Tendenzen von Tendenz-Krankenhäuser

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Maglor
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Do 31. Jan 2013, 23:49 - Beitrag #1

Tendenzen von Tendenz-Krankenhäuser

Auch der eiligen Fatwa des geistlichen Kurfürsten bleibt der Skandal doch in der Luft.

"Nun entbrennt eine Debatte, warum der Staat religiösen Gruppierungen wie der Church of Satan, der katholischen Kirche oder haitianischen Voodoo-Priestern den Betrieb von Krankenhäusern überhaupt zu 100 Prozent finanziert."

Die Presse hat ihre Schlagzeile tückisch ausgefeilt.
Satanisches Krankenhaus weigert sich aus religiösen Gründen, Patienten zu behandeln

Böse Zungen behaupten ja, es ginge bei der Vergabe der Siechenhäuser eigentlich nur ums Geld.

009
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Fr 1. Feb 2013, 02:21 - Beitrag #2

Es ist herrliche Satire im Postillon, der leider ernste Vorfälle zu Grunde liegen - bei der manches in der Berichterstattung an Fehlern, Übertreibungen und Beschwichtigungen auch fast nur als Satire perzipiert werden kann.
Aktueller Beitrag, um mir hier (notfalls vorerst) eine Darstellung des Gesamtkomplexes zu ersparen, vom WDR, der die erfolgte gynäkologische Weiterbildung eines schon herausgehobenen Kirchenmannes belegt.

Lykurg
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Fr 1. Feb 2013, 09:23 - Beitrag #3

Ja, Meisners Stellungnahme fand ich auch überaus spannend, hier scheint sich eine kirchliche Position schrittweise zu verschieben. Denn die Unterscheidung zwischen Pille für danach, die die Befruchtung oder die die Einnistung verhindert, ist schon ziemlich gut, und der zweite Schritt 'ja und selbstverständlich muß der Arzt dann auch über den Unterschied dazwischen informieren, also beraten dürfen!' richtiggehend raffiniert. Denn damit wird Schwangerschaftskonfliktberatung durch die Hintertür eingeführt, wäre nur die Frage, ob das auf Vergewaltigung beschränkt bleibt.

Und die satanistischen Krankenhäuser fand ich auch lustig, wobei sie es sich mit dem Quellenverweis am Schluß etwas zu leicht gemacht haben.^^

Ipsissimus
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Fr 1. Feb 2013, 11:00 - Beitrag #4

War Meisner Jesuit? Egal, höherrangige Kirchenmanager dürfen bösartig bis zum Abwinken sein, aber intellektuelle Mediokrität können sie sich nicht erlauben. Wobei ... müde abwinkend ... was heute schon als intellektuelle Hochwertigkeit gilt, in zu vielen Fällen einfach nur Bauernschläue ist, nach dem Motto Die Dummheit der Gänse wird dem Fuchs als Klugheit angerechnet

Lykurg
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Fr 1. Feb 2013, 11:08 - Beitrag #5

Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, daß ein PR-Berater oder entsprechend besorgte Kreise innerhalb der Kirche auf den Ansehensverlust hingewiesen haben, der aus der Geschichte entstanden ist/entstehen könnte, und Meisner selbst (oder sonstwer) auf die Experten zugegangen ist mit der Bitte "könnt ihr uns einen Ausweg präsentieren, der halbwegs unser Gesicht wahrt?" - mit diesem Ergebnis.

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Fr 1. Feb 2013, 15:05 - Beitrag #6

Möglicherweise hat schlicht die öffentliche Empörung auch dafür gesorgt, dass Meissner offener für die Worte seiner Berater und christlicher Ärzte wurde, die die Unterschiede der Pillen danach und die damit verbundene unterschiedliche Statthaftigkeit für gute Katholiken doch schon vorher erkannt haben sollten.

Maglor
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Fr 1. Feb 2013, 19:23 - Beitrag #7

Meisner vertritt nicht die Position der Kirche, sondern seine eigene als Erzbischof. Eine Verbindlichkeit der Fatwa über das Bistum hinaus ist nicht gegeben.

Zu Bedenken ist auch, dass die Kirche an dieser Stelle nicht als Glaubensgemeinschaft agiert so als Investor bzw. Gesellschafter einer GmbH, die das Krankenhaus betreibt.

Das Geheimnis der kirchlichen Heuschrecke sind ganz simpel Dumping-Löhne. Es gibt keine Tarifverträge. Die Kirchen und ihre Tochterunternehmen haben so etwas nicht nötig.
Zum Ausgleich verweigern sie Ungläubigen und anderen Heiden die Anstellung und wundern sich dann über Fachkräftemangel im Gesundheitswesen.

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Fr 1. Feb 2013, 22:46 - Beitrag #8

Aktuell tonmedial verbreiteten Neuigkeiten entnehme ich, dass zumindest in ganz NRW man schleunigst sich der Meissnerschen Linie anzupassen gedenkt.

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Sa 2. Feb 2013, 22:54 - Beitrag #9

Einen recht interessanten Kommentar zu Meissners Umschwung entnehme ich der SZ mit u.a.:
Zunächst einmal hat Joachim Meisner etwas sehr Respektables getan: Er hat sich informiert und dann seine Meinung geändert, er hat den Druck von den Beschäftigten der Krankenhäuser genommen. Er hat eingesehen, dass es weder Gott noch den Menschen dient, Prinzipien in unbarmherziger Scholastik durchzudeklinieren wie ein mittelmäßig schlechter Schüler des Heiligen Thomas von Aquin. Schaut man sich aber genauer an, was der Kardinal sagt, offenbart sich erneut das argumentative Elend der katholischen Sexualmoral.

Medizinischer Fortschritt näherte sich katholischer Lehre

Denn von seinen Prinzipien ist Meisner ja gar nicht abgerückt: Für ihn ist und bleibt es eine Abtreibung, wenn eine befruchtete Eizelle daran gehindert wird, sich in der Gebärmutter einzunisten (für den deutschen Gesetzgeber beginnt eine Schwangerschaft übrigens erst bei der Einnistung). Meisner hat jetzt gelernt, dass die neueste Generation der "Pille danach" lediglich die Befruchtung verhindert - anders als früher, wo sie auch die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle in der Gebärmutter verhindern konnte.

Es hat sich also in diesem Fall der medizinische Fortschritt aufs schönste der katholischen Lehre genähert. Da fällt es Meisner einigermaßen leicht zu sagen: Im Extremfall einer Vergewaltigung ist ein künstliches Verhütungsmittel vertretbar.

Maglor
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So 3. Feb 2013, 11:39 - Beitrag #10

Die autokratische Linie funktioniert doch wunderbar. Wenn der Autokrat seine Meinung zur "Pille danach" ändert, muss auch das Gesinde und Gefolge eine Kehrtwende machen.

Der eigentliche Skandal ist jedoch nicht, dass das Erzbistum diese Pille bislang verteufelte, sondern eben, dass das Vergewaltigungsopfer eben an zwei Krankenhäusern in vorauseilendem Gehorsam fortgeschickt wurde.

Es bleibt dann nur zu hoffen, dass dort nie ein Vergewaltigungsopfer anklopft, bei dem die Eizelle bereits befruchtet ist. Hier müsste dann natürlich eine andere Pille eingesetzt werden. Nach derzeitiger Fatwa müsste diese Frau ja wieder fortgeschickt werden.

PR-mäßig ist aber anscheinend gelungen, die Fatwa des Kurfürsten als Modernisierung und Fortschritt zu verkaufen. Die Kirche hat also doch dazu gelernt. ;)

Für die weitere Entwicklung im Gesundheitswesen würde ich mich dann für die Etablierung satanischer Krankenhäuser ausprechen. Bei Wegfall der Behandlung werden sicherlich viele Kosten eingespart. :crazy:

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So 3. Feb 2013, 13:26 - Beitrag #11

Was hier im Thread noch nicht ganz klar war, ist der folgende Sachverhalt, der mir nach diversen Presseberichten und auch dem Verhalten der Staatsanwaltschaft unstreitig scheint: das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer befand sich zum Zeitpunkt der Anfrage an die beiden Krankenhäüser in der sogenannten Notdienstpraxis an einem der Krankenhäuser. Dort ist räumlich für den angrenzenden Bereich der ärztliche Bereitschaftsdienst organsisiert und angesiedelt, sprich da erreicht man Ärzte, wenn der Hausarzt oder ein anderer nicht greifbar ist, man aber nicht als Notfall fürs Krankenhaus qualifiziert ist (oder sich nicht dafür hält).
Es gelang der Allgemeinärztin dieser Notdienstpraxis (fälschlicherweise wurde in vielen Medien von Notärztin berichtet, was sachlich falsch ist) dann nicht, die Dame, die von ihr schon untersucht und mit ienem Rezeot für die Pille danach ausgestattet war (welche Version wurde nicht berichtet), zur weiteren Untersuchung in eines der katholischen Krankenhäuser zu überweisen. Diese lehnten, wie zumindest der Chef im WDR für mich nachvollziehbar glaubwürdig darlegte ab, weil sie nicht mehr im Arbeitskreis anonymer Spurensicherung (oder so ähnlich) aktiv seien und daher nicht wirklich gerichtsfest irgendwelche Spuren dokumentieren könnten.
Weil das mutmaßliche Opfer bereits in medizinischen Händen war und offenbar auch irgendeine Spurensicherung stattgefunden hat konnte die Staatsanwaltschaft beim besten Willen die Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistung und Strafvereitelung nur unmittelbar wieder einstellen.

Was wohl leider viel zu unbekannt ist (wenn man es nicht von befreundeten Juristen nach einer Besichtigung der Gerichtsmedizin erfährt oder von Domian, der offenbar mit dem Leiter der Kölner Gerichtsmedizin befreundet ist): Opfer möglicher Vergewaltigungen können sich jederzeit an die wohl auch prinzipiell immer dienstbereite Gerichtsmedizin wenden. Dort ist man in der Lage, die Spuren gerichtsverwertbar zu dokumentieren und zwar so, das zunäöchst nur dokumentiert wird und die Ergebnisse dann eingelagert werden. Erst wenn das mutmaßliche Opfer sich zur Anzeige entscheidet werden die Ergebnisse dann freigegeben.

Warum dies offenbar auch der Kölner Polizei so geläufig nicht war (die mit dem mutmaßlichen Opfer das evangelische Krankenhaus im deutlich weiter entfernten rechtsrheinischen Kalk aufsuchten, während die Gerichstmedizin auf derselben Rheinseite wenige Autominuten von der Breitschaftspraxis liegt) ist das, was ich bis jetzt nicht verstehe.

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Do 14. Feb 2013, 00:09 - Beitrag #12

Aus einem aktuellen Interview mit Kardinal Meisner wird deutlich, dass die veränderte Haltung bzgl. mancher Pille danach offenbar als kirchenweit gültig (wohl mindestens bis 28.2. 20.00....) angesehen werden kann:
Wusste der Papst eigentlich von der Revision Ihrer Position zur „Pille danach“, die Sie nach einer Vergewaltigung nun für ethisch vertretbar erklärt haben? Meine Erklärung war mit der Glaubenskongregation und der Päpstlichen Akademie für das Leben abgestimmt. Ich habe auch mit dem Sekretär des Papstes, Erzbischof Gänswein, darüber gesprochen. Er hat mir gesagt: „Der Papst weiß Bescheid. Es ist alles in Ordnung.“

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Fr 22. Feb 2013, 03:17 - Beitrag #13

Die obigen Aussagen hat Meisner offensichtlich etwas "lax" formuliert, wie dieser Beitrag der SZ zeigt:
In Trier ging es auch um die Frage, mit welchen vatikanischen Stellen Meisner seinen Kurs abgestimmt hatte. Presseberichte, wonach er die Zustimmung des Papstes eingeholt habe, korrigierte Meisner. In der Erklärung der Bischofskonferenz heißt es nun, der Kardinal habe seine Stellungnahme vom 31. Januar 2012 "im Benehmen mit der Kongregation für die Glaubenslehre und der Päpstlichen Akademie für das Leben" abgegeben.

Die Pressemeldungen über eine angebliche Zustimmung des Papstes hatten wiederum ein inoffizielles Dementi von Papstsekretär Georg Gänswein ausgelöst, das in konservativen Kirchenkreisen heftig diskutiert wurde.


Ein weiterer Beitrag der SZ zeigt, dass die eine Art der Pille danach nun bundesweit erlaubt ist:
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für die katholische Kirche: Die deutschen Bischöfe haben entschieden, die "Pille danach" für Vergewaltigungsopfer zu erlauben. Damit räumt die Kirche erstmals ein, dass eine Befruchtung der Eizelle nicht immer dem Leben dient. So sollte die Debatte weitergehen.

Dies führt dann wie im Artikel dargelegt auch zu weiteren Fragen:
Und doch könnte aus dieser Entscheidung ein großer Schritt für die katholische Kirche werden - wenn sie sich dem Grundsätzlichen stellt: Sie hat hier akzeptiert, dass es Grauzonen gibt, dass es eben nicht immer dem Leben dient, wenn Ei- und Samenzelle verschmelzen können. Wie ist das bei einer Vergewaltigung in der Ehe? Bei der möglichen Schwangerschaft einer verzweifelten 17-Jährigen? Die Debatte sollte weitergehen.


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