New Historicism

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janw
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So 22. Dez 2013, 19:30 - Beitrag #1

New Historicism

Ich bin auf eine offensichtlich neuere Strömung der historischen Textrezeption in usa gestoßen, die sich New Historicism nennt und versucht, den betrachteten Text in seinem zeitgenössischen kulturellen und kontextuellen Umfeld zu betrachten und dies in die Deutung einzubeziehen. Im Gegensatz zu den Strömungen des Strukturalismus, die den jeweiligen Text als gewissermaßen autonom nach internen strukturellen Eigenheiten zu deuten und anderer Strömungen, die immerhin Texte noch in den Werkskontext des Autors eingeordnet und untersucht haben.

Ist dies nun eine neue, weltbewegende methodische Innovation, oder ein anderer Begriff für die ja schon länger etablierte historisch-kritische Lesart?

blobbfish
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So 22. Dez 2013, 20:07 - Beitrag #2

Zitat von Don Juan:den betrachteten Text in seinem zeitgenössischen kulturellen und kontextuellen Umfeld zu betrachten und dies in die Deutung einzubeziehen.


Es ist schlichtweg gar nicht anders möglich, als das zu tun. Die Sache ist ja, dass das Ergebnis eines Aufsatzes an Prämissen und Folgerungen hängt, die gilt es zu verstehen, um a) den Inhalt des Aufsatzes in einen uns gewohnten Formalismus zu übersetzen und b) zu verstehen was passiert und c) schlussendlich zu sagen: Korrekt, falsch aber kohärent oder falsch.

Ipsissimus
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So 22. Dez 2013, 21:05 - Beitrag #3

m.E. ist das nichts anderes als die historisch-kritische Methode, etwas stärker auf die Gegenwart fokussiert. Im Prinzip nichts anderes, als das, was jeder Soziologe macht.

Lykurg
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Mo 23. Dez 2013, 01:12 - Beitrag #4

Sehe ich ähnlich, vor allem ein neues Etikett. Mit der New Philology hat man es ähnlich gemacht, gute alte Prinzipien - die einzig richtigen ;) - wiederentdeckt und das mit einem Fremdsprachnamen angehübscht. Die Methode ist mir sympathisch, der Begriff eher unnötig.

janw
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Mo 23. Dez 2013, 01:40 - Beitrag #5

Zitat von Don pesco:Es ist schlichtweg gar nicht anders möglich, als das zu tun. Die Sache ist ja, dass das Ergebnis eines Aufsatzes an Prämissen und Folgerungen hängt, die gilt es zu verstehen, um a) den Inhalt des Aufsatzes in einen uns gewohnten Formalismus zu übersetzen und b) zu verstehen was passiert und c) schlussendlich zu sagen: Korrekt, falsch aber kohärent oder falsch.

Im Anfang war Gedanke, und Gedanke war bei Autor, und Autor formte Wort und brachte Tinte auf Papier.

In Sinne von Adorno und anderen ist Text ein Einsiedler, der in einer Höhle sein Dasein fristet. Alles, was zu erfahren ist, sind seine Worte, die Höhle bildet seinen Hintergrund, über dessen Enge und Dunkelheit er klagen mag, wie die Außenwelt ihn achten oder mißachten mag.
Nicht aber bedingt ihn nach dieser Sicht die Höhle, beeinflusst sie ihn, tritt er mit ihr in Wechselwirkung, und nicht die Außenwelt.

Ipsissimus
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Mo 23. Dez 2013, 14:58 - Beitrag #6

nur dass wir einige tausend Jahre und einige Milliarden Texte weit vom Anfang entfernt sind und kein Autor eine Monade ist. Ein neuer Text ist ein Sublimat tausender anderer Texte, und wenn wir Glück haben, fügt er vielleicht einen originären Gedanken hinzu, wenn wir Pech haben, formuliert er nur bestehende Gedanken um oder kombiniert sie neu. Alle Autoren leben davon, dass kein Leser, kein Literaturwissenschaftler und kein Kritiker die Gesamtheit aller Texte präsent hat. Adorno spinnt an dieser Stelle^^

janw
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So 29. Dez 2013, 18:01 - Beitrag #7

Das heißt, in Adornos Gedankenwelt war es nicht vorgesehen, die Kritische Theorie in kritische Aktion umzusetzen?^^

Ich fürchte, wir müssen mal über ihn reden^^

Ipsissimus
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Di 31. Dez 2013, 14:21 - Beitrag #8

na ja, schwierig zu entscheiden. Obwohl Adorno zusammen mit Horkheimer als einer der theoretischen Vordenker und geistigen Anstifter der 69er Studentenunruhen gilt, hat er sich entsprechenden Aktivitäten gegenüber immer distanziert verhalten. Zumindest in seiner eigenen Lebensführung ist er doch eher bürgerlich geblieben.


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