Schöffenpflicht und Lotto

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Lykurg
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Mo 4. Mär 2013, 11:01 - Beitrag #1

Schöffenpflicht und Lotto

Statistisch geschieht hier merkwürdiges - meine Freundin bekam letzte Woche einen Brief, daß sie zur möglichen Schöffin bestallt wird - es gebe nicht genug Freiwillige, daher wird anhand der Meldedaten ausgelost und zwangsverpflichtet; 8.000 Leute aus unserem Bezirk (ca. 400.000 Einwohner). Man steht dann für fünf Jahre auf einer Auswahlliste, deren Mitglieder als Schöffe herangezogen werden können, jährlich zu bis zu 24 'Sitzungen' (ggf. jeweils mehrere Tage) gegen eine sehr geringe Aufwandsentschädigung und Fahrtkostenerstattung.

Sie hat aber absolut keine Zeit dazu - als freischaffender Künstler ist das auch eine ziemliche Katastrophe, weil dafür Auftritte abzusagen beruflich fatale Folgen hat. Ein fester Arbeitgeber dürfte einen deswegen nicht entlassen, dagegen ist aber naheliegend, daß man keine Konzertengagements mehr bekommt, wenn man eines spontan absagen mußte (und es gibt dann noch Regreßpflichten, von denen man auch nicht freigestellt wird).

Die Verdienstregelung ist ebenfalls äußerst gering, ein Bruchteil von dem, was sie für Auftritte bekommt. Offenbar geht die Behörde von ersetzbaren Fließbandarbeitern mit Niedriglohn aus und nicht von seltenen (Solo-)Auftritten mit hohem Verdienst, wo dann aber jeder Ausfall von einer Stunde im falschen Moment kritisch ist, darüber hinaus niemand 1:1 zu ersetzen ist...

Jedenfalls versucht sie jetzt Erklärungen von Bekannten im Berufsfeld einzuholen, die besagen, daß sie das aus wirtschaftlichen Gründen nicht machen kann. (Auf dem offiziellen Antwortbogen ist dieser Absagegrund gar nicht genannt, ausgenommen sind nur Ärzte, Apotheker und Krankenhauspersonal, außerdem Leute, die ihre Angehörigen pflegen oder ihre Familie ernähren müssen - man selbst zählt offenbar nicht.) - Sie fragte dafür sieben Leute. Dabei stellte sie fest, daß zwei Bekannte von ihr, beide ebenfalls Musiker, ebenfalls ausgelost wurden! Die Wahrscheinlichkeit davon dürfte horrend niedrig sein, und wir fragen uns, was für ein Auswahlverfahren tatsächlich dahintersteht.

Übrigens wäre das auch rechtlich ziemlich problematisch, angenommen, sie kämen im selben Verfahren zum Einsatz (angesichts der bisherigen Wahrscheinlichkeit wäre ich nur milde überrascht^^): Wenn die beiden Schöffen sich einig sind, überstimmen sie damit im Urteil rechtsverbindlich den Richter. Sollte also tatsächlich hier in der Auswahl gemauschelt werden, können dabei interessante Effekte herauskommen...

Traitor
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Mo 4. Mär 2013, 12:13 - Beitrag #2

Niedrige Wahrscheinlichkeit bedeutet natürlich noch lange keine versteckte Systematik. Was würdest du dir als Mauschelmotiv bzw. -methodik vorstellen? Dass beispielsweise Mitarbeit der öffentlichen Hand von vornherein aussortiert werden, um ihre Arbeitskraft nicht zu reduzieren, und große Firmen sich selbige Vorzugsbehandlung auch erkaufen können, sodass am Ende nur Freiberufler, Arbeitslose und Angestellte kleiner Firmen übrig bleiben, die Wahrscheinlichkeit für 3 Musiker somit steigt?

Ist "Familie" explizit als "Angehörige" definiert, oder kann man hoffen, mit Eigenernährung davonzukommen?

Von den hier genannten Kriterien ließen sich bei hinreichender Verzweiflung vielleicht noch ein paar diserfüllen... ;)
-(nomineller) Umzug in eine andere Gemeinde (sofern nicht als Fluchtdelikt verboten)
-demonstrative Widerlegung der „besonderen Verfassungstreue“ (sofern nie eine Beamtenlaufbahn angestrebt wird)
-Gründung einer Religionsgemeinschaft (hattet ihr für die GEZ doch eh schon vor)
-Gründung einer Familie (Religion geht im Zweifel schneller)

Ansonsten finde ich vor allem die geforderte Sitzungsanzahl ganz schön heftig. Klar, dass sie nicht nochmal doppelt so viele Leute anlernen wollen, aber trotzdem ist das kein zumutbares Maß.

Lykurg
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Mo 4. Mär 2013, 13:18 - Beitrag #3

Zweifellos sind die ohnehin wertvolleren Beamten für den Staat deutlich teurer, schließlich bekommen die nicht die auf 20-25€ gedeckelten Sätze, sondern ihr vollen Beamtenbezüge für dieselbe Tätigkeit; Vermeidung läge insofern nahe. Verbindungen zwischen Wirtschaft und Politik gibt es allerdings bekanntlich nicht, insofern ist Bestechung seitens von Großunternehmen völlig ausgeschlossen. Ein bißchen fraglich finde ich aber auch die Ausschlußregelung für medizinische Berufe, ausdrücklich ausgenommen sind z.B. auch Zahnärzte sowie Apotheker ohne Angestellte. In meinen Augen wäre ein Einzelhändler ohne Angestellte, der deswegen ständig sein Geschäft schließen muß, mindestens so sehr vom Ruin bedroht... Er gilt nur nicht als gesellschaftlich notwendig, scheints.

Familie dürfte grundsätzlich mehr als eine Person meinen. Selbst unsere Katzen würden das Kriterium nicht erfüllen, fürchte ich, obwohl sie eindeutig nicht in der Lage sind, sich selbsttätig zu ernähren (viel zu langsam^^). Die Bestimmungen gehen da aber möglicherweise auseinander, hier wird wirtschaftliche Not angeführt, in ihrem Brief nicht.
-(nomineller) Umzug in eine andere Gemeinde (sofern nicht als Fluchtdelikt verboten)
-demonstrative Widerlegung der „besonderen Verfassungstreue“ (sofern nie eine Beamtenlaufbahn angestrebt wird)
-Gründung einer Religionsgemeinschaft (hattet ihr für die GEZ doch eh schon vor)
-Gründung einer Familie (Religion geht im Zweifel schneller)
Umzug in eine andere Gemeinde wurde bereits erwogen, scheint aber nichts zu ändern, man muß dann halt anreisen. Wenn die Fahrtkosten denen zu hoch werden, berufen sie einen nicht mehr, aber das muß man erstmal erreichen.

Stimmt, die Religionsgemeinschaft, der sie dann allerdings vorstehen müßte, wäre ein Ansatz, auch hinsichtlich der GEZ. Wäre die Frage, wo man die genehmigt kriegt und ob es wirklich schneller geht als die Familiengründung, das sollte ich mit ihr unbedingt mal näher erörtern. Vielleicht muß man dafür ein Wunder vorweisen, das könnte dann auch eine Möglichkeit sein, beide Gründe zu verknüpfen? Bild

Widerlegung der Verfassungstreue wäre ein Ansatz, wobei Gewissensgründe und selbsterklärte Unfähigkeit ausdrücklich nicht ins Gewicht fallen. Übrigens werden auch schwere eigene Erkrankungen, Unzurechnungsfähigkeit etc. nirgends genannt, was das eine oder andere Urteil erklären könnte.

Tatsächlich erwog sie schon, ein Kleindelikt zu begehen, beispielsweise eine Scheibe einzuschlagen. Schließlich ist auch ein laufendes Verfahren gegen einen selbst ein Ausschlußgrund. Mein Gegenvorschlag war, falsche Selbstanzeige zu erstatten, dann schlägt man die Mühlen der Justiz mit ihren eigenen Mahlsteinen.

Hinsichtlich Wahrscheinlichkeit ging es mir weniger um die drei Musiker als darum, daß sie sich gut genug kennen - daß die erste, die sie anrief, gerade von einem anderen die Berufung erfahren hatte, den sie auch kennt, und daß der dritte, den sie anrief, selbst berufen wurde. So viele Leute kennt sie auch nicht, und daß man es dann in dem Moment von denen erfährt, die man um Hilfe fragen wollte, ist schon erstaunlich...

Traitor
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Mo 4. Mär 2013, 13:45 - Beitrag #4

Sind Beamte nicht eh schon formal ausgeschlossen? Bestechung bezweifle ich in diesem Fall weniger aus (sicherlich kontrafaktischer) Axiomatik sondern eher aus Nützlichkeits-Risiken-Abwägung. Im Gegensatz zur Erteilung von Großaufträgen oder anderen klassischen Korruptionsanlässen wäre der Vorteil für die Firmen, ein paar Angestellte ein paar Mal nicht abstellen zu müssen, zu gering gegenüber dem Schaden bei öffentlichem Bekanntwerden.

Apotheken gelten als notwendige Nahversorgung, andere Geschäfte nicht, das macht den Unterschied. Aber ja, eine grundsätzliche Ausnahme (oder zumindest ein Terminwahlzugeständnis) für Freiberufler und Selbständige ohne Angestellte wäre definitiv nötig.

Ist nur das allgemeine GVG relevant? Bestimmt gibt es doch auch noch lokale Regelungen. Einerseits müsste "Diese in § 35 GVG genannten Gründe dürfen nicht ausgedehnt werden." das verhindern, andererseits steht da ausdrücklich nur "ausgedehnt", nicht "eingeschränkt". Trotzdem sollte ein Verweis auf §35 ein realistischer Versuch sein. Vielleicht zur Briefwechselverkürzung auch vorher einmal nachfragen, ob der Briefschreiber ihn kennt und bewusst modifizierte.

Das mit der Religionsgemeinschaft hatten wir im Handschuhzusammenhang schonmal recherchiert, iirc gab es da ein 50-Personen-Kriterium. Vielleicht tut sich ja das ganze Orchester zusammen und wählt ein Triumvirat zum Vorstand? (Oder sogar gleich eine Dreifaltigkeit, oder standesgemäß doch lieber ein Trio, oder aktueller Sprachmode folgend eine Troika, die Möglichkeiten sind schier endlos.) Im GVG steht übrigens leider nichts von diesem Kriterium...

In Sachen Verfassungstreue dachte ich eher daran, einschlägige Foren zu trollen oder eine Demo des Chauvinistischen Vereins Junger V-Männer zu besuchen. ;)

Das Kleindelikt ist eine gute Idee. Kann man vielleicht sogar Selbstanzeige wegen falscher Selbstanzeige stellen...? :crazy:

Eine Manipulation der Wahrscheinlichkeiten bezogen auf den Bekanntenkreis wäre natürlich eine noch deutlich seltsamere Verschwörung als auf den Berufsstand allgemein. :para:

Lykurg
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Mo 4. Mär 2013, 17:17 - Beitrag #5

Danke für die Gesetzesverlinkung; inzwischen habe ich auch gesehen, daß sich die Hamburger Regelung ausdrücklich auf §35 GVG beruft und die Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz auch für den Betreffenden selbst ein Ablehnungsgrund ist - wovon im Anschreiben aber wohl nicht die Rede war - ich habe es aber jetzt nicht zur Hand und will nicht in ihren Papieren stöbern.

Diese Zusammenstellung des Bundesverbands ehrenamtlicher Richter nennt geistige und körperliche Gebrechen als Ausschlußgrund von Amts wegen, außerdem diverse Gruppen von Beamten, die nicht herangezogen werden, für den Großteil gilt das aber nicht (und es wäre auch leicht widersinnig, deren Besoldung gesondert festzulegen, wenn sie ohnehin ausgeschlossen wären).

Aber meinst du nicht, daß der Schutz ihrer Angestellten vor solchen Zumutungen für die Firmen ein Werbeeffekt und ein kostensenkendes Argument bei Gehaltsverhandlungen wäre?^^

Ist die Frage, ob eine unmittelbar rekursive Selbstanzeige funktionieren würde. Möglicherweise hätte man damit ein lebenslanges Verfahren am Hals, das einen immerhin vor allen Schöffenverpflichtungen schützte...

Maglor
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Mo 4. Mär 2013, 20:01 - Beitrag #6

Die Schöffenpflicht ist wohl der Vorbote einer durchaus bedrohlichen gesellschaftlichen Entwicklung. Ehrenämter werden nicht mehr besetzt. Die durchaus notwendige Arbeit muss dann durch Zwangsverpflichtete ausgeübt werden. Ähnliches könnte auch bald bei Wahlhelfer, Feuerwehrleuten oder Kommunalpolitikern geschehen, wenn keiner oder zu wenige bereit sind, das Ehrenamt freiwillig auszuüben.

Aus sicherer Quelle weiß ich, dass die meisten Schöffen tatsächlich Beamte, Staatsbedienstete oder natürlich Rentner oder hauptamtliche Hausfrauen sind. Die Gründe hierfür liegen natürlich auf der Hand.
Die Ausschluss mancher Beamtengruppen ist sicherlich mit dem alten Wahn der Gewaltenteilung begründet.

Das versuchte Vermeidungsverhalten klingt schon ekelhaft, fast schon steinbrückartig. Wenn sie schon mehr verdient - besser bekommt -, als das JVEG an Entschädigung vorsieht, nämlich mehr als 20,00 € die Stunden bzw. bis zu 200,00 € pro Tag §§ 15, 18 JVEG, kann von einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz wohl kaum die Rede sein.
Bescheidener Reichtum kann wohl kaum Ausrede, um sich vor Ehrenämtern zu drücken.
"Absolut keine Zeit" hat jeder, wobei ich in meiner Klischeevorstellung des "freischaffenden Künstlers" nicht davon Ausgehe, dass solche Auftritte unter der Woche vormittags oder nachmittags stattfinden.

Die Termine für Sitzungen eines Schöffen werden meist 1 Jahr im vorraus bestimmt. Ob tatsächlich an dem Tag eine Sitzung des Schöffengerichts stattfindet, erfährt der Schöffe meist ca. 1 Monat vorher.

Bei Selbstanzeige oder Straftat könnte man natürlich um das Schöffenamt drumherumkommen, darf dafür aber als Angeklagter an Sitzung der teilnehmen. ;)

@Hamburger Regelung
Es gibt keine Hamburger Regelung.

e-noon
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Mo 4. Mär 2013, 20:47 - Beitrag #7

@Maglor: Wenn man beispielsweise einmal im Monat einen Auftrag für 2000 Euro bekommt, auf den man sich den Rest des Monats vorbereiten muss, dann ist es schon berechtigt, zu behaupten, die 200 Euro, die man stattdessen maximal als Schöffe bekommt, wären eine massive, existenzbedrohende Einbuße. Ich jedenfalls könnte mich mit 200 Euro im Monat nicht nicht ernähren, und man möchte sich ja auch nicht wegen dieses dummen Amtes einen anderen Job suchen müssen.

Ich wusste gar nicht, dass es Schöffen gibt, und wüsste auch nicht, wozu sie gut sein sollten. Eigentlich war ich immer der Meinung, dass das deutsche Rechtssystem dem amerikanischen gerade dadurch überlegen sei, dass Profis und keine medial beeinflussten Durchschnittsmenschen Recht sprechen. Dass man dazu verpflichtet werden kann, ist auch blöd - als Student könnte man ja vermutlich ebenfalls keine Existenzgefährdung geltend machen, und trotzdem würde einen eine verpasste Klausur wahrscheinlich gehörig aus dem Takt bringen, wenn die Umstände entsprechend sind. Dafür ist die Entschädigung definitiv zu gering; und wenn es schon eine Entschädigung gibt, könnten sie doch auch gleich einen Beruf (oder eine Hartz-IV-Maßnahme?) daraus machen.

Lykurg
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Mo 4. Mär 2013, 23:25 - Beitrag #8

(@Maglor) Danke für die Darstellung, e-noon! So ähnlich ist es, wenn auch leider noch nicht ganz in dem Maßstab. ;)
Es ist sogar noch schlimmer, denn wenn du ein paar hundert Euro Gage für einen nur zweistündigen Auftritt bekommst, einen von vielleicht zweien im Monat, bekommst du dafür eine Erstattung von maximal 40€. 80€ statt x00€ ist schon ziemlich existenzbedrohend, und die x00€ werden schließlich auch noch besteuert, die Versicherungen zapfen sich davon was ab etc. Ohne Nebentätigkeiten kommt man nicht über die Runden, das Leben in der Stadt ist teuer; dementsprechend auch der Zeitmangel; Nebentätigkeit und Üben verträgt sich schon schlecht genug. - Ich könnte noch einiges mehr nennen, das ich hier kürze - unsere Lebensverhältnisse sind jedenfalls kein 'bescheidener Reichtum', oder wenn, muß ich wohl meine Maßstäbe nochmal massiv korrigieren.

Und zur Planbarkeit der Termine: Du weißt zwar zu Jahresbeginn oder zu Monatsbeginn, wann du zu Verfahren eingeteilt wirst, aber erstens weißt du nicht, ob Sitzungen vertagt werden müssen, bzw. es kommt wohl ständig vor, und zweitens werden die größeren Engagements auch deutlich mehr als ein Jahr im Voraus vereinbart. Wer erst mal richtig im Geschäft ist, ist irgendwann auf zwei bis drei Jahre im Voraus ausgebucht.
Dazu kommt dann noch die genannte Geschäftsschädigung wegen entfallender Folgeauftritte (und Empfehlungen/Kontakte/Bekanntheitsgrad). Das Fenster, in dem man sich etwas aufbauen muß, ist ähnlich wie bei Sportlern zeitlich relativ begrenzt.

e-noon, das sehe ich ähnlich; eigentlich geht es beim Schöffenwesen wohl darum, die Justiz mit Positionen aus dem Volk heraus zu 'erden' - das gibt aber zwangsläufig eine große Zufälligkeit, um so mehr, wenn der tatsächliche Herkunftsbereich der Schöffen so eingeschränkt ist wie von Maglor dargestellt. Dann kann man auch gleich Arbeitslose dazu verpflichten, die Überlegung kam uns natürlich auch; da ist der betreffende Arbeitsaufwand sogar eher als Eingliederungsmaßnahme denkbar.

Padreic
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Di 5. Mär 2013, 02:42 - Beitrag #9

Mein Vater ist (freiwilliger) Jugendschöffe. Da er weder im engeren Sinne einen festen Beruf noch Auftritte hat, fand er die Aufwandsentschädigung durchaus angemessen. Es kommt eben sehr auf die Lebenssituation an...

Wenn ich mich recht entsinne, nehmen an der Jugendstrafkammer, wo mein Vater als Schöffe tätig war, üblicherweise 3 Berufsrichter und 2 Schöffen teil (plus teilweise Ersatzschöffen, die auch am Verfahren teilnehmen müssen, falls ein Hauptschöffe ausfällt). Damit hätten in diesem Fall Berufsrichter die Mehrheit.
Dass Konzept, dass mehrere Leute eine wichtige rechtliche Entscheidung treffen, statt nur einem Berufsrichter, halte ich für sinnvoll. Schöffen dürften allein schon günstiger sein als Berufsrichter. Auch wenn der Erdungseffekt nie optimal sein wird, dürfte aber durchaus existent sein (der Erdungseffekt wäre natürlich besser, wenn man tatsächlich mehr Mitglieder der "Arbeiterschicht" als Schöffen hätte). Man sieht Sachen doch immer eine Stück weit durch die Brille seines Milieus.
Dass man nicht nur auf Freiwillige zurückgreift, halte ich im Prinzip durchaus für berechtigt (allein schon wegen der gewünschten "Erdung"). Natürlich nur wenn Gefahr für die wirtschaftliche Existenz im angemessenen Maße berücksichtigt wird und die Anzahl der Sitzungen hinreichend klein gehalten wird.

Maglor
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Di 5. Mär 2013, 22:21 - Beitrag #10

[quote="Lykurg"] e-noon, das sehe ich ähnlich]
Der eingeschänkte Herkunftsbereich der Schöffen bezieht auf einen Gerichtsbezirk, indem die Schöffen nicht zwangsverpflichtet werden, da es noch genug Freiwillige gibt, die eben aus den üblichen Ehrenamtsmilieu kommen.

Es wäre vielleicht sinnvoll Schöffen aus einem ähnlichen Milieu zu wählen, zu dem die Angeklagten zählen - z. B. aus der Drogenszene. :crazy:
Die war zwar entsprechend geerdet, erfüllen aber in der Regel nicht die gesetzlichen Voraussetzungen zur Amtsfähigkeit.

janw
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So 24. Mär 2013, 19:18 - Beitrag #11

Lykurg, grundsätzlich finde ich das Schöffensystem nicht so schlecht, es bringt tatsächlich etwas reale Lebenswirklichkeit in das sonst ziemlich amtsstubenhafte Gerichtsystem. Sicher könnte man sich mehr davon wünschen, oder fallspezifischere Abbildung der betreffenden Teilwelten, auch spezifischere Repräsentanz bestimmter Gesellschaftsgruppen - aber kein System, das nicht optimiert werden könnte.
Die Stichprobe könnte vielleicht gerade auf letzteres hindeuten, mehr Künstler zu Schöffen!

Das Problem Deiner Freundin sollte aber zu lösen sein, die wirtschaftlichen Gründe sollten eigentlich greifen. Daß sie nicht als Ausschlussgründe erwähnt wurden...Pfeffersäcke eben ;)

Du könntest Dich übrigens auch selbst zur Verfügung stellen. So schlecht ist die Entschädigung nun auch nicht, und es gibt interessante Einblicke hinter die Zeitungsmeldungen.

@e-noon: Vom amerikanischen Jury-System ist das Schöffenwesen weit entfernt, die Urteile werden von allen Richtern gemeinsam beschlossen, nicht ausschließlich und praktisch unüberprüfbar von einem Laiengremium.
Das Jury-System agiert meines Wissens auch einzelfallbezogen, während Schöffen während ihrer Amntszeit für verschiedene Fälle herangezogen werden können.


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