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Was ist eigentlich friesisch?

BeitragVerfasst: Mi 21. Mai 2014, 21:23
von blobbfish
Friesenwitze, klar. Schade, das Büchlein habe ich wohl nicht mehr. Friesisch ist auch kräftiger Schwarztee mit Kluntje und Spritzgebäck.

Die Eisdiele meiner Wahl hatte heute Frieseneis im Angebot. Es war sehr lecker, es enthielt Mohn und Pflaumenmus.

BeitragVerfasst: Mi 21. Mai 2014, 21:43
von Ipsissimus
hmm, eine Sprache und ein Klischee?

BeitragVerfasst: Mi 21. Mai 2014, 21:48
von Maglor
... nicht zu vergessen sind friesisch herb, nordfriesisch, ostfriesisch, westfriesisch, saterfriesisch, mittelfriesisch, altfriesisch, Friesische Freiheit, Friesennerz oder einfach nur schlicht der Fries.

BeitragVerfasst: Mi 21. Mai 2014, 22:56
von Ipsissimus
was bedeutet "saterfriesisch"?

BeitragVerfasst: Mi 21. Mai 2014, 23:16
von janw
Friesisch ist, für mein Empfinden, eine Kultur und Lebenshaltung, die charakteristisch ist für die verschiedenen Frieslande. Eigen, auf uns Nichtfriesen langsamer wirkend, mit eigenen Regeln.

Saterfriesisch ist die Sprache aus dem Saterland.
Das Saterland ist die Gegend um den Küstenkanal, die ziemlich tief liegt und deshalb mal eine für Leute von außen undurchdringliche Bruchlandschaft gewesen ist, gewissermaßen der Große Graben südlich Ostfrieslands.
Heute ziemlich entwässert und von Rhododendron-Gärtnereien besiedelt.

BeitragVerfasst: Do 22. Mai 2014, 00:27
von Traitor
Linguistisch ist Friesisch sehr interessant als Übergangsform zwischen (Nieder-)Deutschem und Niederländischem. Verstehen kann ich es nicht.

Landschaftlich finde ich die friesischen Küsten eher langweilig, die Inseln haben aber was. Das Hinterland nur in den Restmooren, nicht den öden Wiesen und Feldern.

Friesische Teekultur halte ich für eher barbarisch, Mischungen mäßiger Qualität, so herb wie möglich, definitiv nicht meins.

In Maglors Liste fällt der Mangel an Südfriesen auf. Münsterländer...?

Das Saterland ist für mich eine der interessantesten Abstrusitäten deutscher Geschichte, eine "lost world" mitten in Europa...

BeitragVerfasst: Do 22. Mai 2014, 12:09
von Ipsissimus
na ja, so lost scheint deren world Wikipedia zufolge auch nicht mehr zu sein, seit 1945 hat es wohl erhebliche Zuwanderung von Nicht-Saterfriesen gegeben und die Zugänglichkeit des Gebiets scheint auch keine größeren Probleme mehr zu bereiten. Obwohl, bei maximal 2500 aktiven Sprechern kann man vielleicht doch von einem Refugium sprechen, anders als bei den Sorben, die es auf immerhin noch über 60000 Personen mit sorbischer Muttersprache bringen

aber fasziniernd, dass sich so eine kleine Gruppe doch so zäh halten kann

BeitragVerfasst: Do 22. Mai 2014, 13:09
von Traitor
Das "lost" bezog ich auch nur auf die Zeit vor 1800. Obwohl im aktuellen Wikipedia-Artikel nicht (mehr?) die Rede davon ist, dass es zwischenzeitig mal lange Zeit gar keinen Kontakt mehr zur Außenwelt hatte, was ich vor längerer Zeit mal gelesen zu haben glaube. War vermutlich übertrieben, schwer erreichbar und wenig Kontakt reicht ja auch zur Ausbildung von Eigentümlichkeiten.
Auch 60.000 Sprecher sind vermutlich nicht genug, um eine Sprache ohne gezielte Förderung am Leben zu erhalten. Dazu leben die Sorben ja viel weiträumiger verteilt, und meines Wissens ist die Sprache auch nicht sehr homogen.

BeitragVerfasst: Do 22. Mai 2014, 21:25
von Maglor
Zitat von Traitor:In Maglors Liste fällt der Mangel an Südfriesen auf.

Die Südfriesen sind genauso gestorben, genau wie die Reifriesen. ;)

Zitat von janw:Friesisch ist, für mein Empfinden, eine Kultur und Lebenshaltung, die charakteristisch ist für die verschiedenen Frieslande. Eigen, auf uns Nichtfriesen langsamer wirkend, mit eigenen Regeln.

Ein interessanter Punkt ist, dass die Friesen im frühen Mittelalter praktisch der fortschrittliche und weltläufigste Stamm des Frankenreichs waren. Sie kontrollierten den Fernhandel des Reiches bis ins Mittelmeer und unterhielten Handelsniederlassung im Rheinland und in Italien.

BeitragVerfasst: Do 22. Mai 2014, 23:17
von Traitor
Die holländischen, also West-, Friesen (die aber anscheinend nicht in Westfriesland wohnen...) legen wohl ein gewisses, wenn auch nicht sonderlich stark ausgeprägtes, Unabhängigkeitsstreben an den Tag.

"Frühes Mittelalter" im Sinne von Prä-Hanse-früh? Parallel und in Konkurrenz zu den Wikingern...?

BeitragVerfasst: Do 22. Mai 2014, 23:34
von Lykurg
"In Konkurrenz zum Frankenreich" deutet tatsächlich auf Frühes Mittelalter hin; würde auch dazu passen, daß nach der Unterwerfung der Sachsen, aber auch der Friesen durch Karl Martell und Karl den Großen vermutlich ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zunächst einmal zurückgingen.
Später dürfte dann die Hanse verbliebene friesische Konkurrenz unsystematisch ausgeschaltet haben, auch unter dem nicht ganz aus der Luft gegriffenen Vorwand der Pirateriebekämpfung (etwa die Vitalienbrüder nutzten Friesland als Rückzugsort).

BeitragVerfasst: Sa 24. Mai 2014, 12:18
von Traitor
Die Franken hatte ich irgendwie überlesen, oder alternativ sowas wie "Kaiserreich" daraus gemacht, sodass ich bei Maglors Aussage eher an 900-1200 als an 600-850, oder so, dachte. Mit der korrekten Lesart erübrigt sich die Nachfrage natürlich.

Die Italien-Kontakte klingen bei WP aber nur nach Landweg, nicht nach größeren Schiffsexpeditionen, an die ich bei Maglors Nennung erst dachte, sie aufgrund der für ihre Schiffe wohl zu langen und beschwerlichen Route aber sofort für eher unwahrscheinlich hielt.

BeitragVerfasst: So 25. Mai 2014, 10:19
von Maglor
Ich schrieb nie, dass die Friesen "in Konkurrenz zum Frankenreich" agierten. Die Blütezeit des friesischen Handels war die Karolingerzeit. In Köln, Mainz und Worms gab es regelrechte Friesensiedlungen der Händler. Neben den Friesen waren Juden und Syrer groß im Geschäft.
Zu Beachten ist hier natürlich, dass die Friesen zu jener Zeit beiderseits des Rhein siedelten und damit praktisch den Zugang den wesentlichen Zugang zur Nordsee kontrollierten. Der Schwerpunkt der Friesen war viel weiter westlich im ehemals römischen Gebiet. Man hatte sich auch ehemas römischer Siedlung mit städtischem Charakter bedient. Dort residierten im 7. Jahrhundert auch die friesischen Könige, die im heutigen Geschichtsbild von urgermanischer friesischer Freiheit quasi gar keine Rolle mehr spielen.
Bild

Zitat von Traitor:Die Italien-Kontakte klingen bei WP aber nur nach Landweg, nicht nach größeren Schiffsexpeditionen, an die ich bei Maglors Nennung erst dachte, sie aufgrund der für ihre Schiffe wohl zu langen und beschwerlichen Route aber sofort für eher unwahrscheinlich hielt.

Nach dem Aufstieg dies Islams und der Eroberung Spaniens durch die Mauren brach der Mittelmeerhandels erstmal zusammen. Der Seeweg von Nordeuropa in den Orient war versperrt. Das ist auch einer der Gründe für den Aufstieg des Ostseehandels der Wikinger, die über die großen Ströme Osteuropas und das Schwarze Meer mehr noch bis Konstaninopel vordringen konnten.

BeitragVerfasst: Mo 26. Mai 2014, 08:55
von Lykurg
Erstaunlich, daß der Weg über Newa und Wolga dann tatsächlich einfacher wurde als der über die Straße von Gibraltar. Ich hätte nicht gedacht, daß die Mauren da so mauerten.
Und Syrer! Das gängige Bild des Frühmittelalters ist anscheinend wirklich sehr lückenhaft.

BeitragVerfasst: Mo 26. Mai 2014, 09:06
von Traitor
Bis Gibraltar dürften sie gar nicht gekommen sein - ich würde eher vermuten, dass die wattenmeergewohnten Friesen schon an der Umfahrung der Bretagne oder Galiciens oder der Biskaya-Querung scheiterten.
Die Syrer überraschen mich auch nicht so, Arabien ging zur späten Karolingerzeit ja bereits in sein Goldenes Zeitalter ein (Harun al-Raschid: 763-809) und Syrien dürfte mit seinen jüdischen und christlichen Bevölkerungsanteilen der natürliche West-Verbindungsmann gewesen sein. Die alten Hafenstädte Ex-Phöniziens / Prä-Libanons dürften damals auch als syrisch gezählt worden sein, oder?

BeitragVerfasst: Mo 26. Mai 2014, 12:26
von Traitor
Was gerade bei den Europawahlergebnissen, wie alle paar Jahre bei bundesweiten Wahlen, auffällt: das (Ost-)Friesland ist rot. Oft nach dem Ruhrgebiet und einzelnen Innenstädten die röteste Gegend Deutschlands, trotz üblicher Wahrnehmung als konservatives plattes Land. Nur der Effekt der (Ex-)Werftarbeiter, oder sind dort auch Fischer und eventuell gar Bauern links?

BeitragVerfasst: Mo 26. Mai 2014, 13:31
von Lykurg
Vielleicht auch direktes Anzeichen der Richtigkeit gängiger Ansichten über ihren Realitätssinn und Urteilsvermögen? ;)

Am neuentdeckten, von mir geschätzten, da recht verkehrsarmen Weg zum Schwimmbad liegt die Kneipe "Zum Friesenjung".

BeitragVerfasst: Mo 26. Mai 2014, 22:26
von janw
Der östliche Weg führte über Weichsel, Bug und Dnepr.

BeitragVerfasst: Mo 26. Mai 2014, 22:38
von Maglor
Die Syrer im Frankenreich waren noch Überreste aus provinzialrömischer Zeit. Syrische Händler hatten sich in Gallien niedergelassen und arbeiteten nach Untergang des Imperiums einfach weiter. Es ist immer wieder von Syrern und Juden die Rede. Anders als den Juden, gelang es den Syrern nicht ihre besondere Identität über die Jahrhunderte dauerhaft zu bewahren.
Die Syrer waren Christen und handelten über die Mittelmeerhäfen Südfrankreich (also nicht um Gibraltar herum) mit dem damals noch christllichen Morgenland. Nach der islamischen Expansion stiegen die Juden zu den bedeutenderen Fernhändlern auf, da es ihnen geling zwischen islamischer und christlicher Hemisphäre zu pendeln.

BeitragVerfasst: Di 27. Mai 2014, 09:48
von Lykurg
Also ein doppelter Lapsus meinerseits^^ - aber ja, bei entsprechend weiten Wasserstrecken ist, wenn das eh über Zwischenhändler läuft, nachvollziehbar, daß es auch über Land lief, wenn die Wege so deutlich kürzer wurden.