A Plea for Caution From Russia

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Ipsissimus
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Di 17. Sep 2013, 10:10 - Beitrag #1

A Plea for Caution From Russia

oder: What Putin Has to Say to Americans About Syria

und das in einem großen Artikel in der New Yoork Times, der mittlerweile mit über 4400 Kommentaren zum meistkommentierten Beitrag in der Geschichte der NYT avancierte

No matter how targeted the strikes or how sophisticated the weapons, civilian casualties are inevitable, including the elderly and children, whom the strikes are meant to protect.


der Putin aber auch^^ auch schön:

It is alarming that military intervention in internal conflicts in foreign countries has become commonplace for the United States. Is it in America’s long-term interest? I doubt it. Millions around the world increasingly see America not as a model of democracy but as relying solely on brute force, cobbling coalitions together under the slogan “you’re either with us or against us.”


http://www.nytimes.com/2013/09/12/opini ... .html?_r=0

oder noch besser:

It is extremely dangerous to encourage people to see themselves as exceptional, whatever the motivation. There are big countries and small countries, rich and poor, those with long democratic traditions and those still finding their way to democracy. Their policies differ, too. We are all different, but when we ask for the Lord’s blessings, we must not forget that God created us equal.


die Analyse bei Telepolis: http://www.heise.de/tp/artikel/39/39910/1.html zeigt so richtig, wie gewaltig Putin den Amerikanern da den Marsch bläst:

Die Amerikaner an die Gleichheit vor Gott zu erinnern – das ist, wie den Iranern, Taliban und Saudis die 109. Sure des Koran vorzulesen, in der es da heißt: "Ihr habt eure Religion und ich habe meine Religion."


und so ganz nebenbei gibt er deutschen Kriegshetzern damit auch noch eine Ohrfeige^^ die sie - ein seltener Fall - allerdings auch schon vorher von ihren Lesern bekommen haben, denn weshalb sonst sah sich die Süddeutsche veranlasst, ihren Außenpolitik-Chef Stefan Kornelius vorerst von der Berichterstattung über Syrien zu entbinden - die besinnungslose Einseitigkeit seiner Stellungnahmen zugunsten der Rebellen hat offenbar mehr Leute als nur mich genervt^^

Traitor
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Do 19. Sep 2013, 21:55 - Beitrag #2

Jetzt gibt's die Retourkutsche - was früher die Kanonenboote, sind heute die Leitartikel? ;)

Vielleicht könnte man Putins Stellungnahme sogar ernstnehmen, wenn Russland sein Sicherheitsrat-Veto nicht schon so oft missbraucht hätte, um gefälligen Regimes den Rücken zu stärken. So kann man ihnen im Moment bestenfalls zugestehen, dass sie zufällig für vernünftige Mäßigung sind, weil es gerade zu ihren eigentlichen Interessen passt; sicher nicht, dass Weltfrieden an sich zu jenen gehört.

No matter how targeted the strikes or how sophisticated the weapons, civilian casualties are inevitable, including the elderly and children, whom the strikes are meant to protect.
Weshalb sie sich in Tschetschenien gedacht haben, dass man sich das Targeting ja gleich sparen und einfach wild drauflos zuschlagen kann? ;)

It is alarming that military intervention in internal conflicts in foreign countries has become commonplace for the United States.
Da untertreibt er allerdings noch, sein "has become" ist doch bis auf wenige Pausen seit dem 19. Jahrhundert der Normalzustand...

Diese Analyse wird Maglor gefallen, scheint inzwischen doch schon ziemlicher Mainstream zu sein:
Mercenaries from Arab countries fighting there, and hundreds of militants from Western countries and even Russia, are an issue of our deep concern. Might they not return to our countries with experience acquired in Syria? After all, after fighting in Libya, extremists moved on to Mali. This threatens us all.


Spannend finde ich auch, dass er eine Bedrohung Israels anführt - reines taktisches Manöver, um in der US-Bevölkerung Sympathien zu heischen, oder ein bisschen echte eigene Umfokussierung?

Deutsche Kriegshetzer sind mir bisher sehr wenige untergekommen, aber ich lese wohl zu wenig rechte Presse. Die SZ hätte ich dabei aber noch nichtmal als solche verortet, nur eine Privatagenda von diesem Herrn?

Lykurg
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Fr 20. Sep 2013, 09:24 - Beitrag #3

Interessant an McCains Entgegnung (die ich allerdings jetzt nur in der SpOn-Zusammenfassung gelesen habe, anders als Putins luziden Artikel) finde ich, daß er im wesentlichen ad personam bzw. gegen Putins Amtsführung gerichtet ist und den eigentlichen Sachverhalt, Syrien, nur am Rande streift. Das zeigt meines Erachtens sehr deutlich, wie sehr Putins Artikel eingeschlagen hat, wie man sich ärgert und wie wenig man rational dagegen zu argumentieren imstande ist: Die Antwort scheint geprägt vom Willen, jemandem so richtig wehzutun. Allerdings handelt es sich dabei ja 'nur' um 'einen' republikanischen Senator, so gesehen nicht unbedingt die gültige Linie der US-Außenpolitik.

Ipsissimus
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Fr 20. Sep 2013, 10:45 - Beitrag #4

wenn Russland sein Sicherheitsrat-Veto nicht schon so oft missbraucht hätte

das heißt, Russland (und China) haben ihre Machtposition öfter missbraucht, um zu verhindern, dass andere mal wieder so kräftig ihre Waffenarsenale benutzen dürfen^^ letzteres hat ja in den bekannten Fällen auch immer zu so schönen Erfolgen zugunsten der Zivilbevölkerung wie im Irak oder Afghanistan geführt^^ das ist natürlich unverzeihbar von den Russen^^

Natürlich kann Putin keinen Wert darauf legen, dass die russische Antiterrorismuspolitik an seinen eigenen Worten gemessen wird. Das ändert aber nichts daran, dass seine Analyse der amerikanischen Politik ... nun ja ... trifft^^ und dass diese Politik auch nicht dadurch besser wird, dass es andere genauso schlecht machen.

Traitor
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Fr 20. Sep 2013, 13:06 - Beitrag #5

Die Vetos gegen bewaffnete Einsätze sind eine Sache. Aber hat Russland nicht auch mehrfach Resolutionen und Sanktionen, also friedliche Maßnahmen, blockiert?

Seine Analyse der US-Rolle trifft, keine Frage. Aber es ist halt kein reiner Analyseartikel eines interessierten neutralen Beobachters. Sondern er dient gleichzeitig zur Rechtfertigung der eigenen Haltung, die als nahezu bedingungslose Regimestützung am anderen extremistischen Ende des Spektrums angesiedelt ist und damit viel Leid verursacht, indem sie den Bürgerkrieg verlängert.

In Sachen Giftgas sieht es ja im Moment fast so aus, als wäre zwischen den beiden Positionen ein halbwegs brauchbarer Kompromiss herausgekommen. (Wenn auch nur unter den Annahmen, dass Assad voll und ehrlich kooperiert - eher unwahrscheinlich - und dass er der einzige Syrer im Besitz von C-Waffen ist - ähnlich unwahrscheinlich.) Aber für den Gesamtkonflikt sind die besten Lösungschancen längst vertan, u.a. aufgrund der gegenseitigen Blockade der Weltmächte.

Ipsissimus
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Fr 20. Sep 2013, 13:55 - Beitrag #6

Aber hat Russland nicht auch mehrfach Resolutionen und Sanktionen, also friedliche Maßnahmen, blockiert?
Das wäre nur dann verwerflich, wenn die medial vermittelte Sicht der westlichen Länder Anspruch auf alleinige Gültigkeit erheben könnte. Tatsächlich stellt sich diese Sicht aber allzuoft in den Dienst politischer Absichten, in deren Rahmen die westlich-amerikanischen Absichten kaum mehr Überzeugungskraft beanspruchen können als die russischen. Man vergisst allzugern, dass mit der einen Ausnahme Afghanistan, das ihnen praktisch aufgedrängt wurde, die Russen seit dem 2ten Weltkrieg auf kriegerische Maßnahmen außerhalb ihres Homelandes praktisch verzichtet haben, was ich den Amerikanern so nicht nachsagen könnte, selbst wenn ich wollte.


Wenn auch nur unter den Annahmen, dass [...] er der einzige Syrer im Besitz von C-Waffen ist - ähnlich unwahrscheinlich
Verweist das nicht in schreiender Weise auf die bösartige Intentionalität unserer Berichterstattung? Jeder, wirklich jeder weiß, dass es nicht erwiesen ist, von wem die Giftgasattacken ausgehen, aber niemand hält es für nötig, den suggerierten Eindruck zu korrigieren, als sei Assad der Schuldige. Putin spricht von Beweisen, dass es die Rebellen waren. Kurze Meldung am Rande, ansonsten völlig ignoriert. Irgendwo schon eine Forderung von auch nur annähernd vergleichbar erpresserischem Nachdruck gesehen, dass die Rebellen ihre Giftgasbestände rauszurücken hätten? Ich nicht. Ja, ist Politik, schon klar. Aber eine, die zeigt, dass ausgerechnet wir Putin nichts, aber auch gar nichts vorzuwerfen haben.

Dass wir dann auch noch die Chemikalien geliefert haben, aus denen das Sarin hergestellt wurde, tut natürlich auch nichts zur Sache^^

Traitor
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Sa 21. Sep 2013, 10:38 - Beitrag #7

Siehe z.B. diese Meldung, als Russland 2012 eine UN-Rücktrittsforderung an Assad verhindert hat, die vermutlich eh nichts gebracht hätte, aber zumindest das Potential hatte, den Konflikt teilzuentschärfen.

Natürlich kann man Außenpolitik auch mit völligem Relativismus betreiben, aber dann hat es einem halt auch egal zu sein, ob ein paar hunderttausend Syrer sterben - sie wollen es ja so und wir haben kein Recht, ihnen das zu verwehren.

Aber abseits nationaler oder parteilicher Interessen gibt es einen internationalen Werte- und Rechte-Grundkonsens, in der UN-Charta festgeschrieben, zwar vom Westen inspiriert und getragen, aber auch von Russland, Nordkorea oder Syrien zumindest offiziell akzeptiert. Auf dieser Basis kann man dann sehr wohl beurteilen, inwiefern die Außenpolitik einzelner Drittstaaten ihr nachkommt. Und da nehmen sich für mich die USA und Russland nicht viel, beide versagen in voller Absicht ähnlich stark, nur eben an anderen Enden der Skala.

Russlands geringerer Interventionismus dürfte vor allem an mangelnder Infrastruktur liegen; die indirekte Einmischung dagegen stand zu Sowjetzeiten der amerikanischen kaum nach. Heute sind sie halt noch schwächer und versuchen es daher fast nur noch auf diplomatischem Weg. (Abgesehen von ein paar kleinen Waffenlieferungen hier und da, aber die gelten ja auf allen Seiten als friedliche Entwicklungshilfe und als vollkommen akzeptabel. ;))

Solange Putin seine "Beweise" nicht vorlegt, sind die wohl kaum auf einer Ebene anzusehen mit den nicht zwingenden, aber bisher zumindest solider als die aus der Irak-Geschichte aussehenden "Beweise" des Westens.

Zudem sind die Rebellen auch einfach schwerer zu "erpressen", da es an einer ansprechbaren Führungsebene mangelt. Und wenn man keine Ahnung über Bestände hat, kann man sie kaum zu kontrollieren hoffen. Ja, keine Frage, wenn sie welche haben, sollten auch sie diese abgeben, sehr dringend, denn das Einsatz- und vor allem Proliferationsrisiko sind bei heterogenen Gruppen wohl mindestens so hoch wie beim Regime. Aber wenn man Assad schon nicht loswird (loswerden will) und er wirklich die Chance einräumt, seinen Anteil loszuwerden (mal sehen), dann sollte man zumindest diese Gelegenheit schonmal ergreifen.
Vor allem aber hätte man die Bestandsvernichtung schon lange vor dem Bürgerkrieg oder direkt bei dessen Ausbruch erzwingen müssen, und dafür wäre internationale Einstimmigkeit nötig gewesen.

Und natürlich bringt die ganze Konzentration auf C-Waffen wenig, wenn durch normale Kämpfe und indirektes Elend massig mehr Menschen sterben.


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