Ritual slaughter/Schlachtung ohne Betäubung

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e-noon
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Fr 16. Apr 2010, 00:08 - Beitrag #1

Ritual slaughter/Schlachtung ohne Betäubung

Der Einfachheit halber poste ich die entsprechende Frage von der Seite unserer EU-Abgeordneten Dr. Sommer und stelle ihn damit zur Diskussion:

Wie ich hörte, wurde am Montag und Dienstag im EU-Parlament über die Etikettierung von Halal- und Schächtfleisch debattiert und die Aufnahme dieses Punktes in die Liste zur Abstimmung im Juni aufgenommen (bitte korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege). Ihren Redebeitrag habe ich mit Bekannten über das EP-Streaming auf Englisch verfolgt. Daraus ist mir nicht ganz klar geworden, welche Haltung Sie zu der Frage einnehmen.

Es ist offensichtlich, dass die Interessen der Industrie - der 20% Global Player, die Sie betonen, und der 80% Kleinbetriebe - gehört werden müssen. Gleichzeitig gilt es jedoch, die Interessen der Verbraucher zu schützen - derjenigen, die religiös geschlachtete Tiere verzehren möchten, aber auch die, die niemals Fleisch von Tieren essen möchten, die ohne Betäubung geschlachtet wurden. Wie Sie sicher wissen, gibt es unter Juden und Muslimen unterschiedliche Meinungen zu der Betäubungsfrage; ebenso war die Bezeichnung "Halal" zumindest bis vor kurzem nicht geschützt.

Meine Frage an Sie lautet: Wie würden Sie sich eine verbraucherfreundliche Etikettierung vorstellen? "Unbetäubt geschlachtet" und "betäubt geschlachtet"? Oder "Halal" etc, was diese Frage offen lässt? Wie stehen Sie konkret zu der Frage?


Was haltet ihr davon, dass wir Fleisch von unbetäubt geschlachteten Tieren essen?

BEN2506
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Fr 16. Apr 2010, 00:39 - Beitrag #2

Ich halte davon gar nichts. Wenn man schon ein Leben beenden muss, dann ohne unnötiges Leid. Das irgendwelche Menschen das wieder mit ihrer Religion rechtfertigen müssen und dann damit auchnoch durchkommen ist mir schleierhaft. Warum wird Religion höher bewertet als Tierschutz?

Man sollte es nicht etikettieren, sondern verbieten.

Ipsissimus
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Fr 16. Apr 2010, 10:17 - Beitrag #3

Ben, die in unseren Schlachtbetrieben stattfindende Tötung kommt auch nicht "ohne unnötiges Leid" aus; unsereins verpackt das nur anders, z.B. indem das Wissen darüber nicht ins eigene Bewusstsein gelassen wird. Im übrigen wird Religion höher bewertet als Tierschutz, weil sie einer Mehrheit von Menschen mehr bedeutet als der Tierschutz.

Was ich davon halte, das Fleisch von unbetäubt geschlachteten Tieren zu essen? Nun, ich esse es. Hast du schon mal Schwein-, Rind- oder Lammfleisch gegessen? Die Viecher werden alle unbetäubt geschlachtet, oder bestenfalls mit einer pro forma Betäubung. Ich denke, es geht nicht um die Frage der Betäubtheit, sondern darum, wie lange der dem Tier zugemutete Todeskampf andauert und welche emotionale Intensität er annimmt, und da sind die unbetäubten Halal-Formen sicher mit am bösartigsten, aber auch nicht schlimmer als z.B. die Schweinefahrten.

BEN2506
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Fr 16. Apr 2010, 11:51 - Beitrag #4

So sollte es aber sein. Klick Das das nicht immer einzuhalten ist, z.B. bei der Jagd mag ja sein aber es geht um die Reduzierung auf ein Mindestmaß. Selbst den Fisch den ich fange muss ich betäuben.

Diese rituellen Schlachtungen führen laut wiki nur Moslems und Juden aus. Das sind insgesamt ca. 3,6 Mio Menschen. Demgegenüber steht allein ein (laut Umfrage) atheistischer Bevölkerungsanteil von 23%. Ist der Mehrheit Schächtungen also wirklich wichtiger als der Tierschutz?

Im übrigen halte ich die Religion und damit einhergehende Rechte einfach für überbewertet werden.

Ipsissimus
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Fr 16. Apr 2010, 13:24 - Beitrag #5

Ist der Mehrheit Schächtungen also wirklich wichtiger als der Tierschutz?


das ist wahrscheinlich das Problem mit der Säkularisierung. Die Mehrheit der Bevölkerung würde wahrscheinlich ganz gerne Moslems und Juden den Abgrund runter stürzen wie weiland Jesus die Schweineherde. Ein Säkularisierter Staat ist aber einer, der den Frieden zwischen den Religionen bewahren und ihnen angemessene Ausübung ihrer Religion garantieren muss, jedenfalls nach humanistischem Verständnis der Säkularisierung. Gemäß dieses Verständnisses muss unser Staat Privilegien, die er den einen gewährt, auch den anderen gewähren. Das ist natürlich nur Theorie, die Praxis sieht komplizierter aus, aber auf das Geschilderte läuft es meines Erachtens hinaus, plus minus einige Verschrobenheiten der historischen Entwicklung.

e-noon
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Fr 16. Apr 2010, 13:48 - Beitrag #6

Deswegen geht es ja auch der EU nur um die Etikettierung, nicht um ein Verbot, das niemals durchsetzbar wäre. Wenn Muslime und Juden die Möglichkeit haben, gezielt Fleisch von ohne Betäubung geschlachteten Tieren zu essen, möchte ich die Möglichkeit haben, gezielt diese Tiere zu vermeiden. So einfach.
Das wollen aber die Juden nicht (die Muslime auch nicht oder nur teils, die haben aber in Brüssel keine so starke Lobby), denn ihr koscheres Fleisch wird teurer, wenn man die Teile eines unbetäubt geschlachteten Tieres, die Juden nicht essen dürfen, nicht mehr heimlich auf den freien Markt werfen kann.

Daher --> Pro Etikettierung.

Diese Etikettierung ist übrigens nur ein kleinerer Unterpunkt der allgemein umfassenderen Etikettierungspflicht, Herkunftsland (extrem umstritten wegen Nationalisierungstendenzen), Fiber, Fette etc... Auch der CO2 - Aufwand bei der Herstellung soll irgendwann drauf ^^

Ipsissimus
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Fr 16. Apr 2010, 15:07 - Beitrag #7

dringlicher fände ich die Kennzeichnung von Tieren mit grausamem Todeskampf der akzeptierten Art^^ mit Bildern nach Art derer, die sich auf Zigarettenpackungen finden

BEN2506
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Fr 16. Apr 2010, 16:12 - Beitrag #8

Zitat von Ipsissimus:das ist wahrscheinlich das Problem mit der Säkularisierung. Die Mehrheit der Bevölkerung würde wahrscheinlich ganz gerne Moslems und Juden den Abgrund runter stürzen wie weiland Jesus die Schweineherde. Ein Säkularisierter Staat ist aber einer, der den Frieden zwischen den Religionen bewahren und ihnen angemessene Ausübung ihrer Religion garantieren muss, jedenfalls nach humanistischem Verständnis der Säkularisierung. Gemäß dieses Verständnisses muss unser Staat Privilegien, die er den einen gewährt, auch den anderen gewähren. Das ist natürlich nur Theorie, die Praxis sieht komplizierter aus, aber auf das Geschilderte läuft es meines Erachtens hinaus, plus minus einige Verschrobenheiten der historischen Entwicklung.


Es ist jedermanns Recht andere Menschen anhand ihrer Taten zu bewerten. Wie du schon schreibst, eine angemessene Ausübung wird garantiert. Aber was ist angemessen und wer entscheidet das? Wir haben bereits ein Tierschutzgesetz, dessen Inhalt doch irgendwie darauf abzielt diese Lebewesen zu schützen. Das irgendwelche Menschen nun glauben es gäbe da ein Wesen das ihnen den verzehr von Tieren die gesetzeskonform und nach gewissen moralischen Grundsätzen geschlachtet wurden verbietet reicht also aus um den Tierschutz auszuhebeln und das ganze damit ad absurdum zu führen?

Ich vertrete den Standpunkt das auch oder besonders Tiere eine Mindestmaß an Rechten haben, welche schon aus unserer bloßen Überlegenheit hervorgehen.

Es wurden schon viele Entscheidungen über die Köpfe von Menschen hinweg getroffen und das dürften weit mehr als 3.6 Millionen gewesen sein. Entweder Sie finden sich dann damit ab, oder Sie suchen sich eine Gesellschaft die andere Maßstäbe anlegt. Minderheiten sind per se nicht schützenswert, dazu bedarf es mehr.

Ipsissimus
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Fr 16. Apr 2010, 16:24 - Beitrag #9

in einer Demokratie müssen Mehrheiten gefunden werden^^ vielleicht ist eine Karriere in der Politik für dich angemessen?^^

BEN2506
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Fr 16. Apr 2010, 20:21 - Beitrag #10

Mehrheiten werden gemacht, nicht gefunden. Politiker? Nein Danke :D

e-noon
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Sa 17. Apr 2010, 15:44 - Beitrag #11

Es ist ja nicht so, als würde irgendein Volk darüber abstimmen. Die Entscheidung wird von Leuten getroffen, die nur äußerst indirekt und von vielen unbemerkt gewählt wurden. Trotzdem betrifft sie ganz Europa.

Wer die Tiere schützen will, muss Lobbyarbeit im Europaparlament leisten. Die einzelnen Abgeordneten anschreiben, zeigen, dass man von der Entscheidung und auch von der Abstimmung des einzelnen Abgeordneten Kenntnis nehmen wird, klar machen, dass die ethische Entscheidung des Konsumenten erschwert wird, wenn ihm wichtige Informationen wie die Schlachtungsart des Tieres fehlen, etc.

@Ipsi: Bist du Vegetarier?

Maglor
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So 18. Apr 2010, 19:27 - Beitrag #12

Ich habe große Zweifel daran, dass die nicht geschächteten Tiere überhaupt das Etikett "betäubt geschlachtet" verdienen. Die Debatte hinkt der tatsächlichen Praxis auf den Schlachthöfen hinterher.
In Folge der BSE-Hysterie wurde das Gehirn des Schlachttieres zum Gefahrgut erklärt, ass keinesfalls aus der Hirnschale heraustreten darf. Daraufhin wurde die übliche Betäubungsmethode durch Bolzenschuss abgeändert, Es wird einfach nicht mehr so tief in den Kopf des Tieres geschossen wie in früheren Zeiten. Gerade bei ausgewachsenen Rindviechern mit dicker Schädeldecke führt dies da dazu, dass die betäubende Wirkung des Bolzenschusses gar nicht mehr eintritt. (Man beachte hier, bis dahin war es der Bolzenschuss die jüdische und muslimische Methode von der in Deutschland vorherschenden unterchied. Mit dem Vorwand des Tierschutzes, wurde 1933 das Schächten verboten.) Sprich die Kuh erhält eine Elektroschock und wird kurzzeitig ohnmächtig. Dann wir noch mal symbolisch zum Bolzenschussgerät gegriffen und die Kehle durchgeschnitten. Danach erwacht das Rind mit durchgeschnittener Kehle und findet sich ebenso wie die geschächtete Verwandtschaft im "Todeskampf" bei vollem Bewusstsein wieder.
Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Betäubung mit Bolzenschussgerät nur noch um ein Ritual, welches nach den gesetzlichen Änderungen in den 90er Jahren seine betäubende Wirkung weitgehend verloren hat.

Durch die Rationalisierung an deutschen Schlachthöfen ergeben sich weitere Probleme. Es wird zwar immer schneller geschlachtet, aber eben nicht schneller gestorben. Die mitunter nur symbolisch betäubten Tiere werden folglich schon gebrüht oder gehäutet und zerlegt, bevor sie richtig tot sind.
Sprich ausgewachsene Bullen, denen ein oberflächlicher Bolzenschuss nichts anhaben kann, werden in der Regel bei vollem Bewusstsein gehäutet.

Zu den konventionellen Schlachtmethoden ein Bericht von Frontal 21:
Noch nie wurden in Deutschland so viele Schweine geschlachtet, wie im vergangenen Jahr. Rund 56 Millionen vermeldete kürzlich das Statistische Bundesamt - absoluter Rekord. Dabei gibt es in Deutschland immer weniger Schlachthöfe. In der Folge werden mehr Tiere in immer weniger Betrieben geschlachtet, bleibt der gesetzlich vorgeschriebene Tierschutz oft auf der Strecke. Hunderttausende Schweine und Rinder müssen darunter unnötig leiden.

Obwohl es gegen das Gesetz verstößt, geraten jedes Jahr über eine halbe Million Schweine lebend statt tot in die Brüh- und Zerlegemaschinerie. Experten sprechen von schlimmsten Qualen, die hier aus Kostengründen billigend in Kauf genommen werden. Denn längst gibt es Methoden und Kontrollgeräte, um sicherzustellen, dass ein Tier auch tot ist, ehe es gebrüht und weiterverarbeitet wird. So will es auch das Gesetz, doch kaum ein Schlachthof hat die aufwendigen Kontrollgeräte bisher installiert.


Dass die herkömmliche Massenabfertigung in deutschen Schlachthöfen den Tieren mehr Schmerz zufügt, als ein gezielter Kehlenschnitt halt ich für offensichtlich. Eine besonders Qualitätssiegel für angeblich "betäubt" geschlachtete wäre nicht mehr als ein Witz.
Die Schächtung ist vor allem eines personal: personal aufwendig. Statt die Tiere vor dem Kehlenschnitt mit Kohlenmonoxid und Elektroschocks zu betäuben, was wohl kaum schmerzfrei ist, wird das Tier vom Muselmanen überwältigt und ihm bei vollem Bewusstsein mit einem einzigen Schnitt die Kehle durchgeschnitten. Tja, eben keine maschinelle Tötung.

Folglich halte ich die Debatte für auf Lügen aufbauend, Antisemitismus und von Islamophobie geprägt. Das ist die ganze Geschichte. :(
Eine ethische Entscheidung des Konsumenten ist wäre natürlich möglich, wenn der Konsument die aktuellen Schlachtmethoden kennen würde. Ich mutmaße, dass jene Muselmanen die Lämmern in ihren Badenwannen schächten, kennen sie.

Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen den Methoden.
Bei der Schächtung wird das Tier bei vollem Bewusstsein überwältigt und mit einem einzigen Schnitt wird die Kehle durchgeschnitten. Hierfür brauchten es Man-Power. Hinzu kommt, dass Tier darf nach den religiösen Vorschriften vor dem Kehlenschnitt nicht verletzt werden! Die Griffe müssen geübt, es bedarf äußerster Vorsicht. Das Sterben des Tieres muss von den Metzgern überwacht. Würde sie es loslassen, macht es sich selbstständig.

Durch Betäubung werden die Tiere erstmal wehrlos. (Das scheit mir auch der usprüngliche Grund für die Betäubung.) Mit Gas Kohlenmonoxid können mehrere Schweine gleichzeitig betäubt werden. Das wehrlose Tiere kann nun aufgehängt werden. Anschließend kann es ein einzelner Mann allein mit dem Tier aufnehmen. Er muß sich nicht einmal Bücken um die Kehle durchzuschneiden. Handlanger, die das Tier festhalten, braucht er nicht. Das aufgehängte, nur kurzzeitig betäubte Tier wird bewegt sich nun weiter, kopfüber aufgehängt, per Förderband.

Ich habe die vor kurzem erst über jüdische und christliche Metzger zu Anfang des 20. Jahrhunderts gelesen. Interessanterweise bieten da sowohl christliche Metzger nach israelitischen Vorschriften geschlachtete Tiere an, ebenso bieten jüdische Metzger Blutwurst für wohl nicht koscherer Kundschaft an. Juden dominierten regional bis ins frühe 20. Jahrhundert das Metzgerwesen in Deutschland. In einigen Städten war jeder zweite Metzger Jude. Die Tradition des jüdischen Metzgerwesens brach aus bekannten Gründen ab. Erst dann wurde das Schächten als grausame Schlachtmethode der Juden entdeckt und verboten. Wenige Jahre später wurden dann auch die jüdische Metzger verjagt oder umgebracht.

e-noon
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So 18. Apr 2010, 22:19 - Beitrag #13

Das klingt jetzt so, als würdest du rituellen Schlachtungen prinzipiell zuschreiben, sich strikt an die Vorschriften und den Tierschutz zu halten, während alle anderen das nur pro Forma tun :confused: Ist das deine Haltung dazu? Falls ja, wäre das natürlich schrecklich :boah: Aber selbst dann wäre eine Kennzeichnung sinnvoll - einfach nur das "unbetäubt geschlachtet"e Tierfleisch kaufen und davon ausgehen, dass diese Methode schmerzfreier für das Tier ist.

*sorry wegen Kürze, mehr vllt. morgen.

Ipsissimus
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Mo 19. Apr 2010, 10:14 - Beitrag #14

der springende Punkt dabei ist, dass in dem einen Falle religiöse Vorschriften einzuhalten sind, die von denjenigen, die die Schlachtung durchführen, selbst geteilt und für wichtig gehalten werden; im anderen Falle gibt es ein leider nur theoretisches Ideal des Tierschutzes, das jederzeit leichter Hand für kommerzielle Interessen geopfert werden kann.

Hinter Halal steht meines Erachtens Respekt vor dem Tier. Ich schlachte dich jetzt, weil ich dein Fleisch brauche, aber dafür kämpfe ich mit dir, du kannst dich wehren, du kannst auch mich verletzten. Ich führe deinen Tod herbei, aber dabei gehe ich selbst ein Risiko ein und ich schaue dir dabei in die Augen, ertrage es, dass ich selbst es bin, der dich tötet und dass du siehst, dass ich es bin.

So ungefähr. Eine völlig andere Basis des Umgangs mit Tieren als in einem durchindustrialisierten Schlachtungsbetrieb, bei dem nur der Akkord zählt. Ich bin jedenfalls mit Maglor der Meinung, dass unsere Art der industriellen Schlachtung - auch als Verlängerung der Art und Weise, wie unsere Bauern Masttierzucht betreiben - sehr viel inhumaner ist als Halal.

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Mo 19. Apr 2010, 14:13 - Beitrag #15

der springende Punkt dabei ist, dass in dem einen Falle religiöse Vorschriften einzuhalten sind, die von denjenigen, die die Schlachtung durchführen, selbst geteilt und für wichtig gehalten werden; im anderen Falle gibt es ein leider nur theoretisches Ideal des Tierschutzes, das jederzeit leichter Hand für kommerzielle Interessen geopfert werden kann. Hinter Halal steht meines Erachtens Respekt vor dem Tier. Ich schlachte dich jetzt, weil ich dein Fleisch brauche, aber dafür kämpfe ich mit dir, du kannst dich wehren, du kannst auch mich verletzten. Ich führe deinen Tod herbei, aber dabei gehe ich selbst ein Risiko ein und ich schaue dir dabei in die Augen, ertrage es, dass ich selbst es bin, der dich tötet und dass du siehst, dass ich es bin. So ungefähr. Eine völlig andere Basis des Umgangs mit Tieren als in einem durchindustrialisierten Schlachtungsbetrieb, bei dem nur der Akkord zählt. Ich bin jedenfalls mit Maglor der Meinung, dass unsere Art der industriellen Schlachtung - auch als Verlängerung der Art und Weise, wie unsere Bauern Masttierzucht betreiben - sehr viel inhumaner ist als Halal.


Das ließt sich als ob du religiöse Vorschriften als gottgegeben und elementar ansiehst? Sie gehen aus der gleichen Willkür hervor wie unsere Ideale, etc. Wiegen sie schwerer weil sie einer Religion zugeschrieben werden?

Der Tierschutz ist per Gesetz festgehalten und wird auch praktiziert. Wenn wir bestehende Mängel als Anlass nehmen um Gesetzte abzuschaffen oder auszuhelben, können wir unsere Gesellschaft so wie wir sie kennen abschreiben. Es macht für das Tier überhaupt keinen Unterschied warum es geschlachtet wird. Es hat in diesem Kampf keine Chance zu bestehen. Nebenbei bezweifle ich, dass diese Hinterhofschlachtungen von ausreichend qualifizierten Menschen durchgeführt werden und diese im Besitz des notwendigen Werkzeugs sind. Das Tier wird sich freuen.

Die industrielle Haltung von Tieren ist die logische Folge des Konsumverhalten. Wenn die Nachfrage nach halal steigt und ähnliche Züge annimmt wie unser Fleischbedarf, dann wird auch der Großteil dieser Tiere nicht mehr traditionell von Hand geschlachtet werden sondern industriell im akkord in halal-Schlachthöfen. Die Verbesserung des Tierschutzes ist umbedingt notwendig, genauso wie der Wandel zu einem bewussteren Verzehr von Fleisch. Vielleicht war das Schächten einmal die schonenste Art, ist es aber nicht mehr.

Ipsissimus
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Mo 19. Apr 2010, 14:39 - Beitrag #16

Ben, als gottgegeben gewiss nicht; als elementar in einem bestimmten Sinne möglicherweise, allerdings würde ich da eher den Begriff "archaisch" verwenden. Das ist jedoch nicht weiter wichtig. Wichtig hingegen ist ein anderer Punkt: dass diesen Vorschriften für ihre Gläubigen nach wie vor höchste Verbindlichkeit innewohnt, wohingegen Tierschutz bei uns allerhöchstens eines von vielen Idealen ist, denen sich Menschen nach Lust und Laune mal mehr, mal weniger verpflichtet fühlen. Und der im Konfliktfall jederzeit für den Kommerz geopfert wird, zumindest von jenen, die unsere Schlachthöfe betreiben, und von ihrer Lobby. Und auch von den Endbenutzern, die die billigen Preise der Massenschlachtungen goutieren und dafür auch schon gerne mal über die Umstände selbiger hinweg schauen, zur Not ein Leben lang.

Der im Gesetz festgehaltene Tierschutz ist ein Witz; allerbestenfalls. Reine Augenwischerei. Es fehlt das nachdrückliche Instrumentarium, ihn auch dann durchzusetzen, wenn dies ökonomisch richtig weh tut; von seinem glatten Versagen im Bereich der medizinischen und kosmetischen Tierversuche gar nicht erst zu reden. Das Beste, was sich über unseren Tierschutz sagen lässt, läuft vielleicht auf das All-Argument "es könnte auch immer noch schlimmer sein" hinaus.

Natürlich sind Massenhaltung und -schlachtung logische Konsequenzen von irgendetwas. Ich sehe es allerdings auch nicht als gottgegeben an, dieses "irgendetwas" zu belassen, wie es ist. Solange wir uns also unsere eigenen Bösartigkeiten zubilligen, haben wir das Recht verspielt, anderen ihre Bösartigkeiten zu verbieten.

Eine gerechte Lösung bestünde vielleicht darin, Halal an unbetäubten Tieren zu untersagen und dieses Verbot genau so "scharf" zu überwachen wie wir unsere eigenen Schlachtungen überwachen. Wer sich dann noch erwischen lässt, hat es nicht besser verdient. Allerdings wäre dann natürlich die Etikettierungsdebate hinfällig, und der Zynismus der Lösung würde vielleicht dem ein oder anderen deutlicher als politisch opportun vor Augen führen, worauf unsere Gesellschaft gebaut ist.

Lykurg
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Mo 19. Apr 2010, 14:48 - Beitrag #17

Das ließt sich als ob du religiöse Vorschriften als gottgegeben und elementar ansiehst?
Das lese ich aus Ipsissimus' Ausführugen nicht heraus. Im Gegenteil bezieht er sich ausdrücklich auf die Überzeugungen der Handelnden und unterscheidet zwischen halal-Metzgern, die gemäß ihrer Religion handeln, und Schlachthofmitarbeitern, die sich nach Gesetzen richten, (deren Gültigkeit sie schon aufgrund ihrer Tätigkeit möglicherweise nur eingeschränkt sehen - ein starkes, empathisch geprägtes Bewußtsein für Tierschutz stelle ich mir für einen Metzger als eher schwierig vor)... Mit dem Ursprung der Vorschriften hat das so direkt nichts zu tun.
Der Tierschutz ist per Gesetz festgehalten und wird auch praktiziert. Wenn wir bestehende Mängel als Anlass nehmen um Gesetzte abzuschaffen oder auszuhelben, können wir unsere Gesellschaft so wie wir sie kennen abschreiben
Wenn Gesetze unvollkommen praktiziert werden, kann man sich durchaus Gedanken darüber machen, sie durchzusetzen, zu ändern oder abzuschaffen. Schleichende Erosion von Rechtsbegriffen aufgrund unvollkommener und allgemein nicht anerkannter Gesetze ist jedenfalls auch keine bessere Lösung.
Nebenbei bezweifle ich, dass diese Hinterhofschlachtungen von ausreichend qualifizierten Menschen durchgeführt werden und diese im Besitz des notwendigen Werkzeugs sind.
Für die Schlachtungen durch Privatpersonen bei bestimmten Festen gilt das sicherlich, aber einem professionellen Halal-Metzger würde ich die entsprechende Qualifikation und Ausrüstung nicht unbedingt absprechen wollen, nur weil er nicht in einem Großbetrieb arbeitet. Im Gegenteil erfordert eine richtige Schächtung erhebliches handwerkliches Geschick des Schlachters, das auf eine gute Ausbildung zurückgeht. - Sehr interessant fand ich dazu auch den letzten Absatz des längeren Beitrags von Maglor.
industriell im akkord in halal-Schlachthöfen.
Bei Einhaltung der entsprechenden Vorschriften ist das schwierig - unprofessionelle Ausführung würde möglicherweise nicht ernstgenommen. Denkbar wäre allerdings, daß manche Geistliche laxer mit den Vorschriften umgehen, aber darin sehe ich keine Zwangsläufigkeit.
Vielleicht war das Schächten einmal die schonenste Art, ist es aber nicht mehr.
Auch dazu vgl. Maglor; wenn es sich um eine Minderheitspraxis handelt und schonender ist als die Mehrheitspraxis, sehe ich keinen unbedingten Änderungsbedarf.

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Mo 19. Apr 2010, 16:27 - Beitrag #18

Zitat von Ipsissimus:Ben, als gottgegeben gewiss nicht]

Das mag sein, es gibt auf der anderen Seite aber auch eine Masse Menschen für die Tierschutz einen enorm hohen Stellenwert hat und mehr ist als eine Prestige-beschäftigung der man sich nur manchmal zuwendet. Das es auch andere gibt leugne ich nicht, aber die wirst du bei Religionen ebenso finden. Wie kommst du darauf den Gläubigen absolute Linientreue zu unterstellen und gleichzeitig die Ideale anderer Menschen zu relativieren nur weil es unter ihnen Abweichungen gibt? Bist du der Ansicht das eine wirst du auf der anderen Seite, auch in anderen Bereichen, nicht finden? Es hat nicht jeder die finanziellen Möglichkeiten im Fachhandel zu kaufen, oder beim lokalen Bauern. Es gibt so viele Gesetzte, Rechte, etc die nicht mehr sind als Lippenbekenntnisse, aber das macht ihren Inhalt nicht wertlos. Ich habe in meinem obigen Post doch geschrieben das nicht nur der Tierschutz verbessert sondern auch das Bewusstsein der Menschen sich wandeln muss. Die Verfügbarkeit von allem zu jeder Zeit ist sicherlich von grund auf problematisch aber nicht umbedingt verkehrt. Die Mittel die uns jetzt zur verfügung stehen dies zu gewährleisten sind aber inakzeptabel. Das ist aber eine Sache an der man arbeiten muss.

Deine Lösung wäre Spott für alle denen was dran' liegt. Kritiker ruhigzustellen um so weiterverfahren zu können wie bisher und die eigenen Mängel getrost zu ignorieren ist keine nachhaltige Lösung. Wenn Gesetzte erst mit dem Vorsatz geschrieben werden...

Das lese ich aus Ipsissimus' Ausführugen nicht heraus. Im Gegenteil bezieht er sich ausdrücklich auf die Überzeugungen der Handelnden und unterscheidet zwischen halal-Metzgern, die gemäß ihrer Religion handeln, und Schlachthofmitarbeitern, die sich nach Gesetzen richten, (deren Gültigkeit sie schon aufgrund ihrer Tätigkeit möglicherweise nur eingeschränkt sehen - ein starkes, empathisch geprägtes Bewußtsein für Tierschutz stelle ich mir für einen Metzger als eher schwierig vor)... Mit dem Ursprung der Vorschriften hat das so direkt nichts zu tun.


Ich schon, es macht den Eindruck als sei Religiösität an sich wichtiger als die Ideale und Vorstellungen anderer Menschen.

Wenn Gesetze unvollkommen praktiziert werden, kann man sich durchaus Gedanken darüber machen, sie durchzusetzen, zu ändern oder abzuschaffen. Schleichende Erosion von Rechtsbegriffen aufgrund unvollkommener und allgemein nicht anerkannter Gesetze ist jedenfalls auch keine bessere Lösung.
Ich bin dafür sie durchzusetzen.

Für die Schlachtungen durch Privatpersonen bei bestimmten Festen gilt das sicherlich, aber einem professionellen Halal-Metzger würde ich die entsprechende Qualifikation und Ausrüstung nicht unbedingt absprechen wollen, nur weil er nicht in einem Großbetrieb arbeitet. Im Gegenteil erfordert eine richtige Schächtung erhebliches handwerkliches Geschick des Schlachters, das auf eine gute Ausbildung zurückgeht. - Sehr interessant fand ich dazu auch den letzten Absatz des längeren Beitrags von Maglor.

Bei Einhaltung der entsprechenden Vorschriften ist das schwierig - unprofessionelle Ausführung würde möglicherweise nicht ernstgenommen. Denkbar wäre allerdings, daß manche Geistliche laxer mit den Vorschriften umgehen, aber darin sehe ich keine Zwangsläufigkeit.


Spezialisten spreche ich das auch nicht ab, bei dem Punkt geht es um die Hinterhof-Schlachter. Allerdings wird denen nichts anderes übrig bleiben als diese Vorschriften zu ändern/verletzen oder den Tieren noch mehr leid zuzufügen. Das wird dann eben vertuscht und aus dem Bewusstsein des Abnehmers getilgt. So wie es jetzt auch passiert.

Auch dazu vgl. Maglor; wenn es sich um eine Minderheitspraxis handelt und schonender ist als die Mehrheitspraxis, sehe ich keinen unbedingten Änderungsbedarf.


Ich weigere mich Unrecht als legitimation für weiteres Unrecht hinzunehmen.

Lykurg
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Mo 19. Apr 2010, 18:35 - Beitrag #19

Die Durchsetzung von Gesetzen ist nicht immer die richtige Lösung, gelegentlich kommt es auch vor, daß ein Gesetz veraltet (z.B. aufgrund neuer technischer oder gesellschaftlicher Entwicklungen), dann sollte man auch die Alternativen zulassen. Wenn du die bestehenden Gesetze als vollkommen verabsolutierst und nur ihre Durchsetzung einfügst, schaffst du nur eine Ersatzreligion. Bild
Ich weigere mich Unrecht als legitimation für weiteres Unrecht hinzunehmen.
Einerseits gibt es bei der derzeitigen Handhabung - jedenfalls für professionelle Schlachter - gesetzliche Ausnahmeregelungen, es handelt sich also nicht um Unrecht. Dein Satz scheint in der Konsequenz nahezulegen, daß du dem Tierschutzgesetz höhere Priorität zuweist als dem Tierschutz?

BEN2506
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Mo 19. Apr 2010, 19:18 - Beitrag #20

Zitat von Lykurg:Die Durchsetzung von Gesetzen ist nicht immer die richtige Lösung, gelegentlich kommt es auch vor, daß ein Gesetz veraltet (z.B. aufgrund neuer technischer oder gesellschaftlicher Entwicklungen), dann sollte man auch die Alternativen zulassen. Wenn du die bestehenden Gesetze als vollkommen verabsolutierst und nur ihre Durchsetzung einfügst, schaffst du nur eine Ersatzreligion. Bild

Einerseits gibt es bei der derzeitigen Handhabung - jedenfalls für professionelle Schlachter - gesetzliche Ausnahmeregelungen, es handelt sich also nicht um Unrecht. Dein Satz scheint in der Konsequenz nahezulegen, daß du dem Tierschutzgesetz höhere Priorität zuweist als dem Tierschutz?


Da will ich dir nicht wiedersprechen, ich habe nicht vor irgendwelche Gesetze unantastbar zu machen. Aber man sollte nicht leichtfertig sein. Ich kann auch umgekehrt fragen, sind gewisse religiöse Ansichten/Praktiken nicht möglicherweise irgendwann veraltet und nicht mehr zeitgemäß? Ist das Festhalten daran nur die Konsequenz aus dem Unvermögen ihrer Anhänger ihren Glauben zu hinterfragen?

Aus dem einen geht das andere als Notwendigkeit hervor. Ich weise dem Tierschutz eine höhere Priorität zu als der Religionsfreiheit und in der Konsequenz daraus auch bestimmten Aspekten der Entfaltung der Persönlichkeit.

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