Diskriminierung von Männern

Das Forum für allgemeine Diskussionen! Alle Themen, die nicht in andere Bereiche passen, können hier diskutiert werden.
e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Mi 2. Jan 2013, 19:35 - Beitrag #41

Klischees jedoch als Problem von Individuen abzutun, die man einfach ignorieren muss, finde ich gefährlich. Wir haben vll. die intellektuellen Kapazitäten dazu, aber wie sieht es mit den ganzen Jugendlichen aus, die Bücher lesen als uncool abtun? Haben die auch die Möglichkeit, ein Klischee als solches zu erkennen und zu ignorieren? Für viele sind auch Gedankenkonstrukte reale Dinge (und natürlich trifft das für Männer und Frauen gleichermaßen zu, beide Klischees sind hier völlig realitätsfremd). Ich sehe in gesellschaftlichen Klischees die Gefahr, mehr Leid als Orientierung zu generieren. Und das ist, obwohl es nicht für jeden Mensch gleichermaßen zutrifft, doch für viele etwas "faktisches", also reales, ob es ihnen bewusst ist oder nicht.


Da hast du natürlich völlig Recht, und ich wollte auch keineswegs Klischées als etwas Wirkungsloses oder Lächerliches, über das man unberührt hinwegschreiten kann, beschreiben. Im Gegenteil sind es, da faktische Gleichberechtigung, wenn auch langsam, voranschreitet, vor allem einengende oder schlicht falsche Rollenbilder, die die Entwicklung des Individuums beeinträchtigen. Ich weiß nicht, ob man ganz ohne Klischées (ganz ohne Rollenbilder und die durch sie vermittelte Orientierung) auskäme, aber viel besser wäre ein gewisser Grundkonsens, zu dem junge Menschen nicht nur halbherzig erzogen würden; da versagen Eltern wie Schulen zwangsläufig, weil gewisse Eigenschaften (Ehrlichkeit z.B.) nur noch auf dem Papier wertvoll sind, im "richtigen Leben" (sei es Uni, Ausbildung, Wirtschaft oder Bekanntenkreis) jedoch fast immer schaden (damit will ich nicht sagen, dass Ehrlichkeit immer schadet, sondern, dass es fast immer schadet, wenn man Ehrlichkeit zum Prinzip macht anstelle von taktischen Überlegungen).

Wie du in einem vorangegangenen Post sagtest, man braucht mehr zum Glücklichsein als einen gut bezahlten Beruf und ähnliche materielle Dinge. Hilfreich wäre ein soziales Klima, in dem man als Individuum geschätzt wird, völlig unabhängig von albernen Klischées, ob diese nun im Bereich der Leistungsfähigkeit (Elite/bildungsferne Schichten), der Hobbies (Nerds, Sportfanatiker, Bücherwürmer) oder der Geschlechter (Männer/Frauen) angesiedelt sind. Jedes Stereotyp verletzt und schädigt Individuen, sobald es ernst genommen und der Person übergeordnet wird. Hilfreicher wäre, einen Pool aus akzeptierten Verhaltensweisen zu haben, aus dem man sich, der eigenen Natur folgend, Dinge auswählen kann, ohne dadurch mehr über sich preiszugeben, als dass man eben gerne Fußball, Klavier oder Computerspiele spielt.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
Mi 2. Jan 2013, 22:58 - Beitrag #42

Mein Post bezog sich auf die abendländische Mehrheitsgesellschaft in Deutschland.
Da ist es so, dass eine berufstätige Frau vollkommen akzeptiert ist, gleiches gilt aber auf für eine Hausfrau und Mutter, teilweise auch für eine Nur-Hausfrau. (Das zuletzte verwendete Wort muss schon als tendenziös gelten.) Umgekehrt aber würde ein Mann ohne Beruf wohl derzeit nie akzeptiert werden, auch keine Halbzeitbeschäftigung.
Gleichermaßen werden einem Mann ohne Frau ab einer gewissen Zeit, die sonderbarsten Eigenschaften nachgesagt. Homosexualität ist da noch das harmloseste. Der einheitliche Tenor: Er ist kein richtiger Mann. Das ist ganz normal.
Die antiquierte Titulierung "alte Jungfer", harmloser Fräulein, die impliziert eine Frau ohne Mann sei noch keine vollwertige Frau, gilt hingegen als sexistisch. (Das dies ein Verdienst der Feministinnen ist, steht außer Frage.)

Noch ein Wort zu morgendländischen Unsitten:
Die Burka ist in aller Munde, weniger bekannt, dass islamistische Regime auf Männer schweres abverlangen. Die Taliban verordneten, dass sich alle Männer ein Bart wachsen ließen. Das ist aber noch harmlos verglichen mit anderen Forderungen einer Macho-Kultur, die mit dem Zwang sich als Krieger zu profilieren, auf die Spitze getrieben wird. Ene schwerere Form der Männerunterdrückung als das Taliban-Regime ist kaum vorstellbar.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Mi 2. Jan 2013, 23:24 - Beitrag #43

Da ist es so, dass eine berufstätige Frau vollkommen akzeptiert ist, gleiches gilt aber auf für eine Hausfrau und Mutter, teilweise auch für eine Nur-Hausfrau. (Das zuletzte verwendete Wort muss schon als tendenziös gelten.)

Das kann ja nicht dein Ernst sein. Ganz im Gegenteil werden, was ja in einer pluralistischen Gesellschaft fast schon notwendiges Übel ist, auch an Frauen unterschiedliche Rollenerwartungen gestellt, die sich im Übrigen noch stärker gegenseitig ausschließen als bei Männern. Männer können in der Regel Beruf und Elternschaft wesentlich einfacher vereinbaren als Frauen; allein schon, weil es nicht sie sind, die neun Monate lang schwanger sind, nicht sie es sind, die stillen, und in der Regel auch heute noch nicht sie, die ein Jahr lang im Beruf ausfallen, weil sie zuhause ein Kleinkind versorgen. Dass in dem Fall der Mann stärker diskriminiert wird als die Frau, [strike]ist ja wohl völliger Blödsinn[/strike] sehe ich so nicht.
Ein Mann hat zudem wesentlich länger die Möglichkeit, Kinder zu haben, als eine Frau, womit dem beruflichen Werdegang weit weniger Steine in den Weg gelegt sind.

Umgekehrt aber würde ein Mann ohne Beruf wohl derzeit nie akzeptiert werden, auch keine Halbzeitbeschäftigung.

Das ist ebenfalls nicht wahr; ein Mann, der Zuhause bleibt und sich um die Kinder kümmert, während seine Frau arbeiten geht, wird (natürlich je nach Umfeld) für seine Opferbereitschaft (die bei Frauen selbstverständlich vorausgesetzt wird) geradezu verhätschelt.
Wenn man alleinstehend ist und keine Arbeit hat, ist natürlich die Frage, wie man überlebt. Ich denke aber, dass gesellschaftlich nicht groß zwischen männlichen und weiblichen Hartz-IV-Empfängern unterschieden wird.

Gleichermaßen werden einem Mann ohne Frau ab einer gewissen Zeit, die sonderbarsten Eigenschaften nachgesagt.
Das weiß ich natürlich nicht, aber ich habe das noch nie beobachtet.

Der Vergleich von Zwangsburka und Zwangsvollbart demonstriert in meinen Augen zunächst einmal, dass Männer auf einem ziemlich hohen Niveau jammern. Eine Burka schränkt Bewegungsfreiheit, Blickfeld und Persönlichkeit ein, während ein Bart allerhöchstens die Ästhetik einschränkt und von vielen freiwillig getragen wird. Wie schon gesagt, werden sicher auch Männer diskriminiert, insofern ist Emanzipation für beide Seiten wünschenswert; aber zu behaupten, dass Frauen in manche Bereichen völlig von Vorurteilen und negativen Stereotypen befreit wären, ist genauso kurzsichtig, wie dies nur von Männern zu behaupten.

Anaeyon
VIP Member
VIP Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1287
Registriert: 03.08.2004
Mi 2. Jan 2013, 23:39 - Beitrag #44

http://i.imgur.com/tLMqB.jpg Bild

ein Mann, der Zuhause bleibt und sich um die Kinder kümmert, während seine Frau arbeiten geht, wird (natürlich je nach Umfeld) für seine Opferbereitschaft (die bei Frauen selbstverständlich vorausgesetzt wird) geradezu verhätschelt.


Das wiederum ist aber auch absolut falsch Bild. Er wird vll. von den Mädels in seinem Umkreis ganz toll gefunden und wird als bester Kumpel gute Chancen haben, aber dort, wo er bisher gearbeitet hat (und danach wieder arbeiten möchte) wird das anders aussehen. Auch Männer werten untereinander und verhalten sich eklig zueinander, genauso wie unter Frauen, genauso unsichtbar für das jeweils andere Geschlecht.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 3. Jan 2013, 01:50 - Beitrag #45

@e-noon: Das zur Thread-Wiederbelebung herangezogene Beispiel halte ich für wenig illustrativ.
Ich würde sagen, dass es bei den genannten Beispielen häufig auch nicht unbedingt um Diskriminierung von Frauen oder Männern geht, sondern um Diskriminierung von Individuen.
Ich würde sagen: Es kann dem üblichen Wortsinn nach keine Diskriminierung von Individuen geben. Wikipedia behauptet zwar
Diskriminierung bezeichnet eine gruppenspezifische Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder einzelnen Personen.
- aber dieser Satz ergibt so schonmal wenig Sinn, "gruppenspezifisch" sollte sich offensichtlich nur auf Gruppen und nicht auf einzelne Personen beziehen. (Es sei denn, man geht mathematisch heran und behauptet, auch eine einzelne Person sei eine Gruppe.) Der üblichen und vor allem der hier kritisierten Bedeutung nach geht es aber gerade darum, eine Person schlecht zu behandeln aufgrund von (realen oder erfundenen) Eigenschaften einer Gruppe, der sie angehört, die auf sie selbst aber gar nicht zutreffen. Gut, oft genug wird es auch als Diskriminierung bezeichnet, wenn auf eine tatsächlich zutreffende Eigenschaft reagiert wird - aber das ist dann meistens Blödsinn.
Beispiele, um möglichen Einwänden vorzugreifen:
  • eine intelligente Frau darf nicht studieren, weil ja alle Frauen dumm seien - erfundene Gruppeneigenschaft trifft auf die Person nicht zu, Diskriminierung
  • ein perfekt Deutsch sprechender Einwanderer kriegt einen Job nicht, weil Einwanderer ja schlecht Deutsch können - (statistisch gesehen) reale Gruppeneigenschaft trifft auf die Person nicht zu, Diskriminierung
  • ein Mann darf kein Kind gebären, weil Männer das nicht können - reale Gruppeneigenschaft trifft auf die Person zu, keine Diskriminierung
  • ein Blinder darf nicht in einem Büro arbeiten - recht einfach umgehbare Eignungsprobleme von Gruppe wie Person, Diskriminierung
  • ein Blinder darf nicht als Pilot arbeiten - nach aktuellem technisch-medizinischen Stand unbehebbare faktische Uneignung von Gruppe wie Person, keine Diskriminierung
Es ist auch, wie schon angemerkt wurde, so, dass unter einer verpflichtenden Ungleichbehandlung meist nicht nur die eine Seite leidet, sondern beide.
Sicher oft, aber "meist" finde ich sehr spekulativ. Die meisten Klassen- oder Rassendiskriminierungen schade(te)n der stärkeren Seite höchstens sehr langfristig.

Deine Unterscheidung von "faktischer" und "nicht-faktischer" Diskriminierung greift mir auch zu kurz, die faktische muss man mindestens noch in "explizite"/"formalisierte" und "emergente" unterteilen. "Frauen dürfen nicht studieren" war eine juristisch festgeschriebene, explizite, formalisierte Diskriminierung. "Weniger Frauen als Männer studieren Naturwissenschaften" wäre für dich wohl eine faktische Diskriminierung (?), die sich aber nur emergent aus nicht-faktischen Vorurteilen und Erwartungen (und wohl unbestreitbar auch aus inhärenten Vorlieben, bestreitbar nur ob angeboren oder anerzogen) ergibt, auf keiner aktiv stattfindenden oder gar irgendwo festgeschriebenen Diskriminierung beruht. Auch "gleiches Gehalt bei gleicher Leistung" (sofern das überhaupt zutrifft, man könnte in den Branchen, in denen das beobachtet wird, z.B. durchaus Gehaltsverhandlungsgeschick / -dreistigkeit als die gehaltsrelevante "Leistung" betrachten...) ist nur ein emergentes Phänomen, und angebliche Einstellungsdiskriminierung von Frauen bestünde sogar explizit entgegen ihrer faktisch-rechtlich-festgeschriebenen Bevorzugung.

Es ist die Frage, warum Jungs in der Schule schlechter abschneiden - das Schulsystem ist ja im letzten Jahrhundert nicht unbedingt "weiblicher" geworden, Stillsitzen, Ordnungssinn und eine leserliche Schrift, was ja eher die Sachen sind, die Jungen schwerzufallen scheinen, waren früher viel stärker Voraussetzung als heute.
Klischeehafte These: gute alte teutsche Zucht und Orrrdnung war genau, was die Jungs brauchten, um Benimm und Fleiß zu lernen. Gegen moderne, verwei(b/ch)lichte Erziehungsmethoden begehren sie auf und vermasseln sich selbst die Karriere.

Vielleicht ist aber auch die Hochschule ein geschützter Bereich und junge Männer, die sich zum Maniküreassistenten ausbilden lassen, haben es tatsächlich schwerer.
Halte ich für sehr wahrscheinlich. Umgekehrt dürften es auch angehende Schreinerinnen und Soldatinnen weiterhin schwerer haben als Physikerinnen und Informatikerinnen.

auch an Frauen unterschiedliche Rollenerwartungen gestellt, die sich im Übrigen noch stärker gegenseitig ausschließen als bei Männern.
Sie schließen sich stärker gegenseitig aus, dafür wird aber die freie Wahl zwischen ihnen stärker akzeptiert, das sehe ich ähnlich wie Maglor. Was sich als Diskriminierungsfaktoren ungefähr ausgleichen dürfte.


@Anaeyon: Um die Perspektive der Feministinnen, "der Gesellschaft" und "der Medien" etwas zu verteidigen: es werden durchaus nicht nur die "weiblichen Eigenschaften" als das bessere Absolutum dargestellt, sondern (oft, leider nicht immer) eher als Korrektiv zu den weiterhin bestehenden Standardkriterien von Erfolg und Macht, die als "männlich" gelten. Das Idealbild scheint inzwischen zu sein, "männliche Ziele" auf "weiblichen Wegen" zu erreichen. (Besser wären natürlich menschliche Ziele auf menschlichen Wegen...)

Auch Männer werten untereinander und verhalten sich eklig zueinander, genauso wie unter Frauen, genauso unsichtbar für das jeweils andere Geschlecht.
Oder doch nicht genauso unsichtbar, weil wir schlechter darin sind, es subtil zu machen? ;)


@Ipsissimus: Aber wie bei der Antiisraelismusfrage, zu der Anaeyon die zutreffende Parallele zieht, wird auch hier vergangenes Unrecht gerne als Rechtfertigung für neues Unrecht und/oder für Maulkörbe missbraucht.

Die Perspektive "Mächtige gegen Machtlose" hilft immer dann nicht weiter, wenn einer Person, die nach allen einschlägigen statistischen Kriterien zu den "Mächtigen" gehört, individuelles Unrecht geschieht, sei es von den nominell "Machtlosen" oder von anderen "Mächtigen".

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 3. Jan 2013, 13:05 - Beitrag #46

Aber wie bei der Antiisraelismusfrage, zu der Anaeyon die zutreffende Parallele zieht, wird auch hier vergangenes Unrecht gerne als Rechtfertigung für neues Unrecht und/oder für Maulkörbe missbraucht.
wo siehst du denn im Kontext des Themas vergangenes Unrecht, Traitor? Ich sehe seit einigen Jahrzehnten in einigen wenigen Staaten ein gewisses Bemühen um weniger Unrecht und um eine bessere Machtbalance; davon, dass diese Bemühungen zu weniger Unrecht und einer verbesserten Machtbalance geführt hätten, kann flächendeckend überhaupt nicht die Rede sein. Punktuell und bei entsprechenden individuellen Anstrengungen laufen die Dinge im Sinne von Machtbalance etwas besser; zu wirksamen gesellschaftsweiten strukturellen Änderungen reicht es noch lange nicht.

Die Perspektive "Mächtige gegen Machtlose" hilft immer dann nicht weiter, wenn einer Person, die nach allen einschlägigen statistischen Kriterien zu den "Mächtigen" gehört, individuelles Unrecht geschieht, sei es von den nominell "Machtlosen" oder von anderen "Mächtigen".
es gehört zu den Vorzügen des Mächtigseins, dass dir von Machtlosen höchstens noch in Ausnahmefällen Unrecht zugefügt werden kann. Bist du mächtig, wird dir höchstens von noch Mächtigeren Unrecht zugefügt. In Relation zu denen bist du dann aber wieder machtlos.

Anders gesagt, die Dichotomie "mächtig" versus "machtlos" gibt keine absolute Größe, sondern eine Relation an.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 3. Jan 2013, 13:53 - Beitrag #47

Zur Irrelevanz des internationalen Vergleichs siehe Padreic und Anaeyon.
Vergangen, regional: "formalisiert-faktische" politische Diskriminierung, Bildungsdiskriminierung, wirtschaftliche Diskriminierung der Frauen. Geblieben: Diskriminierung der Frauen in den Köpfen der Frauen und Männer, "nicht-faktische" sowie daraus folgend auch "emergent-faktische" Diskriminierung der Frauen. Neu: Diskriminierung der Männer in den Köpfen der Frauen und Männer, "nicht-faktische" sowie daraus folgend auch "emergent-faktische" Diskriminierung der Männer. Letzteres gerne mit Verweis auf die vergangenen formalisiert-faktischen und in der Vergangenheit noch stärkeren emergent-faktischen Diskriminierungen gegenüber Frauen als harmlos, verdient oder gar gut verbrämt.

Wenn "mächtig" und "machtlos" gar keine Klassen- oder auch nur Personen-Etiketten sein sollen, sondern nur im persönlichen und zeitlichen Ereigniseinzelfall angewendet werden, dann erklären die Begriffe erst Recht nichts mehr. Eine gewisse Etikettenhaftigkeit scheinst du mir aber durchaus beibehalten zu wollen, und dass es dann bei der Umkehr nur um Ausnahmefälle geht, ist kein tieferer Vorzug, sondern einfach ein Teil der Definition. Diese Ausnahmefälle können aber durchaus System haben. Und reine Ausnahmehaftigkeit bedeutet noch lange nicht Irrelevanz.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 4. Jan 2013, 22:46 - Beitrag #48


e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Sa 5. Jan 2013, 14:53 - Beitrag #49

Das englische System mit 9000 Pfund (!) Studiengebühren im Jahr (!) können sich natürlich wenige junge Leute aus Arbeiterfamilien leisten. Es ist schon verständlich, dass viele davon abgeschreckt werden, sich auf Jahre hinaus schwer zu verschulden; warum insbesondere Jungen davor zurückschrecken, weiß ich nicht. Ich kenne auch das Englische Stipendien- und Kreditsystem nicht genug; womöglich gelingt es den Mädchen eher, ein Stipendium zu ergattern.

Meine, zugegebenermaßen nicht wissenschaftlich belegte, These ist ja, dass Jungen im Schnitt 1-2 Jahre hinter der Entwicklung von Mädchen (auch wieder im Schnitt) hinterherhinken. Somit wäre es vielleicht eine gute Idee, Jungen verstärkt später einzuschulen oder (was ich besser fände) in der Schullaufbahn einfach Puffer einzubauen, die man bei Bedarf in Anspruch nehmen kann. Internationaler Schüleraustausch beispielsweise wäre vielleicht für viele eine wertvolle Erfahrung, die sie reifen lässt in einem Umfeld, in dem der schulische Erfolg nicht das wichtigste Kriterium ist, weil man beispielsweise das Jahr zuhause wiederholen kann. Wenn dies breitflächiger geschähe, hätte es auch nicht mehr den gescheuten Charakter des "Sitzenbleibens".

Was die Uni angeht, halte ich aber den deutschen Ansatz für weit erstrebenswerter: Jeder kann studieren. Das Semesterticket allein dürfte schon den Semesterbeitrag aufwiegen, wenn man arm ist, bekommt man Bafög, wenn man reich ist, können die Eltern es in den meisten Fällen bezahlen. An die Uni sollte auch jeder kommen dürfen. Es ist meines Erachtens vertretbar, dass man mit einem Schnitt von 3,8 nicht Deutsch an seiner Wunschuni studieren kann, dann kann man sich ja eine andere suchen. Den Unibesuch, wie in England oder Amerika, elitär und exklusiv zu gestalten, finde ich schon vom Ansatz her nicht gut, daher sollten nicht Quoten helfen, die ja nur dazu führen, dass andere aussortiert werden, sondern es sollten einfach so viele wie möglich genommen werden.

Bei Frauenquoten in der Wirtschaft (deren Vertreter übrigens bei einer faktischen Quote von 42%, wie es die der männlichen Studenten in England ist, vor Freude weinend zusammenbrechen würden) ist das Ganze leider nicht so einfach: Es kann leider nicht jeder Vorstandsvorsitzende/r werden.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Sa 5. Jan 2013, 18:41 - Beitrag #50

Möglich auch, dass ehrgeizige Unterschicht-Jungen in anderen Karrierewegen bessere Aufstiegschancen sehen und/oder finden, während für Mädchen akademische Bildung als attraktivster Weg erscheint; dass bei ihnen, u.a. durch falschen Klassenstolz, überhaupt weniger Ehrgeiz da ist; dass männliche "Streber" schlimmer gemobbt werden; usw.

Das mit dem Hinterherhinken mag für Teile der sexuellen und sozialen Entwicklung gelten, für die akademischen Fähigkeiten glaube ich eher nicht dran, zumal gerade Jungen doch oft eher einen abwärts weisenden Trend in ihren Schulleistungen zeigen. Reine Zusatzzeit in der Schule bringt meines Erachtens meist weniger, als sie schadet, eher wäre parallele Zusatzförderung sinnvoll, also wiedereingegliederte Nachhilfe.

Von finanziellen Bildungsschranken halte ich auch nichts, die Leistungsschranken dürften aber gerne deutlich höher sein. Was Quoten bzw. "affirmative action" angeht, gibt es derzeit auch in den USA einige spannende Prozesse.

Die Führungspositions-Quoten-Idee krankt schon allein daran, dass sich jede konkret festgeschriebene Regelung durch Stellenumbenennungen und statistische Tricks problemlos umgehen ließe. Und "bei gleicher Qualifikation bevorzugt"-Regelungen fallen gleich aus, weil es für genügend hohe Stellen keine formalisierten Qualifikationen mehr gibt. (Wo es sie gibt, führt die Regelung dafür automatisch zu umgekehrter Diskriminierung, m.E. neben familienrechtlichen Geschichten die eine große real existierende formalisierte Männerdiskriminierung, wurde hier ja auch schon mehrmals angesprochen.)

Vorherige

Zurück zu Diskussion

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 15 Gäste