Einsturz des Kölner Stadtarchivs

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Di 1. Mär 2011, 11:00 - Beitrag #21

Das die - fehlerhaft ausgeführten - Bauarbeiten die Ursache sind, halte ich für sozusagen schon "philosophisch" zwingend. Denn ähnliche Situationen (tiefe Tertiär-Baugruben mit Wasserhaltung) sind nix ungewöhnlich spezielles, haben mit dem eigentlichen U-Bahn-/Tunnelbau auch keinen kausalen Zusammenhang. Wird und wirde in vielen Städten, an vielen Baustellen, auch in Köln, bei Philharmonie und IIRC auch diversen (Um-)bauten an der rechten Rhgeinseite wesentlich näher am Fluß ohne Probleme umgesetzt.

Das die Protokolle der Schlitzwanderstellung wenig glaubhaft sind, sehe ich auch so. So schlampig zu dokumentieren sollte ein No-Go sein und auch früher auffallen.

Aber von der Bedeutung für Einschätzung Sicherheit der Baugruben und Einsturzursachen hat das, wie die gemopsten Stahlbügel, offensichtlich kaum eine Relevanz. Mit den Protokollen soll beklegt werden, dass die Schlitzwände alle genau dort in der Lage gefertigt wurden, wo sie gebraucht werden, damit beim Aushub der Baugrube selbige nicht an ihren Rändern = Schlitzwänden einbricht.

Nachdem sämtliche Baugruben problemlos (kleine Leckstellen, die abgedichtet werden sind üblich, auch bei sehr exakter und ehrlich-genauer Dokumentation offenbar auch nicht zu vermeiden) ausgehoben wurden und die Bauzeit überstanden, waren offensichtlich die Protokolle teils falls, die Schlitzwände aber korrekt.

Die einzige Frage bleibt, wie es um die als Schadensursache/Schadensstelle identifizierte Schlitzwandlamelle 11 (ist das realsatire oder höhere Macht, das es in Köln gerade an der Lamelle mit dieser närrischen Zahl liegt?) dort aussieht, wo sie im Bauverklauf nicht zu sehen war, nämlich in den Tiefen, bis in die nicht ausgehoben wurde.

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Fr 11. Mär 2011, 18:00 - Beitrag #22

Es wäre - so deucht mir leider - wohl nicht Köln, wenn nach großem Unglück und Versagen nicht noch weitere, wenn gottlob auch kleinere folgen würden.

Ich zitiere die WDR-Recherchen aus einer Pressemitteilung:
Der Krater, der sich vor einem Monat an der Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs aufgetan hat, ist auf massive Baufehler zurückzuführen. Das ergaben Recherchen des WDR Studios Köln. Diesmal betrifft es ausgerechnet das Bauwerk, das für die Bergung der wertvollen Dokumente des Stadtarchivs errichtet wurde. Dabei sind offenbar ein falsches Bauverfahren und ungeeignete Materialien zum Einsatz gekommen. Für die Stadt ist der Fall vor allem deshalb brisant, weil sie selbst Bauherr und Genehmigungsbehörde des Bergungsbauwerks ist.

Auf WDR-Nachfrage hat die Stadt Köln inzwischen bestätigt, dass sie mit dem nach eigener Darstellung “ungewöhnlichen Verfahren der Schauminjektion” Zeit und Geld sparen wollte.


E: inzwischen hat der WDR dazu auch eine Meldung online.

Auch wenn der Krater längst beseitigt ist und wohl keine wirklich nachhaltigen Schäden auslöste, so fehlen mir doch allmählich die Worte. Überflüssig zu erwähnen, dass diese Infos natürlich nur irgendwo im Netz, nicht aber auf den Seiten der Stadt Köln, der KVB oder den extra für denBau der Nord-Süd-Stadtbahn eingerichteten Infoseiten zu finden sind.

janw
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Fr 11. Mär 2011, 23:44 - Beitrag #23

Naja, nun muss man aber auch konzedieren, daß eben Eile geboten war, um weitere Schäden zu verhindern und eine Bergung des Archivgutes zu ermöglichen.
Daß dann auf ein Verfahren zurück gegriffen wird, daß schnell wirkt, wenn auch nicht langfristig haltbar ist - was ja vielleicht auch gar nicht beabsichtigt war, weil die Sicherung des Tunnels möglicherweise auf andere Weise erstellt werden sollte - finde ich nicht abwegig.
Allerdings sollte man den Vorgang sicher besser vermitteln.

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Sa 12. Mär 2011, 04:06 - Beitrag #24

janw, das klintg alles überzeigend, aber mir deucht, Du hast aus den spärlichen Infos hier nicht den Einblick/Zugang wie ich (durch räumlich größere Nähe und auch Interesse). Der Krater entstand knapp 2 Jahre nach dem Einsturz; das Bergungsbauwerk war zu diesem Zeitpunkt auch schon mind. ein 3/4 Jahr in Arbeit bzw. Betrieb. Und bis damit begonnen wirde gab es auch immer wieder Verzögerungen, durchaus überzeugend begründet mit man will nach den diversen Dramen beim Bau und eben dem Einstuirz nun eben bestmöglich vorgehen, alles wirklich gut planen, nix riskieren usw.
Vor dem HIntergrund dann solche neuerlichen Ereignisse erst zu riskieren und dann eben zu erleben sorgt m.E. für ähnlich deutliche Vertrauensverluste, wie das plagiieren einer Doktorarbeit mit dann nur scheibchenweisem Zugeben der eigenen Missetaten.
E: weil die ~5% Archivgut, für die dieses Bauwerk benötigt wirde, kompltt im Grundwasser lagen, ohne Gefahr zwischendurch trocken zu fallen, war offensichtlich nicht wirklich Eile geboten, da es wohl keinen Unterschied macht, ob dieser Zustand nun ein paar Monate mehr oder weniger anhält.

Und Tunnel hatte es meines Wissens nach dort nur, der war schon vor dem Unglück wieder abgebaut - die Tunnelbohrmaschienen durfuhren den Bereich, erstellten den Tunnel, dann wurden in dem Bereich die Tübbinge/Tunnelsegmentie wieder entfernt, weil mit der Baugrube, deren Schlitzwände als Ursache wohl anzunehmen sind, eben der Gleiswechsel (unterirdische Halle, damit die Bahnen von einem Gleis aufs andere wechseln können; ansonsten besteht diese neue Strecke aus 2 parallelen, nicht verbundenen Tunnelröhren) erstellt werden sollte.

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Do 7. Feb 2013, 22:31 - Beitrag #25

Die Zeit berichtet üder die Stiftung Stadtgedächtnis und den Streit um die Finanzierung der notwendigen Restaurierung der beschädigten Archivalien.

Entweder ich übersehe etwas oder der Artikel geht IMHO doch am Thema vorbei und lässt Leute zu Wort kommen, die vor allem hinkende Vergleiche bemühen.

Zu diesem Zweck wurde, nach langem Hin und Her, mit einem Zuschuss der Stadt Köln in Höhe von drei Millionen Euro, die Stiftung Stadtgedächtnis gegründet, und dafür soll ihr Vorstand Stefan Lafaire jetzt trommeln, werben, Spenden sammeln. Doch die Sache kommt nicht recht in Gang.

Man hat berechnet, wie teuer es wird, das Archivgut – darunter Noten von Jacques Offenbach, Akten aus der Geschichte der Hanse, die ewig gültige Brauordnung für süffiges Kölsch – zu restaurieren. 350 Millionen Euro könnte die Rettungsaktion mit Gefriertrocknung, Ziegenhaarpinseln und Schwämmchen kosten und sich über 30 Jahre hinziehen. Wer das bezahlt? Genau darum geht es jetzt, und es geht hoch her dabei. Groß war die Aufregung, als herauskam, dass die Stiftung Stadtgedächtnis für Gehälter und Sachkosten schon einiges verbraten hat, an Spenden jedoch gerade mal knapp 35.000 Euro einnahm. Ein »Trauerspiel«, heißt es.

Als Kunstmäzen kennt Nolte etliche Kuratoren amerikanischer Museen, die wiederum das Kölner Archiv genau kennen (oder: kannten), weil sie dort geforscht und gearbeitet hatten. Leider sei ja nach 2009 erst mal gar nichts passiert. »Gleich nach dem Unglück hätte man einen Überzeugungsprozess starten müssen, der deutlich macht, was für eine Katastrophe dieser Einsturz für den gesamten Kulturbereich bedeutete«, sagt Nolte. »Stattdessen ging es nur um die Frage: Wer ist schuld? Das war einfach nur peinlich.« Wie soll es weitergehen? »Es muss ein ganz anderer Ansatz her, sonst ist die Stiftung zum Scheitern verurteilt.«

Ein Scheitern wäre eine Blamage für die Bürger ebenso wie für die Landespolitik. Ist es wieder der Kölner Klüngel, der es nicht hinbekommt?

Stephan Grünewald, Vorstand der Agentur Rheingold und Autor des Buches Köln auf der Couch, nennt zwei Gründe, warum sich das Projekt Wiederherstellung so quälend hinschleppt. »Den Einsturz haben die Kölner als traumatisch erlebt, denn sie leben in der Zuversicht, dass ihre Stadt sie wie eine Mutter nährt und trägt, versorgt und feiern lässt. Diese Sicherheit war mit dem Einsturz über Nacht untergegangen. Das hat man der Stadt sehr übel genommen.« Die Folge davon sei: »Mer jevve nix« für das, was von der Kommune angeschoben wird.

Und so scheint es, als gehe es um sehr viel mehr als um die Rettung bedeutender historischer Quellen – nämlich um die Frage, was Köln lieb und wert ist. Eine Metapher für das Selbstbewusstsein einer Stadt, die voller Widersprüche steckt. Für den Dombauverein wäre es ein Kinderspiel, in höchster Not beträchtliche Summen einzuwerben. »Für den Dom würde der Kölner sein letztes Hemd opfern«, behauptet Grünewald.



Ich versuche zu ordnen: offensichtlich als Folge von Pfuscha m Bau stürzt das Stadtarchiv ein und neben zwei Menschenleben entsteht ein Sachschaden, der weiterhin auf insgesamt ca. 1 Milliarde Euro beziffert wird.

Die notwendige Restaurierung läuft an, teils mit Freiwilligen und Ehrenamtlern. Darüberhinaus gibt die Stadt einer Stiftung einen Zuschuß, damit diese ddurch Spendeneinwerbung die Finanzierung der Restaurierung sicherstellen soll.

Es wird beklagt, dass die Kölner für die vielen Achivschnipsel nicht spenden wollen, aber für den Dom ihr letztes Hemd geben würden.

Ähm, gehts noch?

Soll wirklich ernsthaft versucht werden, den Schaden durch eingeworbene Spenden zu finanzieren? Ist es nicht geradezu denklogisch zwingend, dass diese Aufgabe von der Stadt Köln vorzufinanzieren ist und später, soweit eine von der Stadt Köln verschieden Organisation oder Person(engruppe) gerichtlichals schuldiger Verursacher ermittelt wird, die Kosten von jenem wieder beizutreiben sind?

Warum wird die Kostenfolge von Baupfusch mit dem Unterthalt eines Weltkulturerbes, dessen Kosten die Besitzer de facto überfordern und bei denen keine durch Fehlhandlungen verantwortliche existieren (oder meint jemand die Domerbauer hätten zu protzig gebaut und nun seien ihre Erben oder die Verursacher der den Dom belastenden Umweltverschmutzung heranzuziehen?), verglichen?

Persönlich, als Zufallskölner, kann ich nur sagen, das ich die Restaurierung der Archivalien für alternativlos wichtig halte und auch am Erhalt des Domes interessiert bin. Aber aus obigen Gründen sehe ich wirklich keinerlei Motiv, etwas für das Stadtarchiv zu spenden - und statt dem Dom unterstütze ich zugegeben auch lieber einen mir persönlich näheren anderen Sakralbau in Köln.

Lykurg
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Do 7. Feb 2013, 23:34 - Beitrag #26

Erschreckend, ja, und ein völlig unzureichender Artikel. Ohne Bürgerbeteiligung wird es wohl kaum gehen, klar, daß die Stadt sich das allein nicht leisten kann. Andererseits ist der Bauträger klar für den Schaden verantwortlich, und die Restaurierung muß erfolgen, und wenn die Stadt für die Vorfinanzierung auf ewig verschulden muß. Die Idee mit dem Schneeballsystem ist hanebüchen, wie man schon an der Summe sieht, die sich daraus ergibt...

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Do 7. Feb 2013, 23:41 - Beitrag #27

KUam gehen wohl nur im Sinne von schwierig, Widerstand zu erwarten - wenn ohne Bürgerbeteiligung die Vorfinanzierung den finanziell engen Spielraum Kölns eben weiter einengen wird.
Ich denek aber, und das zeigt ja auch gerade die Realität, dass es eben nicht mit Bürgerbeteiligung gehen wird, denn sonst wären doch berichtenswerte Spenden existent und nicht das Fehlen ebensolcher berichtenswert.

Lykurg
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Fr 8. Feb 2013, 11:08 - Beitrag #28

Ich könnte mir vorstellen, daß die Bürger sich eben nicht in der Pflicht sehen, wenn die Stadt ihr Erbe verpfuscht. Abgesehen davon, da liegt der Artikel im Zweifel richtig, ist das Bewußtsein um historische Dokumente sicher nicht so groß wie das um das Wahrzeichen der Stadt, auch und gerade wenn der Geldbedarf so viel höher ist. Das ist ja schon fast die halbe Elbphilharmonie! Bild

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