@e-noon: Das zur Thread-Wiederbelebung herangezogene Beispiel halte ich für wenig illustrativ.
Ich würde sagen, dass es bei den genannten Beispielen häufig auch nicht unbedingt um Diskriminierung von Frauen oder Männern geht, sondern um Diskriminierung von Individuen.
Ich würde sagen: Es kann dem üblichen Wortsinn nach keine Diskriminierung von Individuen geben. Wikipedia behauptet zwar
Diskriminierung bezeichnet eine gruppenspezifische Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder einzelnen Personen.
- aber dieser Satz ergibt so schonmal wenig Sinn, "gruppenspezifisch" sollte sich offensichtlich nur auf Gruppen und nicht auf einzelne Personen beziehen. (Es sei denn, man geht mathematisch heran und behauptet, auch eine einzelne Person sei eine Gruppe.) Der üblichen und vor allem der hier kritisierten Bedeutung nach geht es aber gerade darum, eine Person schlecht zu behandeln aufgrund von (realen oder erfundenen) Eigenschaften einer Gruppe, der sie angehört, die auf sie selbst aber gar nicht zutreffen. Gut, oft genug wird es auch als Diskriminierung bezeichnet, wenn auf eine tatsächlich zutreffende Eigenschaft reagiert wird - aber das ist dann meistens Blödsinn.
Beispiele, um möglichen Einwänden vorzugreifen:
- eine intelligente Frau darf nicht studieren, weil ja alle Frauen dumm seien - erfundene Gruppeneigenschaft trifft auf die Person nicht zu, Diskriminierung
- ein perfekt Deutsch sprechender Einwanderer kriegt einen Job nicht, weil Einwanderer ja schlecht Deutsch können - (statistisch gesehen) reale Gruppeneigenschaft trifft auf die Person nicht zu, Diskriminierung
- ein Mann darf kein Kind gebären, weil Männer das nicht können - reale Gruppeneigenschaft trifft auf die Person zu, keine Diskriminierung
- ein Blinder darf nicht in einem Büro arbeiten - recht einfach umgehbare Eignungsprobleme von Gruppe wie Person, Diskriminierung
- ein Blinder darf nicht als Pilot arbeiten - nach aktuellem technisch-medizinischen Stand unbehebbare faktische Uneignung von Gruppe wie Person, keine Diskriminierung
Es ist auch, wie schon angemerkt wurde, so, dass unter einer verpflichtenden Ungleichbehandlung meist nicht nur die eine Seite leidet, sondern beide.
Sicher oft, aber "meist" finde ich sehr spekulativ. Die meisten Klassen- oder Rassendiskriminierungen schade(te)n der stärkeren Seite höchstens sehr langfristig.
Deine Unterscheidung von "faktischer" und "nicht-faktischer" Diskriminierung greift mir auch zu kurz, die faktische muss man mindestens noch in "explizite"/"formalisierte" und "emergente" unterteilen. "Frauen dürfen nicht studieren" war eine juristisch festgeschriebene, explizite, formalisierte Diskriminierung. "Weniger Frauen als Männer studieren Naturwissenschaften" wäre für dich wohl eine faktische Diskriminierung (?), die sich aber nur emergent aus nicht-faktischen Vorurteilen und Erwartungen (und wohl unbestreitbar auch aus inhärenten Vorlieben, bestreitbar nur ob angeboren oder anerzogen) ergibt, auf keiner aktiv stattfindenden oder gar irgendwo festgeschriebenen Diskriminierung beruht. Auch "gleiches Gehalt bei gleicher Leistung" (sofern das überhaupt zutrifft, man könnte in den Branchen, in denen das beobachtet wird, z.B. durchaus Gehaltsverhandlungsgeschick / -dreistigkeit als die gehaltsrelevante "Leistung" betrachten...) ist nur ein emergentes Phänomen, und angebliche Einstellungsdiskriminierung von Frauen bestünde sogar explizit entgegen ihrer faktisch-rechtlich-festgeschriebenen Bevorzugung.
Es ist die Frage, warum Jungs in der Schule schlechter abschneiden - das Schulsystem ist ja im letzten Jahrhundert nicht unbedingt "weiblicher" geworden, Stillsitzen, Ordnungssinn und eine leserliche Schrift, was ja eher die Sachen sind, die Jungen schwerzufallen scheinen, waren früher viel stärker Voraussetzung als heute.
Klischeehafte These: gute alte teutsche Zucht und Orrrdnung war genau, was die Jungs brauchten, um Benimm und Fleiß zu lernen. Gegen moderne, verwei(b/ch)lichte Erziehungsmethoden begehren sie auf und vermasseln sich selbst die Karriere.
Vielleicht ist aber auch die Hochschule ein geschützter Bereich und junge Männer, die sich zum Maniküreassistenten ausbilden lassen, haben es tatsächlich schwerer.
Halte ich für sehr wahrscheinlich. Umgekehrt dürften es auch angehende Schreinerinnen und Soldatinnen weiterhin schwerer haben als Physikerinnen und Informatikerinnen.
auch an Frauen unterschiedliche Rollenerwartungen gestellt, die sich im Übrigen noch stärker gegenseitig ausschließen als bei Männern.
Sie schließen sich stärker gegenseitig aus, dafür wird aber die freie Wahl zwischen ihnen stärker akzeptiert, das sehe ich ähnlich wie Maglor. Was sich als Diskriminierungsfaktoren ungefähr ausgleichen dürfte.
@Anaeyon: Um die Perspektive der Feministinnen, "der Gesellschaft" und "der Medien" etwas zu verteidigen: es werden durchaus nicht nur die "weiblichen Eigenschaften" als das bessere Absolutum dargestellt, sondern (oft, leider nicht immer) eher als Korrektiv zu den weiterhin bestehenden Standardkriterien von Erfolg und Macht, die als "männlich" gelten. Das Idealbild scheint inzwischen zu sein, "männliche Ziele" auf "weiblichen Wegen" zu erreichen. (Besser wären natürlich menschliche Ziele auf menschlichen Wegen...)
Auch Männer werten untereinander und verhalten sich eklig zueinander, genauso wie unter Frauen, genauso unsichtbar für das jeweils andere Geschlecht.
Oder doch nicht genauso unsichtbar, weil wir schlechter darin sind, es subtil zu machen?
@Ipsissimus: Aber wie bei der Antiisraelismusfrage, zu der Anaeyon die zutreffende Parallele zieht, wird auch hier vergangenes Unrecht gerne als Rechtfertigung für neues Unrecht und/oder für Maulkörbe missbraucht.
Die Perspektive "Mächtige gegen Machtlose" hilft immer dann nicht weiter, wenn einer Person, die nach allen einschlägigen statistischen Kriterien zu den "Mächtigen" gehört, individuelles Unrecht geschieht, sei es von den nominell "Machtlosen" oder von anderen "Mächtigen".