Mahler-Filme

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Lykurg
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So 5. Sep 2010, 00:25 - Beitrag #1

Mahler-Filme

Nachdem ich vor ungefähr einem Monat "Mahler auf der Couch" (2010) gesehen habe - mit etwas gemischten Gefühlen, aber immerhin dem Eindruck, daß er recht solide mit der Biographie umgeht und insgesamt sehr schöne Musik-Aufnahmen mit guten Bildern unterlegt werden (eingeschränkt allerdings etwa durch die in einer kurzen Szene auftauchenden Innenaufnahmen der heutigen Wiener Staatsoper), generell aber insbesondere die Geschichte seiner Ehe und Persönlichkeit Alma Mahlers plausibel und faszinierend dargestellt wurde - sah ich heute den britischen Film "Mahler" von 1974. Leider habe ich erst kurz vor der Hälfte zugeschaltet, aber schon das, was ich sah, war absolut grotesk. Die Fernsehzeitschrift apostrophierte ihn als "Drama", vielleicht lag das auch irgendwo in der Absicht seiner Produzenten, aber im Endeffekt mußte ich bei einigen Szenen scharf die Luft einsaugen, mehrfach aber auch lachen wegen der Absurdität des Gezeigten.

Auch hier schöne Musik, endlich auch mal was von Alma (?), aber auch eine sehr eigenwillige Umdeutung des Kindertotenlieds 'In diesem Wetter': Als der Text sich vordergründig beruhigt und die Musik idyllisch wird (ganz eindeutig der Frieden des Todes, für mich eine der abgründigsten Stellen in der Musikliteratur überhaupt), wird im Film gezeigt, wie der Sturm sich legt, die Sonne rauskommt, die Kinder zu Bett gebracht werden und sanft einschlafen. Erst im letzten Takt des Liedes steht dann auf dem Klavier abrupt ein Kindersarg. Nun ja.

Der Film beschreibt Mahlers Leben in Rückblenden aus Träumen und Erinnerungen während einer Zugfahrt kurz vor seinem Tod 1911. Mahler war fünfzig Jahre alt und sah (zumindest auf Fotos) bereits ziemlich krank und leidend aus. Während der Film von 2010 das im Ansatz wiedergibt, ist er in der britischen Verfilmung mit einem sehr jung aussehenden 30jährigen völlig unglaubwürdig besetzt. (Auch Alma, blond und im Dirndl, hat mit der historischen Person sehr wenig zu tun, wenn man das nicht ausschließlich auf ihre politische Einstellung bezieht.)

Die Einblendungen, die u.a. seine Einstellungsbemühungen als Hofoperndirektor und ein Gespräch mit Hugo Wolf zeigen, sind schon recht eigenwillig, vollends absurd wird aber Mahlers Traum von seinem eigenen Begräbnis: Unter den Klängen seines Trauermarsches aus der 5. marschieren schwarzuniformierte Sargträger unter dem Kommando seiner Witwe im Stechschritt über den Friedhof, sie tanzt und strippt auf dem Sarg und deutet (nach Mahlers Lebendverbrennung) Sex mit seinem Bild und (auf Mahlers Totenmaske reitend) ihrem Geliebten, einem der Sargträger, an.

Aber in einer anderen Sequenz kommt es noch abstruser: Mahlers Konversion zum Katholizismus wird in einer Stummfilmsequenz (mit eingeblendeten Texttafeln!) dargestellt, in der er von Cosima Wagner, die als Domina mit Reitpeitsche, Stahlhelm und Hakenkreuz auf dem Minirock mit gestrecktem Arm um ein stählernes Kreuz marschiert, dazu angeleitet wird, aus einem Judenstern ein Schwert zu schmieden, damit einen Drachen in seiner Höhle zu töten (Wagner-Klänge inklusive) und dessen abgeschlagenen Schweinekopf bis auf den Knochen zu verspeisen.

Kurzum: Sehr britisch.

Ipsissimus
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So 5. Sep 2010, 19:38 - Beitrag #2

die Frage bei britischen Filmen ist fast immer, ob sie Monty Python imitieren oder ernsthaft sein wollen, oder Monty Python so imitieren wollen, dass es wie ernsthafte Auseinandersetzung wirkt. Speziell die Filme mit "deutschen" Themen sind fast alle von der letzten Sorte^^

"Mahler auf der Couch" steht auch noch auf der Agenda

Lykurg
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Mo 6. Sep 2010, 10:13 - Beitrag #3

Direkte Parallelen bei Monty Python kenne ich nicht (da fehlt mir aber auch noch einiges). Merkwürdigerweise strahlte es (gerade durch die Musikunterlegung) bei aller Absurdität und Schaurigkeit der Bilder immer den unwillkürlichen Anspruch aus, Kunst zu sein, selbst in seiner Klamaukhaftigkeit. Eine gewisse Nähe zum Regietheater.

Ipsissimus
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Mo 6. Sep 2010, 15:34 - Beitrag #4

was ich bei Mahler nicht verstehe, ist seine Behauptung - die auch von seinen Biographen immer wieder als quasi Faktum dargestellt wird - seine Frau Alma und seine beiden Töchter bedeuteten alles für ihn, seien der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens. Nur eben Zeit hat er keine für sie gehabt, denn Zeit brauchte er ja für die Arbeit, als der Workaholic, der er war.

Alma hatte die Beziehung zu Gropius ja explizit damit begründet, dass sie (und auch die verbliebene Tochter Anna Justine) sich von Gustav über lange Zeit vernachlässigt fühlten, was auch nach dem Tod von Maria Anna nicht besser geworden war; nimmt man noch den Altersunterschied von 19 Jahren sowie den Umstand hinzu, dass er ihr das Komponieren verboten hat, damit sie alle Zeit für Kinder und Familie aufbringen könne, kann ich Alma in dieser Hinsicht wesentlich besser verstehen als ihn (und wie freigeistig Alma tatsächlich war, zeigt sich neben ihren zahlreichen Affairen vor, während und nach ihren Ehen auch darin, dass sie sich von Gropius scheiden ließ, als der sich als ähnlich kleinkarriert wie Gustav herausstellte).

Scheint darauf hinaus zu laufen, dass auch in einem großen Geist viele kleine Geister wohnen.

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Mo 6. Sep 2010, 15:59 - Beitrag #5

Ja, Mahlers überaus eigenartige Persönlichkeit und Kleingeistigkeit wird auch in dem Film sehr schön herausgearbeitet, wenn auch er natürlich nur mögliche (aber plausible) Erklärungsmuster anbieten kann. Das Schreibverbot für Alma (wohl tatsächlich in Unkenntnis ihrer Begabung - Egomanie?) ist da ein besonders dunkler Punkt.

Daß er die Familie brauchte, obwohl er kaum für sie da war, finde ich dagegen gar nicht so verwunderlich. Aber auch Alma kommt mir ziemlich ungenießbar vor. Ihre Tagebücher fand ich (trotz aller Beschönigungsversuche des Herausgebers) abstoßend, dagegen kommt sie im Film (jedenfalls im neueren^^) recht gut weg. Der Altersunterschied erklärt natürlich manches - aber sie war wohl auch eine ungewöhnlich kluge und selbstbewußte Frau, was sich hier teilweise gegen sie wendet.

Ipsissimus
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Mo 6. Sep 2010, 16:30 - Beitrag #6

sie war im Prinzip eine künstlerisch hochbegabte und für die Zeit emanzipierte Frau, die in einer patriarchalen Umgebung leben musste, die mit hochbegabten und emanzipierten Frauen noch fast nichts anfangen konnte. Dass sie "sauer" darüber geworden ist und sich in ihrem Verhalten gegenüber ihren Liebhabern und Männern vielleicht auch eine gewisse Rachsucht am männlichen Geschlecht herausgebildet hat, kann ich ihr nicht verdenken

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Mo 6. Sep 2010, 22:53 - Beitrag #7

Das ist plausibel, außerdem hatte sie es speziell mit den Genies, die sie anzogen und anzog, nicht leicht, Werfel war da vielleicht noch der angenehmste. Auch ihre Liebschaften waren ja letztlich das, was von einem 'schneidigen Kerl' in ihrer Zeit fast erwartet worden wäre - also auch hier eine Rollenüberschreitung. Ich könnte mir auch vorstellen, daß ihre schonungslose Art, zu schreiben, eher dir als mir gefiele. ;)

Ipsissimus
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Di 7. Sep 2010, 00:43 - Beitrag #8

mit Werfel hat sie es dann ja auch 30 Jahre ausgehalten^^

manche Menschen leben einfach vor ihrer Zeit und sind dabei nicht wirklich zu beglückwünschen^^

Mahlers Musik sagt mir übrigens nicht sonderlich zu; ich will sie zwar nicht gerade als langweilig charakterisieren, aber wenn ich die Wahl zwischen seiner Musik und einem Zwölftöner oder einem Mittelromantiker hab, nehme ich den meistens Zwölftöner oder den Mittelromantiker^^ ähnlich geht es mir fast mit aller spätromantischen Musik - sogar mit der von Schönberg^^

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Di 7. Sep 2010, 01:29 - Beitrag #9

Mahler ist für mich ein Komponist, der ein extrem breites Qualitätsspektrum zu bieten hat. Bei kaum einem anderen meine ich so stark nebeneinander zutiefst zerrissene, abgründige Werke einerseits und seichten oder bombastischen Kitsch andererseits zu finden. Andererseits zaubert er überirdisch schöne Klänge, konnte fantastisch orchestrieren und hatte ein geniales Gespür für die große Form, bei aller Skepsis gegenüber manch einem Einzelsatz.

Tja, die Spätromantik sehe ich genau umgekehrt - vielleicht mit der einen Ausnahme, daß mir der neutönende Schönberg näher ist als der spätromantische. Aber mit der Mehrzahl der Hochromantiker kann man mich jagen...

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Di 7. Sep 2010, 10:56 - Beitrag #10

da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt^^ auch mich kann man mit der Hochromantik (ver)jagen^^

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Di 7. Sep 2010, 11:35 - Beitrag #11

Noch einmal gesagtes überdenkend, revidiere auch ich meine Aussage zu einem "alles in Maßen" - sollte ich romantische Komponisten aufzählen, die mir nun doch recht gut gefallen, käme eine ziemlich stattliche "Minderheitsliste" zusammen... Ich fürchte, so elitär, wie ich mich da gewande, bin ich nicht, höchstens mit einer gewissen Vorliebe für das eine oder andere seltener gespielte Werk.
Aber trotz aller Abstriche ist Mahler für mich der einzige, der auf vergleichbarem Feld nahezu an Schostakowitsch heranreicht. Und das will schon was heißen. Bild

Ipsissimus
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Di 21. Dez 2010, 13:57 - Beitrag #12

ich präferiere gegenüber beiden Bela Bartok^^ aber Schostakowitsch ist auch für mich einer der ganz Großen^^

Padreic
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Di 21. Dez 2010, 23:11 - Beitrag #13

Ohne ein großer Kenner zu sein, muss ich sagen, dass das 'Lied von der Erde' mir zum Liebsten gehört, was ich in "klassischer" Musik habe [in der Aufnahme von Klemperer und Wunderlich]. Jetzt beim Wiederhören sehe ich auch durchaus Schwächen. Aber meist sind Musikstücke mit Schwächen die, die emotional tiefer berühren, als die ohne - wobei sich dann die Schwächen als Teil des emotionalen Gesamteindrucks herausstellen, der fast unverzichtbar ist, mithin also gar keine rechten Schwächen sind....

@Lykurg: meinst du mit Hochromantik Chopin, Schumann und Konsorten?

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Di 21. Dez 2010, 23:36 - Beitrag #14

So meine ich es, Padreic; zur Vervollständigung des Zeitbilds gehört dann auch Mendelssohn. - Die Aufspaltung zwischen Neudeutschen/Wagnerianern und absoluten/Brahmsianern gehört zwar nach üblichen Begrifflichkeiten dazu ("2. Phase"), reizt mich aber schon deutlich mehr.

Ja, das Lied von der Erde ist zwar ziemlich kitschig, aber großartig! - Ganz heimlich sei angefügt, daß ich sogar "Das klagende Lied" sehr gern mag... Bild


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