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Pfand und Kohlensäure

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 05:58
von Traitor
In Deutschland wird Pfand ja auf Verpackungen von Bier, Mineralwasser und allen kohlensäurehaltigen Getränken erhoben. Nun ist mir aufgefallen, dass hier in New York Pfand für Sprudel-, nicht aber stilles Wasser anfällt. Und somit kam mir der Gedanke, ob es irgendeinen tieferen Zusammenhang zwischen Pfand und Kohlensäure gibt, historisch oder gar technisch bedingt, wobei letzteres mich arg verwundern würde.
Kurze Wikipedia-Recherche ergab, dass die Klassifikation in Deutschland danach erfolgte, in welchen Produktkategorien in der Zeit vor Einführung des Einwegpfandes der Mehrweganteil unter eine bestimmte Schwelle gesunken war. Also relativ zufällig.
Für Amerika habe ich spontan keine genaueren Informationen gefunden. Auch ist die Regelung hier von Staat zu Staat verschieden und in manchen anderen werden auch beide Arten Wasser bepfändet.
Auf den ersten Blick kann ich also keinen tieferen Zusammenhang oder Sinn erkennen, jemand anderes aber vielleicht doch?

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 11:32
von Noriko
Ich erinnere mich daran das wir in Boston auf alles Pfand zurück bekommen haben im Grunde, durch diese lsutgen Recyle-Automaten wo man die Dosen und flascvhen reintat, er sie zermamlte und ein Paar cent dafür ausspruckte. Mir ist damals garkein Unterschied in der Pfanderhebung aufgefallen, ist aber auch gut und gerne 13 jahre her.

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 12:19
von janw
Vielleicht liegt der Unterschied darin, daß in vielen Gebieten es zwar fließendes Wasser gibt, dies aber nicht trinkbar ist - Trinkwasser wird in Flaschen und Kanistern befördert. Und die würden dann vielleicht gegenüber dem Sprudelwasser, das eben etwas besonderes ist - in England übrigens quasi als Heilmittel zählt, sowas zu trinken kann einem da manchmal anteilnehmende Blicke einbringen..."oh, are you ill?" - durch Nichtbepfandung begünstigt.

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 20:35
von Maglor
... genau deshalb gibt es ja in Deutschland keine Pfandpflicht auf Weinflasche, obwohl wahrscheinlich die meisten deutschen Weine in Einweg-Glasflaschen abgefüllt werden. ;)
Nein, warum sollte denn auch irgendwas einen Sinn ergeben?

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 21:36
von nils.ri
janws Erklärung klingt doch ganz plausibel. ^^

Und Sinn ist ohnehin etwas, was allgemein überschätzt wird, insbesondere wenn's um Regierungsentscheidungen etc. geht. Bild

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 22:03
von janw
Naja, einen gewissen Sinn ergibt es schon...
Das klassische Pfandgefäß in Deutschland ist die Mehrweg-Mineralwasserflasche, eine Flasche mit standardisierter Form, in der alle an das Pfandsystem angeschlossenen Mineralwässer und Limos abgefüllt werden. Die Brauereien haben für ihre Flaschen eigene Rücknahmesysteme. Das funktioniert, weil hinreichend große Mengen in einer begrenzten Zahl an Flaschentypen umgesetzt werden, mal davon abgesehen, daß es vorgeschrieben ist, also irgendwie funktionieren muss.
Bei Wein ist der mengenmäßige Anfall an Flaschen deutlich geringer, und die Zahl der Abfüller mit eigenen Flaschentypen deutlich größer, so daß hier politisch der Bedarf nicht so gesehen wurde, zum anderen es wohl auch Vorbehalte gab, die Vielfalt dann standardisieren zu müssen, abgesehen davon, daß dann eine Trockenbeerenauslese in leicht angeschlagener Flasche mit alten Etikettenrändern auf der Tafel landen könnte - das wollte man der Verpackung von Wahrheit denn wohl doch nicht antun.
Dafür werden diese Flaschen dann mit einem flächendeckend in Eigeninitiative von der Glasindustrie installierten Altglassammelsystem gesammelt und eingeschmolzen.
Auch die Bierdosen werden eingeschmolzen, das System ist insofern nicht ganz mit dem Pfandflaschensystem vergleichbar, bei dem die Flaschen über mehrere Durchläufe nach Reinigung direkt wiederbefüllt werden.
So, und jetzt komme jemand noch auf die Idee, Sektflaschen wie Mineralwasserflaschen zu behandeln...ist ja ein kohlensäurehaltiges Getränk :crazy:

BeitragVerfasst: Sa 20. Okt 2007, 22:39
von Maglor
Wieder einmal zeigt sich, wie sehr der Staat doch von den selbst ernannten höheren Klasse missbraucht wird, um ihre eigene Kultur zu fördern. Da kümmert sich Vater Staat doch gerne um die Belange möchtegernintellektueller Weintrinker, befreit deren Wegwerfkultur vom Pfandzwang.
Und was ist mit der Unterschicht? Hatten Dosen aus Weißblech keinen kulturellen Mehrwert? Dosen stechen, Dosen am Kopf zerdrücken...
Ganze Sportarten und Kunstformen sind in Deutschland vom Aussterben bedroht! Und warum? Weil einige Bildungsbürger auf die Kultur der Proles keine Rücksicht nehmen!
MfG Maglor :crazy:

BeitragVerfasst: So 21. Okt 2007, 11:53
von Ipsissimus
übrigens ist diese ganze Recycling absolut irrsinnig aus der Perspektive des Energiebedarfs betrachtet. Für die Wiedergewinnung dieser Ressourcen verschwenden wir ein Mehrfaches an Energieträgern. Das aber nur etwas OT am Rande

BeitragVerfasst: So 21. Okt 2007, 15:44
von Lykurg
Der sinnvolle Teil des Ganzen ist die Müllvermeidung. Wäre also zu fragen, ob und wie man daraus auf anderem Wege Energie gewinnen könnte... (verbrennen allein scheint mir da nicht die schönste^^)

BeitragVerfasst: So 21. Okt 2007, 17:02
von janw
Naja, das Pfand hat noch zwei andere Effekte:
Das Pfand auf Dosen wurde auch eingeführt, weil diese Verpackungsart durch Nichtbepfandung die Glasflaschen zu verdrängen drohte, die im Mehrwegsystem geführt wurden und energetisch besser darstehen als die Dosen. Also wurde so eine Gleichstellung von Flasche und Dose erreicht.
Willkommener Nebeneffekt jedes Pfandsystems ist, daß der Müll überhaupt in einer Erfassung landet - die Dosen und Flaschen sind vorher oft in der Landschaft gelandet, wo sie zur Gefahr für wildlebende Tiere wurden.
Natürlich könnten die magnetischen Dosen gut aus dem Hausmüll gefischt werden, für das Glas gibt es effiziente Sortier-Sensoren.

BeitragVerfasst: Sa 27. Okt 2007, 12:15
von Lykurg
Das Pfand hat noch einen weiteren positiven Effekt: Bettler sammeln auf den Straßen, aus Gebüschen, an den Bahnhöfen, auch aus Mülleimern, Pfandflaschen und Dosen, um sie abzugeben. Sie verdienen sich etwas, und die Umwelt wird sauberer dabei.

BeitragVerfasst: Sa 27. Okt 2007, 13:05
von Maglor
Positiver Effekt: Bettler haben ein Grund im Müll zu wühlen. ;)
Naja, das ist dann glaube ich Geschmackssache oder war das doch ironisch gemeint?
MfG Maglor :rolleyes:

BeitragVerfasst: Sa 27. Okt 2007, 13:17
von Lykurg
Jein. Das "aus Mülleimern" war eine negative Einschränkung ("auch", implizit "allerdings auch") aufgrund seiner unhygienischen und unwürdigen Züge; ist aber andererseits - gefühlsneutral gesprochen - im Sinne der Mülltrennung; unterstützt man diese bedingungslos, ist auch dies eine positive Erscheinung.

Die verbliebene Würde der Armut wäre ein anderes, gelegentlich ernst zu behandelndes Thema...

BeitragVerfasst: Sa 27. Okt 2007, 18:44
von janw
Hm...dann sehe man sich mal die Städte der Entwicklungsländer an, wo ganze Stadteile davon leben, den dort unsortiert deponierten Müll nach noch irgendwie Verwendbarem durchzusieben und dies zu Geld zu machen.
Das mit den Bettlern weiter gedacht, müsste man die Mülltrennung also aufgeben...oder?

Lykurg, ich weiß ja, wie Du es gemeint hast, und bin ganz froh, daß durch Bepfandung wesentlich weniger Müll achtlos weggeworfen wird als sonst würde. Und daß es sich lohnt, Bierdosen einzusammeln, finde ich auch nicht schlecht.
Nur, daß es Menschen gibt, die von unserer Gesellschaft akzeptiertermaßen darauf angewiesen sind, damit habe ich ernste Probleme.

BeitragVerfasst: Mo 15. Dez 2014, 16:37
von Lykurg
Hier haben sich zumindest zwei Tendenzen herausgebildet:
- Viele Leute werfen Pfandflaschen (und vereinzelt auch -dosen) nicht mehr in die Mülleimer, sondern stellen sie daneben bzw. darauf, damit Sammler sie direkt mitnehmen können (was auch sehr zeitnah passiert).
- Die Stadt, unwillig, die 'schönen' Mülleimer kurzzeitig mit Pfandflaschen zugestellt zu sehen, hat ein Mülleimerkonzept verworfen, das ein Abstellbord für Flaschen vorschlug, und in der Innenstadt unterirdische Müllsammelbehälter mit automatisch schließendem Deckel eingeführt, um das Wühlen im Müll zu verhindern.

BeitragVerfasst: Mo 15. Dez 2014, 22:45
von Maglor
Ich weiß nicht von welchem Sparta Lykurg gerade schreibt, aber der Tag wird kommen, an dem sie die Deckel aufbrechen werdenm, um die Pfandflaschen zu rauben. :para:

BeitragVerfasst: Sa 20. Dez 2014, 14:58
von Traitor
Pfandthreads scheinen ja zum Zombietum zu neigen:
"Was passiert mit dem Pfand, wenn Flaschen auf dem Müll landen?" (2012) mit transplantierten Zombieanteilen von "Wie funktioniert eigentlich das Dosen- und Flaschenpfand?" (2004) und bereits Querverweis hierhin (2007/2014)...

Thematisch würde die aktuelle Nekromantie eigentlich besser in Maglors Thread passen, vielleicht operiere ich später noch am untoten Patienten.

Weder die irgendwann mal vorgeschlagenen Flaschenringe um die Eimer noch Lykurgs unterirdische Lösung sind mir bisher begegnet. Letztere dürften die Stadt aber wohl Unsummen gekostet haben, die selbst mit städtisch bestellten Pfandsammlern kaum je wieder reinzuholen wären...?
Alternativ zu Maglors Prognose kann ich mir auch vorstellen, dass die zu beliebten Sprengzielen werden.

Wie schon 2012 möchte ich auch meinen weiterhin bestehenden Ärger über allgegenwärtige Bierflaschenscherben betonen und eine Erhöhung von 8 auf 50 Cent Pfand fordern.

BeitragVerfasst: So 22. Feb 2015, 11:42
von Maglor
Neulich reichte mir jemand eine Dose Bier. Ich trank sie und anschließend demolierte ich die Dose in enger Anlehnung an das Brauchtum der 90er.
Darauf wurde mir entgegnet, dass ja die Dose jetzt nicht mehr zurückgegeben werden könnte (zumindest nicht mehr über den Automaten).

BeitragVerfasst: So 22. Feb 2015, 13:31
von Traitor
Und die Moral von der Anekdot?

Zur Zeit der Pfandeinführung galt es ja als cool, rebellisch und unangepasst, Dosen im alten Stil zu zerstören oder wegzuwerfen. Fühltest du dich nun cool, retro oder einfach nur alt? ;)

BeitragVerfasst: So 22. Feb 2015, 16:35
von Lykurg
Kim Yong Un hat die Abfallcontainer jedenfalls noch nicht für sich entdeckt. Dafür erwarb ich neulich im Zug ein Getränk in einer Pfandflasche, die ich eigentlich gern der fahrenden Verkäuferin zurückgegeben hätte, die allerdings im Anschluß bei mir nur noch schnelle Durchfahrten ohne Halt auf dem Fahrplan hatte, so daß ich die Flasche letztlich am Zielbahnhof sozialverträglich abstellte.