Diritainment?

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janw
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Mi 26. Jan 2011, 18:00 - Beitrag #1

Diritainment?

Nach einem Neujahrskonzert sprach ich neulich mit einem anderen Konzertbesucher, der bezüglich des sehr redefreudigen Dirigenten meinte, daß dies allgemein im Zunehmen sei, früher hätten Dirigenten ausschließlich dirigiert und zusätzliche Erläuterungen oder ähnliches seien verpönt gewesen.
So kenne ich es auch noch, und bin mit mir selber uneins, was ich von der Entwicklung halten soll.
Für den Anlass fand ich es angemessen, da das Konzert ohne Programm stattfand und von daher eine Erläuterung der Stücke und des Konzepts hinter der Auswahl sinnvoll war.
Aber sonst, nimmt es dem Musikgeschehen nicht etwas Wesentliches, die Konzentration eben auf die Musik?

Lykurg
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Mi 26. Jan 2011, 20:25 - Beitrag #2

Kommt natürlich darauf an, was für ein Konzert es ist.

Früher, als die Menschen noch lesen konnten, standen bei entsprechend anspruchsvollen Veranstaltungen die wesentlichen Inhalte im Programmheft, damit man sie schwarz auf weiß nachhause tragen konnte.^^ Bei einem Neujahrskonzert dagegen, oder sonst einer Veranstaltung, bei der es eher auf den Spaß als auf die Musik ankommt, wäre derartiges fast schon unerwünscht, da gehört die spritzige Moderation dazu (und wer das nicht mag, macht das auch nicht mit, jedenfalls nicht umsonst. Bild ).

Noch etwas anderes sind Solistenauftritte so umjubelter Stars, daß das Publikum ohnehin erwartet, von ihnen die letztgültige Wahrheit über das, was sie da spielen, verkündet zu bekommen (ja, auch in der Klassik^^).

Im anspruchsvollen, aber kleinen Rahmen wiederum, wenn sich die Zusammenstellung eines Programms schon kostenmäßig nicht lohnt, besonders aber wenn die Zusammenstellung relativ spontan erfolgt, kann es sich anbieten, spontan mündlich zu moderieren. Interessant ist in der Richtung auch das Gesprächskonzert mit Einschließung des Publikums, oder freie Improvisation über Themen aus demselben.

janw
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Mi 26. Jan 2011, 20:49 - Beitrag #3

Für derartige Sonderfälle ist das sicher anders zu sehen, aber es geht um den "Regelbetrieb", in dem offenbar der Erklär- und Belustigungsanteil auch am Zunehmen ist.

Teil der Rieuisierung?

009
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Mi 26. Jan 2011, 23:06 - Beitrag #4

Als kKKK (kaum Klassik-Konzert kundiger) würde ich für den Regelfall einen eher verbal schweigsamen, im Programm sich meinethalben aber gern ddD (druckschriftlich darstellenden Dirigenten) erleben.

Irgendwie fürchte ich, dass dies mit der Musikuntermalung und "Live-Zerredung" aka Kommentierung von immer mehr Breichen zu tun hat. Nichts hören, es nicht erklärt bekommen bzw. nur mit Infomüll belästigt zu werden, halten anscheinend immer wneiger aus bzw. meinen dies die für diese Berieselung verantwortlichen.

Ipsissimus
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Do 27. Jan 2011, 10:51 - Beitrag #5

eine vernünftige Werkeinführung empfinde ich als wichtige Zugangsvoraussetzung; bei vielen Stücken sogar als unerlässlich, wenn der Zuhörer nicht ausschließlich nur durch einen Sumpf an Emotionen waten will/soll. Wenn der Zuschauer das natürlich will - die Musik als Katalysator für den Ablauf eigener Emotionen benutzen - ist eine Werkeinführung hinderlich. Wenn er aber verstehen will, was er da hört, ist er in dem Maß auf eine Werkeinführung angewiesen, als er selbst nicht an Vorbereitung aufbrachte.

Ob das in Form einer Erläuterung durch den Dirigenten geschieht, ob durch ein vernünftiges Programmheft, das ist letztlich gleichgültig, hängt vielleicht bestenfalls von der konkreten Situation ab. Ich habe es immer als äußerst anregend empfunden, wenn in Aufführungen neuer Musik vor der eigentlichen Darbietung ein Gespräch zwischen Dirigenten und Publikum stattfand, gelegentlich sogar zwischen Komponist, Dirigent, Musikern und Publikum - bei der 50ten Anhörung der Zauberflöte oder Beethovens Neunter Synfonie mag das überflüssig sein, obwohl so mancher nur empfindend Hörender sich wundern würde, was ihm ohne analytische Durchdringung bei beiden Werken entgeht.

Es wäre sogar aus ökonomischer Sicht die Frage, warum man teilweise horrende Eintrittspreise bezahlt, wenn man nur 10% des Dargebotenen überhaupt rezipiert^^ Scherz^^

Nicht zuletzt durchbricht ein derartiges Gespräch auch die Verfügungsgewalt des Dirigenten über die Werkauffassung. Indem er über das Werk spricht, gibt er Teile seiner Interpretationsgrundlagen für die Diskussion frei, sprich, er kommt nicht mehr wie ein Gott daher, dessen einzig angemessene Werkauffassung vom Publikum gläubig entgegen zu nehmen wäre.

Man kann hohe Musik eben auch konzentriert und analytisch hören, ohne dass die unangenehme Steifheit einer "normalen" Konzertsituation sich einstellen muss. Ich empfinde solche Aufführen eher als gelungen als solche, bei denen meine eigene Rolle auf atemloses Staunen ob der dargebotenen Virtuosität und künstlerischen Tiefe reduziert ist.

janw
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Do 27. Jan 2011, 13:31 - Beitrag #6

Im wesentlich denke ich das auch, daß der Dirigent als Vermittler wirken sollte, der Hintergründigkeiten^^ des Werks und seiner Absichten.
Nicht zuletzt durchbricht ein derartiges Gespräch auch die Verfügungsgewalt des Dirigenten über die Werkauffassung. Indem er über das Werk spricht, gibt er Teile seiner Interpretationsgrundlagen für die Diskussion frei, sprich, er kommt nicht mehr wie ein Gott daher, dessen einzig angemessene Werkauffassung vom Publikum gläubig entgegen zu nehmen wäre.

Ich vermute mal, daß das dahinter steckt, Sinfonie und Oper als Weihestunde des Bildungsbürgertums, der Dirigent als Hohepriester, war im Zusammenhang mit Karajan nicht gelegentlich auch das G-Wort zu lesen?^^

Vielleicht mit ein Grund für die Schwierigkeiten der Neuen Musik, beim Publikum anzukommen, Regelbruch, Revolte, Weltuntergang?^^

Ipsissimus
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Do 27. Jan 2011, 14:06 - Beitrag #7

nicht nur bei Karajan^^

na ja, die neue Musik kämpft an mehreren Fronten, die von dir genannten Sachverhalte gehören ganz sicher dazu. Primär würde ich allerdings die schiere Klanglichkeit als Haupt-Akzeptanzproblem vermuten. Das Musikverständnis und damit die Möglichkeit sich einstellender emotionaler Behaglichkeit sehr vieler Konzertbesucher dürfte nach wie vor an der "korrekten" Auflösung von Dissonanzen und an einer erkennbaren Melodik hängen. Die Nichtauflösung wird zwar mittlerweile infolge des Einflusses von Jazz und anderer Unterhaltungsmusik überwiegend akzeptiert, aber nur da, wo sie sich vermittels der Melodik in einen "Schein des Bekannten" einfügt. Wo beides nicht gegeben ist, da wird es für drei Viertel der neuen Musik richtig hart, Akzeptanz zu finden. Wer zieht sich zum Entspannen schon Xenakis oder Nono rein^^ wenn es hoch kommt, ein bisschen Rihm, weil der so schön nach Mahler klingen kann^^

janw
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Do 27. Jan 2011, 14:52 - Beitrag #8

Hab da mal einen schönen Xenakis gefunden. Entspannend?^^
http://www.youtube.com/watch?v=SZazYFchLRI

Ipsissimus
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Do 27. Jan 2011, 15:06 - Beitrag #9

sehr^^


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