Das Stahlhelm-Zitat

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Traitor
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Mo 11. Jun 2012, 20:00 - Beitrag #1

Das Stahlhelm-Zitat

Aus Deeper Meaning of Lviv:

Zitat von Traitor:Danzig n.
Ein durch gelinde ungeschickte Wortwahl einer halbrelevanten Person verursachter und maximal dreieinhalb Stunden dauernder Presseskandal.


Zitat von janw:Nein, eine undurchdachte Äußerung, die unzweideutig verrät, was wirklich in diesen Leuten vorgeht. Das Völkerverbindende am Sport ist das Gegeneinander Aufbringen von Völkern bzw. Bevölkerungen, und diese erweisen sich gefügig in der Sache, schwenken Fähnchen, wickeln ihre Außenspiegel ein, laufen mit nationalistischen Parolen auf Kleidung herum.

Dafür könnte ein Begriff gefunden werden:
Totaler Sport.


Und noch der Link zur Originalgeschichte.

Jan, genau, eine "undurchdachte" Äußerung. Und somit kann sie eben nicht "unzweideutig" etwas verraten. Flick ist Jahrgang 1965, auch für ihn dürfte wie für meine Generation bereits ein "Stahlhelm" in erster Linie ein metallenes Schutzobjekt sein, das sich durchaus für einen flapsigen Spruch eignet. Dass man gerade in Polen mit militärischen Ausdrücken vorsichtig sein sollte, und gerade als exponierter Funktionär, ist zwar eigentlich klar. Aber es war eben eine undurchdachte Äußerung. Hätte er wirklich provozieren oder rechtes Gedankengut raushauen wollen, dann hätte er sicher nicht nur "Stahlhelm", sondern "Sturmhelm" oder "Pickelhaube" (der arme Ball) gesagt. Dass er neben der reinen Rüstungsgegenstandsbedeutung den im Spiegel-Artikel erwähnten Wehrverband kannte, dürfte nicht anzunehmen sein.

Und was das Völkeraufbringen angeht - Länderspiele haben meines Erachtens genau die gegenteilige Wirkung, sie entladen Spannungen, die anderenfalls politische oder gar militärische Eskalationen bewirken könnten. Der Fußball-"Erzfeind" ist mir allesamt lieber als der politische "Erbfeind". Und diese Rivalitäten sind auch ziemlich harmlos, die Entladungen meist ziemlich kontrolliert ab, oder wann gab es (in Europa) zuletzt bei Länderspielen eine Eskalation, die den regelmäßigen Ausschreitungen bei rein intranationalen Vereinsduellen gleich käme?

janw
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Di 12. Jun 2012, 01:30 - Beitrag #2

Zitat von Traitor:Jan, genau, eine "undurchdachte" Äußerung. Und somit kann sie eben nicht "unzweideutig" etwas verraten.

Sie könnte im Sinne einer Freudschen Fehlleistung etwas verraten, das im Kopfe des Redners vorgeht. Und jüngeres Alter ist da kein Ausschlusskriterium.

e-noon
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Di 12. Jun 2012, 12:47 - Beitrag #3

Um Gotteswillen. Meiner Ansicht nach ist das lächerlich, es ist völlig verständlich, dass man gegen Freistöße eines begnadeten Stürmers seinen Kopf schützen will - mit einem Helm - und dass man dann nicht "Fahrradhelm" sagt sondern "Stahlhelm", was eben härter klingt (ein Fahrradhelm würde zwar besser schützen, aber nicht beeindruckend aussehen und klingen), ist ein Ausrutscher, der nun wirklich nur aufgebauscht wird, damit Menschen etwas zu schreiben haben.

blobbfish
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Di 12. Jun 2012, 14:26 - Beitrag #4

Es ist absolut verwerflich, eine Metapher zu verwenden. Es ist nun wirklich Zeit für Sprache, wie wir sie in 1984 nachlesen können, damit diese Art von Missverständnissen für immer von der Erde verbannt werden können.

Das Wort Stahlhelm hat seinen Weg aus dem Duden zu finden und darf nur noch in Wörterbüchern stehen, die nur unter strengster Auflage eignesehen werden dürfen, etwaige Interessierte dürfen z.B. nachschlagen, falls sie

- sie das Wort nie verwenden werden,
- mit keiner Silbe auch nur ein Lobwort über Deutschland über die Lippen zu bringen (wobei man das so nicht schreiben kann, s.o.),
- erklären, es war der freie, demokratische Wille der Bevölkerung der in die BRD übergegange Entität,
- Ausweichbegriffe für das, wofür bisher "Stahlhelm" verwendet wird zu finden, gemäß Guttenberg,
- ...


Stahlhelm bietet in der Tat mehr Möglichkeiten als ein Schutzhelm. Mit einem Schutzhelm sind meistens die gelben Plastikeimer der Bauarbeiter gemeint, ein Schutzobjekt, das nicht die Stärke des Schusses eines Ronaldo hervorheben kann. Stahl als nahezu unverwüstlicher Werkstoff kann dieser Stärke entgegeben treten.

Zur Aufarbeitung gehört auch, anzuerkennen, dass sich Begriffe der Zeit anpassen und unter anderen Gesichtspunkten völlig unproblematisch sind. An dieser Stelle könnte man also provokant fragen: Wollen diejenigen, die an diesen Relikten festhalten, nicht die Nutzer dieser Begriffe unterjochen?

Ipsissimus
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Di 12. Jun 2012, 17:09 - Beitrag #5

Ich denke, es geht weniger darum, dem Mann rechtsradikale Gesinnung zu unterstellen, als eben Unreflektiertheit und Unbedachtheit festzustellen. Gut, er ist ein subalterner Funktionär, aber dann ist er dem offiziellen Kontext, in dem er derzeit steht, eben nicht gewachsen.

Davon abgesehen finde ich es durchaus merkwürdig, dass ihm als Metapher ausgerechnet "Stahlhelm" einfällt, wo die wenigsten lebenden Deutschen Erfahrungen mit Stahlhelmen verinnerlicht haben dürften. Der Stahlhelm ist aus meiner Sicht eindeutig militärisch konnotiert, und auch ohne das Ganze überbewerten zu wollen zeigt sich daran zumindest, aus welcher Richtung der Wind weht.

Anaeyon
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Di 12. Jun 2012, 17:18 - Beitrag #6

Zitat von Ipsissimus:und auch ohne das Ganze überbewerten zu wollen zeigt sich daran zumindest, aus welcher Richtung der Wind weht.


Nimms mir nicht übel, aber mehr als "Blödsinn!" fällt mir dazu nicht ein. Wir sind keine Maschinen mit einem "finde die perfekten Metaphern"-Algorithmus und nur weil jemand einen Spruch im Kopf hat, der etwas militärisch klingendes beinhaltet weht der Wind noch lange nicht aus Richtung Militär. Die meisten Völker dieser Welt würden uns warscheinlich dafür auslachen, dass wir diese Diskussion hier überhaupt führen und hoffentlich auch nicht auf die Idee kommen, dass man da gleich die Gesinnung eines Menschen herauslesen kann. Bild

Man, was müssten wir für eine Angst vorm gesprochenen Wort haben, wenn wir nicht nur auf den zweiten Weltkrieg so eine krankhafte Fixierung hätten..

e-noon
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Mi 13. Jun 2012, 08:35 - Beitrag #7

Zitat von Ipsissimus:und auch ohne das Ganze überbewerten zu wollen zeigt sich daran zumindest, aus welcher Richtung der Wind weht.


Bezüglich dessen würde ich blobbfish und Anaeyon zustimmen. Metaphern sind Teil der Sprache und gehen ab und zu mal schief, gerade von Fußballern kennt man das doch ;) Auch ich habe manchmal Metaphern versucht, die durch einen zu langsamen Gedankengang völlig nach hinten losgingen, und das ist sicher jedem schon passiert. Dass man einen besonders harten Helm gegen einen besonders harten Schuss aufsetzen möchte, ist doch verständlich, und wie Anaeyon sagt, welche Alternativen hat man denn? Fahrradhelm, Plastikhelm oder Stahlhelm. Ist doch klar, dass man sich für Stahl entscheidet, wie bei "Nerven aus Stahl/wie Drahtseile" oder ähnlichem. Wenn er gesagt hätte "Unser Stürmer ist schnell wie ein Pfeil" hätte er auch eine tödliche Waffe genannt und sich entschuldigen müssen, und es ist auch sinnvoll, Kriegsmetaphern aus dem Fußball zu verbannen, aber Fehler macht jeder.

Ipsissimus
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Mi 13. Jun 2012, 11:53 - Beitrag #8

ich sehe, die Jugend verfügt über ein unzureichendes Verständnis von der Relevanz der Besetztheit von Begriffen^^

janw
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Mi 13. Jun 2012, 13:03 - Beitrag #9

Ich kann mich schon länger des Eindrucks nicht erwehren, daß der DFB totalitäre Züge hat und in der FIFA in eine ebenso totalitär getönte Struktur eingebunden ist, sich zumindest nicht wirklich mit dem Problem totalitärer Strukturierung auseinander gesetzt hat; die Verwendung von Versatzstücken totalitaristischer Militärstrukturen - das Zitat lautet ja im Ganzen "Stahlhelm aufsetzen und großmachen" - illustriert dies für mich. Der Verband ist getrieben von einem Alleinvertretungsanspruch in Verbindung mit einem Sendungsbewusstsein, das in die Richtung geht, im deutschen Fußball mehr als nur ein Spiel zu sehen, ein freundschaftliches Wettspiel verschiedener Ländermannschaften.
Die Äußerung offenbart für mich zudem ein vermindertes Maß an geistiger Durchdringung der eigenen Situation, das für Führungskräfte erschreckend ist.

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Mi 13. Jun 2012, 15:12 - Beitrag #10

Dann gehöre ich wohl auch zu der Jugend mit mangelndem Gespür für besetzte Begriffe... Bild - denn ich meine ebenfalls, daß der Ausdruck offensichtlich ungeschickt gewählt war angesichts des Echos, das er kurzfristig hervorruft, andererseits eben dieses Echo ein weiteres Zeichen dafür, wie leicht es ist, sich semigesamtgesellschaftlich über ein Nichts aufzuregen, das, wie andere bereits zu Recht bemerkten, in keinem anderen Land einen Menschen interessiert hätte. Ja, natürlich ist "Stahlhelm" ein Wort aus dem militärischen Sprachgebrauch, genau wie Flanke, Angriff, Verteidigung, Schuß, Sieg und Niederlage... Über die Nähe zum Krieg hat schon Rinus Michels sich seine Gedanken gemacht, und der mußte es wirklich wissen.

Die paramilitärische Organisation "Stahlhelm" der Weimarer Zeit werden viele nicht mehr kennen bzw. nicht mit dem Wort verbinden, Fußballfunktionäre werden sicher nicht für ihr historisches Wissen berufen. Wie verbreitet das Wissen darum beim Durchschnittsbürger ist, würde ich auch eher vorscihtig ansetzen. Eine "totalitär getönte Struktur" darin zu sehen ist für mich ein stärkeres Anzeichen von Wortverbiegung als das Originalzitat.

Ipsissimus
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Mi 13. Jun 2012, 15:36 - Beitrag #11

nur dass die anderen von dir genannten Begriffe den ursprünglichen Kontext schon vor langer Zeit gesprengt hatten, der Begriff "Stahlhelm" diesen aber nach wie vor unverfälscht mit sich führt^^ außerdem behauptet niemand, der DFB sei wegen dieser Petitesse eine semitotalitäre Organisation - zu dieser schon etwas älteren Einschätzung führten ganz andere Informationen. Diese Petitesse ist vielmehr eine Bestätigung der Einschätzung an unerwarteter Stelle, wo die Bestätigung hätte mühelos vermieden werden können, wenn die Denke bei den entsprechenden Personen nicht so selbstverständlich wäre, dass sie dann gelegentlich doch mal auch öffentlich durch rutscht.

Die Organisation "Stahlhelm" dürfte im rechten Spektrum Deutschlands übrigens noch überaus bekannt sein, ist sie doch Vorbild vieler Wehr"sport"gruppen^^

Anaeyon
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Mi 13. Jun 2012, 15:47 - Beitrag #12

Zitat von Ipsissimus:ich sehe, die Jugend verfügt über ein unzureichendes Verständnis von der Relevanz der Besetztheit von Begriffen^^


Ich glaube, ausser uns Deutschen und dem Zentralrat der Juden hält keiner Begriffe für so relevant. Wir sind auf dieser Erde meines Wissens nach das einzige Land/Volk, dass sich nicht nur für einen Genozid entschuldigt hat, sondern auch 70 Jahre danach jedes Jahr, ja fast jeden Monat irgend einen Gedenktag und eine Gedenkveranstaltung abhält. Welches anstatt den unangenehmen Teil der Landesgeschichte auszublenden gerade so tut, als würde deutsche Geschichte nur aus Hitler und der Mauer bestehen. Welches nach 70 Jahren noch Atom-Uboote als Wiedergutmachung verschenken kann. Welches Menschen dafür bestraft, den Holocaust zu leugnen, anstatt wie z.b. in der Türkei andersrum.

Und wir sind glaube ich auch das einzige Volk, welches sich nach eben jenem nationalistischen Prinzip als Tätervolk über den Kamm scheren lässt ohne sich zu wehren. Ein nicht geringer Anteil unserer Bevölkerung hat deutlich mehr aus der Zeit damals gelernt, als die Juden, die heute noch von "den Deutschen" sprechen.

Das ist glaube ich auch der Fehler, den du machst, Ipsi. Auch wenn du sicher viel zu intelligent bist um nicht zu bemerken, dass Nationalsozialismus nicht dem Deutschen eigen ist, so scheinst du doch zu glauben, dass wir uns auch heute noch mehr zurückhalten müssten, als der Rest der Welt. Anstatt mal berechtigter Weise zu fordern, dass wir unsere Lektion selbstbewusst an andere Länder weitergeben (Sendungsbewusstsein) ritualisieren wir den Selbsthass und trauen uns nicht, andere angemessen für die gleichen Fehler zu kritisieren, für die wir uns hassen.

Ich weigere mich, mich in irgend einer Form "verantwortlicher" zu fühlen als jeder andere Mensch auf dieser Welt, während ich mir gleichzeitig wünsche, dass jeder Mensch auf dieser Welt sich verantwortlich genug fühlt.

Und kein Mensch aus Deutschland sollte sich als "Deutscher" schubladieren lassen und keiner sollte sich für ein Wort wie "Stahlhelm" entschuldigen müssen nur weil er nicht aus einem anderen Land kommt. Das ist doch alles genau das gleiche nationalistische Grundprinzip, was da zu tragen kommt Bild

Ich benutze gerne mal das Wort "entartet". Ich bin mir der Geschichte dieses Begriffes wohl bewusst. Ich bin nicht ansatzweise rechter als ich es wäre, wenn ich diesen Begriff meiden würde.

Lykurg
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Mi 13. Jun 2012, 22:35 - Beitrag #13

Zitat von Ipsissimus:... wenn die Denke bei den entsprechenden Personen nicht so selbstverständlich wäre, dass sie dann gelegentlich doch mal auch öffentlich durch rutscht.

Die Organisation "Stahlhelm" dürfte im rechten Spektrum Deutschlands übrigens noch überaus bekannt sein, ist sie doch Vorbild vieler Wehr"sport"gruppen^^
Im rechten Spektrum ist das sicherlich so; die Zusammenführung dieser beiden Beobachtungen läuft aber Gefahr, zum Zirkelschluß zu verkommen. Nur unter der Voraussetzung, daß er diesen rechten Hintergrund hat, kann die Verwendung des Wortes relativ sicher als Hinweis auf einen rechten Hintergrund gewertet werden.

Maglor
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Mi 13. Jun 2012, 22:58 - Beitrag #14

Wenn der Mannschaftsführer zum Angriff bläst und der Stürmer mit dem entscheidenden Schuss Deutschland zum Sieg verhilft, dann kommt es auf den fehlenden Stahlhelm gar nicht mehr an.
Das Spiel dauert 90 Minuten.
Das Reich dauerte nur 12 Jahre.


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