Nachdem ich vor ungefähr einem Monat "Mahler auf der Couch" (2010) gesehen habe - mit etwas gemischten Gefühlen, aber immerhin dem Eindruck, daß er recht solide mit der Biographie umgeht und insgesamt sehr schöne Musik-Aufnahmen mit guten Bildern unterlegt werden (eingeschränkt allerdings etwa durch die in einer kurzen Szene auftauchenden Innenaufnahmen der heutigen Wiener Staatsoper), generell aber insbesondere die Geschichte seiner Ehe und Persönlichkeit Alma Mahlers plausibel und faszinierend dargestellt wurde - sah ich heute den britischen Film "Mahler" von 1974. Leider habe ich erst kurz vor der Hälfte zugeschaltet, aber schon das, was ich sah, war absolut grotesk. Die Fernsehzeitschrift apostrophierte ihn als "Drama", vielleicht lag das auch irgendwo in der Absicht seiner Produzenten, aber im Endeffekt mußte ich bei einigen Szenen scharf die Luft einsaugen, mehrfach aber auch lachen wegen der Absurdität des Gezeigten.
Auch hier schöne Musik, endlich auch mal was von Alma (?), aber auch eine sehr eigenwillige Umdeutung des Kindertotenlieds 'In diesem Wetter': Als der Text sich vordergründig beruhigt und die Musik idyllisch wird (ganz eindeutig der Frieden des Todes, für mich eine der abgründigsten Stellen in der Musikliteratur überhaupt), wird im Film gezeigt, wie der Sturm sich legt, die Sonne rauskommt, die Kinder zu Bett gebracht werden und sanft einschlafen. Erst im letzten Takt des Liedes steht dann auf dem Klavier abrupt ein Kindersarg. Nun ja.
Der Film beschreibt Mahlers Leben in Rückblenden aus Träumen und Erinnerungen während einer Zugfahrt kurz vor seinem Tod 1911. Mahler war fünfzig Jahre alt und sah (zumindest auf Fotos) bereits ziemlich krank und leidend aus. Während der Film von 2010 das im Ansatz wiedergibt, ist er in der britischen Verfilmung mit einem sehr jung aussehenden 30jährigen völlig unglaubwürdig besetzt. (Auch Alma, blond und im Dirndl, hat mit der historischen Person sehr wenig zu tun, wenn man das nicht ausschließlich auf ihre politische Einstellung bezieht.)
Die Einblendungen, die u.a. seine Einstellungsbemühungen als Hofoperndirektor und ein Gespräch mit Hugo Wolf zeigen, sind schon recht eigenwillig, vollends absurd wird aber Mahlers Traum von seinem eigenen Begräbnis: Unter den Klängen seines Trauermarsches aus der 5. marschieren schwarzuniformierte Sargträger unter dem Kommando seiner Witwe im Stechschritt über den Friedhof, sie tanzt und strippt auf dem Sarg und deutet (nach Mahlers Lebendverbrennung) Sex mit seinem Bild und (auf Mahlers Totenmaske reitend) ihrem Geliebten, einem der Sargträger, an.
Aber in einer anderen Sequenz kommt es noch abstruser: Mahlers Konversion zum Katholizismus wird in einer Stummfilmsequenz (mit eingeblendeten Texttafeln!) dargestellt, in der er von Cosima Wagner, die als Domina mit Reitpeitsche, Stahlhelm und Hakenkreuz auf dem Minirock mit gestrecktem Arm um ein stählernes Kreuz marschiert, dazu angeleitet wird, aus einem Judenstern ein Schwert zu schmieden, damit einen Drachen in seiner Höhle zu töten (Wagner-Klänge inklusive) und dessen abgeschlagenen Schweinekopf bis auf den Knochen zu verspeisen.
Kurzum: Sehr britisch.