Organspende weiter zustimmungspflichtig?

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Habt ihr einen Spenderausweis? Zustimmungs- oder Widerrufsrecht?

ich habe einen Spenderausweis
1
3%
ich habe keinen Spenderausweis
12
39%
Zustimmung sollte erforderlich bleiben
9
29%
Transplantation möglich, außer bei Widerruf
7
23%
sonstige Lösung (bitte ausführen)
1
3%
Organspendepflicht ohne Widerrufsrecht
1
3%
Organspende völlig verbieten
0
Keine Stimmen
 
Abstimmungen insgesamt : 31

Maurice
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Sa 25. Feb 2006, 00:11 - Beitrag #61

Ceitlyn ich habe gesehen, dass du einen Post geschrieben hast, habe ihn, während ich diese Zeilen lese, aber noch nicht gelesen. Deshalb nicht, weil ich mich, egal was in dem Post steht, als erstes bei dir für meinen Ton entschuldigen wollte. Da ist wohl mal wieder der Nietzsche in mir durchgegangen und ich habe mich nicht so sachlich geäußert, wie ich es eigentlich tun sollte. Habe ich mir doch vor kurzen auch vorgenommen, hier nicht mehr über die Strenge zu schlagen und in Zukunft immer höflich zu sein. Sorry also, dass ich mich in der Eile, in der ich mich während des Schreibens befand, zu so einem unsachgemäßen Stil habe hinreissen lassen.

So nachdem das gesagt wurde, lese ich mir jetzt deinen Post durch und werde versuchen ein paar Sachen darauf zu antworten. :)
*les*

.
.
.

So fertig. Also:
Ich wusste gar nicht dass wir uns Real life kennen.
Woher? Hilf mir bitte auf die Sprünge.

Ich verstehe diese Aussage nicht, weshalb ich sie als ironischen Konter auf meine polemische Reaktion interpretiere. Aber selbst so bleibt die Aussage unverständlich für mich. Ich bitte um Aufklärung. ^^*

@Nützlichkeitsdenken: Wie gesagt ist dieses eine menschliche Konstante und nicht durch unsere Gesellschaft erst erzeugt. Unsere Gesellschaft hat lediglich Einfluss auf unsere Bewertungen, doch würden wir auch ohne Gesellschaft Menschen bewerten.
Das Bewerten von Menschen ist imo nicht nur eine Notwendigkeit, sondern wie gesagt auch erstmal gar nicht weiter schlimm. Im Gegenteil, es wäre sogar schlimm, wenn wir andere Menschen nicht bewerten würden. Denn wie sollte eine Zusammenleben funktionieren, ohne die anderen Menschen zu bewerten?
Ich gehe davon aus, dass hier auch gewisse Missverständnisse vorliegen. Nimm es mir nicht übel, wenn ich glaube, dass du mich niht ganz richtig verstehst. Ich gestehe nämlich auch, dass mein Gebrauch der Wörter nicht immer ganz dem vieler anderer Menschen entspricht und so Missverständnisse entstehen können, wenn der Gegenüber nicht versucht zu verstehen, was ich mit den Wörtern meine. In unserem Fall wird es meiner Einschätzung nach am Wort "Nutzen" liegen, den du, wie es viele (wenn nicht gar die meisten) machen, rein wirtschaftlich, ökonomisch verstehst. Bei mir hingegen muss sich Nutzen nicht nur auf die Wirtschaft beziehen. So nützt meinem Verständnis nach z.B. ein Baby der Mutter nicht nur dahingegehnd, dass dieses vielleicht später ihre Rente sichert, sondern auch deshalb, weil sie sich gegenseitig Nähe und Zuneigung vermitteln. Allein schon das glückliche Lächeln des Babys macht die Mutter schon glücklich. Und auch das ist eine Form des Nutzens für mich, ist auch ein Grund, warum das Baby für die Mutter wertvoll ist. Leider wird diese Art des Nutzens von Ökonomen scheinbar meist völlig übersehen und sie meinen Nutzen ließe sich allein in Form von Geld ausdrücken.

Maurice
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Sa 25. Feb 2006, 00:32 - Beitrag #62

@Lykurg:
Andererseits kann ich das von dir eingeforderte Selbstdenkertum der Schüler absolut nicht erkennen, wenn ich mir etwa eine von dir geleitete Unterrichtsdiskussion vorstelle - tut mir leid.

Aha und warum nicht?
Meinst du, dass ich mich gegenüber Schülern genauso verhalte, wie hier gegenüber den Membern? Meinst du ich werde nur bei den Meinungen kritisch nachfragen, die nicht meinen entsprechen?
Wenn ja, warum glaubst du das?

@Janw: Auch bei dir muss ich leider davon ausgehen, dass du mich missverstanden hast. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass du erkennst, wenn ich ein Wort anders benutzte als du und du meine Aussagen unter Gesichtspunkt dieser Terminologien bewertest. Leider schien das hier nicht der Fall zu sein.
Wobei, zur Erklärung, Moral hier gemeint als Summe von Umgangsformen und Verhaltensweisen als Ausdruck einer Haltung der Achtung und Wertschätzung den anderen gegenüber

Wo nämlich habe ich gefordert, jegliches Sozialverhalten abzuschaffen? Das liegt mir wirklich fern. Gegen was ich mich entrüste ist Dogmatik und jede Moral ist Dogmatik. Der Utilitarismus ist dabei imo noch am undogmatischsten und deshalb auch die Moral, zu der ich am ehesten tendieren würde, wenn ich nicht Amoralist wäre.
Um meinen letzten Post inahltlich sachlich zusammen zu fassen: Man sollte Entscheidungen, die das Wohl vieler Menschen betrifft, nicht auf Grund von Dogmen teffen, sondern pragmatisch, allein in Hinblick auf das größte Wohl für die größte Zahl.
Das ist für mich keine moralische Forderung, sondern schlichtweg ein sozialer Apell, auf Grund meines Interesses an einem sozialen Zusammenleben.

Traitor
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Sa 25. Feb 2006, 01:10 - Beitrag #63

@Maurice: Jetzt hast du endlich etwas zu diesem Thema geschrieben, aber auf das Alpha-Centauri-Zitat warte ich immer noch. :tadel: ;)

@Ipsissimus und Aydee (ich hoffe, ihr lest noch mit und antwortet idealerweise auch, so endgültig gegen die Wand gefahren finde ich die Diskussion nicht):
Ihr argumentiert damit, dass es grundsätzlich unrechtfertigbar sei, eine Negativ-Entscheidung zu verlangen. Jedoch ignoriert ihr meines Erachtens, dass man so nur argumentieren kann, wenn man die Nicht-Entnahme (wenn euch das viel wert ist, bin ich gerne bereit, auf den Begriff der Spende zu verzichten, auch, wenn ich finde, dass er - medizinisch statt steuerrechtlich interpretiert - durchaus weiterhin passen würde) als den natürlichen Grundzustand ansieht, von dem es eine aktive Abweichung gibt. Was aber, wenn es längst als normal akeptiert wäre, Organe zu entnehmen? Dann wäre das Verweigern die aktive Abweichung, deren Voraussetzung als Standard absurd wirken würde. Und dass sich die Nicht-Entnahme als kulturell akzeptierter Standard durchgesetzt hat, liegt meines Erachtens primär daran, dass man früher zur Entnahme einfach nicht in der Lage war - die moralischen Begründungen haben sich da eher als Begleiterscheinungen etabliert.
Sinn der Rede: ich bezweifle, dass ihr euch zu Recht auf einen Posten des "ist das denn so schwer zu verstehen" begeben könnt, denn eure Standardsetzung ist nicht von sich aus naheliegender oder "richtiger" als die unsere, nur historisch gewachsen.
Die umgekehrte Variante "weiß" schon, was als vernünftig für die Wirklichkeit zu gelten hat, und sie gedenkt nicht, sich anhand des Wollens der Menschen hinterfragen zu lassen, sondern setzt eine Auffassung, die bestenfalls umstritten ist, absolut.
Genau das kann ich auch zu dir sagen.

Lykurg
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Sa 25. Feb 2006, 01:15 - Beitrag #64

@Maurice: Die Antwort erfolgt noch einmal per PN, weil das doch deutlich vom Thema wegführt.

******

@ Feuerkopf, igitt! Und gerade jetzt so passend, als hätte ich Insiderkenntnisse gehabt. Daß der Knochenbedarf so groß ist, erstaunt mich sehr, ich hätte das Hauptgeschäft bei den inneren Organen erwartet, von Knochenschmuggel hatte ich noch nie gehört. Schlimm, solche Fälle. Um so wichtiger, das gesamtgesellschaftliche Reservoir an Spenderorganen (und also auch Knochen) zu vergrößern, um die Geldquellen solcher Leute zum Versiegen zu bringen.

@ Traitor: Zustimmung natürlich; und die Sprechregelung hatte ich stillschweigend ja auch schon akzeptiert.^^

Ceitlyn
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Sa 25. Feb 2006, 01:41 - Beitrag #65

OT

touché, Maurice ;-) und akzeptiert
Du hast übrigens gut interpretiert ("ironische Konter" vs "polemische Reaktion")

Lykurg
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Sa 25. Feb 2006, 02:32 - Beitrag #66

Und noch ein hoffentlich letztes OT^^
AW: Didaktik
Zitat von Lykurg:Andererseits kann ich das von dir eingeforderte Selbstdenkertum der Schüler absolut nicht erkennen, wenn ich mir etwa eine von dir geleitete Unterrichtsdiskussion vorstelle - tut mir leid.

Aha und warum nicht?
Meinst du, dass ich mich gegenüber Schülern genauso verhalte, wie hier gegenüber den Membern? Meinst du ich werde nur bei den Meinungen kritisch nachfragen, die nicht meinen entsprechen?
Wenn ja, warum glaubst du das?

Ja zur ersten Aussage, nein zur zweiten. Ich gehe davon aus, daß du auch weiterhin gewisse Temperamentausbrüche haben wirst. Damit komme ich hervorragend zurecht, weil mich das als physisch und emotional relativ weit entfernten Leser wenig berühren muß. Einem in weit größerem Maße abhängigen und weniger selbständigen Schüler dagegen (ich kann hierbei problemlos von mir selbst oder meinen ehemaligen Klassenkameraden ausgehen) würde ein solcher Ausbruch dagegen vermutlich weniger als ein Zeichen mangelnder Selbstdisziplin erscheinen als vielmehr - neutral gesagt - bleibende Wirkung hinterlassen.

Ich traue dir durchaus die Fairneß, vor allem aber aktive und passive Kritikfähigkeit und Neugier zu, beide Seiten eingehend zu prüfen und nicht direkt, jedenfalls nicht bewußt, Gesinnungen zu belohnen]


Ich bin gerade an Sarahs PC und kann deshalb nicht in ICQ. Ich antworte dir deshalb hier:

Ich weiß natürlich nicht, ob es dich überzeugt, wenn ich behaupte, dass du mit deiner Einschätzung nicht ganz richtig liegst. Zumindest ist es meine Einschätzung, dass deine Einschätzung falsch ist. ;)
Ich meine nämlich, dass ich mich mittlerweile schon soweit entwickelt habe, dass ich mich in verschiedenen Kontexten, diesen gemäß verhalten kann. Ich verhalte mich in der Rolle der Privatperson Maurice anders, als in der Rolle des Lehrers. Das passiert scheinbar sogar ganz automatisch, was mich im Nachhinein sogar manchmal selbst etwas wundert. Dass ich mich in der Lehrerrolle anders verhalte, zeigt sich immer dann, wenn ich jemanden etwas über Philosophie erklären will, was dann meistens bei meiner Schwester ist, die Ethik in der Schule hat. Immer mal wieder kommt sie mit den Hausaufgaben zu mir und ich versuche ihr etwas dabei zu helfen. Häufig kommt es dann vor, dass sie inhaltlich der gleichen Meinung wie ich ist, ohne dass ich vorher sie in irgendeiner Weise missioniert habe. Aber statt zu sagen "toll dass du meiner Meinung bist, ich finde auch, dass XY scheiße redet" ermahne ich sie, dass sie die Gegenposition nicht einfach als völliger Unsinn abtun soll, sondern sich kritisch damit auseinandersetzen soll. Selbst wenn von ihr ein Satz kommt wie "Religion ist Blödsinn", sage ich ihr, dass sie das nicht mit einer solchen Sicherheit sagen sollte. Ich stimme ihr zwar zu, fordere sie aber auch auf, sich über die Thematik Gedanken zu machen.
Ihr gegenüber bin ich dann auch noch relativ stark privat voreingenommen, weshalb ein objektiver Umgang mit den Themen schwerer fällt, als mit jemanden darüber zu reden, zu dem ich ein neutraleres Verhältnis habe.

Wenn ich will kann ich sehr m Objektivität und Sachlichkeit bemüht sein. Das ist hier im Forum normalerweise nur nicht der Fall, weil ich hier stets als der Privatmann auftrete und nicht in der Rolle des Lehrers bin. Eine solche Rolle wäre hier auch wenig angebracht, weil meine Meinung gefragt ist, die aber gerade ein Lehrer imo im Normalfall nicht äußern sollte.

Ich kann deine Einschätzung durchaus nachvollziehen, da du verständlicherweise von dem Teil Maurice, den du hier erlebst, auf den Maurice außerhalb der Matrix schließt. Aber jeder induktive Schluss, vor allem wenn das Objekt ein Mensch ist, kann falsch sein. Und ich meine, dass dein Schluss dies in meinem Fall war.
Ich nehme es dir aber nicht übel. ;)

Ich hätte es aber schon gerne, wenn du im Anschluss an dieses Gespräch etwas zu deinem Vorwurf (als einen solchen empfinde ich es) in der Matrix sagst. Ich befürchte nämlich, dass dein Fehlschluss den ein oder anderen dazu veranlassen könnte, ihn ebenfalls zu tätigen. Für am einfachsten halte ich es, wenn du einfach unsere beiden PNs im Forum posten würdest.

MFG
Maurice
Hiermit geschehen und gern akzeptiert. Ich nehme selbst nur ungern von Menschen Dinge an, die ich als schlecht empfinde. Insofern freue ich mich über diese gelungene Trennung, die mir auch als unumgänglich erscheint, um dich als [i]Lehrer auf die Menschheit loszulassen. ;)

Damit, daß ich die Privatperson nicht beurteilen kann, hast du natürlich völlig recht, mein Fensterchen zur Seele^^ ist auf die Beiträge beschränkt, und auch da hat die souveräne Antwort den Großteil der Bedenken wieder ausgeräumt. Das war mir nach unserem letzten Austausch noch nicht so klar. :)

Mein Posting vom 24.02.06 16:53 bezieht sich im ersten Absatz auf Teile, die du so nicht mehr vertrittst bzw. ein Mißverständnis, ist also auch seinerseits hinfällig; der zweite Absatz kann als allgemeingültige Aussage ohne persönliche Zielrichtung bestehen bleiben.

janw
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Sa 25. Feb 2006, 04:26 - Beitrag #67

Zitat von Maurice:@Janw: Auch bei dir muss ich leider davon ausgehen, dass du mich missverstanden hast. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass du erkennst, wenn ich ein Wort anders benutzte als du und du meine Aussagen unter Gesichtspunkt dieser Terminologien bewertest. Leider schien das hier nicht der Fall zu sein.
Zitat von janw:
Wobei, zur Erklärung, Moral hier gemeint als Summe von Umgangsformen und Verhaltensweisen als Ausdruck einer Haltung der Achtung und Wertschätzung den anderen gegenüber

Wo nämlich habe ich gefordert, jegliches Sozialverhalten abzuschaffen? Das liegt mir wirklich fern. Gegen was ich mich entrüste ist Dogmatik und jede Moral ist Dogmatik. Der Utilitarismus ist dabei imo noch am undogmatischsten und deshalb auch die Moral, zu der ich am ehesten tendieren würde, wenn ich nicht Amoralist wäre.
Um meinen letzten Post inahltlich sachlich zusammen zu fassen: Man sollte Entscheidungen, die das Wohl vieler Menschen betrifft, nicht auf Grund von Dogmen teffen, sondern pragmatisch, allein in Hinblick auf das größte Wohl für die größte Zahl.
Das ist für mich keine moralische Forderung, sondern schlichtweg ein sozialer Apell, auf Grund meines Interesses an einem sozialen Zusammenleben.

basierend auf:
Zitat von Maurice:Es würde hoffentlich letzten Ndes dazu führen, dass mehr Leute meine Sicht der Dinge teilen und es zu mehr moralischer Freiheit (also dem Fei-Sein von Moral) und teilweise zu einer umwertung der Werte kommt.


Maurice, mir wird nicht ganz klar, worauf Du abzielst: Die Einführung einer obligatorischen Organverfügbarkeit, wenn nicht explizit widersprochen wurde, als Mittel zur Werterelativierung und zum "Frei-Sein von Moral"
oder als Mittel zur Abstellung eines gesellschaftlichen Problems, des Mangels an Spenderorganen.

Ich habe mich auf ersteres bezogen, weil es explizit so da stand.
Und wenn Du sagst, daß Deine Sicht der Dinge (nach der wir zu unfrei sind, moralisch gebunden) dann von mehr Leuten geteilt werden würde, so lese ich eine gewisse Hoffnung Deinerseits in dieser Richtung daraus.
Eine Hoffnung, die für mich Züge eines Alptraums hat, überspitzt ausgedrückt, Deine Sicht der Dinge darf Deine bleiben, sollte IMHO aber gerade nicht gesellschaftliche Realität werden.

Wenn es Dir aber wirklich um den gesellschaftlichen Nutzen geht, dann kann ich dem bedingt etwas abgewinnen.
Bedingt deshalb, weil ich gegen eine Widerspruchsregelung zwei grundsätzliche Vorbehalte habe:

1. Sie schafft im Erfolgsfalle möglicherweise ein gesellschaftliches Klima, in dem das Recht des Widerspruchs nicht mehr frei von gesellschaftlichen Pressionen ausgeübt werden kann (in der DDR durfte auch die Wahlkabine aufsuchen, wer wollte, wurde dann aber schräg angeschaut...)

2. Letztlich sind diejenigen Systeme auf Dauer erfolgreich und wenig aufwändig, die den Menschen positive Gefühle vermitteln, mensch sagt lieber aus freien Stücken und vollem Herzen "ja" als quasi gezwungenermaßen "nein".
Und das wollen wir doch: ein System, bei dem die Menschen gerne und von sich aus mitmachen und das nicht viel Aufwand macht.

Maurice
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Sa 25. Feb 2006, 13:19 - Beitrag #68

Was die Umwertung der Werte angeht, so ist dies nicht das Ziel der vorgeschlagenen Neuregelung. Ich würde es nur begrüßen, wenn manche Dinge aus einer anderen Perspektive gesehen werden würde. Ziel der vorgeschlagenen Neuregelung ist eine Vergrößerung des Glücks möglichst vieler Menschen, ohne zu hohe Kosten für die anderen zu erzeugen.
Ich bin bei meiner Entscheidung von der Prämisse ausgegangen, dass der allgemeine Widerstand in der Bevölkerung für meinen Vorschlag nicht allzu groß sein wird. Ich habe auch gesagt, dass ich meinen Vorschlag verwerfen würde, wenn aus dem Versuch seiner Durchsetzung eine gesellschaftliche Kriese ergeben würde. Ist dies aber nicht der Fall und nur ein paar Leute fühlen sich aus mir unerklärlichen Grünen irgendwie in ihrer Freiheit eingeschränkt, dann ist der Nutzen entsprechend hoch, um die Änderung zu rechtfertigen. Denn wieviele zusätzliche Menschenleben könnten durch diese Änderung gerettet werden? Und ist nicht auch gerade unter anderem für dich ein Menschenleben soviel wert, dass es unbedingt geschützt werden sollte? Was ist dir nun wichtiger, das Leben der Menschen, das durch die zusätzlichen Organe gerettet wird, oder deine Angst, dass durch diese Regelung, die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns zu einem anti-demokratischen System hinbewegen, um 1% gesteigert wird?

Ich verstehe, dass manche die Angst vor einem solchen Wandel haben, weil ihr das auch ausreichend begründet habt. Ich halte das Risiko, dass aus der Neuregelung entspringen würde, für so minimal, dass es den Nutzen einer solchen Neuregelung überwiegen würde.
Wer meint, dass das Risiko höher sei, als der Nutzen für die Menschen, die dringend ein neues Organ brauchen, muss mir erstmal erklären, warum dieses Risiko so hoch sei. Ich gestehe, dass ich das Gefühl habe, dass hier aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird.

@Moral: Ich würde auch gerne nochmal von dir erklärt haben, was so schlimm daran wäre, wenn sich meine Sicht der Dinge gesellschaftlich etablieren würde. Hättest du Angst davor, dass plötzlich mehr Leute wählen gehen? Hättest du Angst davor, dass die Leute nicht mehr jedem Trend hinterher laufen würden? Hättest du Angst davor, dass die Menschen anfangen würden, sich über sich und ihre Umwelt Gedanken zu machen? Hättest du Angst davor, dass die Menschen weniger Grüppchen bilden würden, um andere zu schickanieren? Hättest du Angst davor, dass sich die Menschen nur noch verbal mit ihren Gegenüber auseinandersetzen würden, statt sich körperliche Gewalt anzutun? Hättest du Angst davor, wenn es den Menschen mehr um das Wohl der anderen ginge, statt sich an irgendwelche Prinzipien zu klammern?
Sind das die Dinge, die dir Nachts Alpträume bescheren?

Maurice
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Sa 25. Feb 2006, 13:49 - Beitrag #69

Neuer Vorschlag (?)

Wie am Anfang gesagt, hatte ich den Thread noch nicht gelesen gehabt. Jetzt habe ich die erste Seite gelesen, und es juckt mir so in den Fingern was zu schreiben, dass ich das jetzt tue. Wenn ich jemanden wiederholen sollte, kann man mich ja einfach solange ignorieren, bis ich meinen Fehler erkannt habe. ;)

1. "kein ausdrückliches Nein sollte ein Ja sein":
Ich denke diese Argumentation mal konsequent zu ende: Das würde bdeuten, dass man jeden sterben lassen sollte, der einen schweren Unfall hatte und keinen Zettel bei sich hat, der eindeutig sagt, dass er gerettet werden will. Auch hier setzen wir ein "Ja" allgemein voraus, mit der Begründung, dass es zum Wohle der Allgemeinheit ist. Klar kann es passieren, dass dadurch auch ein Mensch gerettet wird, der nicht hätte gerettet wollen werden, aber handhaben wir es dahalb so, als ob jedes nicht explizite Ja ein Nein ist?
Nein, wir gehen davon aus, dass die meisten Menschen gerettet werden wollen und retten deshalb diejenigen, die nicht explizit Nein sagen. Wie sieht es nun bei der Organspende aus? Würde auch hier nicht der Großteil der Menschen zustimmen, dass man ein Organ von ihm verpflanzen dürfte, wenn er gestorben ist, um damit ein anderes Menschenleben zu retten? Setzen wir soviel Nächstenliebe nicht bei den meisten unserer Mitbürger voraus? Und was muss das für ein egoistischer Mensch sein, dem sein kleinlicher Wunsch, in einem Stück von den Würmern aufgefressen zu werden, wichtiger ist, als das Leben eines anderen?


2. Nun mein neuer Vorschlag. Vorausgesetzt die Idee hatte nicht schon jemand anderes:
Da sowohl ein explizites Ja als auch ein solches Nein, hier für zuviel Kontroverse sorgt, habe ich mir überlegt, dass man es doch so regeln könnte, dass jeder, bevor er seinen ersten Ausweis bekommt, einen Zettel ausfüllen muss, ob er bereit wäre nach seinem Tod Organe zu spenden. Dies würde dann in den Pass eingetragen werden und könnte jederzeit von dem Inhaber geändert werden, falls er seine Meinung ändern würde. So hätte man von jedem, der spenden will ein explizites Ja und von jedem der nicht spenden will ein explizites Nein.
Wäre doch die ideale Lösung, oder? :)

Ceitlyn
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Sa 25. Feb 2006, 23:18 - Beitrag #70

Zitat von Maurice:(...)setzen wir ein "Ja" allgemein voraus, mit der Begründung, dass es zum Wohle der Allgemeinheit ist. (....)


Zitat von Maurice:wir gehen davon aus, (...)

(den Rest habe ich weggelassen, weil diese Formulierung es wunderbar herausarbeitet)

Zitat von Maurice:


Damit formulierst du wunderbar den "Knackpunkt": Es wird ein Ja vorrausgesetzt, ohne zu fragen ob ein Ja gegeben werden möchte.

Dass du jetzt ein Beispiel herausgreifst, wo der/diejenige, um deren Ja es geht, dieses - nach deiner Beschreibung - nicht mehr geben KANN, ist meines Erachtens nach zweckentfremdet angebracht, da es ja um OrganspenderInnen geht, die dies vorab formulieren sollen/wollen und können (entweder als freiwilliges Ja, oder als aufgezwungenes Nein)

Auf diese Weise wirst du immer ein passendes Beispiel finden, das - wie hier - aber von gänzlich anderen Vorbedingungen ausgeht und damit am eigentlichen Diskussionspunkt hier und jetzt vorbeischießt.


"wir gehen davon aus, dass die meisten Menschen gerettet werden wollen und retten deshalb diejenigen, die nicht explizit Nein sagen."
Ja, das tun 'wir' und wie viele Menschen müssen auf Grund dieser Anmaßung weiterleben in einer Art und Weise die an Unmenschlichkeit teilweise ihresgleichen sucht.
Natürlich können jetzt als Gegenargument all jene, deren Leben durch diese Hilfen und Lebensrettenden Maßnahmen wieder lebenswert wurde, angebracht werden. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache dass es eben auch jene anderen Menschen/Unfallopfer etc gibt, die auf Teufel komm Raus (und unter der Prämisse des Hypokratischen Eides) gerettet wurden.

Hat das dann wirklich noch etwas mit Nächstenliebe zu tun?
Ich denke, nicht.


"Und was muss das für ein egoistischer Mensch sein, dem sein kleinlicher Wunsch, in einem Stück von den Würmern aufgefressen zu werden, wichtiger ist, als das Leben eines anderen?"
Ein Mensch der einen Wunsch und Willen hat und es für normal ansieht, dass dieser Wunsch und Wille auch nach seinem Ableben respektiert wird. Hier wird doch so viel über Respekt vor dem Leben gesprochen. Dann respektiert die Lebenden, auch wenn sie schon tot sind.

An der Stelle bleibt meine Anklage: Nutzendenken
Nicht Menschlichkeit regiert ein solches Denken.


Die ideale Lösung wäre meiner Meinung nach, dass unter dem Gesichtspunkt der Spende, nur bei jenen Menschen Organe entnommen werden, welche dieser Spende auch explizit zugestimmt haben.

Und dass nicht das Nutzendenken sondern der Respekt vor dem Anderen Vorrang hat.

Wunschdenken, ich weiß :(

janw
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Sa 25. Feb 2006, 23:57 - Beitrag #71

Maurice, Ceitlyn hat schon das wesentliche gesagt, was ich sonst auch so gesagt hätte.

Trotzdem nochmal von mir:

@Umwertung: Du hast sie explizit in Zusammenhang mit diesem Thema genannt, als Erstrebenswertes. Deshalb, und nur deshalb, bin ich darauf eingegangen.

Zitat von Maurice:Ist dies aber nicht der Fall und nur ein paar Leute fühlen sich aus mir unerklärlichen Grünen irgendwie in ihrer Freiheit eingeschränkt, dann ist der Nutzen entsprechend hoch, um die Änderung zu rechtfertigen. Denn wieviele zusätzliche Menschenleben könnten durch diese Änderung gerettet werden? Und ist nicht auch gerade unter anderem für dich ein Menschenleben soviel wert, dass es unbedingt geschützt werden sollte? Was ist dir nun wichtiger, das Leben der Menschen, das durch die zusätzlichen Organe gerettet wird, oder deine Angst, dass durch diese Regelung, die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns zu einem anti-demokratischen System hinbewegen, um 1% gesteigert wird?

"Nur ein paar Leute" sind auch Menschen, deren Motive, was ihre Selbstverfügung betrifft, unhinterfragbar sind und bleiben müssen.
In dem Moment, indem eine explizite Verneinung erforderlich wird, werden die Verneiner einer Motivhinterfragung ausgesetzt, die nicht hinnehmbar ist.
Ich weiß, es verstört Dich, dies von einem Verfechter des Altruismus zu lesen.
Altruismus fängt IMHO aber immer bei dem Altruisten selbst an, es ist seine Entscheidung, diese Haltung in selbst gewählter Reichweite anzunehmen.
Was auf ein Plädoyer á la "Recht auf Egoismus" hinauslaufen könnte, das ich aber ebenso ablehne. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich halte die Nützlichkeitsdebatte im Bezug auf Menschen für fehl am Platze.
Jetzt wird die Nützlichkeit des gestorbenen Menschen für viele andere bedürftige Menschen gegen die Nützlichkeit der Selbst-Verfügung abgewogen, bald die Nützlichkeit bestimmter Mneschen gegen andere.
Die Gefahr der Nützlichkeitskategorisierung von Menschen ist allgegenwärtig. Wenn Du so fragst, ich sehe sie durch Dein Modell gesteigert.
Davon abgesehen, ich bezweifle, daß ein Verneinungsmodell effektiv erfolgreicher wäre als ein Zustimmungsmodell. Siehe dazu meinen letzten Beitrag.

@Moral: Ich würde auch gerne nochmal von dir erklärt haben, was so schlimm daran wäre, wenn sich meine Sicht der Dinge gesellschaftlich etablieren würde. Hättest du Angst davor, dass plötzlich mehr Leute wählen gehen? Hättest du Angst davor, dass die Leute nicht mehr jedem Trend hinterher laufen würden? Hättest du Angst davor, dass die Menschen anfangen würden, sich über sich und ihre Umwelt Gedanken zu machen? Hättest du Angst davor, dass die Menschen weniger Grüppchen bilden würden, um andere zu schickanieren? Hättest du Angst davor, dass sich die Menschen nur noch verbal mit ihren Gegenüber auseinandersetzen würden, statt sich körperliche Gewalt anzutun? Hättest du Angst davor, wenn es den Menschen mehr um das Wohl der anderen ginge, statt sich an irgendwelche Prinzipien zu klammern?
Sind das die Dinge, die dir Nachts Alpträume bescheren?

Ich fürchte, daß das Gegenteil eintreten würde - noch weniger Achtung vor dem anderen, mehr Gleichgültigkeit der Umwelt gegenüber, Trendhechelei,... aber das sollten wir mal anderswo diskutieren.

Maurice
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So 26. Feb 2006, 13:49 - Beitrag #72

Dann respektiert die Lebenden, auch wenn sie schon tot sind.

Das ist ein Widerspruch in sicher. Entweder jemand ist lebendig oder tot. Ein toter Lebendiger ist wie inmaterielle Materie. ^^*

Ja, das tun 'wir' und wie viele Menschen müssen auf Grund dieser Anmaßung weiterleben in einer Art und Weise die an Unmenschlichkeit teilweise ihresgleichen sucht.

Sollen wir also nur noch diejenigen retten, die vorher ein explizites Ja gegeben haben? x_X

An der Stelle bleibt meine Anklage: Nutzendenken
Nicht Menschlichkeit regiert ein solches Denken.

Hast du gelesen, was ich in bezug auf den Begriff "Nutzen" gesagt hatte. Oder hast du es nur wieder vergessen?
Deine "Anklage" ist nämlich für mich keine Anklage, sondern ein Lob. Nutzendenken und Menschlichkeit (was immer dieses Wort auch bedeuten soll) schließen sich nicht notwendig aus, sondern Nutendenken ist, wenn es ein aufgeklärtes ist, zum Wohle der Menschen.

Ceitlyn ich finde es schade, dass du nichts zu meinem Vorschlag gesagt hsat, dass man sich von jedem ein explizites Ja oder Nein einholt. Oder empfindest du das auch noch als Anmaßung, dass du ein zusätzliches Kästchen ankreuzen müsstest?

@Janw:
bald die Nützlichkeit bestimmter Mneschen gegen andere

Bald? Das ist doch längst Realität. Und schon seit Urbeginn.

"Nur ein paar Leute" sind auch Menschen, deren Motive, was ihre Selbstverfügung betrifft, unhinterfragbar sind und bleiben müssen.

Aha also hat jeder Mensch ein Veto-Recht, wenn es um allgemeine Entscheidugnen geht? Wenn ein Vorschlag X 10 Leuten das Leben rettet und einem moralisches Unbehagen bereitet, ist der Vorschlag abzulehnen? Sorry aber mit dieser Vorstellung von Gerechtigkeit lässt sich keine Gesellschaft erhalten.

Davon abgesehen, ich bezweifle, daß ein Verneinungsmodell effektiv erfolgreicher wäre als ein Zustimmungsmodell.

Hast du meine letzten Beiträge gelesen? Wohl nicht, denn sonst wäre dir aufgefallen, dass ich schon längst einen anderen Vorschlag gemacht habe und den alten verworfen habe. :rolleyes:

@Moral: Ich bitte darum, einen eigenen Thread dazu aufzumachen!

Maurice
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So 26. Feb 2006, 14:20 - Beitrag #73

Vorschlag zur Neugelung 2.1

Nach weiteren Überlegen und dem Versuch, beide Seiten zufrieden zu stellen (was gar nicht das Interesser mancher User hier zu sein scheint), sieht mein aktueller Vorschlag zur Regelung so aus:
Bei der ersten Erstellung eines Personalausweises wird eingetragen, ob der Besitzer im Fall seines Ablebens seine Organe spenden will. Jeder von uns trägt also ab seinem 16ten Lebensjahr ein explites "Ja" oder "Nein" ständig mit sich herum. Bis zu diesem Alter entsheiden die Alter bei einem möglichem Tod ihres Sohnes, was mit seinen Organen gemacht werden soll. (Diesen Punkt sollte man eventuell nochmal diskutieren, er ist bis jetzt ein provisorisch.)
Die Daten der Person werden außer auf dem Ausweis noch an anderer Stelle gespeichert und damit auch seine Entscheidung für oder gegen eine Organspende. Damit wird sichergestellt, dass sein Wille selbst dann berücksichtigt wird, falls der Ausweis verloren oder zerstört werden sollte. Sollten aus irgendwelchen Gründen alle persönlichen Daten der Person verloren gehen (was wohl eine Wahrscheinlichkeit unter 0,01% hat), werden keine Organe entnommen. Einem nicht zu identifizierenden Toten würden also keine Organe entnommen werden.
Dieses Nein wo kein explizites Ja ist, würde durch einen Volksentscheid bestärkt oder abgelehnt werden. So würde diese Regelung ob ein Nein oder ein Ja Voraussetzung wäre, noch auf dem demokratischsten aller Wege Legitimation bekommen. Diese Abstimmung ist aber optional. Entscheidend ist erstmal mein erster Abschnitt.

So Ceitly, Janw, Ipsi usw. was gibt es an diesem Vorschlag noch auszusetzen?

janw
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So 26. Feb 2006, 14:52 - Beitrag #74

Maurice, stimmt, ich hatte mich auf den ersteren der beiden Beiträge bezogen.
Hier noch was zum zweiten:

ad primum:
Für mich ist es ein Unterschied, ob einem Verletzten akut geholfen wird, auch wenn er nicht ansprechbar ist, oder ob jemand verfügt, daß mit seinen sterblichen Überresten anderen geholfen werden soll.
Im ersteren Falle ist vom geholfen-werden-wollen auszugehen - gewiß nach Maßgabe, wie weit Hilfe noch ein würdiges Leben ermöglicht. Wobei das aber bei der Ersthilfe meist nicht zu beurteilen ist. (Daß bei der weiteren Behandlung oft das medizinisch mögliche ausprobiert worden ist unter Übergehung des menschlich Verträglichen, steht außer Frage, dem stellt sich die Intensivmedizin heute aber zunehmend.)

Im letzteren Falle muss dem Einzelnen das Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt werden, die Entscheidung ist unhinterfragbar. Nächstenliebe ist ein Gebot, das allen Weltreligionen eigen ist, auch nützlich ist, da sozialkonstitutiv. Aber sie kann nicht erwartet werden, sie ist regelmäßig eine Gabe des Einzelnen an die anderen.
Und Maurice, keiner lebt für sich allein, keiner stirbt für sich allein...oder kaum einer - ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es Angehörigen geht, deren Verstorbener zur Klärung der Todesursache obduziert werden soll. Möchte ich meinen Hinterbliebenen zumuten, mich nur unvollständig zu bekommen? Die Frage ist berechtigt, IMHO.

ad secundum:
Aber Du hast ja einen neuen Vorschlag gemacht...
Ich geh gleich mal auf das EDIT ein.

Zuerst, wollen wir überhaupt eine Übereinstimmung erzielen hier? Ich bin mir nicht sicher...wir haben sowieso keine Regelungsgewalt, und wem oder was nützt es, wenn einer sich verbiegt, um sich anderen anzunähern?

Dein Modell ist nicht schlecht, aber mir gefallen zwei Dinge nicht:
Für mich sollte ein "Ja" ausreichen, meinetwegen als roter Punkt im Perso oder eben als mit zu führender Spenderausweis. Ein "Nein" hätte dieselbe Wirkung wie keine erkennbare Aussage, ist also überflüssig.
Eine zentrale Registrierung finde ich schon aus Datenchutzsicht nicht ohne, es wird schon soviel gesammelt, da muss das nicht auch noch...vor allem aber müßte mensch sich bei einer Umentscheidung auch dorthin wenden, bürokratischer Aufwand also.

Lykurg
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So 26. Feb 2006, 15:16 - Beitrag #75

Zuerst, wollen wir überhaupt eine Übereinstimmung erzielen hier? Ich bin mir nicht sicher...wir haben sowieso keine Regelungsgewalt, und wem oder was nützt es, wenn einer sich verbiegt, um sich anderen anzunähern?
Es muß sich dabei ja nicht um ein Verbiegen handeln, mE suchen wir nach einer allgemeinverträglichen, für alle vorteilhaften Lösung; und gehe dabei davon aus, daß unsere kleine Gesellschaft hier in gewisser Weise ein Abbild der großen darstellt, und daß wir wünschen können, daß die Ergebnisse unserer Diskussion Maßstab des Handelns der staatlichen Gewalt würden.^^
Dein Modell ist nicht schlecht, aber mir gefallen zwei Dinge nicht:
Für mich sollte ein "Ja" ausreichen, meinetwegen als roter Punkt im Perso oder eben als mit zu führender Spenderausweis. Ein "Nein" hätte dieselbe Wirkung wie keine erkennbare Aussage, ist also überflüssig.
Eine zentrale Registrierung finde ich schon aus Datenchutzsicht nicht ohne, es wird schon soviel gesammelt, da muss das nicht auch noch...vor allem aber müßte mensch sich bei einer Umentscheidung auch dorthin wenden, bürokratischer Aufwand also.
Die Entscheidung zwischen "Ja und Nein" und "Ja und Nix" ist genau der Knackpunkt, den wir schon seit geraumer Zeit haben (nachdem die Ausgangsüberlegung "Nein und Nix" ad acta gelegt wurde). Ich halte "Ja und Nein" für eine zumutbare Lösung, schließlich steht die Änderung jedem frei.

Die zentrale Speicherung der Ausweisdaten (im Personenregister der Einwohnermeldeämter) ist ja ohnehin gegeben, das eine Bit ist für mich da kein entscheidender Unterschied. Sich an das Amt zu wenden, wenn man die Entscheidung ändert, ist aber ohnehin notwendig, wenn man nicht in seinem Perso von Hand Eintragungen vornehmen will. (Tipp-Ex?^^) Und für Ausweisneuausstellungen/Verlängerungen muß man sowieso gelegentlich hin.

Ceitlyn
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So 26. Feb 2006, 16:34 - Beitrag #76

Zitat von Maurice:Das ist ein Widerspruch in sicher. Entweder jemand ist lebendig oder tot. Ein toter Lebendiger ist wie inmaterielle Materie. ^^*

Eigentlich nicht
Aber mir ist klar, dass es praktischer ist hier einen Unterschied zu machen und einen Widerspruch zu sehen. Ich mache genaugenommen keinen Unterschied zwischen Lebend und Tot. Für mich ist es angenehmer von Mensch zu sprechen, egal welchen Zustand sein Körper eingenommen hat.


Zitat von Maurice: Sollen wir also nur noch diejenigen retten, die vorher ein explizites Ja gegeben haben? x_X

schon wieder das falsche Beispiel
Mit nicht angemessenen Vorraussetzungen.


Zitat von Maurice:Hast du gelesen, was ich in bezug auf den Begriff "Nutzen" gesagt hatte. Oder hast du es nur wieder vergessen?
Deine "Anklage" ist nämlich für mich keine Anklage, sondern ein Lob. Nutzendenken und Menschlichkeit (was immer dieses Wort auch bedeuten soll) schließen sich nicht notwendig aus, sondern Nutendenken ist, wenn es ein aufgeklärtes ist, zum Wohle der Menschen.

Ich habe es gelesen.
Mir jedoch geht es nicht um Nutzen
Und die Anklage meinerseits ist nicht als Lob gemeint. Bedauerlich, wenn es so gelesen wird.
Ich sehe in diesem Nutzendenken keine Aufgeklärtheit, solch ein Denken existierte schon im Mittelalter...

Menschlichkeit (was immer dieses Wort auch bedeuten soll)
Interessant, dass du das plötzlich so formulierst...


Zitat von Maurice:Ceitlyn ich finde es schade, dass du nichts zu meinem Vorschlag gesagt hsat, dass man sich von jedem ein explizites Ja oder Nein einholt. Oder empfindest du das auch noch als Anmaßung, dass du ein zusätzliches Kästchen ankreuzen müsstest?
Zitat von Maurice:Da sowohl ein explizites Ja als auch ein solches Nein, hier für zuviel Kontroverse sorgt, habe ich mir überlegt, dass man es doch so regeln könnte, dass jeder, bevor er seinen ersten Ausweis bekommt, einen Zettel ausfüllen muss, ob er bereit wäre nach seinem Tod Organe zu spenden. Dies würde dann in den Pass eingetragen werden und könnte jederzeit von dem Inhaber geändert werden, falls er seine Meinung ändern würde. So hätte man von jedem, der spenden will ein explizites Ja und von jedem der nicht spenden will ein explizites Nein.

Ich habe mich bereits geäußert, und es wurde auch in diesem Thread bereits des Öfteren formuliert. Ich gedenke nicht mich wiederholen zu wollen.

Allerdings: Den Zeitpunkt, den du dort vorschlägst halte ich schlicht für viel zu früh angesetzt. Und anmaßend.

Überlass es doch einfach jedem Menschen selbst diese Entscheidung für sich und zum ihm/ihr angemessenem Zeitpunkt zu treffen.
Du wirst dich als Lehrer (wenn ich richtig gelesen habe) damit abfinden müssen dass deine Schüler nicht nach einem Zeitplan sich entwickeln. Manche werden "Frühstarter" sein, andere "Spätzünder". Auch das ist etwas, dass akzeptiert werden muss - wenn tatsächlich der Mensch im Mittelpunkt stehen sollte.


Die Handhabung, wie sie derzeit gängig ist, ist nicht verkehrt.
Was fehlt ist Information. Und ihr macht es euch meiner Meinung nach zu einfach, wenn ihr diese Tatsache einfach beiseite kehrt und zum Zwang übergehen wollte (weil der einfacher ist, als die Menschen zu informieren; Informationen unter die Leute zu bringen IST nun einmal Aufwand, aber wenn es euch ein Anliegen ist, die Spendenbereitschaft zu erhöhen, dann müsst ihr euch diesem Aufwand, dieser Aufgabe stellen. Meine Meinung.)

Ceitlyn
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So 26. Feb 2006, 16:38 - Beitrag #77

Übrigens.

Eine Speicherung dieser Daten (Spende: Ja od Nein) in den Ausweispapieren halte ich unter dem Gesichtspunkt elektronischer Ausweise - wie derzeit und ab Oktober diesen Jahres verschärt, die Reisepässe - für keine sonderlich gute Idee.

Es gab mal beim Spiegel einen Bericht über eine Dänische Firma, die genau jene so supersicheren neuen Reisepässe locker aus 30Meter Entfernung geknackt hat (und damit alle Daten der Leute, die darin vermerkt waren), schlicht weil sie sich an die elektronsiche Übertragung der Lesegeräte angekoppelt hatten.

Drängt sich bei mir der Horrorgedanke: Organhandel auf.


Edit.
Und ihr vergesst, was so ein Ausweispapier derzeit kostet, Tendenz steigend. Unschlüssigkeit oder des Öfteren Meinungsänderung hierin wird dann zum Luxusartikel

janw
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So 26. Feb 2006, 17:07 - Beitrag #78

Ich sehe es wie Ceitlyn.
Ein Eintrag in den Datenbestand des Perso bringt allerlei Probleme.
Es muss jedem selbst überlassen bleiben, wann und ob er die Entscheidung trifft und wie sie ausfällt.

Woran es mangelt, ist wirklich Information und Werbung.

Lykurg
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So 26. Feb 2006, 17:20 - Beitrag #79

@Ceitlyn und janw:
Bei einer Adreßänderung braucht man ja auch keinen neuen Ausweis. Die Angabe wird überklebt und mit Dienstsiegel bestätigt. Übrigens finde ich die auf dem Ausweis befindlichen Adreßdaten viel riskanter als den J/N-Vermerk, schließlich kann man darüber - schon über einen Blick in den Stadtplan - folgenschwere Mutmaßungen über das aktuelle Reiseziel, aber auch allgemein Lebenssituation und Vermögensverhältnisse anstellen.

Im J/N-Vermerk sehe ich keine Möglichkeit zu einem wie auch immer geartetem Organhandel. Wie genau meinst du das? :confused:

@Maurice und Ceitlyn:
Zitat von Ceitlyn:Und die Anklage meinerseits ist nicht als Lob gemeint. Bedauerlich, wenn es so gelesen wird.
Ich sehe in diesem Nutzendenken keine Aufgeklärtheit, solch ein Denken existierte schon im Mittelalter...
Das dürfte Maurice bewußt gewesen sein. Da er das Recht auf eine eigene Meinung hat, kann er deine Kritik als deren Bestätigung empfinden. Darüber, ob man das so machen sollte, kann man begründet unterschiedlicher Ansicht sein.

Ohne mich nun spezifisch mit utilitaristischen Positionen bei mittelalterlichen Denkern sonderlich auszukennen, verwahre ich mich sowohl gegen diesen Mißbrauch des (idealistischen) Aufklärungsbegriffs, als auch gegen eine einseitige Herabwürdigung des (gar nicht so finsteren) Mittelalters. :rolleyes:

@Maurice:
Zitat von Ceitlyn:Ein Mensch der einen Wunsch und Willen hat und es für normal ansieht, dass dieser Wunsch und Wille auch nach seinem Ableben respektiert wird. Hier wird doch so viel über Respekt vor dem Leben gesprochen. Dann respektiert die Lebenden, auch wenn sie schon tot sind.
Ein Widerspruch in sich besteht nur, wenn man den letzten Satz für sich nimmt. Im Zusammenhang klingt es weit eher nach "Dann respektiert den Willen der Lebenden, auch wenn sie schon tot sind." - und das entspricht dem bereits anerkannten Recht auf freie Entscheidung.

Du wirfst Ceitlyn vor, deine Beiträge nicht richtig gelesen zu haben, ohne selbst zu sehen, daß der Perso-Vorschlag bereits eher im Thread angeschnitten wurde? :confused:

Ceitlyn
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So 26. Feb 2006, 20:46 - Beitrag #80

Nur drei Dinge. (der Rest wäre nur Wiederholung)


Im J/N-Vermerk sehe ich keine Möglichkeit zu einem wie auch immer geartetem Organhandel. Wie genau meinst du das?
In der Hinsicht, dass ein Ja! in einem solchem Ausweis Organhändler/-schmuggler od mit entsprechenden Mitteln und Macht ausgestattete Anverwandte von Warteliste-Patienten dazu verleiten könnte, diesen Menschen in eine entsprechende Lage zu manövrieren, wo Ärzte sich über sein/ihr Ja! im Ausweis freuen würden, fänden sie diesen Menschen unrettbar in ihrer Notaufnahme. Am Patientenkarten/-dateien ist leicht heranzukommen um den Gesundheitszustand eines Menschen zu checken.

Vielleicht - hoffentich - habe ich eine zu blühende Fantasie..



Ohne mich nun spezifisch mit utilitaristischen Positionen bei mittelalterlichen Denkern sonderlich auszukennen, verwahre ich mich sowohl gegen diesen Mißbrauch des (idealistischen) Aufklärungsbegriffs, als auch gegen eine einseitige Herabwürdigung des (gar nicht so finsteren) Mittelalters.
Es ging mir bei diesem Satz/Abschnitt um das Nützlichkeitsdenken.
Das war schon im Mittelalter vorhanden und ist seitdem immer weiter "ausgebaut" worden. 'Unser' Denken entwickelt sich meiner Meinung nach immer weiter weg vom Menschen, und immer mehr hin zur Nutzenabwägung und Verwertbarkeit. Diesen Umstand wollte ich damit kritisieren. Entschuldige bitte wenn ich das so ungenau formuliert hatte.



Das dürfte Maurice bewußt gewesen sein. Da er das Recht auf eine eigene Meinung hat, kann er deine Kritik als deren Bestätigung empfinden. Darüber, ob man das so machen sollte, kann man begründet unterschiedlicher Ansicht sein.
Selbstverständlich.
Doch: "Bedauerlich, wenn es so gelesen wird."

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