Space Beagle

Literatur und Medien, die die Grenzen der bekannten Welt sprengen - die Zukunft der Menschheit und ihre Abenteuer in fantastischen Welten.
Traitor
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Do 4. Apr 2013, 21:51 - Beitrag #1

Space Beagle

Zum Einstieg ein Zitatezusammentrag aus 3 Threads:

Zitat von Ipsissimus, 11.11.2009, Wblig2:A.E. Van Vogt

Die Expedition der Space Beagle


Back to the roots; die vier Erzählungen, die in den späten dreißiger Jahren unter dem gemeinsamen Übertitel "Die Weltraumexpedition der Space Beagle" in der Zeitschrift "Astounding Science Fiction" erschienen, wurden vom Autor 1956 zu einem Roman zusammengefasst und dafür inhaltlich ergänzt. Es handelt sich um Urgestein des Genres; auch wenn es vor van Vogt schon Werke der Gattung "Space Opera" gab, hatte keines davon den Bekanntheitsgrad der "Space Beagle" und schon gar nicht deren Vorbildfunktion auf eine ganze Generation von Science Fiction-Schreibern erreichen können. Und noch "Alien" ist eine Verbeugung vor van Vogt; die Geschehnisse aus dem ersten Film sind praktisch nichts anderes als eine geringfügig ausgebaute und auf eine Protagonistin zugespitzte Fassung der dritten Geschichte "Albtraum in Scharlach" (original "Discord in Scarlet") - selbst die Körperform des Aliens entspricht van Vogts Schlilderung^^

Den Texten ist die Herkunft van Vogts aus dem Bereich Herz-Schmerz-Romanen deutlich anzumerken, sie sind temporeich, mit ständig wechselnder Perspektive und Betonung starker Emotionalität geschrieben. Ihre größte Stärke ist ihr überbordender Erfindungsreichtum, der sie auch heute noch beinahe modern wirken lässt - etwas besseres als einen "Anti-Akzelerationsantrieb" hat Science Fiction auch heute noch nicht zu bieten, um Millionen von Lichtjahren zurücklegen zu lassen, weder vom Konzept noch von der Bezeichnung her^^

Ihre Schwäche besteht in der rundum anthropozentrischen Perspektive, die darin angelegt ist. Van Vogt hat später, in "Die Kinder von Morgen" bewiesen, dass er das deutlich subtiler kann - in der Space Beagle ist davon nichts zu merken. Und so kommt es, dass "Coeurl", "Ixl" oder "Anabis" nicht einfach xenomorphe Lebensformen sind, sondern bösartige Wesen, die sich ihrer Bösartigkeit bewusst sind. Es ist ungefähr so, als würden wir Menschen uns anhand der Angst charakterisieren, die Schweine empfinden, wenn wir sie auf die Schlachtbank führen. Van Vogts Außerirdische (mit einer Ausnahme) weiden sich an den Qualen, die sie ihren Opfern zufügen, schwelgen in Vernichtungs- und Beherrschungsgelüsten, sie sind das klassische Böse, das versteht, was es dem Opfer antut und im Prinzip die Welt auch mit dem Moralsystem des Opfers bewertet, aber drauf pfeift, was damit über das Böse selbst ausgesagt ist.

Die eine Ausnahme sind die Rilm, eine Rasse von Vogelwesen, deren Kontaktversuche freundlich gemeint sind, aber anfänglich irrtümlicherweise als Angriff ausgelegt werden, was erst durch das entschiedene Agieren des einzigen Nexialisten an Bord erkannt wird.

Ach ja, der Nexialismus^^ eine von Van Vogts Lieblingsideen, die er in vielen seiner Romane in immer neuen Spielarten vorstellt, am Eindringlichsten wahrscheinlich in der NullA-Trilogie. Nexialismus ist noch kein NullA, aber auf dem Weg dahin. Man würde sein Anliegen heute als "interdisziplinäre Zusammenarbeit" auffassen; der Nexialismus ist demgegenüber allerdings einen Schritt weiter, als er die Wissenschaft vom interdisziplinären Austausch aller Wissenschaften ist, sein Gebiet also mit den Mitteln der Wissenschaft systematisch ausbaut. Diese "angewandte Ganzheitslehre" (eng angelehnt an Korcybskis General Semantics) war damals wohl noch eine faszinierend neue Idee.

Fazit: vergnügliches Abtauchen in die gar nicht so vergangene Frühphase moderner Science Fiction, falls nicht großartige literarische Ansprüche angelegt werden


Zitat von Ipsissimus, 12.03.2013, "Wichtige Bücher SF":A.E. van Vogt Null-A-Zyklus Kinder von Morgen

Zitat von Traitor, 12.03.2013, "Wichtige Bücher SF": Van Vogt sagt mir bisher nur für die "Space Beagle" etwas (steht auch ungelesen im Regal", ist "Null A" höher einzuschätzen?

Zitat von Ipsissimus, 13.03.2013, "Wichtige Bücher SF":Van Vogt ist meiner Meinung nach einer der großen Alten, allerdings sicher einer der mittlerweile am wenigsten Gelesenen. Seine Null-A-Trilogie (der dritte Band erschien gut 30 Jahre nach dem zweiten^^) gehört m.E. mit zum Besten, was SF überhaupt zu bieten hat, kommt heute aber wohl nicht mehr so gut an, einmal wegen der etwas antiquiert wirkenden Sprache, andererseits wegen der Thematisierung einer Art (milden Form von) intellektuellem Supermenschen. Das ist eines von van Vogts zentralen Themen, die Einsamkeit und Verlorenheit des Überwesens, das trotz erheblicher Fähigkeiten letztlich doch ein Mensch ist und erkennen muss, dass seine Fähigkeiten in der Gesellschaft letztlich nichts bedeuten, selbst wenn die Gesellschaft davon profitiert. Noch deutlicher wird das vielleicht in "Kinder von Morgen", in dem das Happy End deutlich bitter ausfällt, während NullA versöhnlich ausklingt (ohne harmoniesüchtig zu werden). Wenn man sich trotzdem drauf einlässt, findet man eine hinsichtlich Ideenreichtum, Stilistik und philosophischer Durchdringung des Stoffes herausragende SF vor, viel besser als in der "Space Beagle", die im Grunde nur eine Art Jugendsünde darstellt. Und ja, der dritte NullA-Band war notwendig^^

Zitat von Traitor, 14.03.2013, Wblig3:A.E. van Vogt - Die Expedition der >>Space Beagle<< Mal sehen, ob sich Ipsis Urteil "im Grunde nur eine Art Jugendsünde" vom Einzelwerk her bestätigt. Der Auftakt ist allerdings, von der etwas hölzernen Übersetzung abgesehen, schonmal eher positiv - erwartet hatte ich eine eher naive Space Opera, aber es gibt zumindest schonmal direkt abwechselnde Menschen-Alien-Perspektiven.

Zitat von Ipsissimus, 15.03.2013, Wblig3:mal gespannt auf deine Wertung^^ hier hatte ich die Space Beagle auch schon mal besprochen

Zitat von Traitor, 15.03.2013, Wblig3:Ach daher kam mir das mit dem Nexialismus so bekannt vor. Ein Urteil dauert noch etwas. Hast du auch die Übersetzung von Jesco von Puttkamer? Die finde ich ziemlich schwach - wie schon gesagt recht hölzerner Stil, dazu teilweise erschreckend wörtlich übernommene und somit eigentlich falsche Satzkonstruktionen.

Traitor
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Do 4. Apr 2013, 22:08 - Beitrag #2

Und nach Fertiglesen: mit der Übersetzung konnte ich mich bis zum Ende nicht anfreunden, sie blieb hölzern und einige konsequent benutzte eigenwillige bis Fehlübersetzungen ("Krisis" :o) nervten mich immer mehr. Ansonsten aber ein durchaus interessantes Buch.

Detailantworten auf Ipsis 2009er Rezension:
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  • Die Einordnung als "Space Opera" finde ich grenzwertig, damit verbinde ich eine optimistischere Einstellung, florierende Reiserouten statt einsamer Erkundungsschiffe, über gelegentliche kurze Konflikte hinausgehende Interaktionen mit Alienrassen, usw.
    Gegenüber dem
  • Gegenüber Dem Alien ist van Vogts "roter Dämon" ja noch deutlich übermächtiger, [spoiler]insbesondere mit dem durch-Wände-Gehen[/spoiler]. Die Vorbildfunktion ist aber unverkennbar, ja.
  • Die "Betonung starker Emotionalität" konnte ich so nicht wiederfinden - "Betonung der psychologischen Komponente", ja, aber die Hauptperspektive Grosvenors ist doch eine sehr sachlich-analytische.
  • Die "Anti-Beschleunigung" scheint ja nicht primär für hohe Geschwindigkeiten relevant zu sein, sondern für Manövrierfähigkeit.
  • Dass die (technische, also Erzähl-)Perspektive nicht rein anthropozentrisch ist, hatte ich ja schon kommentiert - inhaltlich ist es aber tatsächlich eine sehr starke "wir gegen die"-Zuspitzung. "bösartige Wesen, die sich ihrer Bösartigkeit bewusst sind" möchte ich aber wiederum nicht unterschreiben - die 3 genannten Wesen sind alle erstens nur halbbewusst (bzw. vollbewusst, aber ihr Bewusstsein hat keine volle Kontrolle über ihr Handeln, bzw. nichtmal Kontrolle auf Menschenmaß) und zweitens nicht bösartig, sondern im Überlebenskampf. Und drittens gibt es mehrere Stellen, an denen sich die menschliche Raumschiffbesatzung als genauso blutlüstern zeigt, insbesondere bei den Vogelwesen ein geradezu enttäuschtes "dann dürfen wir also nicht hinfliegen und sie zerbomben...?" oder so eines Offiziers.
  • Der Nexialismus hat auch gewisse Parallelen zu Asimovs Psychohistorik, nicht in den Methoden, aber in der Rolle. Seine Übermächtigkeit ist aber schon etwas albern, nimmt den Geschichten etwas Spannung und macht die Gesellschaft, in der diese Supermethodik noch nicht absolute Dominanz erlangt hat, etwas unglaubwürdig.

  • Ipsissimus
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    Fr 5. Apr 2013, 14:33 - Beitrag #3

    Die Einordnung als "Space Opera" finde ich grenzwertig ...
    ja, okay, du denkst wahrscheinlich an etwas "Star Wars"-artiges, was für mich eher schon wieder auf dem absteigenden Ast des Genres angesiedelt ist^^ wie würdest du sie statt dessen einordnen?

    Gegenüber Dem Alien ist van Vogts "roter Dämon" ja noch deutlich übermächtiger ...
    na ja, das Alien verwendet für denselben Zweck halt seine Körpersäure, mit praktisch derselben Effektivität^^ okay, Ixl ist ein bisschen eleganter^^ aber die Säure passt im Rahmen des Films besser zur Atmosphäre, es sollte ja kein Mystery-Thriller draus werden^^

    Die "Betonung starker Emotionalität" konnte ich so nicht wiederfinden
    sorry, das ist schon so lange her, ich entsinne mich nicht mehr, was genau ich da im Sinn hatte. Wobei - die Emotionen Coeurls und Ixls werden schon sehr drastisch gezeichnet, vielleicht das

    Dass die (technische, also Erzähl-)Perspektive nicht rein anthropozentrisch ist
    das stimmt natürlich, van Vogt stellt Coeurl und Ixl teilweise aus deren Innenperspektive dar. Trotzdem ist das aus meiner Sicht funktional eine anthropozentrische Perspektive, die ungefähr so funktioniert wie die Darstellung von CIA-Folterknechten in schlechten Agententhrillern^^ das Opfer kann sich nicht vorstellen, dass ihm sowas angetan werden kann, ohne dass der Folterer ein geifernder Sadist ist. Die Opferperspektive wird als Innenperspektive des Folterers dargestellt, abzüglich natürlich der expliziten moralischen Wertung, die im Tun implizit mitgedacht werden muss. Auf die Idee, dass Opfer und Folterer die Situation auf Grundlage völlig inkompatibler Bewertungskriterien einordnen, kommt das Opfer nicht, jedenfalls nicht, während es gefoltert wird, da hat das Empfinden Vorrang.

    Übrigens halte ich Coeurl und Ixl durchaus für vollbewusst und intelligent, Anabis natürlich nur bedingt. Van Vogt musste ja auf den - ein bisschen an den ideologischen Haaren herbeigezogenen - Trick zurückgreifen, beiden zivilisatorische Rückständigkeit zuzuweisen, sonst wären die Trickbetrügereien der Besatzung ja völlig unplausibel^^ Angehörige zweier raumfahrender Spezies sind im "Scholle und Boden"-Stadium hängengeblieben, na ja^^

    Seine Übermächtigkeit ist aber schon etwas albern ...
    na ja, so ganz leicht wird es Grosvenor ja nicht gemacht^^ aber sprach ich nicht von einer "Jugendsünde"?^^ Aber war der Nexialismus im Rahmen der Space Beagle nicht eine sehr junge Entwicklung, die noch längst nicht allgemein anerkannt war, so dass Grosvenors Aktionen eine Art Feuertaufe darstellten? Dann hätte die mangelnde gesellschaftliche Durchdringung eine natürliche Erklärung.

    In der NullA-Trilogie zeigt van Vogt dann ziemlich überzeugend, warum von einem derartigen System trotz Übermächtigkeit im Rahmen der individuellen Entwicklung kaum erwartet werden kann, in großem Umfang strukturell gesellschaftprägend zu wirken. Es gibt in "Welt der NullA" zunächst zwar eine NullA-Gesellschaft, auf einem einzigen Planeten, aber die bleibt galaxienweit die einzige. Und sie wird aufgelöst^^ mit gutem Grund^^

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    Fr 5. Apr 2013, 21:41 - Beitrag #4

    Tja, "Space Opera" ist einer dieser chronisch unterdefinierten Genre-Begriffe. Die deutsche WP hat nur eine sehr willkürliche Beispielliste, die englische eine ganz nett aufbereitete Begriffsgeschichte. Star Wars ist sicher auch kein tolles Beispiel, da schon die Einordnung als SF umstritten ist, Star Trek und Orion schon eher, im Buchbereich würde ich Foundation als ein Paradebeispiel sehen, obwohl die eigentlich schon wieder fast zu politisch ausgerichtet ist. Nunja, die Beagle ist für mich zu sehr auf individuelle Konfrontationen zugeschnitten, um auch nur dem groben Genreschema zu entsprechen, ist mindestens eine 50-50-Mischung mit Horror/Thriller.

    Übrigens halte ich Coeurl und Ixl durchaus für vollbewusst und intelligent, Anabis natürlich nur bedingt. Van Vogt musste ja auf den - ein bisschen an den ideologischen Haaren herbeigezogenen - Trick zurückgreifen, beiden zivilisatorische Rückständigkeit zuzuweisen, sonst wären die Trickbetrügereien der Besatzung ja völlig unplausibel^^ Angehörige zweier raumfahrender Spezies sind im "Scholle und Boden"-Stadium hängengeblieben, na ja^^
    Bei Coeurl ist die Auflösung ja, dass er nicht zur eigentlichen zivilisationsschaffenden Spezies seines Planeten gehört, sondern deren Uplift-Experimenten entspringt. Das passt recht gut mit der Kombination aus eigentlich vollbewussten geistigen Fähigkeiten, die aber immer wieder vom Instinkt hinweggespült werden, zusammen. Er ist selbstsüchtig und größenwahnsinnig, aber als böse erscheint er mir weder aus Innen- noch aus Außenperspektive.
    Ixtl wiederum ist so fremdartig, dass es tatsächlich als klassisches Böses durchgehen kann - aber eher in einem dämonischen als in einem sadistischen Wesen, per Sein statt per Wahl.
    Die Sache mit dem "Bauernstadium" fand ich auch sehr fragwürdig, furchtbar schlüssig ist diese zyklische Theorie nicht, und es wird nie ganz klar gemacht, ob sie aus nexialistischer und damit Autorenperspektive nun ernstzunehmen sei oder nicht.
    na ja, so ganz leicht wird es Grosvenor ja nicht gemacht^^ aber sprach ich nicht von einer "Jugendsünde"?^^ Aber war der Nexialismus im Rahmen der Space Beagle nicht eine sehr junge Entwicklung, die noch längst nicht allgemein anerkannt war, so dass Grosvenors Aktionen eine Art Feuertaufe darstellten? Dann hätte die mangelnde gesellschaftliche Durchdringung eine natürliche Erklärung.
    Ja, stimmt schon. Er ist noch recht jung. Und wenn man Grosvenors Entsendung als Zwischenschritt einer bewusst vorsichtigen Strategie der ominösen Stiftung interpretiert, und nicht als einsamen Erfolg großangelegter, aber ansonsten unerklärlich unerfolgreicher Öffentlichkeitsdurchdringungsbemühungen, passt das schon.
    "Übermächtig" finde ich dabei vor allem, dass er eben nicht nur genialer Interdisziplinarist ist, sondern durch die Schlaflerntechniken und so in fast jeder Einzeldisziplin besser ist als fast jeder Experte. Nexialisten führen also nicht nur Expertengremien auf eine ganz neue Ebene, sondern können sie sogar ganz überflüssig machen.

    NullA ist definitiv vorgemerkt.


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