Bedeutung und Zukunft der Handschrift

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Lykurg
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Mi 12. Jan 2011, 00:39 - Beitrag #1

Bedeutung und Zukunft der Handschrift

Der Artikel aus der NZZ, auf den ich heute stieß, ist nicht mehr brandneu, er soll aber auch nur einen kleinen Anstoß geben für ein Thema, das wohl jeden in irgendeiner Form betrifft - gehört doch das Schreibenlernen zu den ersten und zeitintensivsten Unterrichtseinheiten in eines jeden Schulzeit (ganz unabhängig davon, wieviel man davon individuell tatsächlich benötigt).

Mich fesselt die Frage, wohin es mit unserer Handschrift geht, seit Grundschulzeiten recht zwangsläufig; zumindest in meinem Fall sehe ich die typische Verbindung 'eine Handschrift läßt Rückschlüsse auf den Charakter zu' auch in der anderen Richtung: 'Eine Handschrift beeinflußt die Charakterbildung'. Genau in diesem Sinne finde ich den Artikel teilweise fruchtbar, wenn auch in seinen Positionen - aber seht selbst.

Traitor
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Mi 12. Jan 2011, 01:08 - Beitrag #2

Einige Schulspezifika des Artikels verstehe ich nicht. Interventionen? Amerikanische Proficiency Tests in der Grundschule? Ich hoffe mal, das sind weitgehend irrelevante Schweizerismen.

Auch sonst auf der konkreten Ebene sehr fragwürdig, was die Autorin da von sich gibt - den Sohn diktieren zu lassen, hat schon was antiautoritäres an sich, er könnte ja wohl zumindest selbst tippen. Und wenn sich ein Einzelkind so in nicht-schreiben-wollen hineinsteigert, hat das sicher auch noch spezielle Ursachen. Oder falls die spezifische Schule oder alle Schweizer Schulen wirklich so hart und grausam sind, ist das wohl ein dortiges Spezial- oder Systemproblem, mir sind derartige Exzesse nicht bekannt.

Eine Ebene weiter, das Florey-Buch habe ich schon an einigen Stellen kommentiert gesehen, und es ist sicher ebenso fragwürdig wie derartige Radikal-Gegenpositionen.

Sicher wäre es an der Zeit, die Gewichtung von Hand- und Maschinenschreibenlernen in der Schule anzupassen. Insbesondere Schönschrift über ein gewisses Mindestmaß heraus braucht kein Mensch. Aber solange auch Computerschrift ein Alphabet benutzt, das auf mit der Hand ziehbaren Strichen beruht, ist es wohl keine so schlechte Idee, diese Formen zu erlernen, indem man sie selbst zieht. Ganz davon zu schweigen, dass noch lange eine Mehrheit der Menschheit regelmäßig in Situationen kommen wird, in denen ein handgeschriebener Notizzettel sehr viel praktischer ist als ein Handy-Memo.

Lykurg
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Mi 12. Jan 2011, 01:41 - Beitrag #3

Es handelt sich um den aus dem Englischen übersetzten Artikel einer Dozentin aus Ohio. Insofern sind es eher Amerikanismen in schweizspezifischer Übersetzung.

Deine Verwunderung über das gezeigte Verhalten teile ich. Ich hätte es genauso selbstverständlich gefunden, den Sohn selbst tippen zu lassen. Erstens sollte er irgendeine Form der Selbständigkeit schon lernen, zweitens lernt er so keine Rechtschreibung, und ob die endgültige Formulierung auch wirklich von ihm stammt, ist nicht sicher.

Ebenso sehe ich natürlich, daß Handschrift nicht verzichtbar ist, da handgeschriebene Zettel bzw. Schilder für vieles praktischer sind als gedruckte oder elektronische Alternativen. Und niemand wird es in absehbarer Zukunft vermeiden können, vielerorts im Alltag der Handschrift anderer Leute zu begegnen und sie lesen zu müssen.

Zu erwägen wäre mE die Abschaffung der Schreibschrift; Unlesbarkeit wäre weiterhin zu bekämpfen, darüber hinaus finde ich Schönschrift zwar noch fördernswert, würde sie aber eher als Teil eines Kunst- bzw. Werken-Unterrichts behandeln.

Ipsissimus
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Mi 12. Jan 2011, 11:19 - Beitrag #4

Ebenso sehe ich natürlich, daß Handschrift nicht verzichtbar ist ...
Zu erwägen wäre mE die Abschaffung der Schreibschrift
ich verstehe gerade nicht, wie das zusammenpasst bzw. worin der Unterschied zwischen Handschrift und Schreibschrift besteht.

Goethe sagte einmal sinngemäß, der Unterschied zwischen einem Schriftsteller und einem nichtschriftstellenden Menschen bestünde darin, dass obzwar beide wissen, was sie sagen wollen, nur der Schriftsteller weiß, wie er es sagen kann, damit es verstanden wird.

Ich bezweifele nicht, dass Kinder und Jugendliche auch inhaltlich belastbare Aussagen treffen können, die über Befindlichkeitsäußerungen hinausgehen. Mich packt nur ein Grauen, wenn ich mir vorstelle, dass irgendjemand die schriftliche Version dieser Aussagen rekonstruieren muss; um eine Rekonstruktion wird es sich aber in jedem Fall handeln müssen, weil die formale Basis, auf deren Grundlage die relative Mühelosigkeit der Kommunikation vonstatten geht, nicht mehr vorhanden ist. Es ist meine Überzeugung, dass das sture Einüben des großen G - um das Beispiel des verlinkten Artikels zu benutzen - unumgängliche Voraussetzung zur Verankerung elementarer sprachlicher Grundlagen ist, die nicht durch die Fehlerprüfung einer Textverarbeitung ersetzt werden können - nebenbei, wie wenig eine Fehlerprüfung dieser Art besagt, beweisen neben unzähligen Forentexten beinahe noch mehr mir beruflich zugehende Manuskripte, die alle angeblich die Fehlerkorrektur durchlaufen haben. Nebenbei bezweifele ich auch, dass die Lesefähigkeit ohne dieses sture Einüben der Schrift sich so ausprägen würde, wie sie sein muss, um müheloses Lesen auch schwieriger Texte zu ermöglichen.

Es ist, um die Aussage zu schärfen, meine Auffassung, dass das formale Einpauken von Buchstaben und Worten, schließlich das handschriftliche Diktat und später der handschriftliche Aufsatz unumgängliche Voraussetzungen für angemessenes, qualitativ hochwertiges Denken darstellen. Diesen Prozess wegfallen zu lassen ist so, als würde an einen Deutschen die Aufforderung ergehen, einen japanischen Text zu lesen und auf Japanisch zu kommentieren, ohne sich jemals mit Kanji, Hiragana und Katakana beschäftigt zu haben. Es geht schlichtweg nicht.

Von daher empfinde ich die Grundaussage des Artikels als Problem-unbewusste Albernheit.

Lykurg
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Mi 12. Jan 2011, 12:13 - Beitrag #5

Ipsissimus, mit Schreibschrift meine ich die derzeit an Schulen gelehrte Kursivschrift (mit Schleifen etc. verbundene Buchstaben) als Gegensatz zur Druckschrift (in Einzelzeichen). Die Notwendigkeit, längere Texte schnell mit der Hand zu schreiben, scheint mir längerfristig verzichtbar, klarer Lesbarkeit und anderen Lernzielen würde ich hier den Vorrang einräumen. Ohnehin verändern sich die Schreibschriftformen im Moment quasi alle ein bis zwei Generationen, von daher ist eine weitere Vereinfachung hin zur Druckschrift mehr oder weniger von selbst zu erwarten, ohne sie zu dekretieren.

Für die Rechtschreibung hatte ich mich noch nicht einmal auf die rechnertypische Rechtschreibprüfung bezogen, sondern schlicht auf die Tatsache, daß er den Text nicht eigenhändig in Worte bringt, sich also gar nicht bewußt sein muß, wie auch nur näherungsweise die Phoneme in Grapheme umzusetzen sind, und wie Kommasetzung etc. funktionieren. Letztlich zieht sich diese Mutter einen funktionalen Analphabeten heran, meinen Glückwunsch dazu. Bild

Ipsissimus
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Mi 12. Jan 2011, 12:26 - Beitrag #6

dass eine Handschrift auch eine Druckschrift sein kann, davon war ich bisher wie selbstverständlich ausgegangen, vor allem, weil meine eigene Handschrift mittlerweile eine Mischform aus beidem ist^^ und ja, ich stimme zu, dass nicht die konkrete Form einer Schreibschrift entscheidend ist, und geschriebene Druckschrift oft die besseren Resultate hinsichtlich Lesbarkeit liefert; allerdings halte ich es für unerlässlich, auf die Konsistenz einer individuellen Handschrift hinzuarbeiten.

Letztlich zieht sich diese Mutter einen funktionalen Analphabeten heran, meinen Glückwunsch dazu.
mein Glückwunsch zu dieser Formulierung^^ das trifft genau meine Befürchtungen^^

e-noon
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Mi 12. Jan 2011, 13:34 - Beitrag #7

Es ist, um die Aussage zu schärfen, meine Auffassung, dass das formale Einpauken von Buchstaben und Worten, schließlich das handschriftliche Diktat und später der handschriftliche Aufsatz unumgängliche Voraussetzungen für angemessenes, qualitativ hochwertiges Denken darstellen. Diesen Prozess wegfallen zu lassen ist so, als würde an einen Deutschen die Aufforderung ergehen, einen japanischen Text zu lesen und auf Japanisch zu kommentieren, ohne sich jemals mit Kanji, Hiragana und Katakana beschäftigt zu haben. Es geht schlichtweg nicht.
Dem kann ich voll und ganz zustimmen. Selbst Schönschrift (was ja meist unter dem Aspekt der Lesbarkeit bewertet wird, also nicht zu klein/krakelig/ungleichmäßig) zu üben kann sinnvoll sein, das sehe ich an meinem Bruder, der eine unglaublich kleine und krakelige Handschrift hat und dafür auch jetzt noch von seinen Lehrern kritisiert wird, weil sie es einfach nicht lesen können. Mit der Hand in angemessenem Tempo gut lesbar schreiben zu können, wird noch für die nächsten... mindestens 100 Jahre von Bedeutung sein. Und auch darüber hinaus wird es weiterhin Liebhaber des Schreibens von Hand geben, zu denen auch ich mich zähle.

Welche Vorteile hat das Schreiben von Hand?
- Zunächst einmal wird die Hand-Auge-Koordination in hohem Maße geschärft, viel mehr als beim Tippen auf der Maschine
- Durch die Wiederholung wird sowohl das Lesen eingeübt als auch das Erkennen von der bekannten Druckschrift abweichender Schrifttypen
- Durch die Wiederholung wird der Prozess automatisiert, unabdingbare Voraussetzung für flüssiges Schreiben und auch Lesen, wie Ipsi schon sagte
- Es sind deutlich mehr Datenträger und Eingabemodule vorhanden, soll heißen, Stift und Papier sind nicht einmal eine Voraussetzung, auch Tafel und Kreide, Whiteboard und Filzstift, Poster und Wachsmalstifte, Steinplatte und Meißel, Straße und Kreide, zufällig gefundener glatter Stein plus zufällig gefundener roter Schreibstein sowie eigentlich die meisten weichen Oberflächen, Holz (-tische), Wände, Ton und Wachs eignen sich zum draufschreiben. Wenn also mal kein elektronisches Gerät vorhanden ist, oder dieses ausgeschaltet ist, oder man auf dieses aus sozialen oder technischen Zwängen (man sitzt im Flieger, die Batterie ist leer, der Computer ist abgestürzt) nicht zugreifen kann, wird man wieder auf seine eigene Schreibfähigkeit zurückgeworfen.
- (Liebes-) briefe, von Hand geschrieben und auf schönem Papier, sind etwas ganz anderes als computergeschriebene (ausgedruckte) Briefe oder e-mails.
- Per Hand schreiben ist schön... mir zumindest bereitet es Vergnügen, mit der Hand zu schreiben, und ich kann andere Dinge schreiben, die mir oft nicht in den Sinn kommen oder aussortiert werden, wenn ich sofort die korrekte PC-Variante davon zu sehen bekomme, wenn ich es eintippe
- Ein nicht unerheblicher Anteil der (meinen) "beruflichen" Kommunikation spielt sich per Handschrift ab, insbesondere Klausuren, auszufüllende Anträge, und, was sicherlich meiner freien Entscheidung geschuldet ist, Erstfassungen meiner größeren schriftlichen Arbeiten.

Von vielen Menschen, die gerne Geschichten schreiben, weiß ich auch, dass per Hand schreiben häufig mehr oder anders inspiriert, als das mit dem Computer geschieht. Mit dem Computer werden die Sätze meist von vornherein besser, weil man dauernd noch korrigiert, wenn man einen Fehler sieht; auf dem Papier finden sich mehr Ideen ein.

Dass die Autorin des Buches ihre Bücher rein mit "Microsoft" schreibt, könnte vielleicht deren Qualität erklären :D Zum Artikel kann man sonst nicht viel sagen, außer: Der eigentliche Kritikpunkt sollte die Maschinenauswertung von Grundschülertests sein und das pedantische Beharren auf dem G, nicht das Schreiben an sich. Lykurgs Aussage zum vermutlichen Analphabetentum des Kleinen ist vermutlich zutreffend.

Eine zitierwürdige Stelle habe ich natürlich auch noch gefunden:

Ist eine schöne Schrift ein Hinweis auf Intelligenz? Nein, nicht mehr als sie die Religiosität einer Person offenbart.

Hach... :D

Milena
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Mi 12. Jan 2011, 13:41 - Beitrag #8

....dazu fiel mir spontan ein, dass mir von hand schreiben äusserst schwer fällt..nicht dass ich es nicht wollte oder könnte, ich wurde als kind von links auf die rechte hand gezwungen bzw umgeschult...und bis
heute verkraftet das mein gehirn nicht besonders...zumal ich das von handschreiben bis heute sehr ungerne tue, da ich meist selbst nicht mehr lesen kann, was ich geschrieben habe, da einfach zu unleserlich....
selbst beim unterschreiben, stockt die rechte hand und ich merke unwillkürlich die blockade vom gehirn ausgehend.....
aber vielleicht war das alles jetzt zu ot..Bild...

Ipsissimus
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Mi 12. Jan 2011, 13:58 - Beitrag #9

Schätzle, das ist bei dir aber wirklich Folge dieser unsäglichen Umstellung, vielleicht ist "Umzwingung" der bessere Ausdruck (und dafür kann ich große Teile deiner Handschrift immer noch erstaunlich gut lesen^^) Grundsätzlich ist so ein Phänomen ein weiterer Hinweis auf das komplexe Zusammenspiel zwischen Hand und Gehirn, und auf die Entwicklung und Ausbildung einer Handschrift zu verzichten, hieße damit, auf Teile der Entwicklung des Gehirns zu verzichten (und das ist bei dir wahrhaftig nicht der Fall). Das entspricht auch dem, worauf e-noon mit
Zunächst einmal wird die Hand-Auge-Koordination in hohem Maße geschärft, viel mehr als beim Tippen auf der Maschine
hinweist

Traitor
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Mi 12. Jan 2011, 14:23 - Beitrag #10

@Lykurg: Ah, amerikanische Übersetzung. Daran hatte ich wegen des College auch kurz gedacht, dann aber beschlossen, dass das wohl auf die Französische Schweiz zurückgeht. :rolleyes:

Ob Schreibschrift oder Druckschrift lesbarer ist, hängt schon sehr von der Person ab. Keine Ahnung, ob es da Statistiken gibt, welche öfter ordentlicher ist. Bei mir sind beide in etwa gleich schlimm, wobei es bei der Druckschrift zumindest einfacher ist, für besondere Anlässe wieder mehr Sauberkeit reinzubringen.

@Ipsi: Eigentlich stimme ich dir zu, dass es kaum vorzustellen ist, die Schrift wirklich intuitiv zu erlernen, ohne sie per Hand zu schreiben. Ich habe dennoch eine vorsichtigere Formulierung als du gewählt, weil ich aus dem Artikel noch die vernünftigste Aussage die finde, dass man immer erst im Nachhinein sieht, ob eine neue Methode nicht vielleicht doch äquivalent ist.
Vielleicht könnte man also mit einem rein computergestützten Lernprogramm, das einen erst die Buchstabenformen rein rezipierend pauken lässt, und einem dann mehr oder weniger konventionell Wörter, Sätze und Texte beibringt, doch genausogut lernen. ("rein computergestützt" im Sinne von Tastatur und Bildschirm statt Stift und Papier, nicht als Ersatz von Lehrpersonal)
Aber ich bezweifle doch stark, dass das der Fall sein wird, dazu ist mir eben die Korrelation aus dem Aufbau unserer Schrift und dem Handschreiben zu groß. (Bei den komplizierten asiatischen Schriften, deren Zeichen sich ohne Nachzeichnen kaum auch nur erkennen lassen, trifft das natürlich noch viel mehr zu.) Vielleicht wäre es die Sache ja schon wert, mal einen Versuch damit zu starten, wenn es nur nicht Kinder wären, denen man beim zu 90% sicheren Scheitern das weitere Leben ziemlich vermasseln würde...

Konsistenz der Handschriftart finde ich übrigens nicht so wichtig. In nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Aufzeichnungen wechsle ich auch öfters mal im laufenden Text zwischen Schreib- und Druckschrift. Und auch bei Klausuren oder Hausaufgaben habe ich früher oft den Text in Schreib-, kurze Bildbeschriftungen oder Fußnoten aber in Druckschrift verfasst.

@e-noon: Deine Aussagen zur größeren Improvisationsfreude und damit Ideenreichtum bei Handnotizen kann man nicht verallgemeinern, bei mir ist es genau andersherum. Eben weil ich am Computer besser nachkorrigieren kann, tippe ich am Computer viel eher drauflos, während ich auf Papier zwischen Satz ausdenken und Satz ausschreiben länger überlege, ob der da wirklich so stehen soll. Bei mathematischen Notizen ist es dann wieder andersherum, da ich am Computer vorher wissen muss, wie die Formel am Ende aussehen soll, auf Papier aber einfach dran rumbasteln kann.

@Milena: Händigkeitsumerziehung ist wohl eines der dunkelsten Kapitel des Schulsystems, definitiv schlimmer als Großes-G-Terror.

e-noon
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Mi 12. Jan 2011, 14:27 - Beitrag #11

@Traitor: Das kann durchaus sein, ich wollte damit auch nicht darauf hinaus, dass Handschreiben besser ist, sondern dass es anders ist. Und für mich ist anders (im Sinne von: andere Inspirations- und Formulierungsmöglichkeiten ermöglichend) eine klare Bereicherung. Ich würde ganz klar auf keines von beiden verzichten wollen und wüsste auch nicht, wie meine Entscheidung aussähe, wenn ich auf eines verzichten müsste.

Makeda
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Mi 12. Jan 2011, 16:14 - Beitrag #12

Mir fallen dazu 2 dinge ein.

Zuerst, das kleine Mädchen, was in die dritte Klasse noch mal wiederholen muss und vorher druckbucchstarben schrift erlehrnt hat und nun schreibbschrift schreiben muss und damit selbstverständlich probleme hat. Aber die Lehrein bestand dadrauf! Was ich persönlcih was hart fand und immer noch finde.

Das Andere ist, dass ich zwar gerne mit der hand schreibe, dies aber erst seit ca. 2 Jahren, seit dem ich einmal Gelstifte kennen gelernt habe bzw. mitlerweile es Füller gibt, die mit Tinte schreiben aber dessen Spitze der eines Gugelschreibers ähnlich ist. Denn ansonsten schaffe ich sogar Extremharte für Unterschriften geeignete Mienen plat zu machen. Dies liegt wohl dadran, dass ich eigentlich Beidhändig bin und mich in der Schule entscheiden musste.
Das mag mein Hirn auch heute noch nicht und auch wenn ich mit dem PC immer mal wieder schreibfehler machen, sind es mit der Hand noch viel mehr!

Wobei das schreiben abzuschaffen find ich schwierig....denn das ist ein schritt welcher zum verstehen von Texten dazu gehört. Aber viell. sollte man die gewischtigkeit, von Schönschrift außeracht lassen und evtl. nur auf lesbarkeit achten. :D

Lykurg
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Mi 12. Jan 2011, 16:44 - Beitrag #13

Ipsissimus, stimmt, ich mische auch fröhlich vor mich hin. Das sehe ich aber als erheblichen ästhetischen Nachteil, resultierend aus Unterrichtung zweier Schriftsysteme in der Grundschule und Freigabe bei deren Ende; ich denke, bei konsequenter Durchführung eines Systems wäre das Ergebnis besser.

Milena, das kenne ich aus meiner Familie auch in mehreren Fällen (eigenartigerweise traf es immer Frauen) - diese Umerziehung ist wirklich eine böse Geschichte. Zum Glück ist man da heute (meist) weiter, ändert aber nichts am Nachteil der Betroffenen. Du malst im Zweifel mit links?
Zitat von e-noon:Mit der Hand in angemessenem Tempo gut lesbar schreiben zu können, wird noch für die nächsten... mindestens 100 Jahre von Bedeutung sein. Und auch darüber hinaus wird es weiterhin Liebhaber des Schreibens von Hand geben, zu denen auch ich mich zähle.
Ja, und natürlich auch des Lesens von Handschriften, wozu ich mich zähle.^^ Aber abgesehen davon, daß Angemessenheit natürlich ein wirklich sehr dehnbarer Begriff ist, könnte ich mir gut vorstellen, daß in recht naher Zukunft schon aus ergonomischen und ökologischen Gründen das 'papierlose Klassenzimmer' kommt, in dem auch Arbeiten selbstverständlich am Rechner geschrieben werden und damit der Aspekt des Schnellschreibens entfällt. Dann würden Erstkläßler zwar noch an der Tafel und in Erstschreibheften mit der Hand schreiben müssen, der normale Weg, schnell etwas aufzuschreiben, aber über die Tastatur gehen.

Die von dir genannten grundsätzlichen Vorteile des Schreibens von Hand sehe ich auch, wenn auch teilweise Verschiebungen absehbar sind (Materialienhäufigkeit und Alltagskommunikation :rolleyes: )
Zitat von e-noon:Von vielen Menschen, die gerne Geschichten schreiben, weiß ich auch, dass per Hand schreiben häufig mehr oder anders inspiriert, als das mit dem Computer geschieht. Mit dem Computer werden die Sätze meist von vornherein besser, weil man dauernd noch korrigiert, wenn man einen Fehler sieht
Wichtiger Punkt. Es ist eine Andersartigkeit, weswegen ja auch nach wie vor Autoren aller Art beide Möglichkeiten nutzen (was kurioserweise schon mit der Einführung der Schreibmaschine begann, obwohl die natürlich noch lange nicht die Korrekturmöglichkeiten des Computers bot). Computerschreiben führt zu strukturell anderen Texten, begünstigt Formen des Zitats (nicht nur à la Hegemann^^) und beschleunigt wohl generell die Produktionsabläufe auch beim Schreiber, was zu Lasten der Qualität gehen kann.

Traitor, deine Hinweise auf Zeichenentstehung (insbesondere zu asiatischen Schriften) finde ich nachvollziehbar und wichtig. Ich halte rein rezeptives Lernen dieser Grundkompetenz allerdings für weniger effizient als eigenes Schreiben; für mein Empfinden sollte man, wenn die Entwicklung zum papierlosen Klassenzimmer kommt wie von mir beschrieben, unbedingt als Ausgleichsmaßnahme Kalligraphie treiben. Eventuell würde daraus ein erheblicher kultureller Wandel resultieren...

Die von dir beschriebene Mischung der Schriften betreibe ich übrigens auch, wenn auch weniger konsequent. Eine echte Schreibschrift benutze ich im Alltag nicht mehr, meine Druckschrift wird dafür immer stärker verschliffen, je schneller ich schreibe; Überschriften und hervorzuhebende Begriffe erscheinen dann wieder in sauberer Druckschrift.

Makeda, stimmt natürlich, neue Schreibgeräte führen ebenfalls zur Veränderung der Handschrift - sowohl persönlich als auch allgemein. Wenn ich meinen Füller zur Hand nehme (etwa alle drei oder vier Jahre?) kommt auch die Schreibschrift wieder. -
So, und jetzt bin ich geistig eingestimmt auf mein Handschriftenseminar. ;)

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Mi 12. Jan 2011, 16:49 - Beitrag #14

Traitor, deine Hinweise auf Zeichenentstehung (insbesondere zu asiatischen Schriften) finde ich nachvollziehbar und wichtig. Ich halte rein rezeptives Lernen dieser Grundkompetenz allerdings für weniger effizient als eigenes Schreiben;
Genau das sagte Traitor doch auch, wenn ich das richtig verstanden habe.

Bezüglich des Mischens kann ich noch beitragen, dass viele mir bekannte Italiener noch sehr häufig Druck-großbuchstaben benutzen, was mir aus Deutschland eher nicht bekannt ist, wenn, dann in computerisierter Form, nicht in handschriftlicher.

Lykurg
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Mi 12. Jan 2011, 17:06 - Beitrag #15

Richtig, natürlich, so sagt er. Irgendwie ist mein Gedankengang beim Schreiben abgerutscht; hätte ich es mit der Hand zweimal abgeschrieben, wäre das nicht passiert, dafür wäre ich noch nicht fertig. Bild

Das mit den abgetrennten Großbuchstaben ist eine Frage der erlernten Schreibschrift, eventuell hat die in Italien übliche gar keine eigenständigen Großbuchstaben, sondern übernimmt die der Druckschrift?

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Mi 12. Jan 2011, 17:20 - Beitrag #16

Ich weiß nicht, ob das die erlernte Schreibschrift ist oder ob nach Erlernen der Druckschrift-Großbuchstaben (mit denen fängt es wohl an?) einfach so wenig anderes geschrieben wurde, dass diese sich festsetzen. Ich nehme das an. Jedenfalls sehr befremdlich, ich würde nie auf die Idee kommen. Immer noch besser als ein handgeschriebener Text in Schreibschrift-Großbuchstaben, nehme ich an ^^

Ipsissimus
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Mi 12. Jan 2011, 17:24 - Beitrag #17

was haltet ihr eigentlich von Sütterlin? Kann das noch jemand schreiben? Diese Schrift wurde ja eigens entwickelt, um das Schreiben mit der Stahlfeder, dem späteren Füller, zu erleichtern.

Bild

Makeda
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Mi 12. Jan 2011, 18:12 - Beitrag #18

Wenn ich eine breite Feder nehme, dann sieht das so ähnlich aus, war so in der 8. Klasse voll in mit so einem Stift zu schreiben.

Maglor
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Mi 12. Jan 2011, 19:17 - Beitrag #19

Aufgrund der finanziellen Entwicklungen des Schulsystem wird die Schreibschrift erstmal nicht so schnell aussterben.
Was aber definitiv tot ist, ist die Kalligrafie. Ich weiß auf ganz genau, wer sie umgebracht hat. Vor fast schon 20 Jahren, war es noch üblich z. B. Schulaufsätze nochmal ins Reine abzuschreiben, eine Geduldsarbeit, die ich am Anfang noch durchhalten musste. Bis irgendwelche Lehrer auf die Idee kamen, dass sie die Reinschrift auch als Computerausdruck verlangen könnten.

Tja, und seit just dieser Zeit gibt es keine Kalligrafen mehr in Deutschland. Auch wenn die Schönschrift wahrscheinlich keinen all zu großen Einfluss auf Intelligenz hat, so ist doch irgendwie nützlich, wertvoll und vor allem auch praktisch, wenn kein EDV-Gerät zurhand ist oder sein kann. Mal ganz davon ab, dass Abschreiben anders als Strg V noch als intellektueller Prozess gelten kann.

Nach Erfindung der Schreibschrift kam das Sprechen auch nicht aus der Mode, warum sollte den Schreibschrift ausgerechnet wegen Times New Roman oder Arial weichen?

Für solch elende Einzelkinder, die die Hausaufgaben der Mutti zu Protokoll geben, sollte natürlich irgendsowas bescheutertes wie Schreibschrift für den Nitendo mit strahlend-glänzendem schnurlosem Stift eingeführt werden, oder Schiffertafeln mit Griffel oder Rohrstücke für solche von innerer Häßlichkeit strotzenden Eltern. :crazy:

e-noon
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Mi 12. Jan 2011, 19:21 - Beitrag #20

Genialer Vergleich und auch ein wirklich durchschlagkräftiges Argument :D Ich denke auch, dass das Ersetzen der Handschrift durch den Computer nicht mit einem simplen Übergang von einem Schriftsystem oder Schriftunterlage zur anderen verglichen werden kann.

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