Ich will dann mal den tendenziellen Input-Overflow in dieser Sache abarbeiten.
Irgendwo las (oder hörte?) ich heute, bei Schavan fänden sich die bemängelten Stellen (vor allem oder gar nur) im repetitiven Teil, dort wo sie selber etwas erarbeitet und dargestellt hat, sind anders als zB bei Guttenberg eben keine Plagiate zu finden. Wen dem so ist (das nachzuprüfen ist mir gerade zu lustbefreit), dann wäre das m.E. ein gewichtiger Grund, der nur für Rüge, ber Belassen des Doktorgrades spricht.
Wie bspw. in der
Zeit zu lesen, will Schavan nicht zurücktreten und Merkel stärkt ihr den Rücken.
Kanzlerin Angela Merkel hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihr "volles Vertrauen" ausgesprochen. Nach der Rückkehr der Ministerin aus Südafrika werde "Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert als Reaktion auf die Aberkennung des Doktortitels.
Schavan hatte bereits erklärt, trotz des Entzugs ihres Doktortitels nicht als Ministerin zurückzutreten. "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen. Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde", sagte sie in der südafrikanischen Stadt Johannesburg.
Es finden sich zwei Kommentare, die einen Rücktritt wegen der aktuelle Affäre als falsch einstufen. Einmal in der
SZ, bei der auch die Frage angewissen wird, ob nun auch andere Dissertationen anders zu beurteilen sind:
Die Entscheidung ist juristisch vertretbar, dennoch ist sie nicht richtig. Zum einen war die Causa Schavan ein Grenzfall, das zeigt schon die lange Prüfung durch die Universität. Und das zeigt der Streit, den die Vorwürfe unter Wissenschaftlern entfacht haben. Zum Zweiten lag das Fehlverhalten der jungen Annette Schavan mehr als 30 Jahre zurück. All das hätte man berücksichtigen, die Zitierfehler rügen - und es dabei belassen können.
Die Entscheidung gegen Schavan setzt strenge Maßstäbe, auch bei der Prüfung von Dissertationen, die in den Bibliotheken längst vor sich hingilben. Man darf gespannt sein, wie viele Titel diesen Maßstäben noch zum Opfer fallen werden.
Mit gleichem und doch letztlich anderen Tenor meldet sich die
Zeit und vergleicht ein wenig auch Guttenberg und Schavan:
Fest steht: Die Uni Düsseldorf hatte keine andere Wahl, als den Titel abzuerkennen. Ihr Risiko war, künftig in dem Ruf zu stehen, man nehme es nicht so genau mit wissenschaftlichen Standards. Das kann sich keine Hochschule leisten.
Doch Schavan hat keine Straftat begangen. Sie hat ein paar Anführungszeichen ausgelassen, im schlimmsten Fall mit Absicht, um ihre Arbeit ein bisschen besser erscheinen zu lassen.
Schavan hat nicht das Parlament belogen
Bei Karl-Theodor zu Guttenberg lag der Fall anders. Der ehemalige Verteidigungsminister hat sich vor das Parlament gestellt und gelogen. Ihm konnte nachgewiesen werden, dass mehr als 90 Prozent seiner Doktorarbeit geklaut war. Das sind echte Rücktrittsgründe. Schavan hat weder im Bundestag die Unwahrheit gesagt noch mit der Chuzpe Guttenbergs abgeschrieben.
Die Kanzlerin sollte gelassen bleiben. So manche Doktorarbeit in Deutschland würde der Überprüfung durch Internetaktivisten und Kommissionen nicht standhalten. Ginge es gerecht im Sinne schavanscher Maßstäbe zu, müsste eine Aberkennungswelle durch die Republik rollen. Die Regierung muss zeigen, dass es einen Weg gibt, mit den Fünden der Plagiatsjäger souverän umzugehen.
Jedoch sieht die Zeit am Ende andere Gründe, die einen Rücktritt Schavans nahelegen könnten:
Es gibt einen viel besseren Grund, warum die CDU-Politikerin als Wissenschaftsministerin abtreten sollte: Ihre politische Arbeit. Schavans Bilanz darf man getrost als schwach bezeichnen. Ihr Prestigeprojekt, das Deutschlandstipendium, steht heftig in der Kritik. Und obwohl Schavan Studiengebühren für notwendig hält, schafften viele Länder sie ab. Darüber sollte man sprechen. Im kommenden Herbst gibt es wieder eine Gelegenheit, ihr den wichtigeren Titel abzuerkennen.
Irgendwie noch unsicher bin ich in der Beurteilung eines Interviews, das Wolöfgang Löwer, Bonner Jura-Professor, als Promotionsexperte bezeichnet und Sprecher des Gremiums "Ombudsman für die Wissenschaft" der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der
Zeit zum Thema Schavan und Promotion im allgemeinen gab.
Löwer: Nein, die Verantwortung liegt beim Täuscher, nicht beim Getäuschten. Jeder, der eine Dissertation einreicht, muss der Universität versichern, dass er die Arbeit selbst angefertigt und sich kein fremdes geistiges Eigentum angeeignet hat. Der Gutachter soll zwar prüfen, ob die Arbeit authentisch ist und die Ideen originell sind. Dazu muss er im Thema kundig sein und sich in der Literatur gut auskennen. Doch er ist keineswegs verpflichtet, sich wie die vroniplag-Mannschaft hinzusetzen und jede einzelne Fußnote nachzuschlagen. Wenn ein Kind der Oma Geld aus dem Portemonnaie klaut, würden Sie der Oma doch keine Teilschuld geben, weil sie ihr Portemonnaie auf dem Tisch hat liegen lassen, oder?
ZEIT ONLINE: Laut dem Statistischen Bundesamt sind im Jahr 2011 nur sechs von 26.987 Promovenden durchgefallen. Werden Promotionen einfach durchgedrückt?
Löwer: Die Zahl überrascht mich nicht, denn sie lässt die ganzen Abbrecher außer Acht: Ich schätze, dass mindestens ein Drittel der Doktoranden die Promotion nicht zu Ende führen – und das ist noch vorsichtig geschätzt. Das liegt unter anderem daran, dass Dissertationen intensiv betreut werden. Im Gegensatz zu etwa einer studentischen Hausarbeit bekommt der Doktorvater keine komplett unbekannte Arbeit auf den Tisch gelegt. Meist hat er schon während der Entstehungsphase eine recht genaue Vorstellung davon, woran der Promovend arbeitet und wie dessen Arbeitsfortschritte verlaufen. Wenn die Arbeit in die falsche Richtung zu gehen oder schlecht zu werden droht, kann das im Gespräch zwischen Doktorvater und Promovend geklärt werden.
ZEIT ONLINE: Besteht da nicht die Gefahr, dass der Gutachter bei der Bewertung der Dissertation befangen ist?
Löwer: Es sind immer Menschen, die die Noten geben. Vor allem bei der mündlichen Promotionsprüfung ist es schwierig, sich für seinen Doktoranden nicht persönlich verantwortlich zu fühlen. Wenn er es in der Prüfung nicht gepackt hat, muss sich der Doktorvater danach eingestehen: Ich habe es auch nicht gepackt. Denn man hat seinen Doktoranden schließlich die ganze Zeit begleitet und womöglich etwas falsch gemacht. Bei den Arbeiten selbst haben die guten Noten noch einen anderen Hintergrund: Die Gutachter wollen sie veröffentlicht sehen – denn sie sollen ja nicht als Kellerdissertationen verstauben. Und die Verlage nehmen nur Summa- oder Magna-Arbeiten. So tendieren viele Gutachter dazu, im Zweifel die bessere – und vielleicht zu gute – Note zu geben. Meine Fakultät hat sich diesem Problem schon angenommen: Wir haben die neue Notenstufe satis bene zwischen cum laude und rite eingeführt.
Aus meinem Bauchgefühl kriegt er keine klare Position hin, ob Promotionsbetrug jetzt nur ein Problem des betrügend promovierenden ist oder ob da nicht auch die Rolle der betreuenden doch gravierend mit hineinspielt.