Zitat von Traitor:Daraus habe ich erstmal einen eigenen Thread gemacht. Genaugenommen wäre es sogar zwei wert, diesen eher technischen und einen allgemeinen "Überheblichkeit der Anhänger klassischer Musik"... ] Kampflinie pro / contra Klassik
Mir ist vollkommen klar, daß es das in Randbereichen der U-Musik wie etwa ELP mit ihren starken E-Anleihen auch gibt (ebenso natürlich die Equipment-Fetischisten); und ohnehin, daß die Unterteilung E/U genauso unscharf ist wie die meisten anderen, die man hier anzulegen versuchen kann. Hätte ich die Threaderöffnung antizipiert, hätte ich mich um einen standesgemäßeren Disclaimer bemüht.
Der stille Raum als Grundanforderung ernsthaften Musikhörens ist klar, wir wollen weder über Mp3-Player in der U-Bahn noch über Party-Hintergrundmusik reden. Die "wirklich gute Anlage" dagegen ist schonmal ein großer Streitpunkt - eine ordentliche kann man verlangen, eine abartige für tausende Euro nicht. Im mittelguten Bereich muss es möglich sein, Klassik in ordentlicher Form zu hören - und da ist jetzt eben die Frage, was ist besser, etwas reduzierte Dynamik oder massiv reduzierter Hörgenuss durch Entgehen der leisen Stellen oder Schmerzen bei den lauten? Oder anders gefragt, wenn man letzteres wie ich für inakzeptabel hält, was ist besser, gezielt nachgeregelte Dynamik oder erratisches Knöpfchendrehen, das zu völlig verhunzter Dynamik und dazu noch starker Abgelenktheit führt?
Sehe ich genauso, bin ja auch noch weit von der Abspielmöglichkeit meiner Träume entfernt. Aber ich sehe das Problem nicht in diesem Maße; ich regle eher nach, weil ich andere nicht stören will, als weil es mir unangenehm laut würde. Ein Fortissimo kann gelegentlich auch physisch empfunden werden. Mit Kopfhörern bin ich da allerdings sehr vorsichtig, weil das schwerer einzuschätzen ist (da teile ich begründetermaßen janws Besorgnis).
Von "Wegregeln" der Dynamik zu reden, ist auch eine Überspitzung, analog zu der, zu behaupten, jede Kontraständerung eines Photos würde dies sofort in Schwarz-Weiß konvertieren. Was spricht so massiv dagegen, die leisesten Stellen etwas anzuheben, die lautesten etwas abzusenken, und alles dazwischen treu (also vermutlich komplizierter als linear)?
Natürlich ist das überspitzt, aber in die Richtung geht es schon. Das übliche Programm bei "Klassik Radio" hat in diesem Sinne etwa den Kontrastumfang einer Bleistiftabpausung.
Konstantes soll dabei auf keinen Fall herauskommen, und vermutlich ist es nicht mit einem simplen Klick in einem simplen Programm getan. Professionell vom Produzenten gemacht, wie du es anscheinend auch verteufelst, bin ich aber der Ansicht, dass dies das Hörerlebnis der Mehrheit der Hörer deutlich verbessern kann.
Nein, so weit gehe ich nicht; das gehört klar zum Handwerkszeug des Tonmeisters, zu bestimmen, wie weit die dynamische Bandbreite für einen 'realistischen' Eindruck gehen soll. Er muß die Rolle übernehmen, die im Konzert die Interpreten selbst haben, nämlich beurteilen, wie stark die Klänge erzeugt werden müssen, um das Publikum ideal zu erreichen.
Und sollte der Anspruch der Klassik-"Verteidiger" wirklich sein, ein perfektes Klangerlebnis für wenige und gar keines oder nur ein deutlich beschränktes für die meisten, auch die ehrlich interessierten, zu erringen? Wer sich die Zigtausender-Anlage, die alles perfekt wiedergibt, leisten kann, kann sich auch spezielle Hochqualitäts-Aufnahmen leisten, die dann auf ihn zugeschnitten sind. (Allerdings glaube ich nicht, dass dies tatsächlich eine reine Anlagenfrage ist, denn die Raumakustik kann auch die beste Anlage nicht ändern.) Aber für die Mehrheit sollte sich ein besserer Kompromiss zwischen dem zu ungeregelten Standard und völliger Radio-Gleichmacherei finden lassen.
Ja, und genau das ist ja auch der Fall. Je breiter das angestrebte Publikum, desto schmaler der dynamische Umfang. Ich versuche nur sicherzustellen, daß die Aufnahmen, die mich interessieren, spannend und erschwinglich bleiben. Lieber regle ich gelegentlich nach, als Originaldaten mit weit weniger Bandbreite zu haben. Raumgröße, -akustik und Anlage sind in gewissem Maße und hoffentlich eine Frage der Zeit; einmal verdorbene Aufnahmen nicht.
Zitat von janw:Lykurg, das heißt, je dynamisch differenzierter, umso aufgeführter, bzw. umgekehrt?
Für mich ist das tatsächlich eine Frage der Authentizität; natürlich nicht der einzige Faktor, aber eben doch ein deutlicher Unterschied zwischen Konzerterlebnis und Konservengefühl.