Die EU, der Feminismus und die Toleranz

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Ipsissimus
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Mo 6. Jan 2014, 15:09 - Beitrag #1

Die EU, der Feminismus und die Toleranz

das Wetter ist zwar recht mild, aber haben wir echt schon April? Oder wie interpretiert ihr das?

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... infuehren/

Lykurg
[ohne Titel]
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Mo 6. Jan 2014, 17:00 - Beitrag #2

Da lese ich doch lieber gleich [u=http://www.heise.de/tp/blogs/8/155010]telepolis[/u] als die oft unsäglichen Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten (in diesem Fall die Suggestivbehauptung unter dem Schwarzer-Bild).

Wenn es sich dabei nicht um einen Formulierungs- und Übersetzungsfehler handelt, der Misogynie und Antifeminismus verwechselt, hat das schon totalitäre Anklänge. So gesehen würde die Richtlinie sich selbst bekämpfen. Schon deshalb vermute ich eher eine Ungenauigkeit in der Formulierung: Gemeinsam genannt werden "... totalitarian ideologies, xenophobia, anti-Semitism, anti-feminism and homophobia." Daß über die Aufnahme von Antifeminismus in diese Liste nicht besonders nachgedacht wurde, liegt für mich auch deshalb nahe, weil es keine erläuternde Fußnote dazu gibt (anders als zu Antisemitismus und ethnischer Diskriminierung). Gut möglich, daß einige, die es mit in dieses Programm gesetzt haben, harte Interessenpolitik damit betreiben wollen, verabschiedet wurde es aber vermutlich von Leuten, die den Begriff zusammen mit Antisemitismus als "gegen eine Personengruppe gerichtete Ideologie" gelesen haben, quasi Antifeminin-ismus. Ich will dann aber doch hoffen, daß das EU-Parlament vor der Verabschiedung dort einhakt.

janw
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Mo 6. Jan 2014, 22:36 - Beitrag #3

Offenbar gibt es Pläne für eine Richtlinie zur Durchsetzung von Toleranz bzw. Bekämpfung von Diskriminierungen einschließlich diskriminierender Ansichten.
Von einer dazu vorgesehenen Behörde habe ich noch nichts seriöses gelesen.

Näheres dazu z.B. hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Model_Nati ... _Tolerance

In meinen Augen besteht durchaus ein Defizit dahin gehend, daß bestimmte Gruppen in manchen Ländern nicht hinreichend vor Ausgrenzung geschützt werden oder bestimmte Regierungen Minderheiten und oppositionelle Gruppen diskriminieren- z.B. Sinti und Roma, Politik in Ungarn, usw.
Auch ist es in verschiedenen Ländern durchaus zulässig, den Holocaust zu leugnen, andererseits ist z.B. in Frankreich das Tragen einer Burka verboten.

Ob es dazu einer neuen Richtlinie bedarf, die offenbar ziemlich weit gehende Regelungen umfasst, die in den Bereich der Meinungsfreiheit hinein reichen, bin ich aber skeptisch, in meinen Augen wäre eher gegen Regierungshandeln wie in Ungarn direkt vorzugehen gewesen, z.B. durch Aussetzen von Stimmrechten o.ä., und wenn bestimmte Staaten Fördermittel nicht abrufen, mit denen die Lebensbedingungen von Minderheiten verbessert werden sollen, dann wäre die Verwaltung dieser Staaten entsprechend zu unterstützen.

Maglor
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Mo 6. Jan 2014, 23:08 - Beitrag #4

Solange eine generalisierende Misanthropie weiter erlaubt bleibt, mache ich mir keine Sorgen, da ich sowieso nur an mich denke. :crazy:
Ansonsten ist dieser idotische Zeitgeist, der mich einfach nur anwiedert. Stat für Denkverbote, sollten sie sich lieber für die allgemeine Denkflicht stark machen.
Eine Gesellschaft, die ernsthaft die Umbenennung der Zigeunersauce in Balkansauce, und die gleichzeitig unter dem Eitkett der Roma und Balkanesen die fixe Idee des Kleptoparasitismus festhält, ist krank, verlogen und vor allem ziemlich eingebildet.
Ohne Umerziehungslager bleibt der Ruf nach mehr Toleranz allerdings ein frommer Wunsch. :crazy:

Im Übrigen habe ich das Gefühl, dass sich langsam neue Kampfbegriffe bilden. Besonders auffällig ist das in jüngster Zeit bei der Homophobie geworden. Sie wird insbesondere gegen Russland und den Islam als ganzes instrumentalisiert. Die Homophobie nimmt so eine ähnliche Entwicklung wie der Antisemitismus, der längst zum inhaltloses Wortbombe im politischen Grabenkampf geworden ist. Genausogut sind die Intolerant gegenüber Sexismus oder Antifemin-ismus das erstbeste Argumente für Kopftuch- oder Minerettverbote.

janw
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Di 7. Jan 2014, 12:45 - Beitrag #5

Maglor, ich stimme Dir da zu, bin allerdings nicht sicher, ob der in den einschlägigen Netzmedien verbreitete Alarmismus der Sache angemessen ist. Vielleicht wird dort eher eine Beschränkung der von ihnen betriebenen teilweise Volksverhetzung befürchtet.

Bezüglich der Homophobie sehe ich die Mutation zum Kampfbegriff ähnlich, wobei sie in meinen Augen aufgrund der Funktionsweise der Massenmedien unausweichlich ist: Die mediale Behandlung setzt stets an konkreten, leicht fassbaren Sachverhalten an, auch wenn diese nur Ausdrücke eines Systems sind, weil...letztlich der Leser/Zuschauer will es so^^ in den Augen der Chefredakteure, und die Quote gibt ihnen Recht.
Man muss nur darauf warten, daß der Islam irgendwann deshalb kritisiert wird, weil Hunde in den islamischen Gesellschaften nicht so gut angesehen sind :rolleyes:

Letztlich liegt es aber auch an einem selbstgemachten Fehler der Aufklärung:
Sie sieht sich selbst von ihrer Anlage als universell an und ebenso die von ihr abgeleiteten Normen (Menschenrechte, Meinungsfreiheit...).
Was aber, wenn Menschen ihren überkommenen Lebensstil, zu dem strenge soziale Normierung und Chancendifferenzierung gehören, ums Verrecken behalten wollen, ihren eigenen Weg gehen wollen?
Da stößt die Aufklärung auf ihren blinden Fleck, an dem schon Napoleon gescheitert ist.

e-noon
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Di 7. Jan 2014, 13:54 - Beitrag #6

Absurd.

Ipsissimus
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Di 7. Jan 2014, 17:26 - Beitrag #7

Die Homophobie nimmt so eine ähnliche Entwicklung wie der Antisemitismus, der längst zum inhaltloses Wortbombe im politischen Grabenkampf geworden ist.


Ich habe einige schwule Bekannte. Wenn ich die frage, wie sie sich so als Menschen in Deutschland anerkannt fühlen, bekomme ich überwiegend betretende Gesichter zu sehen. Auch in diesem Fall ist die mediale Hochglanzfassade nur Tarnung einer nicht ganz zu hochglänzenden Wirklichkeit.


In meinen Augen besteht durchaus ein Defizit dahin gehend, daß bestimmte Gruppen in manchen Ländern nicht hinreichend vor Ausgrenzung geschützt werden oder bestimmte Regierungen Minderheiten und oppositionelle Gruppen diskriminieren- z.B. Sinti und Roma, Politik in Ungarn, usw.
Auch ist es in verschiedenen Ländern durchaus zulässig, den Holocaust zu leugnen, andererseits ist z.B. in Frankreich das Tragen einer Burka verboten.


das liegt aber auf unterschiedlichen Ebenen, Jan. Du kannst nicht Ideologiekritik - wie die Kritik am Feminismus - mit praktischer Verfolgung und Ausgrenzung von Roma und anderen verfolgten Minderheiten gleichsetzen (nebenbei: auch Sinti und Roma sind nicht auf derselben Ebene angesiedelt, das ist das gleiche wie wenn du sagen würdest "Maiers und Deutsche")

Die Bestreitung des Holocausts muss aufklärerisch und argumentativ bekämpft werden, nicht mit Verboten, die deutsche Haltung der Unterdrückung kann eigentlich nur als idiotisch bezeichnet werden. Als würde ein Verbot etwas an Überzeugungen ändern.

Das Verbot der Burka ist problematisch. Einerseits ist es praktische Diskriminierung, andererseits geht das Tragen der Burka auf praktische Diskriminierung zurück. Hast du einen Vorschlag, mit der ursprünglichen Diskriminierung fertig zu werden, ohne auf eine neue Diskriminierung zurück greifen zu müssen?


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