Kein Sex vor der Ehe

Erlebnisse und Erfahrungen aus den schönsten und den traurigsten Stunden des Lebens. Träume von der perfekten Liebe und ein Kummerkasten für ihr Scheitern.
Anaeyon
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Sa 28. Apr 2012, 22:05 - Beitrag #21

In etwa. Ich bestreite keineswegs die Boshaftigkeit dahinter. Ich verstehe nur noch nicht so ganz, wie sich dieser Bruch von vielen anderen Brüchen unterscheidet, die für eine/n Jugendliche/n völlig normal sind. Vorrangig weil das in der Öffentlichkeit geschieht? Vielleicht trägt aber auch die Weigerung meines Browsers, das Video abzuspielen, dazu bei, den ernst der Lage zu erblicken ^^

Vielleicht habe ich Probleme da zu differenzieren weil ich komplett gewaltfrei (auch ohne psychische Gewalt) und ohne größere Sanktionen als mal ne Woche kein Taschengeld erzogen wurde. Und weil ich Eltern schon halber umbringen möchte, wenn ich nur höre, dass sie z.b. einer 15Jährigen nicht erlauben, bei einem Jungen zu übernachten.

janw
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Di 1. Mai 2012, 00:23 - Beitrag #22

Zitat von Anaeyon:In etwa. Ich bestreite keineswegs die Boshaftigkeit dahinter. Ich verstehe nur noch nicht so ganz, wie sich dieser Bruch von vielen anderen Brüchen unterscheidet, die für eine/n Jugendliche/n völlig normal sind. Vorrangig weil das in der Öffentlichkeit geschieht? Vielleicht trägt aber auch die Weigerung meines Browsers, das Video abzuspielen, dazu bei, den ernst der Lage zu erblicken ^^

Die anderen Brüche erfolgen in dem Maße, wie Heranwachsendes lernt, Realität von Phantasie zu unterscheiden und daß Menschen nicht so ideal miteinander umgehen, wie Kind es als Soll gelernt hat und sie bedingen/erfordern/machen möglich die Entwicklung eines eigenen Weltbildes und differenzierter Beziehungen zu den Mitmenschen.
Der Unterschied ist dabei für mich der, daß die Ausprägung und das Ergebnis dieser Vorgänge ziemlich kontingent sind, daß diese Brüche also nicht bestimmte Ergebnisse geradezu erzwingen, um freier Mensch zu werden.
Die Art und Weise, wie diese Enthaltsamkeits-Parties ablaufen, kann dagegen in meinen Augen nur zu zwei Reaktionsalternativen führen: Selbst diese Lehre für sich als doxa annehmen und damit in der community bleiben, oder sie als für sich falsch erkennen und damit mit den Eltern brechen. Das Gefühl, mit den Eltern brechen zu müssen, weil diese für eine Form von psychischer Gewaltanwendung verantwortlich sind, die jede Notwendigkeit und Angemessenheit überstiegen hat, kann ich mir nur als sehr schmerzhaft vorstellen.

Anaeyon
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Di 1. Mai 2012, 00:57 - Beitrag #23

Ok, jetzt wird mir das ein wenig klarer.

Ich kann nur nicht anders, als dir weiterhin zu widersprechen, dass diese Geschichte hier mit körperlicher Gewalt vergleichbar wäre im Ausmaß des Schadens. Ich gehe nochmal auf Eltern/Peergroup ein, weiter unten dann auf das andere, was du erwähntest: Brüche mit Eltern sind sicher öfter emotionaler als zum Beispiel Brüche mit der Gesellschaft, aber z.B. auch Brüche mit der Peergroup können extrem schmerzhaft sein.

Mit 11 vielleicht nicht so sehr wie mit 14, aber wenn ich mich zurückerinnere, wie sehr es mir jedes mal weh getan hat - und heute noch - wenn ich mich gezwungen fühlte, mich von meinem gleichaltrigen Umfeld abzugrenzen (und sie regelrecht aufzugeben), dann sehe ich darin fast einen genauso großen oder sogar größeren und unnötigen Schaden wie bei diesen Eltern. Ein paar Seiten Nietzsche und 2-3 Jahre Matrix haben es mir komplett umöglich gemacht, in einem Großteil meiner Mitschüler mehr als hirnlose Zombies zu sehen.

Meine Jugend war geprägt von dem Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Dieser Bruch war insofern unnötig, als dass er mir dadurch aufgezwungen wurde, dass andere sich weigerten, die Schwäche emotionaler Argumente zu erkennen. Was diese Wut und Ohnmacht in mir angerichtet hat, das darf ich jetzt noch ausbaden. Ich bin isolierter und introvertierter als ich gerne wäre, aber wenn ich mich öffne werde ich enttäuscht. Ich habe geradezu eine Unfähigkeit entwickelt, mich gehen zu lassen, weil das in meinem Kopf all die Hirnlosigkeit symbolisiert, die ich so hasse.

Ich hatte da auch nur zwei Möglichkeiten:
1. Hirn ausschalten
2. Isolation (weil es mir als 14-15jähriger nicht möglich war, die Entwicklung selbstzerstörerischer Abwehrmechanismen zu erkennen und zu unterbinden)

Sowohl die Geschichte mit der Jungfräulichkeit, als auch meine beinhalten aber immerhin Entscheidungsmöglichkeiten. Neben der Anpassung die Möglichkeit, sich von anderen zu distanzieren und seinen eigenen Weg zu wählen, ob dieser nun gesund ist oder nicht.

Ich habe eine Wahl getroffen, die mir zwar schadet, die mir aber durch die Wahl das Gefühl gegeben hat, dass ich mich dadurch bewusst definieren konnte und neben dem Schmerz auch vieles dazugewonnen habe. Es ist ein Stück "ich" in all dem Schmerz, nicht nur Fremdeinwirkung. Das macht es erträglicher. Destruktiv UND konstruktiv zugleich, sozusagen.

Bei körperlicher Gewalt (oder psychischer Gewalt der keine "Ansichtssache" zu Grunde liegt, von der man sich abgrenzen könnte, sich selber durch eine andere Meinung definieren könnte, wie es beim Jungfrauenthema der fall ist, bei Sadismus oder Überforderung der Eltern aber z.b. nicht) sehe ich diese Wahlmöglichkeit nicht. Ob ich es über mich ergehen lasse oder so stark wie möglich dagegen kämpfe, ich kann an der Situation nichts ändern. Ich kann mich von der Faust des betrunkenen Vaters nicht distanzieren. Wenn ich nicht glücklicherweise von Natur aus resistent bin, kann ich die Grausamkeit nur erträglicher machen, indem ich mich selber stärker zerstöre als der Täter es bereits tut. Dies empfinde ich nicht als Wahlmöglichkeit.

Also kurzgefasst:
Von Peergroup abgrenzen oder nicht: Möglichkeit auf Gewinn an Individualität/Stolz, dadurch Verarbeitung der Schmerzen und nicht in die Opferrolle gezwungen
Von Religiösen eltern abgrenzen und Versprechen brechen: Schmerzhafter, weil ein Teil davon aufgezwungen ist (das Versprechen). Aber immernoch Möglichkeit auf Individualität/Stolz
Scheinbar zusammenhanglose Gewalt: Am schlimmsten, weil komplett aufgezwungen und meist ohne jegliche Möglichkeit auf eine wenigstens partiell konstruktive, freie Entscheidung.


Allerdings ist das nur meine Vorstellung davon, wie sich körperliche Gewalt auswirkt bzw. welche Wahlmöglichkeiten man da hat. (Zudem war es bei dir eine andere Situation, als es in vielen Kinderzimmern der Fall sein dürfte. Die Freunde und Freundinnen, bei denen es Gewalt in der Familie gab, haben es allesamt als die psychisch schmerzhaftesten Dinge in ihrem Leben beschrieben, zumindest habe ich ihre Schilderungen so empfunden. Also..die Gewalt aber natürlich auch gerade die Wirkung der fehlenden "heilen Familie")

Edit: Wenn jetzt jemand sagt, dass ich hier Opfern von körperlicher Gewalt unfairer Weise die Fähigkeit abspreche, individuelle Entscheidungen zu treffen, stehe ich im Schach Matt. Mist Bild War auch stark verallgemeinert und simplifiziert..

janw
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Di 1. Mai 2012, 21:51 - Beitrag #24

Ana, der wesentliche Punkt scheint mir zu sein, daß meine Erfahrungen mit körperlicher Gewalt kein Dauerphänomen vom Typ notorisch prügelnder Elternteil, möglichst noch mit Alkoholeinfluss und vergleichbarem unter den Eltern war, sondern eben letztes Mittel, gerissener Geduldsfaden bei einer durch meine Problemlage eh schon strapazierten Geduld. Im Rahmen einer an sich sehr liebevollen, umsichtigen und toleranten Erziehung.
Sich von einer peergroup abzugrenzen, bedeutet eigentlich nur ein paar freie Abende mehr, entsprechend weniger Disco und Kneipe und möglicherweise weniger Sex. War für mich kein Problem, denn ich mochte kein Bier, die Leute waren mir zu oberflächlich, und ich hatte ein Klavier, einen Garten und am Wochenende waren wir auch öfters unterwegs.
Mich von meinen Eltern distanzieren zu müssen, weil diese mich hätten religiös indoktrinieren wollen, fände ich deutlich schmerzhafter.

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