A Night at the Opera (La Traviata)

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Padreic
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So 8. Jun 2003, 13:28 - Beitrag #1

A Night at the Opera (La Traviata)

Ich war gestern abend in der Oper, genauer gesagt in La Traviata von Verdi. Wunderschöne Gesänge mit sehr guten Sängern, ein schönes Bühnenbild etc. Obwohl es nicht unbedingt abwechslungsreich oder actionreich oder ähnliches war, wurde es nie langweilig, sondern die schönen und gefühlvollen Melodien haben einen immer wieder gefangengehalten.
Von der Handlung her ging es um eine Frau, die nur für Vergnügungen lebt, bis sie von einer schweren Krankheit (scheinbar) genest und ihr ein Mann seine Liebe gesteht. Sie zieht zu ihm und gibt ihr bisheriges Leben auf, aber wie es nunmal so ist, klappt es nicht, weil der Vater die Trennung für das Wohl seiner Tochter verlangt, die sonst nicht heiraten könne (warum auch immer... ). Alles sehr dramatisch und gefühlvoll.

Es würde mich freuen, von euren Opernerlebnissen zu hören.

Padreic

Lykurg
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Mi 4. Jan 2006, 23:54 - Beitrag #2

Vor drei Wochen war ich in Richard Wagners Lohengrin (in der Wiener Staatsoper).

Die Besetzung war hervorragend, und auch Wagners Musik läßt einen nicht los. Das "Nicht sollst du mich befragen"-Motiv kam mir über die folgenden Tage ständig in den Sinn, und ist wohl nie mehr ganz zu löschen. *summ* Johan Botha, der die Titelrolle sang, war der einzige, dem ein etwas größerer Fehler unterlief - aber seiner sängerischen Gesamtleistung tut das keinen Abbruch (und war bis zum Applaus vergessen).

(Zur Handlung: Elsa von Brabant wird vom Grafen Telramund vor König Heinrich angeklagt, sie habe ihren Bruder Gottfried verschwinden lassen. Der Streitfall soll durch ein Gottesurteil [=Zweikampf] entschieden werden; nachdem sich niemand aus Brabant bereiterklärt, für Elsa zu kämpfen, obwohl ihre Hand angeboten wird, erscheint ein Ritter in einem von einem Schwan gezogenen Nachen, und besiegt Telramund. Er willigt ein, sie zu heiraten, aber unter der Bedingung, "Nie sollst du mich befragen", wie er heiße und von wo er komme, was sie schwört. Da Telramunds Lüge als erwiesen gilt, wird dieser mit seiner hexenden Frau Ortrud des Landes verwiesen, aber beide unternehmen mehrere Ränke gegen die beiden. Ortrud schafft es, in Elsa Zweifel an der Abkunft ihres unbekannten Geliebten zu säen, provoziert einen Eklat. Elsa bricht ihren Schwur und fragt, wie er heißt. Da kommt Telramund dazu, unternimmt ein Attentat auf den Ritter, das aber fehlschlägt, er selbst kommt um. - Am nächsten Tag tritt das Volk wieder zusammen, der Ritter enthüllt seinen Namen und seine Abkunft: Er ist Lohengrin, der Sohn des Gralskönigs Parzival, und müsse jetzt, da Elsa den Schwur gebrochen habe, wieder zurück zum Gral. Der Schwan schwimmt wieder heran. Da tritt Ortrud auf und jubelt, Elsa sei einfach zu blöd; wäre Lohengrin länger geblieben, hätte er sicher noch Elsas Bruder gerettet. Lohengrin betet, und der Schwan verwandelt sich in Gottfried zurück. Der Vorhang fällt.)

Ich hatte mich mit einem Stehplatz begnügt, aber glücklicherweise vor mir ein so freies Blickfeld, daß ich auch auf der Stufe sitzend gut genug sehen konnte, um die freie Wahl zu haben. Wenn ich stand, sah ich die ganze Bühne und das gesamte Orchester, was für viele Sitzplätze (etwa alle im Parkett) naturgemäß nicht gilt. Gut sehen zu können, lohnte sich: Die Inszenierung war reichlich umstritten (das Wiener Publikum ist konservativ) - hier ein Bild des Schwans:
[align=center]Bild[/align]
Dementsprechend die Reaktionen, ich zitiere aus der Premierenkritik des 'Standard': "Die Sänger, allen voran Johan Botha in der Titelpartie, wurden stürmisch bejubelt, die Inszenierung wurde vom Publikum einhellig mit wütenden Buhrufen quittiert." (Es folgt ein ziemlicher Verriß der Inszenierung.) Diese Aufregung hatte sich inzwischen gelegt, aber ich hörte schon vor der Oper spöttische Bemerkungen von Besuchern wie "Ach, Sie san doch a nur wegn der Musik do?"

Ich konnte deutlich entgegnen, daß ich auch zum Sehen gekommen sei - und fand, daß es sich auch lohnte. Daß das Bühnenbild sich auf die Farben schwarz und neongelb reduzierte, also alle Requisiten (abgesehen von den schwarzen Stühlen und Bäumen im ersten Akt) aus neongelbem Plastik bestanden, die Sänger dagegen komplett in Schwarz erschienen (Elsa in Weiß), war etwas gewöhnungsbedürftig, aber mE völlig legitim für eine Traumwelt, die der Regisseur erschaffen wollte, um die Verbindungen, die das Stück zwischen Geschichte und Mythos knüpft, zu erklären.

Eine etwas freiere Ausdeutung des Librettos bestand darin, daß Elsa in der Inszenierung blind war. Der Regisseur kam (laut Interview) darauf, weil ihm aufgefallen war, daß es in dieser Oper so viele Rufe und Anreden gebe, was er mit nicht-Sehen erklärte. Ich sprach mit mehreren Opernbesuchern, die diese Veränderung des Stücks völlig daneben fanden, ich selbst begrüßte sie: Elsa ist eine sehr schwache, haltlose Gestalt, für eine weibliche Opernfigur des 19. Jhs. wohl ausreichend, aus heutiger Sicht aber einfach ein hilfloses Dummchen. Sie zu einer Blinden umzudeuten, war mE eine treffende Erklärung ihrer Schutzbedürftigkeit.

Auch für meinen Geschmack nicht unbedingt notwendig war, daß Gottfried (repräsentiert durch eine Puppe in embryonaler Haltung) am Schluß in einer tropfenförmigen Glasblase heruntergelassen und im entsprechenden Moment hell erleuchtet wurde. Den Sinn dahinter habe ich nicht vollständig gesehen. Aber vermutlich sollte hier die Verwandlung irgendwie gebrochen werden. Nun ja. Der Schwan spielte übrigens eine eher untergeordnete Rolle, das tatsächliche Transportmittel war in dieser Inszenierung eine großgliedrige Kette, natürlich - wie könnte es anders sein - aus neongelbem Plastik.

Windsbraut
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Do 5. Jan 2006, 10:32 - Beitrag #3

Lykurg, du tust dir eine Wagner-Oper an? Hut ab! ;)

Ich bin kein Opern-Freund, und noch weniger bin ich ein Freund von gewollt "anderen" Inszenierungen. Nichts gegen eine behutsame Aktualisierung oder eine sinnvolle (!) Übertragung in eine andere Zeit - aber bei manchen Inszenierungen denke ich einfach nur "Hurz!". Möglicherweise bin ich aber auch zu unintellektuell.

Ich war nur 1x in der Wiener Staatsoper und habe schlecht gesehen. Aber die Akustik war super und die Oper ist ein prächtiger Ort, ein tolles Ambiente. Ich würde gern mal ein ganzes Konzert dort hören. (Ich war bloß bei so 'ner Touri-Veranstaltung. *schämleicht*)

Übrigens: Das Konzerthaus in unserer Stadt ist zwar nagelneu, aber die Akustik der Wiener Staatsoper war beim Bau der Maßstab.

Lykurg
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Do 5. Jan 2006, 11:47 - Beitrag #4

Windsbraut, ich mag Wagner-Opern :) (aber nicht nur...) Gesehen habe ich bisher auch noch Parsifal und Meistersinger, der Rest^^ muß baldestmöglich folgen, die meisten davon kenne ich allerdings als CD bzw. Schallplatte. Moderne Inszenierungen sind natürlich Geschmackssache, aber gerade bei Wagner ziemlich spannend, weil er ja eigentlich ganz feste Bühnenbildvorstellungen hatte (eben "Gesamtkunstwerk"), die aber in unsere Zeit so nicht mehr passen. Wenn es z.B. am Ende des "Lohengrin" heißt:
Nun soll des Reiches Feind sich nahn, / wir wollen tapfer ihn empfahn: / Aus seinem öden Ost daher / soll er sich nimmer wagen mehr! / Für deutsches Land das deutsche Schwert! / So sei des Reiches Kraft bewährt!
finde ich es nicht ganz zeitgemäß, wenn das Volk da in mittelalterlichen Rüstungen herumsteht - unsere gemachten Erfahrungen verlangen einfach eine Neuausdeutung. Das Bühnenbild in Wien sah eher wie eine etwas skurrile Talkshow. - Bei der Hamburger Inszenierung der Meistersinger wurde über eine entsprechende Textpassage auf der Bühne diskutiert, und zwar unter lauter typischen Wagner-Opernfiguren in den Kostümen des 19. Jhs. (auch ein Lohengrin mit einem goldenen Helm in Schwanenform, und ein Siegfried im Pelzumhang) - das war auch eine Lösung... :D

Gelegentlich geht eine Neudeutung natürlich zu weit, und "historische" Inszenierungen haben als Korrektiv auch ihre Berechtigung. Aber ich verstehe Regie als einen Auftrag zur Erklärung und Aufbereitung eines Stückes, die insofern nötig ist, als die meisten Opern in ihrer Entstehungszeit eine Botschaft hatten, gelegentlich gesellschafts-, zeitkritisch, sogar revolutionär waren, diese Botschaft für uns heute aber so nicht mehr verständlich ist, und, wenn überhaupt, als verstaubt wahrgenommen wird. Eine gute Inszenierung kann dabei ein altes Stück mit neuen Inhalten aufladen und damit für uns zu einem Erlebnis machen, das der Erfahrung des Opernbesuchers zur Entstehungszeit in emotionaler Hinsicht eher entspricht.

Windsbraut
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Do 5. Jan 2006, 12:49 - Beitrag #5

Ich sehe das im Grunde so wie du, Lykurg, besonders was die von dir angesprochenen Botschaften betrifft. Ich spreche mich lediglich gegen Inszenierungen aus, denen niemand mehr folgen kann - denn da ist dann auch die Botschaft perdu.

ZOOL
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Do 5. Jan 2006, 13:31 - Beitrag #6

Ich war Mitte Dezember in Der Walküre (Wagner) in Dortmund.
Nun war meine erste Oper. Auch auf CD hab ich mir nie eine Oper angehört (ich glaub als Kind mal die Zauberflöte) nur vllt mal hieraus oder daraus eine Arie (zB aus der oben erwähnten la traviata). Natürlich kannte ich trotzdem ein bisschen aus der Walküre, da ich sehr gerne Wagner höre, wenn eben auch nur CDs mit reinen Instrumentalaufnahmen.
Ich war also vor allem wegen der Instrumentalmusik da und muss sagen ich wurde nicht entäuscht, die Dortmunder haben mich durchaus beeindruckt. Auch ansonsten hat es mir sehr gut gefallen. Die SängerInnen waren sicher keine Stars aber alles andere als schlecht. Die Inszenierung war hatte ihre "Macken", hat mich aber auch insgesamt sehr beeindruckt- es war zwar eine halbszenische Inszenierung, dennoch fand ich sie für ein kleinen Haus wie Dortmund (das auch höchstens zur Hälfte gefüllt war) sehr beeindruckend.

Traitor
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Do 5. Jan 2006, 13:55 - Beitrag #7

Ich war bisher nie in einer Oper und habe, sofern ich nicht mal gesellschaftlich dazu gezwungen sein sollte, auch nicht unbedingt vor, das zu ändern. Und das nicht aus Banausentum, sondern weil ich sie einfach unangenehm finde. Die männlichen Sänger gehen noch (wenn ich auch da schönere Gesangsarten kenne), aber das klassische weibliche Operngesinge ist für mich in keinster Weise ästhetisch, von nervig bis wirklich unangenehm.

Davon abgesehen traue ich mir aber einen Kommentar zu Inszenierungen zu: wie beim Theater bin ich der Meinung, dass sie sich ans Original halten sollte. Wenn der Regisseur der Meinung ist, eigene Sachen vorführen zu wollen, dann soll er bitte ein eigenes Stück schreiben. Obskures Bühnenbild meinetwegen noch, wenn ich auch da keine Möglichkeit sehe, eine Verbesserung zu erreichen; aber Verlegungen in andere Zeiten oder Einfügen von Metaszenen, das hat nicht zu sein.

Windsbraut
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Do 5. Jan 2006, 16:00 - Beitrag #8

Traitor:
Und das nicht aus Banausentum, sondern weil ich sie einfach unangenehm finde. Die männlichen Sänger gehen noch (wenn ich auch da schönere Gesangsarten kenne), aber das klassische weibliche Operngesinge ist für mich in keinster Weise ästhetisch, von nervig bis wirklich unangenehm.


Ich singe selbst, mein Freund ist ebenfalls Musiker, aber weder er (in E-Musik viel versierter als ich, die ich fast nur Barock höre) noch ich mögen weibliche Opernsängerinnen. Mir fällt dazu immer ein "It ain't over 'til the fat lady sings" ;) - ich würde wahrscheinlich wirklich warten, bis die letzte Arie gesungen ist und dann erleichtert aufstehen.

Und ich bilde mir mal ein, dass das nicht der Neid einer Sängerin ist, die sich niemals in solche Höhen aufschwingen könnte. :D

Dass dir die Dortmunder gefallen haben, ZOOL, freut mich.

Lykurg
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Do 5. Jan 2006, 16:26 - Beitrag #9

Eurer Kritik der Sängerinnen muß ich zum Teil zustimmen, jedenfalls bin ich weit häufiger mit ihnen unzufrieden als mit ihren männlichen Kollegen. Das hat eine ganze Reihe von Gründen, bei mir angefangen mit geringer bis fehlender Textverständlichkeit (mE physikalisch bedingt; außerdem aber von den meisten Gesangslehrern vernachlässigt: "Bei Ihnen als Sängerin achtet sowieso niemand auf den Text") und Genauigkeit (gerade gealterte Diven neigen dazu, ein gewaltiges Tremolo zu entwickeln, bis man sich im Terz- oder Quartraum zu entscheiden hat, welcher Ton nun gemeint war. :rolleyes: Dann (un)bewußter Widerspruch zur Schwärmerei insbesondere älterer Herren - und, daß sich manche Stimmen ganz gräßlich in die Gehörgänge sägen, gerade, wenn sie sich nach oben quetschen...

Um so mehr freue ich mich dann aber an den Solistinnen, die mit einer kristallklaren, praktisch vibratofreien Stimme "mühelos" auch große Höhen erreichen, eben ohne daß man sich dabei unwohl fühlen muß; die es dennoch schaffen, ihren Text verständlich 'rüberzubringen und (was von ihren Partnern (sofern nicht Tenor) selbstverständlich erwartet wird) auch ihre Rolle zu spielen. Jugend ist dabei hilfreich, aber nicht notwendig; faszinierend fand ich in Wien z.B. Agnes Baltsa, die mit ihren 61 (!) Jahren immer noch eine ganz passable Figur macht, auch mehr als eine Generation jüngere Sängerinnen an die Wand spielt. Aber es gibt gerade beim Nachwuchs auch eine Reihe von Hoffnungsträgern (sie dürfen nur nicht so umjubelt sein wie z.B. Anna Netrebko; da kann ich die vergleichbare Position der Nischen-U-Musik-Fans bestens verstehen^^).

Traitor, ich finde Einfügung von Metaszenen zwar auch bedenklich, aber besser, als ein Stück deshalb gar nicht mehr zu spielen, oder als absolut nicht mehr passende Inhalte unkommentiert stehenzulassen. Womit begründest du deine Ablehnung gegen Zeitversetzung? Mit dem Künstlerwillen? Ich dachte, darauf sei ich eingegangen...

Windsbraut
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Do 5. Jan 2006, 17:19 - Beitrag #10

[quote="Lykurg"]Eurer Kritik der Sängerinnen muß ich zum Teil zustimmen, jedenfalls bin ich weit häufiger mit ihnen unzufrieden als mit ihren männlichen Kollegen. Das hat eine ganze Reihe von Gründen, bei mir angefangen mit geringer bis fehlender Textverständlichkeit (mE physikalisch bedingt]

Mir hat mal ein Gesangslehrer, seines Zeichens ausgebildeter Bariton, erzählt, dass bei Frauenstimmen Fehler eher auffallen, weil sie eben höher singen: Bei diesen Frequenzen sind kleine Ungenauigkeiten einfach eher auszumachen und auch unangenehmer für's Ohr.

Was das Tremolo betrifft: Ganz schlimm! Haste das einmal drin, kriegstes nie mehr raus! Ich bevorzuge klare Stimmen - kein Vibrato, nix.

Junge Stimmen... da besteht die Gefahr, dass sie zu früh zu schwere Partien singen. So soll man ja auch bis zu einem bestimmten Alter keine Wagner-Opern singen, weil man sich damit die Stimme wirklich ruinieren kann. Siehe z.B. den ehemaligen Vorzeige-Siegfried, Peter Hofmann. Der hat - so hört man in Sängerkreisen - seine Stimme nachhaltig kaputtgesungen, weil er gewagnert hat, bis nix mehr ging.

Lykurg
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Do 5. Jan 2006, 17:33 - Beitrag #11

@kaputtwagnern
Wundert mich gar nicht; wer Abend für Abend vier bis fünf Stunden auf der Bühne gegen ein monströses Orchester anbrüllt, geht damit natürlich zu Bruch, wenn er auf den Stimmbändern noch keine dicke Hornhaut hat ;) *schauder*

@Frequenzen
Das erstaunt mich eher; die Frequenzabstände bei tiefen Tönen sind ja viel größer; daher wird ja auch etwa bei Saiteninstrumenten in den höchsten Lagen alles ungenau (kaum zu stimmen bei Tasteninstrumenten, kaum zu greifen auf der Violine). Sprich: es ist, wenn, eher ein technisches als ein hörphysiologisches Problem. Vielleicht auch ein Grund, warum tiefe Stimmen mehr sacken und hohe Stimmen ungenauer sind? Daß die Ungenauigkeit bei den tiefen Stimmen von Ton zu Ton im Vierteltonbereich bleibt, die dann einen allmählichen Abstieg ermöglichen, bei den höheren darüber hinausgeht, aber dann nicht das eigene Höhenempfinden täuscht?

Windsbraut
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Do 5. Jan 2006, 17:53 - Beitrag #12

Fraach misch nisch, mit der Theorie bin ich nicht so vertraut; ich käue lediglich wieder, was man mir sagte. Ich fand's nur ungerecht, dass Frauen anscheinend auch beim Singen besser sein müssen als ihre männlichen Kollegen, um als gleich gut empfunden zu werden...

Da ich nie Unterricht für klassischen Gesang bekommen habe, weiß ich auch nicht wirklich viel darüber.

Traitor
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Do 5. Jan 2006, 20:44 - Beitrag #13

@Windsbraut: Dafür sind Frauen meist auch besser. ;) (Wenn's jetzt nicht gerade um Opern geht.)

@Lykurg: Von Zeitversetzungen halte ich nichts, da Handlung und Aussage eines Werkes immer eng mit dem Kontext, in den es gesetzt ist, verbunden sind. Verlegungen in andere Zeiten wirken dann meist albern und aufgesetzt, bestenfalls etwas seltsam. Da erachte ich es als sinnvoller, die Grundmotive aufzugreifen und ein zeitgemäßes neues Werk draus zu machen. Und vor allem erspart man es dann dem armen Originalwerk, vom Publikums mit der Neuinszenierung assoziiert zu werden.

janw
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Do 5. Jan 2006, 21:36 - Beitrag #14

Naja...
Eine Oper im Stile von 17... aufzuführen, hieße aber zu verkennen, daß oft genug auch ein zeitrelationaler (i.e. -kritischer oder - kommentierender) Aspekt darinnen ist. Damit wäre die Musik rein museal, wo sie als Kunst doch eigentlich den Anspruch hat, "lebendig" zu sein, nach meiner Diktion gleichbedeutend mit "zu bewegen".
Gut, da landen wir natürlich bei der Frage, was Oper, was Kunst überhaupt will..."will" "sie" überhaupt etwas?

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Do 5. Jan 2006, 23:53 - Beitrag #15

Ich war in "Tanz der Vampire" und es hat mich echt vom Hocker gehauen. Allein die Geschichte, dass ein Wissenschaftler ergründen will, dass es sowas wie Vampire gibt, fand ich schon richtig toll und auch die Melodien und ebenfalls die Stimmenlagen und auch die metapherreichen Texte wie "Luziferrosen", haben mich total beeindruckt. Und als nächstes möchte ich gerne in "Mama Mia", das soll richtig toll sein.

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Fr 6. Jan 2006, 01:48 - Beitrag #16

@Jan: Gerade dieser zeitrelationale Charakter kann doch nur gewahrt bleiben, indem der Zeitbezug gewahrt bleibt. Sicher lässt sich "Rome und Julia" (ich beziehe mich jetzt mal auf's Theater, da ich von sehr wenigen Opern den Inhalt kenne) von der groben Handlung ein amerikanisches Ghetto verlegen, aber das sind dann eben andere soziale Verhältnisse als die, in denen es eigentlich spielt. Die Botschaften, sofern sie überhaupt noch passen, sind dann auch andere.
Eine ganz gewisse Berechtigung haben Modernisierungen für mich vielleicht noch, wenn das Stück von seinem Ursprungsautor in nicht spezifizierter Zeit angesetzt und von sehr generellem Inhalt ist. Aber die allermeisten Werke sind auf eine ganz bestimmte Zeit zugeschnitten.

janw
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Fr 6. Jan 2006, 03:26 - Beitrag #17

Hm ja, und doch nicht...Romeo und Julia handelt von durch soziale Verhältnisse unmöglicher Liebe. Die gab es damals und gibt es heute sicher auch in manchen Gebieten und sozialen Schichten, kann also durchaus in solche Schichten verlegt werden für ein Publikum, dem die Welt der Renaissance fremd ist.

Traitor
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Fr 6. Jan 2006, 13:21 - Beitrag #18

Das Grundmotiv kann man übernehmen. Aber dann hat man ein neues Werk, für das sich der, der es schaffen will, gefälligst selber anzustrengen hat und nicht einfach ein Plagiat der Vorlage durch Abschreiben jeder Textzeile produzieren sollte.
Romeo und Julia ist eben nicht nur "zwei Liebende aus verschiedenen sozialen Verhältnissen", letztere und der Rest der Umwelt sind genau spezifiziert. Sicher nicht historisch akkurat, da auch Shakes nicht aus dem Verona genau dieser Zeit stammte, aber so, wie er es sich dachte, und das ist Teil des Werkes.

PS, da man aus meinen Aussagen vermutlich das Gegenteil vermutet: ich bin nicht der Ansicht, dass grundsätzlich jede Umdatierung verboten gehört. Soetwas ist in Ordnung, wenn ausdrücklich der Prozess der Umdatierung als das angebotene Werk klargemacht und dies als künstlerisches Experiment aufgefasst wird. Aber zu behaupten, dies umdatierte Werk sei das Werk mit dem klassischen Titel, ist ein Unding.

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Sa 21. Jan 2006, 02:24 - Beitrag #19

Heute abend war ich im "Don Giovanni", der hier natürlich im Rahmen der Mozartjubelfeiern läuft. Mir ging es allerdings nicht um das Datum (Wolferl kann man schließlich immer hören), sondern um den Sänger des Don Ottavio, Ian Bostridge, mE der größte Liedinterpret der Gegenwart, den ich allerdings noch nie in einer Oper erlebt hatte (vorgestern war sein Debüt in der Wiener Staatsoper, allerdings hat er vor allem in GB schon einige Rollen gesungen).

Ich habe es sehr genossen, ganz einfach, weil seine glasklare Stimme in der ihr eigenen vollkommener Schönheit über dem ganzen Gebrummel und Gezitter der (mit jedem anderen als ihm verglichen hervorragenden) anderen Sänger silberhell leuchtete. Meine Befürchtung, ihm könne das notwendige Volumen fehlen, erwies sich als völlig unnötig; ein Wagner-Tenor ist er natürlich nicht, aber für Mozarts Umgang mit dem Sänger war seine Stimme wie geschaffen. Die Koloraturen waren perfekt, so elegant eingefügt, daß sie gar nicht auffielen; die Duette mit Donna Anna ausgewogen und weich, wie man es sich nur wünschen konnte.

Die Inszenierung war sehr traditionell, Kostüme des 18. Jahrhunderts, viele Requisiten, wenig Einfälle; ein Bühnenbild mit angedeuteter Renaissancearchitektur, abgesehen von einem modernistischen Labyrinth im Fußbodenmuster, das aber nicht weiter auffiel. Würde man Mozart hier und jetzt modern inszenieren, gäbe es wohl Proteststürme :rolleyes: - so war das Haus rappelvoll (ausverkauft ist es zwar auch sonst meist, aber heute war auch ein ziemliches Gedränge um die Stehplätze).

Lykurg
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Sa 29. Apr 2006, 16:12 - Beitrag #20

(seitdem waren zwar noch ein paar weitere Besuche, aber nicht so spektakulär wie der heutige)
Mozart: "Die Entführung aus dem Serail" (halböffentliche Generalprobe)

Hinein kam ich auf Einladung meines Profs und seiner Familie - schon an sich recht amüsant und letztlich doch auch sehr entspannt. Diese Beziehungen ermöglichten zugleich spannende Einblicke in das Geschehen hinter den Kulissen - eine befreundete Sängerin (der Zweitbesetzung) kam in der Pause in unsere Loge, und auch die tiefgründigen Kommentare zu Sängern, Inszenierung und Stück waren eine erhebliche Bereicherung für mich.

Die Oper selbst - gerade auch in ihrer aktualisierenden Inszenierung - dürfte auch Opernverweigerern gut gefallen, auch wenn mit einem kleineren Premierenskandal fast zu rechnen ist - wir werden sehen. Schon die Librettisten und Mozart hatten das Stück reichlich mit Europäer-Türken-Wirrfug garniert; durch eine kräftige Überarbeitung der Sprechtexte zwischen den Arien wurde das nocheinmal aktualisiert und verschärft, Blonde etwa macht als britische Feministin im Harem eine gute Figur, als sie Osmin als dahergelaufenen Dönerverkäufer beschimpft und unter Verwendung von reichlich Türkendeutsch zur Schnecke macht. Pedrillo dagegen lebt von seiner Italienerigkeit, ebenfalls sehr schön wirr - und dank Trainingskleidung, Bärtchen und gegeltem Haar zunächst nicht so recht von der anderen Seite zu unterscheiden.^^

Der Ort war aber von Anfang an deutlich durch ein gemaltes Transparent "Türkei", später an der passenden Stelle übermalt u.a. mit "Sch ße". Die Rollen erfüllten verschiedene Klischees mit mehr oder weniger Begabung, der ganz in Schwarz gekleidete Bassa Selim war ziemlich explosiv, auch emotional glaubwürdig. Am Schluß verließ er die Bühne nackt, vielleicht als Zeichen seiner Trauer, mir nicht ganz so einsichtig. Anklänge an "Submission" wurden wach, als während des Terzetts "Marsch, trollt euch fort /Wir gehn hinein" Belmonte und Pedrillo einer Reihe von Haremsdamen die Schleier abzogen und sie darunter nur hautfarbene Unterwäsche trugen (und zusammengekauert sitzenblieben). Ansonsten blieb die Inszenierung aber sehr züchtig. ;)

Mit den Stimmen war ich im Großen und Ganzen zufrieden, allerdings schien mir Belmonte etwas schwach (vielleicht schonte er sich, war ja nur eine Probe), was zu seinem inszenierungsbedingten Image als Gigolo zu passen schien. Osmins an sich kräftiger Stimme dagegen fehlte es eindeutig an Tiefe (die Partie ist aber auch höllisch tief, da können es eigentlich nur Russen oder Finnen richtig krachen lassen). Vor allem Blonde ist fabelhaft.


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