Zurückhaltung der Medien bei Terrorberichterstattung

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Mi 24. Nov 2010, 09:36 - Beitrag #1

Zurückhaltung der Medien bei Terrorberichterstattung

Der 'Sicherheitstest' mit der Sprengstoffattrappe in Namibia scheint gründlich schiefgegangen zu sein, was seine mediale Verwertung betrifft. Zwar lassen sich aus der entstandenen Aufregung auch neue bzw. alte Sicherheitsmaßnahmen einführen, etwa verstärkter Polizeieinsatz, Vorratsdatenspeicherung und evtl. mal wieder Bundeswehr im Inland, öffentliche Ängste sind aber immer auch gefährlich. Wolfgang Kauder hat dagegen offenbar ein Rezept gefunden: Er schlug vor, Journalisten sollten in der Terrorismus-Berichterstattung Zurückhaltung wahren, dazu möglicherweise eine Selbstverpflichtung unterzeichnen. Überraschenderweise finden manche Medienvertreter das gar nicht so gut...

blobbfish
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Mi 24. Nov 2010, 10:20 - Beitrag #2

Ja, ich wäre auch wieder für die Vorratsdatenspeicherung damit man im Vorfeld schon weiß und im Nachhinein leichter herausfindet, wer denn die Attrappe unter die Leute brachte und warum ein Fehlalarm ausgelöst wurde. :knife:

Nein im Ernst, es sind ja nicht nur Sachen bei den Medien durcheinander gegangen, dass wir hier die ex. des krit. Journalismus zuweilen anzweifeln ist ja nicht gerade neu. Sinnvoller wäre, wenn Kauder vorgeschlagen hätte, man solle als Journalist eine Selbstverpflichtung unterschreiben, die besagt, generell nicht alles aufzubauschen wie es gerade passt. Wir einigen Medienvertretern bestimmt auch nicht gefallen. Wenn wir also schon einen Idealismus einsetzen wollen, dann bitte auch einen richtigen.

Die aktuelle Terrorwarnung hat ja mit dem Namibiavorfall wenig zu tun, aber da kommen ja die von dir genannten Sachen im Zusammenhang als Forderung auch schon vor. Nunja.

Ipsissimus
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Mi 24. Nov 2010, 12:43 - Beitrag #3

diese Namibia-Geschichte verstehe ich bis heute nicht richtig, also ihre Hintergründe^^ besorgter Bürger mit Security-Hintergrund testet Sicherheitsmaßnahmen? Hm ...^^

dass das Aufkommen neuer Terrorwarnungen immer wieder zu Rufen nach mehr Sicherheit - einschlägig so gut wie immer in der Verschärfung der bestehenden Rechtslage gesucht - führt, darf bereits als Standard-Reflex gelten, selbst ohne irgendjemandem unterstellen zu wollen, diese Warnungen zu eben diesem Zweck zu streuen.

Die Situation der Medien diesbezüglich ist heikel. Die Belange der Terrorismusbekämpfung, letztlich also der Strafverfolgungsbehörden, dürfen nicht die Belange der Medien sein. Andererseits muss man nicht großartig drüber nachdenken, um sich drüber klar zu werden, dass ein gar nicht mal so kleiner Anteil der Berichterstattung eher etwaigen Terroristen in die Hände spielt, als dass er behilflich wäre, um Anschläge und dergleichen zu verhindern. Hier kommt also ein echter Interessenkonflikt zum Tragen.

Zusätzlich ist es noch so, dass auch über die Medien in den letzten Jahrzehnten eine Relevanz der behördlichen Belange vermittelt wurde, die beinahe an die Relevanz der neoliberalen Durchstrukturierung der Gesellschaft herankommt, wenn auch nicht ganz so unisono gesungen wie bei letzterer. Wenn also behördliche Belange so hoch gehandelt werden, dass schon überhaupt nur darüber nachgedacht werden kann, bestimmte Privilegien der Medien anzutasten - freiwillige Selbstverpflichtung ist Augenwischerei, wenn sie nicht erfolgt, kommt das Gesetz - dann haben die Medien selbst zu dieser Entwicklung in nicht unerheblichem Maße mit beigetragen.

Es ist ein Hauen und ein Stechen^^

Maglor
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Mi 24. Nov 2010, 20:30 - Beitrag #4

Ich glaube auch nicht, dass es gut ist, wenn die Presse breit tritt, dass es sich bei unseren fürchterlichen Bomben um gestellte Szenarien handelt. Viel mehr sollten sie ihre Aufmerksamkeit auf muselmanische Mitbürger und alte Feindschaften im mittleren Osten richten anstatt in den Machenschaften gesichtsloser Geheimdienste bohren!

Kauder: "Wenn die Presse darüber berichtet, welche Orte besonders gefährdet sind, dann kann das unter Umständen ein Anreiz für Terroristen sein."

Ansonsten betrachte ich die heraufbeschworene Terrorgefahr als so undeutlich, dass es gerade die Aufgabe der Medien ist, ihr entweder ein Gesicht zu geben oder ihr eben die falsche Maske herunterzureißen.
Eine Kultivierung der unkonkreten Terror-Gefahr gegen alles und nichts, halte ich für äußerst gefährlich. Das tolle an dieser Art von Terror-Warnung ist, dass sie eine Prophezeiung ist, deren Erfüllung nicht überprüft werden kann. Es handelt sich also um einen uralten Wahrsagertrick.
Früher oder später wird ja irgendwo, irgendwer irgendwas tun, womit eine unkonkrete Warnung ja eine Berechtigung erhalten.
Zur Bestätigung reicht vielleicht keine Briefbombe griechischer Anarchisten - ein äußerst konkrete und tatsächliches terroristisches Ereignis, dass offenbar nur wenig Beachtung findet - , wohl aber ein verhafteter Salafit, der von seiner Bildungsreise aus Pakistan zurückkehrt oder irgendein einsamer Irrer, der einen dilletantischen Anschlag plant, der prompt vereitelt werden konnte. Und einen Bombenanschag wird man sicher nicht mit Schnellfeuergewehren vereiteln können, aber Terrorismus kann für den Staat so teuer sein, wenn er geglaubt und geliebt wird.

Jeder soll Osama bin Laden und seine muselmanischen Mitverschwörer fürchten, sei es an Gleis 8 oder am Glühweinstand! :crazy:
Merkt euch das! ;)

Traitor
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Mi 24. Nov 2010, 23:34 - Beitrag #5

Eigentlich fand ich die Berichterstattung in dieser Woche fast schon ein Musterbeispiel an Zurückhaltung. Die ersten Schlagzeilen waren zwar das übliche
Zitat von Beliebiges Massenmedium:Alarm Alarm ALARM unglaublich massive Terrorbedrohung JETZT SOFORT direkt bei IHNEN ZUHAUSE!!!
, obwohl dann in den Details nur undeutliche Bedrohungen in mittelferner Zukunft ausgeführt wurden. Aber es folgten überraschend schnell auch relativierende und sogar das Bedrohungsgefühl an sich in Frage stellende Berichte.
Für das, was man im allgemeinen von den Medien hält, ist das doch fast schon ein Fortschritt, oder?
Zitat von Ipsissimus:Zusätzlich ist es noch so, dass auch über die Medien in den letzten Jahrzehnten eine Relevanz der behördlichen Belange vermittelt wurde, die beinahe an die Relevanz der neoliberalen Durchstrukturierung der Gesellschaft herankommt, wenn auch nicht ganz so unisono gesungen wie bei letzterer. Wenn also behördliche Belange so hoch gehandelt werden, dass schon überhaupt nur darüber nachgedacht werden kann, bestimmte Privilegien der Medien anzutasten - freiwillige Selbstverpflichtung ist Augenwischerei, wenn sie nicht erfolgt, kommt das Gesetz - dann haben die Medien selbst zu dieser Entwicklung in nicht unerheblichem Maße mit beigetragen.
Ebensowenig wie deine Gleichsetzung so ziemlich jedes wirtschaftlichen Prozesses mit Neoliberalismus kann ich deine Gleichsetzung jedweder Sicherheitsmaßnahme mit "Behördenbelangen" teilen. Sicherheit vor Terror, genauso wie vor Kriminalität, ist ersteinmal ein Bürgerbelang, kein Behördenbelang - denn zumindest bei den beschworenen islamischen Bedrohung richten sich die Anschläge ja tatsächlich in erster Linie gegen Zivilpersonen und nur durch mittelbare Destabilisierungsauswirkungen gegen Staat und Behörden. (Im Gegensatz zu den Griechenbomben, die ja gezielt an Regierungsstellen versandt wurden.) Dass dieses Bedrohungsszenario nun von einigen Stellen, auch und gerade Behörden, zu übertriebenen Maßnahmen genutzt wird, teils sicher auch nicht nur aus übertriebenem Fürsorgestreben, sondern aus völlig unkorrelierten Selbstbemächtigungsbestrebungen, das sehe ich selbst auch so. Ob dies systematisch und mehrheitlich der Fall ist, darüber ließe sich diskutieren. Aber das Sicherheitsmaßnahmen in erster Linie oder gar grundsätzlich "Behördenbelange" seien, das sehe ich als Verschwörungstheorie an.

Zitat von Maglor:Jeder soll Osama bin Laden und seine muselmanischen Mitverschwörer fürchten, sei es an Gleis 8 oder am Glühweinstand!
Wo kann ich das orientalische Teezelt auf dem Mittelalter-Weihnachtsmarkt denunzieren? Ich bin mir sicher, darin verstecken sich massenweise Mitverschwörer und belauern den Glühweinstand!

Ipsissimus
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Do 25. Nov 2010, 13:49 - Beitrag #6

Traitor, ich meine nicht so ziemlich jeden wirtschaftlichen Prozess, sondern die generelle Ausrichtung der Gesellschaft, bei der die Belange der Wirtschaft selbst dann noch hochgehalten werden, wenn sie schon lange nicht mehr den Menschen dienen sondern allein der Optimierung des Markterfolgs. Diese ins Privateste reichende Durchkommerzialisierung aller gesellschaftlichen Aspekte, meinst du, die würde aus Menschenfreundlichkeit betrieben?

Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger ist ein behördlicher Belang, weil es den Bürgern per Gesetz untersagt ist, ihre Sicherheit mit Ausnahme passiver Maßnahmen selbst in die Hände zu nehmen, Gewaltmonopol des Staates. Das Problem ist die über jedes Ziel hinausschießende Ausweitung von "Notwendigkeiten", die seitens der entsprechenden Behörden und Politiker in entsprechenden Situationen gebetsmühlenartig angeführt wird. Ob das System hat oder bedauerliche Einzelfälle sind? Honi soit qui mal y pense.

Traitor
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Do 25. Nov 2010, 22:38 - Beitrag #7

Nein, Menschenfreundlichkeit in der Wirtschaft sehe ich auch keine, aber auch kein großangelegtes, oder zumindest kein explizit zielgerichtetes, Programm zu ihrer Setzung als generellere Ausrichtung. Aber die Wirtschaft sollte in diesem Thread nur Beispiel sein.

Das Gewaltmonopol ist hier ein gutes Argument, denn tatsächlich macht es die Sicherheit zum besonderen Anliegen der Behörden. Aber dadurch wird sie noch nicht automatisch zu ihrem primär aus Selbstzweck betriebenen Hobby, wie deine Verwendung von "Belang" mir zu implizieren scheint. Denn dass der Bürger die Gewalt nicht selbst in die Hand nehmen darf, heißt ja nicht, dass er sie nicht von Behörden einfordern oder ihnen verweigern kann.

Was die Ausweitung von Notwendigkeiten angeht - ja, das hat System, und ich es sehe es sehr kritisch. Glücklicherweise hat es aber nur System, ist noch nicht das System - will sagen, es sind weit mehr als Einzelfälle, aber es ist (noch?) nicht die Regel und insbesondere noch nicht (für mich) erkennbar vom Anlass gelöst. So sehr Schily und Schäuble es übertrieben haben und ihre Nachahmer es übertreiben, so hatte ich doch nie das Gefühl, dass sie einen generellen Überwachungsstaat wollen und dafür jeden Vorwand nutzen, sondern "nur", dass sie ziemlich falsche und sehr gefährliche Ansichten haben, wie man mehr oder weniger konkrete Bedrohungen am effektivsten (nicht am effizientesten) bekämpft.

Ipsissimus
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Fr 26. Nov 2010, 01:51 - Beitrag #8

... aber auch kein großangelegtes, oder zumindest kein explizit zielgerichtetes, Programm zu ihrer Setzung als generellere Ausrichtung ...
dann divergiert unsere Wahrnehmung gewaltig^^ aber das wissen wir ja schon^^

ich verstehe nicht so recht, was du damit meinst, der Bürger könne Gewalt nicht von Behörden einfordern oder verweigern^^ meinst du, Behörden warten darauf, dass die Bürger ihnen sagen "mach" oder "lass sein"?

Der Unterschied zwischen "System haben" und "System sein" ist sicher gegeben, das anerkenne ich. Das schiere Ausmaß, das "System haben" seit den seligen Zeiten der RAF angenommen hat, ist aus meiner Perspektive aber nur noch einen winzigen Schritt vom Umschlag ins "System sein" entfernt; wobei "System sein" nicht notwendig identisch ist mit "verfasstes System sein", mir reicht es schon völlig, wenn es auf "gelebtes System sein" hinausläuft. Und ob, unter diesem letzten Aspekt betrachtet, der letzte kleine Schritt nicht doch schon längst gegangen wurde, ist mir bei weitem nicht so definitiv ausschließbar, wie es für dich möglich zu sein scheint

Aydee
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Fr 26. Nov 2010, 15:18 - Beitrag #9

Zitat von Ipsissimus:ich verstehe nicht so recht, was du damit meinst, der Bürger könne Gewalt nicht von Behörden einfordern oder verweigern^^ meinst du, Behörden warten darauf, dass die Bürger ihnen sagen "mach" oder "lass sein"?

Warum nicht? So in der Art: "Platz!" "Fass!" "Mach Männchen!" "Gib Pfötchen!" "Kommst du wohl zurück!!??!!!!!?????!!!"
Und wenn sie brav waren, gibts auch Leckerchen.

Ich meine, uns intellektuell unterlegene Kreaturen schaffen das. Da wird doch wohl die überlegene menschliche Kreatur keine Probleme haben...

janw
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Fr 26. Nov 2010, 18:23 - Beitrag #10

Aydee, gegen Leckerchen tun die auch das eine oder andere, zumindest in gewissen Bereichen, Städten und Regionen^^

Traitor, wenn ich sehe, welche Märchen Schülern in Wirtschaftskunde erzählt werden, verstärkt durch Börsenspielchen der Sparkassen usw., scheint mir die Kirche manchmal eine Laienveranstaltung - daß Börsenmärkte noch irgendetwas mit realen Marktgegebenheiten zu tun hätten, daß Wirtschaftswachstum Arbeitsplätze schaffe, daß mit Arbeit Wohlstand zu erwerben sei, daß ein Girokonto zur Geldanlage dienlich sei, wer's glaubt, bereite sich aufs böse Erwachen vor^^
Daß derlei Stuss zum offiziellen Lehrstoff zählt, hat für mich schon etwas bösartiges, der aktuelle Lug und Trug mit Arbeitslosenstatistiken zeigt den wahren Zustand unseres Staates, und der Gesellschaft. Zu anderen Zeiten hätte das Menschen auf die Straßen getrieben...

Direkter zum Thema liegt mir etwas auf der Zunge, nachher mal.

janw
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Fr 26. Nov 2010, 22:18 - Beitrag #11

Zitat von Ipsissimus:dass das Aufkommen neuer Terrorwarnungen immer wieder zu Rufen nach mehr Sicherheit - einschlägig so gut wie immer in der Verschärfung der bestehenden Rechtslage gesucht - führt, darf bereits als Standard-Reflex gelten, selbst ohne irgendjemandem unterstellen zu wollen, diese Warnungen zu eben diesem Zweck zu streuen.

Ja, wobei mich doch etwas erstaunt, wie stark in grundgesetzbewehrte Bereiche vorgestoßen wird unter expliziter Feststellung, daß die dafür benötigten Mehrheiten nicht erreichbar seien. Bloße Feststellung oder unterschwellige Aufforderung an Betreffende, sich doch nicht so zu haben?^^
Wenn ich zeitgleich vom Verteidigungsminister ein explizites Drängen nach Einsätzen zur Rohstoffsicherung vernehme, kommt für mich Letzteres in den Bereich des Möglichen, steter Tropfen...irgendwann muss die Schnarre doch mal einknicken^^.

Die Situation der Medien diesbezüglich ist heikel. Die Belange der Terrorismusbekämpfung, letztlich also der Strafverfolgungsbehörden, dürfen nicht die Belange der Medien sein. Andererseits muss man nicht großartig drüber nachdenken, um sich drüber klar zu werden, dass ein gar nicht mal so kleiner Anteil der Berichterstattung eher etwaigen Terroristen in die Hände spielt, als dass er behilflich wäre, um Anschläge und dergleichen zu verhindern. Hier kommt also ein echter Interessenkonflikt zum Tragen.

Zusätzlich ist es noch so, dass auch über die Medien in den letzten Jahrzehnten eine Relevanz der behördlichen Belange vermittelt wurde, die beinahe an die Relevanz der neoliberalen Durchstrukturierung der Gesellschaft herankommt, wenn auch nicht ganz so unisono gesungen wie bei letzterer. Wenn also behördliche Belange so hoch gehandelt werden, dass schon überhaupt nur darüber nachgedacht werden kann, bestimmte Privilegien der Medien anzutasten - freiwillige Selbstverpflichtung ist Augenwischerei, wenn sie nicht erfolgt, kommt das Gesetz - dann haben die Medien selbst zu dieser Entwicklung in nicht unerheblichem Maße mit beigetragen.

Es ist ein Hauen und ein Stechen^^

Hier wird es schwierig. Ich gebe Dir recht, daß Belange der Behörden nicht Belange der Medien sein sollten, hier ist kritische Distanz gefordert.
Ich denke aber, daß grundlegende Belange der Gesellschaft und des Landes schon Belange der Medien sein können, zumindest wo es um unmittelbare Gefahren für Leib und Leben geht.
Es gab mal eine vergleichbare Situation bei der "Landshut"-Entführung, wo den Medien Informationen über das geplante Vorgehen der Behörden zugeflossen sind. Meines Wissens hat damals eine Zeitung darüber berichtet, deren Auflage dann von einem Kanzleramtsmitarbeiter aufgekauft wurde, Helmut Schmidt hat das mal berichtet.
Worte sind wirksam, und so ist es für mich eine Frage der Verantwortung des einzelnen Journalisten, abzuwägen, ob ein Bericht Leib und Leben anderer in Gefahr bringen könnte.

Ich finde es nur merk-würdig, daß die Erosion der Verantwortung erst zu dieser Zeit bemerkt wird, nachdem nun die Medien jahrelang kräftig die Mär vom faulen Arbeitslosen auch in die letzten Köpfe hinein geplärrt haben.
Hat also der Neoliberalismus die sozialen Grenzen des Menschen eingerissen, und nun steht dessen Leben zur Disposition ?

Ipsissimus
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Mo 29. Nov 2010, 12:10 - Beitrag #12

Bloße Feststellung oder unterschwellige Aufforderung an Betreffende, sich doch nicht so zu haben?^^
eher die Strategie des steten Tropfens, wie du im nächsten Satz imo völlig zu Recht vermutest^^

das Problem mit den Medien erachte ich in erster Linie deswegen für heikel, weil sie idealerweise unabhängig bleiben sollen; dass sich diese Forderung problemlos mit dem Sachverhalt beißt, dass sie von ihren ersten Anfängen an auch dafür verwendet wurden, um Politik nicht nur zu mediieren sondern gleich auch zu machen, lässt das Problem nicht weniger heikel erscheinen. Im Prinzip halte ich das Problem für unlösbar, denn natürlich müssten die Medien im Sinne einer unabhängigen und wirklichkeitsadäquaten Berichterstattung nicht nur unabhängig vom politischer sondern auch von gesellschaftlicher und privater, z.B. geldgeberischer Einflussnahme sein. Und der einzelne Redakteur dürfte nicht auf redaktionelle Vorgaben verpflichtet sein und er dürfte nicht bestechlich sein und, und, und ... man kann es also vergessen.

Im Prinzip haben es die Engländer mit einem Sprichwort auf den Punkt gebracht: "Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit." Dass sie mittlerweile mit ihrem Überwachungswahn dabei sind, das Kind mit dem Bade auszuschütten, darf dabei ruhig als Treppenwitz der Geschichte aufgefasst werden.

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Mo 29. Nov 2010, 20:43 - Beitrag #13

Zitat von Lykurg: Wolfgang Kauder hat dagegen offenbar ein Rezept gefunden: Er schlug vor, Journalisten sollten in der Terrorismus-Berichterstattung Zurückhaltung wahren, dazu möglicherweise eine Selbstverpflichtung unterzeichnen. Überraschenderweise finden manche Medienvertreter das gar nicht so gut...



Da passt nur zu gut, das unser Bundespräser eine 'ISO-Journalismus' fordert:
http://www.welt.de/politik/article9665232/Wulff-fordert-ISO-Norm-fuer-Journalismus.html

... Thorsten Schulte hat u.a. dazu einen Aufruf verfasst

(... und nein, er will nicht nur sein Buch verkaufen)

Dieser 'ISO-Journalismus' stößt der BloggerSzene schon lange gewaltig auf:
http://www.goldseitenblog.com/peter_boehringer/index.php/2010/11/29/wehret-den-anfaengen

Die MainstreamMedien haben sich schon lange von ihrer eigentlichen Aufgabe entfernt und sehen sich wohl selbst als 'systemrelevant', - als denn 'systemkritisch'. Anders kann ich mir z.B nicht erklären dass wikileakks so furore macht. "Investigation" scheint für heutrige Journalisten eine 'Mär aus uralten Tagen' zu sein vor der man staunend und ungläubig steht und fragt "ist denn das überhaupt erlaubt?"

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Mo 29. Nov 2010, 20:59 - Beitrag #14

In der Tat kann man sich über die Berechtigung, Vorteile und Risiken von Wikileaks gründlich Gedanken machen - ich halte das Thema allerdings für sperrig genug, um das auf einen anderen Thread zu verschieben, den ich eigentlich heute eröffnen wollte. Dies nur als Randnotiz...

Maglor
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Mo 29. Nov 2010, 22:37 - Beitrag #15

An der Stelle wäre es wichtig die Motive der Presse zu kennen.
Hinter solchen Blasen wie Terrorismus, Kampfhunde, Rinderwahn, Schweinegrippe, Triebtäter, Ausländer ... stecken sich auch ein Funke möglicher oder gar tatsächlicher Gefahr.

Ich sehe aber weniger die Politik als agressive Aufblaser und Themenbestimmer, sondern viel mehr als die vom cholerischen Skandal-Journalismus getriebenen, die passend zur BILD-Schlagzeile die passende Kurzschlußreaktion entwickeln oder aus der Schublade holen.

Soll heißen: Die Themen werden durch die Leit-Medien bestimmt. Diesen geht es nicht um irgendeine demokratische Kontrollfunktion sondern um Auflage, Quote, Aufmerksamkeit.
Um die Breitenwirkung macht sich da offenbar kaum einer Gedanken. Der Verschleiß an Skandalen wird meiner Ansicht nach immer größer. Die Debatten verrohen und verflachen und vor allem werden sie nicht beendet, sondern abgebrochen, wenn sie uninteressant oder unangenehm werden.

Absurderweise kenne ich wirkliche Recherchearbeit, Investigativjournalismus und vor allem kritischen Umgang mit Wahrheit auschließlich aus den öffentlich-rechtlichen Fernsehen, also von Amtswegen. Sowas wie Frontal 21, Panorama oder auch quer. Gewissermaßen spielt das Staatsfernsehen die Rolle, die der Spiegel in den 60ern hatte. Eigentlich schon eine gewisse Armut und vor allem ein Gefahrpotenzial, denn die Unabhängigkeit eines Staatsfernsehens ist ja keineswegs in Stein gemeißelt, sondern nur ein Glücksfall, der verblühen kann wie eine Blume.

Maglor
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So 10. Dez 2017, 21:18 - Beitrag #16

Zitat von Maglor:Jeder soll Osama bin Laden und seine muselmanischen Mitverschwörer fürchten, sei es an Gleis 8 oder am Glühweinstand! :crazy:
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Welch üble Vorsehung er doch schon damals hatte. :|

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Sa 16. Dez 2017, 14:02 - Beitrag #17

Stimmt, wobei die Befürchtung eines möglichen Anschlags auf einen Weihnachtsmarkt - wenn auch meist: eines Bombenanschlags - schon seit vielen Jahren umging. Auf dem Berliner Gendarmenmarkt wurden jedenfalls schon seit mehreren Jahren die Rucksäcke kontrolliert. Hängt halt auch davon ab, inwieweit man den Markt abriegeln kann und möchte - dort mit einer kompletten Umzäunung - oder eben doch weniger inklusive Konzepte bevorzugt.


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