein. Aber ich möchte ja auch meine Meinung sagen. Für mich ist der Tod neutrum. Da es keine Geschlecht, sondern nur ein Vorgang ist.

Hätten die Menschen also von Anfang an die Vorgänge und Sachen als Neutrum, die eindeutig als männlich anerkennbare Wesen als maskulin, die eindeutig als weiblich anerkennbare Wesen als feminin bezeichnet, wäre die Diskussion gar nicht entstanden.

Aber die Leute müssen ja immer um drei Ecken denken.---> "Der Tod- ist er zärtlich oder grausam?"

Maglor
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Mi 21. Jul 2004, 12:05 - Beitrag #43

Original geschrieben von Chennyboy
Das könnte wirklich sein. Aber ich möchte ja auch meine Meinung sagen. Für mich ist der Tod neutrum. Da es keine Geschlecht, sondern nur ein Vorgang ist.

Außersprachliches Geschlecht und grammatischer Genus sind zwei paar Schuhe und stimmen nicht immer überein. Wie gesagt gibt es auch Sprachen wie das Englische, wo es praktisch kein grammitisches Geschlecht gibt.
Es hat wohl weniger mit persönlichen Vorstellungen oder physikalischen Wahrheiten zu tun. Es leitet sich allein von der Sprache ab.
Gevatter Tod ist übrigens eindeutig männlich.
MfG Maglor

nanana
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Do 22. Jul 2004, 12:18 - Beitrag #44

mich wundert es ehrlich gesagt, dass der tod bei uns "männlich" is.
der tod is doch was schlechtes für viele menschen und der sensenmann kommt doch aus dem mittelalter (schlagt mich wenn das nich stimmt) und damals war doch die frau grund für alles schlechte ... also ...

Maglor
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Fr 23. Jul 2004, 12:41 - Beitrag #45

Vieleicht beruht dieser männlicher Grund gerade auf der Tatsache, dass der Tod im Mittelalter nicht unbedingt als etwas schlechtes galt. Schließlich war er Erlösung und Vollendung des Lebens.
MfG Maglor

Traitor
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Fr 23. Jul 2004, 16:44 - Beitrag #46

@Maglor:
Wer sagt, dass der Schnitter eine indetifikationsfigur ist?
"Identifikationsfigur" meinte ich in dem Sinne, dass die Figur aus der engeren Erlebniswelt ihrer Erfinder stammt. Es passt eben besser zur Gedankenwelt eines Bauern, nach dem Tod von einem Erntehelfer abgeholt zu werden als von einer überirdischen Kriegerin. Völlige Arbeitsteilung bzw. Kriegslosigkeit der Bauern ist dazu auch gar nicht nötig, es reicht ein äußerst starkes Überwiegen der zivilen Beschäftigung.
Deine Ausführungen zu den Walküren sind interessant, von dieser Vorgeschichte wusste ich bisher nicht.

@Chenny: Zum einen postet hier nur ein Admin, und zum anderen ist sicher nicht alles offtopic, was sich mit mehr als einem Betrachtungsaspekt einer Fragestelling beschäftigt. Was deinen Sachkommentar angeht, vollste Zustimmung zu Maglor.

Maglor
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So 1. Aug 2004, 13:38 - Beitrag #47

Ich hab noch mal ein wenig über den Sensenmann nachgedacht, und da ich zumindest glaube, ein ziemlich bibelfester (wenn auch kein bibeltreuer) Mensch zu sein, kam mir ein Gleichnis Jesu Christi in den Sinn.
Das Gleichnis vom Sämann:
Man erinnere sich, Jesus sagt er sei als Verbreiter des Glaubens ein Sämann, der die Saat (seine Predigt) auswirft, doch ob diese aufgehe liege am Boden auf den sie falle. (Man erinnere sich noch an für die Diskussion hier unwichtige Details wie die Vögel, die Disteln, die Steine...)
Und im Leben geht aus dem kleinen Senfkorn eine große Pflanze auf, die Frucht trägt, bis der Sensenmann selbst kommt und erntet.
Man betrachte hier noch die altertümlichen Wörter Elend und Heimat.
Der Bauer holt das Korn heim. Elend war ursprünglich Bezeichnis für das fremde Land, welches zwangsläufig als Elend galt. Das Hier und Jetzt galt als Elend und die Nachwelt als eigentliche Heimat der Kinder Gottes.
In dieser Konzeption wäre der Sensenmann niemand anderes als der Herr Jahwe selbst, der die Früchte seines Säens erntet.

MfG Maglor

janw
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So 1. Aug 2004, 15:30 - Beitrag #48

Also ich denke doch eher an einen westmitteleuropäischen Kulturzusammenhang.
Maglor hat zwar recht, Frankreich wurde schon früh christianisiert, aber analog zu der beobachtbaren Vermischung christlicher und animistischer Glaubensinhalte bei vielen indigenen Völkern dürfte es solche Formen der Idiosynkrasie auch bei den christianisierten Europäern gegeben haben.
Beleg dafür gibt es, z.B. die bis ins Mittelalter geübte Praxis, bei wichtigen Bauten Tiere oder auch mal kleine Kinder unter dem Fundament einzugraben und die explizite Verfolgung "heidnischer" Bräuche durch die Statthalter Karls des Großen.
Da könnte ich mir gut vorstellen, daß eine Zuordnung "Der Tod ist eine Frau" als Teil des eben nicht wirklich zerstörten 2heidnischen" Weltbildes zumindest eine Weile überdauert hat.

Maglor
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Di 12. Nov 2013, 21:39 - Beitrag #49

Die Sache mit dem Schnitter findet sich schon in Luthers Übersetzung von Jeremia 9.19-21:
So höret nu jr Weiber des HERRN wort / vnd nemet zu ohren seines mundes rede / Leret ewer Töchter weinen / vnd eine lere die andere klagen / nemlich also / Der Tod ist zu vnsern Fenstern herein gefallen / vnd in vnser Pallast komen / die Kinder zu würgen auff der gassen / vnd die Jünglinge auff der strassen. So spricht der HERR / Sage / der menschen Leichnam sollen ligen / wie der Mist auff dem felde / vnd wie garben hinder dem Schnitter / die niemand samlet.

So wurden den Weibern das Lied vom Schnitter gelehrt und überliefert und endlich fortgetragen zu den teutschen Stämmen, wo es Einzug in die Volkslieder fand.

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wetzt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden.
Hüte dich schöns Blümelein!


Zitat von Hoch auf dem gelben Wagen:Sitzt einmal ein Gerippe
Hoch auf dem Wagen vorn,
Trägt statt Peitsche die Hippe,
Stundenglas statt Horn –
Ruf’ ich: „Ade ihr Lieben,
Die ihr noch bleiben wollt;
Gern wär’ ich selbst noch geblieben,
Aber der Wagen rollt.“

Lykurg
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Mi 13. Nov 2013, 10:55 - Beitrag #50

Schöner alter Thread! Die Liedzitate sind sehr passend, die Verbindung fast bis in unsere Gegenwart zu zeigen.

Eine der frühen literarischen Eindeutigkeiten wäre (um 1400) Johannes von Tepls Ackermann aus Böhmen, Kap. 15:
"Du fragest, wer wir sein: Wir sein gotes hantgezeuge [=Werkzeug], herre Tot, ein rechte wurkender meder [=Mäher]. Vnser sense geet vur sich. Weiß, swarz, rot, braun, grun, blaw, graw, gel vnd allerlei glanzblumen vnde gras hawet sie [die Sense] vur sich nider, ires glanzes, irer kraft, irer tugent nicht geachtet." - In der Antwort darauf, Kap. 16, bezeichnet der Ackermann ihn explizit als "alter man".

Ein Sensenmann findet sich auch am Ende des Dresdner Totentanzes, älter noch wäre der im Loxstedter Totentanz (lecker). Interessanterweise ist das früheste französische Beispiel, auf das ich bis jetzt gestoßen bin, ebenfalls männlich - aus einem Stundenbuch um 1460. Diese Festlegung scheint erst später gekommen zu sein.

Mir war die Tatsache bewußt, weil ich mich zweimal ausgiebiger mit einem (deutschsprachigen) Oratorium von Henze beschäftigt habe, "Das Floß der Medusa" (1968), in dem "La Mort" als Gegenüber von Charon auftritt, und entsprechend ihre Partie mit einer Sopranistin zu besetzen ist. In dem Stück geht es um französische Schiffbrüchige, insofern angemessen, aber halt ungewohnt. In der dt. Fachliteratur wird sie als "die Tödin" bezeichnet.

Stimmt natürlich, daß la Mort zurückgehend auf mors (f.) sprachlich weiblich ist - allerdings ist die lateinische Allegorie, die es tatsächlich gab, kaum bildlich dargestellt worden (und ich kenne keines), sondern vor allem literarisch - und ihr griechisches Vorbild Thanatos ist wieder männlich. Der wurde gelegentlich als Kind dargestellt, als Zwillingsbruder des Hypnos (Schlaf); später auch als bärtiger (jüngerer bzw. älterer) Mann, aber nicht mit den uns geläufigen Attributen, geschweige denn als Skelett.

Maglor
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Mi 13. Nov 2013, 21:54 - Beitrag #51

Tatsächlich gibt es eine ganz eigentümliche Darstellungsweise des römischen Todes.
Nach etruskischem Vorbild erscheint Charun nicht als greiser Fährmann, sondern als unheilvolles Tierwesen mit spitzen Ohren und Fangzähnen. Charuns Werkzeug ist der Hammer.
Bild

Der weibliche Tod als das Gegenüber von Charon könnte die etruskische Daimonin Vanth sein. Sie wird meist als weiblicher Todesengel dargestellt. (AUf dem angzeigten archaischen Bild ist Vanth offenbar männlich.)

Lykurg
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Do 14. Nov 2013, 10:58 - Beitrag #52

Vanth in männlich käme mir dann doch sehr merkwürdig vor - hier dasselbe Vasenbild in einer größeren Aufnahme, so daß auch die Beischrift lesbar wird.* Bild - leider ist mein Etruskisch etwas eingerostet, mein Tschechisch auch, aber es handelt sich offenbar um Tuchulcha; Vanthgemälde liefert ja bereits der von dir verlinkte Wikipediaartikel.

*2. Versuch: Anscheinend handelt es sich um die Beschriftung zu Admetos (der neben Alcestis zwischen Charun und Tuchulcha steht), die Beischrift wäre dann evtl. "Atmipe" zu lesen.

Maglor
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So 17. Nov 2013, 23:30 - Beitrag #53

Tuchulcha ist ein etruskischer Daimon mit schwankendem Geschlecht.
Hier noch mal deutich tierischer:
Bild

Vanth spielt übrigens auch manchmal mit den Schlangen.

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