Es gibt da übrigens auch
einen etwas weniger antiken Thread. Wenn Lykurg bereit wäre, zusammen mit Edith eine etwas umfangreichere Eröffnungsrede zu halten, würde ich diesen hier aber gerne teilen, um die doch sehr rudimentäre alte Leiche wieder zu begraben.
wieso eigentlich Lyrik für den Text statt für die Musik?
Nun, klassischerweise handelt es sich bei Lyrik um Gedichte, und die wurden in graugriechischer Vorzeit zur Lyra vorgetragen. Der Brauch verlor sich dann irgendwann, der Begriff blieb aber für die nun rein textlichen Werke. Als dann im 20. Jahrhundert verstärkt Musik-Text-Kombinationen im Populärbereich auftraten, kam im englischen Sprachraum irgendwer auf die Idee, für Liedtexte den Begriff "lyrics" zu entlehnen, anstatt einfach "song texts". Und dank Internet ist der Begriff dann auch im deutschen Sprachraum bekannt geworden, und neuerdings wird er anscheinend sogar als "Lyriken" eingedeutscht, auch wenn mir das bisher noch kaum untergekommen war.
Zum Thema: Der größte Liedtexter ist für mich ganz eindeutig Leonard Cohen, denn im Gegensatz zu den allermeisten anderen Rock-Pop-Musikern ist er nicht Musiker, der sich auch Texte schreibt, sondern Literat und Dichter, der irgendwann anfing, auch mal Musik zu machen. Und so haben seine Lieddichtungen eine ungeheure sprachliche Dichte und Klasse, die sonst kaum jemand erreicht. Metaphern und Anspielungen bis zum Abwinken, oft ein extrem tief vergrabener Sinn, aber eine ungeheure Ansprechkraft auf Emotionen und Verstand gleichermaßen.
Daneben mag ich auch die Texte von Paul Simon sehr, insbesondere während der Simon&Garfunkel-Zeit, sowie die von Bob Dylan. In gewissem Sinne gilt für sie sicher die von Ipsi angekreidete "Banalität", denn vieles wirkt tiefgründig, wurde aber letztlich in der "echten Literatur" auch schon tausendmal gesagt. Dennoch ist es höchste literarische Kunst, tiefe Aussagen schön und prägnant auszudrücken, also tut dies ihrer Leistung für mich keinen Abbruch.
Im von mir seit einiger Zeit so geliebten Progressive Rock sind die Texte leider meist deutlich sekundär hinter der Musik, ein paar kleinere Perlen gibt es aber auch dort durchaus.
Auch in anderen Sprachräumen als dem Englischen findet man natürlich begnadete Texter. Den Franzosen (bzw. Mediterraner) Georges Moustaki würde ich hinter Cohen auf die globale No. 2 setzen, wunderschöne Wortgemälde mit großem Emotionsappell und teils auch tiefen Inhalten. Im Deutschen mag ich vor allem Mey und Hannes Wader, wenn auch beide für mich zu weit von tiefen Wahrheiten entfernt sind - der eine zu schelmenhaft-locker, der andere zu ideologisch.