Organspende weiter zustimmungspflichtig?

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Habt ihr einen Spenderausweis? Zustimmungs- oder Widerrufsrecht?

ich habe einen Spenderausweis
1
3%
ich habe keinen Spenderausweis
12
39%
Zustimmung sollte erforderlich bleiben
9
29%
Transplantation möglich, außer bei Widerruf
7
23%
sonstige Lösung (bitte ausführen)
1
3%
Organspendepflicht ohne Widerrufsrecht
1
3%
Organspende völlig verbieten
0
Keine Stimmen
 
Abstimmungen insgesamt : 31

Lykurg
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Di 21. Feb 2006, 13:52 - Beitrag #1

Organspende weiter zustimmungspflichtig?

Der ständige Bedarf an Spenderorganen gibt gelegentlich Anstoß zu einer Veränderung der Rechtslage. Die Wartezeit auf eine Spenderniere etwa liegt laut Wiki in Deutschland derzeit bei 6-8 Jahren. Derzeit können Organe aber nur entnommen werden, wenn ein Organspendeausweis eines Hirntoten vorliegt (und den lassen relativ wenige Menschen sich ausstellen), oder die Angehörigen "nach dem Willen des Verstorbenen" darüber entscheiden.
Übrigens gibt es hier ein Formular für einen Spenderausweis.

Andere Lösungen (entsprechend dem Widerrufsprinzip) gibt es etwa in Österreich, wo man mit dem Personalausweis den Organspendeausweis mit ausgehändigt bekommt: Man kommt grundsätzlich als Spender infrage, wenn man nicht ausdrücklich widersprochen hat; ähnlich ist es auch in Spanien. Die Mehrheit der europäischen Staaten macht wie Deutschland eine Zustimmung erforderlich.

Grundsätzlich: Habt ihr einen Spenderausweis?
Wie steht ihr zur Möglichkeit einer Gesetzesänderung?
Sollte der Staat vielleicht (finanzielle oder sonstige) Anreize für eine Spende bieten?

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 21. Feb 2006, 14:22 - Beitrag #2

wie wäre es damit, im christlichen Abendland endlich mal eine Kultur zu etablieren, welche die Menschen mit ihrer Endlichkeit versöhnt? Anstatt den Wahn des angeblich Machbaren in den privatesten aller privaten Bereiche hinein zu tragen - und Organspende ist KEIN humanitäres, sondern ein merkantiles Phänomen - könnte mensch ja die Menschen endlich mal drüber aufklären, daß sie sterben werden, und daß dies vom ersten Augenblick ihrer Existenz an als Unumstößlichkeit feststeht, Maurice´formallogische Einwände hin oder her.

Organspende ist für mich Hybris medizinischer Kaufleute und als solche eine Bösartigkeit, mehr nicht, und solange ich eine Wahl habe, mich dagegen zu verwahren, werde ich es tun.

janw
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Di 21. Feb 2006, 14:23 - Beitrag #3

Ich habe keinen Spenderausweis - weil ich bislang den Eindruck hatte, bei meiner gesundheitlichen Situation käme ich dafür nicht in Frage. Das zu überprüfen steht allerdings seit geraumer Zeit auf der Agenda.

Letztlich ist es so, daß es jeden jederzeit treffen kann, ein Organ zu benötigen. Ich denke, daß viele sich darüber keine Gedanken machen oder es ggf. verdrängen - viele auch gar nicht mit der Frage direkt konfrontiert werden.

Gerade an letzterem sollte IMHO aktiv "gedreht" werden, indem Hausärzte dazu angehalten werden sollten, ihre Patienten, so sie dafür in Frage kommen, darauf anzusprechen, ihnen den Ausweis nahe zu legen.
Es wäre auch möglich, und ich wäre dafür, daß ein Organspenderausweis eine Beitragsermäßigung bei der Krankenversicherung bewirkt.

Ich halte eine Gesetzesänderung prinzipiell für möglich, allerdings wäre IMHO mit einer verstärkten Werbung durch eben direkte Ansprache bzw. auch finanzielle Anreize mehr Sympathie dafür zu erreichen.
Und auf Sympathie gebaute Systeme sind letztlich langlebiger und weniger überwachungsaufwändig.

Vielleicht würde ich als Gesundheitspolitiker folgendes tun:
Einen gesundheitspolitischen Konsens erzeugen, daß in 5 Jahren die Spenderausweisbesitzerrate um sagen wir 10% zu erhöhen ist, um danach ein kontinuierliches Wachstum innerhalb der relevanten Altersgruppe zu erreichen.

Dieses Ziel mit aktiver Werbung wie beschrieben anstreben.

Nach 5 Jahren ist der jewils amtierende Minister verpflichtet, das System im Erfolgsflalle weiterlaufen zu lassen oder andernfalls eine Regelung a la Österreich einzuführen.

Aydee
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Di 21. Feb 2006, 14:33 - Beitrag #4

Zitat von janw:Es wäre auch möglich, und ich wäre dafür, daß ein Organspenderausweis eine Beitragsermäßigung bei der Krankenversicherung bewirkt.

DAS fände ich ne Unverschämtheit sondergleichen, würde aber prima in die derzeitige Vorgehensweise bzgl zB Single-Steuerregelungen od KK-Beiträge passen. Noch eine Gruppe die "bestraft" würde - so empfände ich das, vielleicht weil es mich treffen würde.

Nein, ich möchte weder organspenden, noch -empfangen.
(allerdings denke ich eh, dass ich nicht in diesen Kreis potentieller Spender zähle ,-))

Genauso wie ich eine generelle Spendenbereitschaft vorrausgesetzt empfinden würde, es sei denn ich widerspreche ausdrücklich einer solchen.

Nein, für mich mag spenden wer möchte und genau diese Menschen mögen das auch verlautbaren. Jedoch eine generelle Spendenfreudigkeit vorrauszusetzen (die ja wohl nicht vorliegt, betrachtet man die Organspendenbereitschaft), wäre imo unverschämt, leider aber auch passend



Btw: wie sieht so eine "ausdrückliche" Organspenden- Verweigerung / -Widerspruch in den entsprechenden Ländern aus? Reichts wenn ich ein unterschriebenes Zettelchen mit mir herumtrage od muss es notariell bestätigt werden....?

Traitor
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Di 21. Feb 2006, 14:58 - Beitrag #5

Ich habe keinen Ausweis, aber eher aus genereller Faulheit, was alles medizinische angeht.

Eigentlich bin ich der Ansicht, dass die Organentnahme immer zulässig sein sollte. Sprich: weder ein Spender- noch ein Verweigererausweis, sondern wenn ein Organ gebraucht wird und ein geeigneter Toter vorliegt, wird transplantiert.
Durchsetzbar wäre eine derartige Regelung aber wohl kaum, denn außer Maurice wird mir da wohl kaum jemand zustimmen und eine Regierung, die dies einführen würde, wäre dem Untergang geweiht. Deshalb wäre eine Regelung mit expliziten Verweigerungen wohl erstmal das Anstrebenswerte.

@Ipsi: Wenn jeder sterben muss, das wann und wie egal ist und Lebensverlängerungen durch Organtransplantationen nur "merkantile" Vorteile haben, warum das dann nicht auf die gesamte Medizin übertragen? Jede Form von Medikamenten und Therapien verbieten und so viele sterben lassen wie möglich? Oder wäre dir das gar auch recht?
Das Problem des "christlichen Abendlandes" sehe ich eher darin, mehr Respekt vor den Toten als vor den Lebenden zu haben und für die Unversehrheit der ersteren das Leben der letzteren zu opfern.

Lykurg
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Di 21. Feb 2006, 15:25 - Beitrag #6

Traitor und Ipsissimus:
Ärgerlich, ich hatte eigentlich überlegt, die Punkte "Organspendepflicht ohne Widerrufsrecht" und "Organspende völlig verbieten" mit aufzunehmen, das wäre aussagekräftiger. (Ließe sich das noch dahingehend ändern, inklusive Stimmenverschiebung?^^)

janw, das finde ich sinnvoll, die Steigerung um 10% allerdings zu wenig - ich las irgendwo, es hätten derzeit 10% einen Ausweis - 10 Prozentpunkte wären besser.^^

Aydee, laut meiner Ärzteblatt-Quelle haben manche Länder auch zentrale Register. Wenn man das sowieso mit dem Ausweis verbindet, sollte das kein (technisches) Problem darstellen. Eine Beglaubigung wäre überflüssig.
Du hast ja auch die Möglichkeit, auf dem Spenderausweis "nein" anzukreuzen, und die Sache ist eindeutig geregelt. Nur ist es im Sinne der Gesellschaft, daß Klarheit diesbezüglich besteht. Die an sich Bereitwilligen, die keinen Ausweis haben, weil sie sich die Frage nicht gestellt haben, sind mW in der Überzahl.

Ich gehöre übrigens auch in die Kategorie Habenichts, wai (allgemeiner Arztunmut vielleicht am ehesten).

janw
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Di 21. Feb 2006, 16:53 - Beitrag #7

Lykurg, klar Punkte, mein Hang zur Unpräzision immer^^

Aydee, Du hast nicht Unrecht mit Deinem Einwand, solch ein Anreiz würde prima in die Landschaft passen...und andererseits kommt es die Systeme uU tatsächlich günstiger, jemandem eine neue Niere zu geben und ihn nicht Jahre- bis jahrzehntelang zu Dialysieren - mit allem, was das für den Menschen bedeutet.
Aber trotzdem, auf diese Anreize kann ich gerne verzichten in meinen Überlegungen, denk sie Dir als nicht da stehend :-)

Ipsi, eigentlich war ja das System in Deutschland so angelegt, daß es eben nicht merkantil sein sollte, daß Organhandel ausgeschlossen und jeder Bedürftige bei Vorhandensein eines geeigneten Organes dieses bekommen können sollte.
Dies müßte IMHO ggf wieder so hergestellt werden, Handel damit darf es nicht geben.
Daß wir uns mit unserer Sterblichkeit versöhnen müssen, da gebe ich Dir recht, andererseits empfinde ich schon eine gewisse Dankbarkeit denjenigen, die Blut gespendet haben, das ich dann bei dringend erforderlichen Operationen bekomme habe.

Ipsissimus
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Di 21. Feb 2006, 19:52 - Beitrag #8

Traitor, Aggressivität überzeugt mich nicht wirklich

aber tatsächlich, ich bin der Ansicht, daß ein großer Teil der modernen westlichen Medizin ein Irrweg ist. Oder um es genauer zu sagen: die Entwicklung der gesamten westlichen Lebensweise ist ein Irrweg, und unsere Medizin bestärkt uns in diesem Irrweg.

Kati
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Di 21. Feb 2006, 21:18 - Beitrag #9

Über dieses Thema musste ich mir gerade aus schulischen Gründen schwer Gedanken machen ^^

Finanzielle Anreize halte ich persöhnlich nur postmortal für gut und richtig. Wie schnell würden wir reicheren ärmere Menschen ausbeuten? Ungefähr als "Ersatzteillager". Nicht nur hier in Deutschland, sondern auch über unsere Grenzen hinaus.
Menschen die für die finanziellen Anreize sind, stellen da natürlich die Hilfe für die betreffenden Spender in den Vordergrund. Da fragt sich unsereins aber ob das denn der richtige Weg für beide Probleme sein kann und darf?
Und wo wären wir bitte, wenn das wertvollste übrhaupt, nämlich das Leben, auf einmal verkäuflich wäre??

Sicher sind die Spenderorgane mehr als spärlich gesäht, und die Einschränkung des Transplantationsgesetztes was die Lebendspende anbelangt, hilft da sicherlich auch nicht weiter (nur Verwante ersten und zweiten Grades und engste Freunde dürfen spenden). Aber würde man finanzielle Vorteile aus einer Spende ziehen können, geraten wir schnell in einen Teufelskreis. Wie lebenswert wird denn ein Leben ohne eine zweite Niere?

Wie gesagt, postmortal halte ich es auch für gut. Aber:
Zitat von Traitor:Eigentlich bin ich der Ansicht, dass die Organentnahme immer zulässig sein sollte. Sprich: weder ein Spender- noch ein Verweigererausweis, sondern wenn ein Organ gebraucht wird und ein geeigneter Toter vorliegt, wird transplantiert.

nicht.
Es gibt durchaus Menschen, die einen Glauben haben, oder solche die auch nach ausreichender Aufklärung strikt dagegen sind ihre Organe zu spenden. Und diesen Menschen dann einfach zu entnehmen, das kratzt dann für mich schon an der Menschenwürde.

Also: Ein Anti-Spenderausweis wäre wohl das sinnvollste ^^

Traitor
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Di 21. Feb 2006, 21:46 - Beitrag #10

@Ipsissimuss: Die harsche Formulierung war nicht als Agression gedacht, sondern Ausdruck extremer Verwunderung. So sehr mich eine Diskussion darüber reizen würde, glaube ich aber leider nicht, dass sie sehr produktiv sein könnte, denn selbst unter dem Vorsatz, so aufgeschlossen und unpolemisch zu schreiben wie möglich, käme ich einer derartigen Haltung gegenüber wohl nicht umhin, ein, wenn auch umfangreich verklausuliertes, "Warum lebst du dann noch?" zu entgegnen. Also lassen wir es wohl lieber.

@Kati:
Es gibt durchaus Menschen, die einen Glauben haben, oder solche die auch nach ausreichender Aufklärung strikt dagegen sind ihre Organe zu spenden. Und diesen Menschen dann einfach zu entnehmen, das kratzt dann für mich schon an der Menschenwürde.
So einfach ist die Frage eben nicht. Es ist wieder eines der Dilemmata, in denen man Übel gegen Übel abwägen muss. Und für mich lautet die Antwort, dass das Kratzen am Würdegefühl der Hinterbliebenen eines Toten der weit geringe Verstoß gegen die Menschenwürde ist als das Leiden eines Lebenden, der auf das Spenderorgan verzichten muss.

Ipsissimus
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Di 21. Feb 2006, 21:48 - Beitrag #11

ich halte es für das Sinnvollste, davon auszugehen, daß dann, wenn mein Einverständnis nicht explizit vorliegt, es auch nicht gegeben ist^^ sonst brauchen wir nämlich irgendwann "Anti-Ausweise" gegen alles, was der Staat und die Medien gut zu nennen belieben, die Menschen aber trotzdem nicht mitmachen wollen

und ja, Lykurg^^ es ist schon etwas manipulativ, explizite "grundlose" Verweigerung als Möglichkeit gar nicht erst zuzulassen, so als sei es selbstverständlich, daß jeder geistig gesunde Mensch gar nicht pinzipiell anderer Ansicht sein könne

aleanjre
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Di 21. Feb 2006, 22:07 - Beitrag #12

Ipsi: Ich bin neugierig. Welchen Weg soll die Medizin deiner Meinung nach nehmen? Erkläre! :)

Ich bin auch dagegen, dass um jeden Preis eine Transplantation vorgenommen werden muss. Wozu einen 70jährigen noch mit neuen Herzklappen quälen? Ja, natürlich, auch mit 70 kann man noch 20 Jahre Lebenserwartung haben und sich Lebensqualität wünschen. Aber wer die Herzklappen kaputt hat, schon zig OPs hinter sich, und dann eine solche Belastung, die man vielleicht nicht überlebt, oder wenn, dann hinterher schwer behindert ist, die restlichen Jahre Medikamente gegen Abstoßungsreaktionen schlucken...
Also nee. Es gibt andere Wege, Schmerz zu nehmen und die letzten Monate qualitativ gut zu gestalten. Irgendwo müssten Grenzen überdacht werden, die sich in den letzten Jahren stark nach hinten verschoben haben. Der Chirurg, der meinen Kurs damals unterrichtete, sagte dazu mal: "Je älter die Spezialisten werden, die die Transplantationen vornehmen, desto älter werden die Patienten."

Aber warum einem Kleinkind die neue Niere verweigern? Warum einer 30jährigen, die durch Giftkontakt die Leber zerfressen hat, nicht helfen? Warum keine Knochenmarksspende für einen jugendlichen Leukämiekranken, der danach vielleicht eine völlig normale Lebenserwartung haben wird?
Ein Unfallopfer retten?

Ja, der Tod ist das natürliche Ende des Lebens, dort gehen wir alle hin. Aber der Weg dorthin gehört jedem allein. Was spricht aber dagegen, jemanden zu helfen, der nicht allein über einen Abgrund kommt?

*********
Ich hätte nichts dagegen, wenn eine generelle Spendenregelung gilt, es sei denn, man hat unterschrieben, dass man dies nicht will oder die Angehörigen schließen es aus. Das sollte für jeden regulierbar sein, sei es aus persönlicher Weltansicht oder religiöser Überzeugung.

Aydee
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Di 21. Feb 2006, 23:17 - Beitrag #13

Zitat von aleanjre: Ich hätte nichts dagegen, wenn eine generelle Spendenregelung gilt, es sei denn, man hat unterschrieben, dass man dies nicht will oder die Angehörigen schließen es aus. Das sollte für jeden regulierbar sein, sei es aus persönlicher Weltansicht oder religiöser Überzeugung.

Dir ist aber schon klar, wohin dieser Gedanke - ein Ja vorauszusetzen, wo kein definitives Ja gegeben wurde, nur weil ein von-den-Befürwortern-akzeptierbares Nein nicht vorliegt - hinführt, oder? Und was es dem Menschen, der sein Nein nicht ausdrücklich und in einer von-den-Befürwortern-akzeptierbaren formulierten Weise bei sich führt, antut...? Welche Richtung damit eingeschlagen wird im Umgang miteinander?

Oder...?

Nein, ich bin nicht für ein generelles Ja. und auch nicht für ein generelles Nein. Ich bin für ein ausdrücklich formuliertes Ja! derer, die Ja! sagen und getan lassen wollen.


Aber trotzigerweis' hab ich mir jetzt ein Zettelchen mit ausdrücklich und fett angekreuztem Nein! zugelegt. Leider ist dort kein Kästchen wo ich die Organspende annehmenderweise mit fettem Kreuzchen verweigern kann....

Lykurg
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Mi 22. Feb 2006, 00:26 - Beitrag #14

Zitat von Ipsissimus:und ja, Lykurg^^ es ist schon etwas manipulativ, explizite "grundlose" Verweigerung als Möglichkeit gar nicht erst zuzulassen, so als sei es selbstverständlich, daß jeder geistig gesunde Mensch gar nicht pinzipiell anderer Ansicht sein könne
So war es definitiv nicht gemeint. Mein "sonstige Lösung (bitte ausführen)" bedeutete nicht, daß derjenige Transplantationen zu befürworten hätte. Ich hatte blauäugigerweise eben nur das hypothetische Vorhandensein der beiden Positionen gesehen, aber nicht mit ihrer Brauchbarkeit in diesem Rahmen gerechnet. Insofern bitte ich ja auch um Änderung, wenn möglich. Aber "jeder geistig gesunde Mensch" kann mE erkennen, daß "sonstige Lösung (bitte ausführen)" keine manipulative Unterdrückung anderer Meinungen ist.^^

aleanjre, Aydee und Ipsissimus: Die Verweigerung, Spenden anzunehmen, müßte eigentlich möglich sein - z.B. die Zeugen Jehovas machen das ja. Stellt sich die Frage, wie das mit dem hippokratischen Eid und der gesetzlichen Pflicht zur Hilfeleistung vereinbar ist...

Und Aydee, die "eingeschlagene Richtung" sehe ich dabei nicht. Es ist eher eine Effizienzfrage, wenn die Meinungsumfragen darauf hindeuten, daß ein weit größerer Bevölkerungsanteil im Prinzip spendenbereit wäre, aber keinen Ausweis hat; eben ein Berg-zum-Propheten-kommen. Außerdem ganz schlicht eine Frage der Humanität - wie schlimm es für einen Betroffenen sein muß, jahrelang auf eine Niere oder auf Knochenmarkspenden zu warten, kann ich mir zum Glück nicht vorstellen.

janw
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Mi 22. Feb 2006, 03:35 - Beitrag #15

Aydee, ich konnte heute nachmittag nicht mehr, mußte weg...

Zitat von Aydee:Mich stört der derzeite Rahmen für diese Idee, Jan ,-)
Wenn der nicht wäre konnt ich mich womöglich mit deiner Idee sogar versöhnen. Vielleicht fehlt wirklich "nur" ein bisschen "Werbung" um jene zu "animieren" die organspenden woll(t)en.....

Für mich muss eine Spende in jedem Falle freiwillig erfolgen - indem jemand "ja" sagt auf sich selbst bezogen, oder indem Angehörige im Falle, daß ein Verstorbener nicht "nein" gesagt hat, "ja" sagen.
Bei näherem Hinsehen sehe ich deutlich, daß Anreize wie eine Beitragsermäßigung bei der Krankenkasse dem zuwider laufen würden, letztlich entstünde doch ein Druck auf jene, die wenig haben, "sich selbst zu vermarkten", bei Nieren geht das noch zu Lebzeiten.
Eine allgemeine Vermutung der Spendenbereitschaft, wenn nicht explizit "nein" gesagt wurde, sehe ich auch schwierig - im Zweifel ist der Erklärungswisch nicht greifbar o.ä. - vor allem aber bin ich sehr dafür, daß der Spender sich in jedem Falle mit der Frage auseinander gesetzt und ausdrücklich erklärt hat.

Das große Defizit sehe ich darin, daß die Menschen nicht in die Lage kommen, sich damit entsprechend auseinander zu setzen. Deshalb sollten IMHO die Hausärzte ihre Patienten darauf ansprechen, sie können auch die Details vermitteln.
Auch sonst wäre in meinen Augen mehr Werbung dafür nicht verkehrt.

Jeder sollte IMHO mindestens einmal mit der Frage konfrontiert worden sein, sie für sich beantwortet haben. Wie die Antwort lautet, muss jedem überlassen sein können, und ebenso muss sie zu jeder Zeit revidierbar sein.

@Ipsi, ich denke, die fehlenden Fragen fehlten nicht mit Absicht. Traitor hat sie hinzugefügt.

Ipsissimus
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Mi 22. Feb 2006, 10:13 - Beitrag #16

meine Ansichten über den Status der westlichen Medizin haben zunächst mal nichts mit der Fragestellung zu tun. Um meine diesbezügliche Position noch mal zu verdeutlichen (irgendwie habe ich den Eindruck, es ist nicht rübergekommen) - jedermensch, der Organe nach seinem Ableben zu spenden wünscht, ist frei, dies zu verfügen. Diese Organe stehen zur Verfügung.

Der hier tendentiell - trotz formaler Abstimmung - als einzig vernünftig gehandelte Ansatz geht aber nicht von der Freiwilligkeit einzelner Menschen aus, sondern formuliert einen Bedarf, den es anscheinend auf Biegen und Brechen zu decken gilt.

Wie kommt IRGENDEIN Mensch auf die Idee, ich könne damit einverstanden sein, daß meine Organe verwertet werden, solange nicht meine explizite entgegenegsetzte Willensbekundung vorliegt? Muss ich denn explizit alles und jedes versichern, nur weil plötzlich bestimmte Leute aus der Kaufmannsecke glauben, sie könnten aus dem Nichtvorliegen der expliziten Verweigerung beinahe schon einen Kaufvertrag ableiten? Seit wann hat ein Dieb Anspruch auf meine Stereoanlage, nur weil ich nirgendwo notariell habe festlegen lassen, daß ich keineswegs damit einverstanden bin, bestohlen zu werden?

Es wäre absolut unverschämte Anmaßung des Staates, würde er so vorgehen und würde ihn in meinen Augen endgültig als Unrechtsstaat charakterisieren.

Deswegen: solange keine explizite Zustimmung vorliegt, gilt die Zustimmung als nicht gegeben. Schon sind alle Unklarheiten beseitigt.

/edit mir geht es also um die "Beweislastumkehr"

Baloth
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Mi 22. Feb 2006, 11:50 - Beitrag #17

Ich bin der Meinung, dass keinem Menschen das Recht aufs Leben verweigert werden sollte! Und wenn dafür meine Organe benötigt werden, würde ich sie dafür spenden! Ich habe keinen Spenderausweis, werde mir warscheinlich auch keinen zulegen, da ich meine Organe nicht für brauchbar halte (Ich bin übergewichtig, rauche, trinke gelegentlich etc.)!

Mir gefällt die Regelung, dass die Organspende ohne ausdrückliches Veto vorgenommen wird!
Wenn allerdings ein Veto aus der Familie des "Spenders" kommt sollte es nach seinem Tode ignoriert werden! Nur die betreffende Person hat ein recht auf Wiederspruch, wenn etwas entsprechendes nicht voliegt, gibt es daran nichts zu rütteln!


Genauso müsste es aber ein Vetorecht auch auf Emfang von Organspenden geben! Ich möchte nicht, dass mein Leben verlängert wird, wenn ich dafür die gewonnene Zeit über Schmerzen habe oder Tabletten schlucken muss, damit das Organ nicht abgestoßen wird!

@ Ipsissimus: Das Beispiel mit der Stereoanlage oder dem Kaufvertrag, sehe ich als überzogen an, dies sind Beispiele, welche eine Lebende Person betreffen. Nach deinem Tod hättest du auch nichts dagegen, dass deine Kinder mit deinen Besitztümern machen was sie wollen, und wenn sie Sachen die dir wichtig sind zertrümmern!
Wo ist da der Unterschied???

Aydee
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Mi 22. Feb 2006, 12:14 - Beitrag #18

Ich bin der Meinung dass keinem Menschen das Recht auf die eigene Art zu Leben und zu Sterben verweigert werden sollte!

bzw: Ich bin der Meinung dass jedem Menschen die eigene Art zu Leben und zu Sterben zugestanden wird. Einschließlich ob seine Überreste zerfleddert werden oder nicht. (oder auch was lebensverlängernde Maßnahmen betrifft; fällt für mich in die gleiche Ecke)

Wenn die Kaufmannsseelen auf die Suche gehen, werden sie womöglich auch bei übergewichtig, rauchend und trinkend irgendwas finden was noch verwertbar ist.

Warum muss ich ausdrücklich widersprechen wenn ich eh schon nicht ausdrücklich meine Zustimmung gegeben habe....?

Warum genügt nicht dass ich nicht Ja! gesagt habe?
Warum muss ich anscheindend nach Meinung einiger auch noch zusätzlich ausdrücklich Nein! sagen....?
Ist mein nicht vorhandenes Ja! nicht gut genug?
Wird diese von mir damit ausgedrückte Einstellung/Meinung ignoriert, weil irgendjemand der Meinung ist, seinen/ihre Vorstellung von der Vorgehensweise sei die richtigere.. bessere....?
Drückt also diese/r Jemand mir seine/ihre Vorstellung/Meinung auf, dabei völlig meine Vorstellung/Meinung ignorierend....?


Allein aus diesen "Gründen".... verweiger ich mich diesem Vorschlag.
Zwischen einem frei-willig gegebenen Einverständnis und einem stillschweigend vorausgesetztem Einverständnis (weil eine ausdrückliche Verweigerung nicht vorliegt, aber auch kein ausdrückliches Einverständnis) liegt für mich ein himmelweiter Unterschied.

Und der Unterschied besteht imo darin, wie diese Menschen miteinander umgehen.

Ipsissimus
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Mi 22. Feb 2006, 12:16 - Beitrag #19

sagen wir es so, Baloth, ich habe etwas dagegen, wenn andere Menschen mich inklusive meines Körper zu einer Marktressource degradieren, und ich habe erst recht etwas dagegen, wenn dies der "Standardfall" sein soll, gegen den ich mich eigens aussprechen muss, damit er nicht greift. Und die Beispiele empfinde ich nicht als unangemessen, sondern als einfache, geradlinige Übertragung dessen, worum es in diesem Thread geht, auf etwas näherliegende, mehr Menschen betreffende Sachverhalte. Natürlich wird dadurch die Absurdität überdeutlich. Das war Ziel der Übertragung.

Wenn meine Erben nach meinem Tode den vererbten Besitz zerschlügen, wäre das ihre Sache. Ich vererbe den Besitz nicht, damit sie ihn zerschlagen.

janw
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Mi 22. Feb 2006, 13:32 - Beitrag #20

Hm, einerseits kenne ich Beispiele von Menschen, die auf Organe gewartet haben, eine Frau, die jahrelöang zur Dialyse musste und letztlich gestorben ist - weil Dialyse eben doch die Funktion der Nieren nur teilweise ersetzt.
Eine größere Spendenbereitschaft hätte ihr uU. geholfen.
Andererseits, es heißt Organspende
, was per se schon eine bewußte freiwillige Entscheidung impliziert.
Das Modell Österreichs läuft dem zuwider.
Man könnte zwar einwenden, daß es nicht um die Abwägung eigenes Leben - anderes Leben geht, denn die Organe werden ja erst nach dem Tode entnommen, aber letztlich bleibt es jedem überlassen, darüber zu befinden, wie nach dem Tode mit einem verfahren werden soll. Das ist ein Stück Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen, da gebe ich Ipsi recht.

Letztlich führt IMHO kein Weg daran vorbei, die Menschen immer wieder mal vor die Frage zu stellen, wie sie es damit handhaben wollen, nicht in Form des lächelnd verschämten in-die-Hand-Drückens eines Formulars "Sie können es sich ja mal überlegen...", sondern im offenen Gespräch, am besten durch den Hausarzt. Der einen ja auch offen darauf anspricht, wenn man sich deutlich zu fett er nährt, zu viel raucht oder trinkt.
Tatsache ist, es kann jeden treffen, jederzeit, ein Organ zu benötigen oder andernfalls teilweise recht qualvoll zu sterben.
Wie mensch damit dann umgeht, ist jedmenschs Entscheidung.

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