Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 6. Mär 2014, 16:58 - Beitrag #1

Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy

ein unerhört luzider Beitrag von Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, zum Thema Edathy

[...] Das Strafrecht lebt – wie jede andere formelle oder informelle Sanktionierung abweichenden Verhaltens – davon, dass es klare gesetzliche Grenzen zieht zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten. [...]

Wenn nun aber die, die das Erlaubte tun, "nach kriminalistischer Erfahrung" stets auch das Unerlaubte tun und deshalb, gerade weil sie Erlaubtes tun, vorsorglich schon einmal mit Ermittlungsverfahren überzogen werden müssen, hat die Grenzziehung jeden praktischen Sinn verloren. [...]

Viertens: Verheerender als die praktische Sinnlosigkeit einer solchen Strafverfolgung ist der Verlust ihrer Legitimität. Es ist, so lautet die Botschaft, weder möglich noch nützlich, noch ausreichend, sein Verhalten an den gesetzlich bestimmten Grenzen zu orientieren. Denn die immer höhere, immer weiter vorverlagerte Bestrafung von Menschen mit sexuell devianten Neigungen führt – gegen alle Ankündigungen der Rechtspolitiker – in Wahrheit nicht dazu, dass jene sich für das Recht (also das Erlaubte) und gegen das Unrecht entscheiden können oder auch nur wollen. Und wenn sie es täten, hülfe es ihnen nichts: Die Bemühung, nur und gerade das zu tun, was noch erlaubt ist, begründet erst recht den Verdacht, dass die wahren Verbrechen jetzt bloß verschleiert werden sollen.

Wenn aber dies das Konzept wäre, nach welchem strafrechtlicher Rechtsgüterschutz zu organisieren ist: dann lebe wohl, Rechtsstaat! Ade, Bürgergesellschaft! Aus den Kulissen träten alsbald, mit gleichem Recht, die Bekämpfer der Korruption, der Gewaltverherrlichung, des Völkermords. Denn kriminalistische Erfahrung zeigt ja auch: Wer als Maschinenfabrikant legale Geschäfte in Tansania oder Venezuela macht, macht allemal auch illegale!

[...]

Mag auch nichts mehr sicher scheinen in Deutschland (diesem Fettauge auf der See der Auszehrung), mag auch niemand mehr wirklich wissen, was Wahrheit und was Lüge ist und wer die Wahrheit überwacht, mag der erwiesene Geheimnisverrat den Minister zum Ehrenmann machen und mag es der schlimmste von allen politischen Skandalen sein, dass er herauskommt – immerhin eines bleibt uns doch gemeinsam: unsere unschuldige Liebe zu den sexuell ausgebeuteten Kindern.

Der Schutz der Kinder, namentlich der unterprivilegierten, der armen, der in Containern hausenden, der bettelnden, stehlenden, der frühreifen, armen Kleinen in Rumänien und Afghanistan, Kolumbien und Tansania, liegt uns am Herzen wie sonst nichts auf der Welt. Mögen sie ihr Dasein fristen auf den Müllhalden unseres Reichtums, so wollen wir doch zumindest ihre Seelen retten und ihre Menschenwürde!

Jugendliche, kindliche Körper, halb bekleidet oder nackt, in sexualisierten Posen! Ekelhaft!

Zur Beruhigung greifen wir zur Vogue, zur Elle und zu Harper’s Bazaar. Da leben unsere magersüchtigen kleinen Prinzessinnen; im Junkielook gestylte minderjährige Luder, rund um die Welt gecastet und mit zwanzig vergessen.

[...]

In Abläufe bei der Polizei haben Staatsanwälte nur eingeschränkt Einblick. 32-jährige Berufsanfänger bei der Staatsanwaltschaft stehen vielköpfigen Kommissariaten und deren "Erfahrung" gegenüber. Die können Anzahl, Zeitpunkt, Größe von Ermittlungsverfahren fast beliebig steuern, wenn sie wollen. Die Pflicht zur "Verfahrensherrschaft" kann da rasch zum Albtraum werden. Das führt gelegentlich zu einer Anpassung der Staatsanwaltschaft an die Polizei. Diese bestimmt heute zu mehr als 90 Prozent nicht nur die Tätigkeit, sondern auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Arbeit.

Die Polizei hat aber – mit guten Gründen – andere Sichtweisen, Verständnisweisen, Aufgaben. Der Rechtsstaat lebt gerade von der Unterscheidung von Polizei und Justiz. Die Bürger in Deutschland wissen dies nicht mehr – wenn sie es denn nach 1945 je verstanden hatten. Und wer es bestreitet, darf sich heute an der Spitze einer herrschenden Meinung fühlen. [...]

Im Allgemeinen Preußischen Landrecht aus dem Jahr 1794 hieß es: "Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey." Dies war die Sichtweise des aufgeklärten Absolutismus: Dieses Amt der Polizei aber ist unbeschränkt, maßlos, im Kern totalitär. Es sollte daher, so meinte man seit 1848 und dann gewiss im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 sowie in den Reichsjustizgesetzen 1877, beschränkt werden durch das Recht der Bürger, in Ruhe gelassen zu werden, wo und solange sie die Gesetze befolgen, die doch auf ihren eigenen Entscheidungen beruhen.

Heute sind wir, während im Kino Gravity läuft, auf Erden fast wieder angekommen im Zeitalter der Restauration.

[...]


Der deutlich längere Gesamtbeitrag findet sich unter http://www.zeit.de/2014/10/staatsanwalt ... ettansicht

Anaeyon
VIP Member
VIP Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1287
Registriert: 03.08.2004
Do 6. Mär 2014, 21:10 - Beitrag #2

Ich war recht schockiert von dem Maß an Desinformation und fehlender Rechtstaatlichkeit. Azov, die "Firma" um die es da ging, hat - da bin ich mir relativ sicher, keine Kinderpornos gemacht oder verkauft. Dennoch hat das weder Politiker noch News davon abgehalten, von Kinderpornographie zu reden. Das allein sollte Grund genug für Edathy sein, diese Hetzer mit Klagewellen zu überziehen.

Ungeachtet der ganzen Details die man da allerdings in Sachen Rechtstaatlichkeit diskutieren kann und sollte finde ich es immer wieder sehr traurig, wie mittelalterlich unsere Gesellschaft immernoch mit sexuellen Neigungen umgeht. Wenn man Kinder schützen will, dann will man das Gegenteil einer Hexenjagd. Menschen, die zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden müssen von der Gesellschaft gehalten anstatt verstoßen zu werden. Wer nichts mehr zu verlieren hat, z.b. nach so einer Aktion wie bei Edathy, der kann den Kampf gegen sich selbst auch aufgeben. Leider scheint keiner von denen, die etwas in die richtige Richtung bewegen könnten den Mut zu haben, diesen unpopulären Gedanken auszusprechen.

Psychologen/therapeuten sprechen da oft aus, was in dieser Diskussion nie erwähnt und scheinbar den meisten auch nicht klar zu sein scheint: Das man sich seine Neigungen nicht aussucht, dass man kaum eine Chance hat, sie loszuwerden und das man das unschöne Los gezogen hat, damit leben zu lernen müssen und schon weit vor jeder Tat, die anderen Schaden anrichten könnte, sich selbst in Gefahr bringt. Das Befreit zwar nicht von Schuld in Fällen, in denen tatsächlich das Ausnutzen von Kindern begünstigt wird, wie z.b. bei der Bezahlung für tatsächliche Kinderpornographie, aber zumindest dass die Reaktion unserer Gesellschaft vollkommen kontraproduktiv ist und auch bleiben wird, da sonst nicht von Lobbyisten verwertbar, das ist eine Schande.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 7. Mär 2014, 03:17 - Beitrag #3

Ich habe ziemlich viel über den Fall nachgedacht.
In erster Linie denke ich, daß seitens der Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen ganz klar überzogen worden ist, und anschließend wurde dann noch in wirklich skandalöser Weise mit den Ermittlungsergebnissen umgegangen, indem diese an Außenstehende lanciert wurden.

Zitat von Anaeyon:Ungeachtet der ganzen Details die man da allerdings in Sachen Rechtstaatlichkeit diskutieren kann und sollte finde ich es immer wieder sehr traurig, wie mittelalterlich unsere Gesellschaft immernoch mit sexuellen Neigungen umgeht. Wenn man Kinder schützen will, dann will man das Gegenteil einer Hexenjagd. Menschen, die zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden müssen von der Gesellschaft gehalten anstatt verstoßen zu werden. Wer nichts mehr zu verlieren hat, z.b. nach so einer Aktion wie bei Edathy, der kann den Kampf gegen sich selbst auch aufgeben. Leider scheint keiner von denen, die etwas in die richtige Richtung bewegen könnten den Mut zu haben, diesen unpopulären Gedanken auszusprechen.

Psychologen/therapeuten sprechen da oft aus, was in dieser Diskussion nie erwähnt und scheinbar den meisten auch nicht klar zu sein scheint: Das man sich seine Neigungen nicht aussucht, dass man kaum eine Chance hat, sie loszuwerden und das man das unschöne Los gezogen hat, damit leben zu lernen müssen und schon weit vor jeder Tat, die anderen Schaden anrichten könnte, sich selbst in Gefahr bringt. Das Befreit zwar nicht von Schuld in Fällen, in denen tatsächlich das Ausnutzen von Kindern begünstigt wird, wie z.b. bei der Bezahlung für tatsächliche Kinderpornographie, aber zumindest dass die Reaktion unserer Gesellschaft vollkommen kontraproduktiv ist und auch bleiben wird, da sonst nicht von Lobbyisten verwertbar, das ist eine Schande.

Ana, "wenn man Kinder schützen will, dann will man das Gegenteil einer Hexenjagd" - wie soll ich das verstehen?

Zu Deinem zweiten Teil: Ja, für viele Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, ist dies eine leidvolle Erfahrung, in doppelter Hinsicht, weil es wenig Möglichkeiten gibt, sich Hilfe zu holen, um den Trieb beherrschen zu lernen, damit es nicht zu einem Übergriff kommt. Es gibt aber eine Seite, an die man sich anonym wenden kann, Feuerkopf wies mal darauf hin.
Mein Problem mit diesem Fall ist, daß diese Bilder, wenn sie auch nicht im Sinne des Gesetzes pornographisch sein mögen, die Kinder nicht in dem Sinne freiwillig zeigen, wie es der Fall wäre, wenn Du oder ich uns für solche Bilder hingeben würden.
Diese Kinder werden vielfach mit Süßigkeiten oder Versprechungen gelockt, Geld bekommen sie nicht dafür, zumindest längst nicht in dem Maße, wie es dem mit den Bildern später erzielten Gewinn entsprechen würde.
Diese Bilder beruhen daher auf der Ausbeutung dieser Kinder.
Das ist aber allerdings nicht strafrechtlich relevant, da die Persönlichkeitsrechte bisher nur vom Betroffenen bzw. bei Kindern von deren Vertretern geltend gemacht werden können.

Erschwerend kommt hinzu, daß diese Kinder oft in einem Zug für solche legalen wie für eindeutig pornographische Bilder benutzt werden, auch legale Bilder sind damit Teil eines echten Missbrauchssystems, und daß die Kinder unabhängig davon oft genug mitbekommen, daß das "nicht normal" ist, was da mit ihnen gemacht wurde, sich aber damit an niemanden wenden können.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 7. Mär 2014, 14:03 - Beitrag #4

Ohne mich in die Details der verschiedenen Darstellungsarten eingearbeitet zu haben oder dies zu wollen, frage ich mich vom juristischen Standpunkt her, warum man nicht - analog zu Drogen oder Raubkopien - eine Zwischenkategorie für fragwürdige, aber nicht eindeutig pornographische, Bilder einführt, bei denen Herstellung und Vertrieb, aber nicht Konsum strafbar sind. Das würde zwar vermutlich keine Ermittlungsverfahren ersparen, da es eben auf einen Detailvergleich hinausläuft, aber zumindest eine Ergebnisoffenheit für ein Fazit irgendwo zwischen "völlig unschuldig" und "allerschlimmste Sünde" könnte die Debatten schonmal versachlichen.

Später mehr zum von Fischer angesprochenen Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Polizei, das ich tatsächlich noch nie so ganz verstanden habe.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 7. Mär 2014, 15:21 - Beitrag #5

Herstellung und Vertrieb erfolgen aber nicht hierzulande, sondern in den Ländern, wo diese Kinder abgelichtet werden, in den Ländern, wo die Fotobearbeitung und Onlinestellung erfolgt - im Extremfall also dem Standort eines für eine Woche angemieteten Bürocontainers, von dem aus die Bilddateien in der Cloud bearbeitet werden - und in Ländern, wo sich ein server günstig anmieten lässt, im vorliegenden Falle war es Canada.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
So 9. Mär 2014, 19:35 - Beitrag #6

Eine Unterscheidung zwischen Erotik, Pornografie und Akt gibt hier nicht. Im Zweifel kann alles strafbar sein, da Nacktsein an sich schon als sexuelle Handlung des Kindes gedeutet werden kann.

Wenig beachtet wird zumeist auch, dass es eigentlich einen Unterschied zwischen Kindern und Jugendlichen gibt. Als Jugendliche gelten hier Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren. Ein eindeutige optische Unterscheidung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist meines Erachten unmöglich, so lange kein Personalausweis vorgehalten wird.
Wenn man Scheinminderjährigkeit dazu nimmt, scheint das im Zweifel für den Angeklagten auch nicht mehr zu gelten. Sprich, wenn jemand mit 20, wie 16 aussieht, und entsprechend posiert, kann das schon Jugendpornografie sein. (Hier sollte das Bundesverfassungsgericht noch unbedingt prüfen, ob nicht doch alle Filme mit Josefine Preuß Kinderpornografie sind.)

Ähnlich absurd ist die Rechtslage beim sogenannten Sexting. Jugendliche posieren entsprechend vor der eigenen Kamera und verbreiten die Bild selbst. Ist der Empfänger volljährig, macht er sich des Besitzes von Kidnerpornografie strafbar. Eigentlich ist das eine opferlose Straftat.

Dass Edathy offenbar legale Nacktfotos minderjähriger Jungen erwerben konnte, die Strandszenen darstellten keine Poser-Bild wie dieses hier, erwarb, scheint für weite Teile der Bevölkerung unvorstellbar. Zu beachten ist hier natürlich noch, dass die Sache auf gleichgeschlechtlicher Ebene doppelt pervers ist. Wenn SPD-Vorsitzender Gabriel dies nun unabhängig von der Strafbarkeit als unvereinbar mit den Werten der SPD sieht, zeigt sich, dass dies eines letzten sexuellen Tabus ist.

Dieses Tabu hat in seiner jetzige Schärfe jedoch keine Tradition, sondern ist ein aktueller Trend. Die Gesetze wurden 2008 wesentlich verschärft.
Ich gehe davon aus, dass eine Filmwerke der 70er und 80er Jahre so heute nicht mehr zu machen wären.

Anaeyon
VIP Member
VIP Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1287
Registriert: 03.08.2004
Di 11. Mär 2014, 22:19 - Beitrag #7

Maglor: Ich wollte bezüglich deines letzten Satzes gerade Maladolescenza nennen, der ist seit 2006 nicht mehr erlaubt, aber das hat tatsächlich schon in den Siebzigern zum Sorgerechtentzug der Mutter gefüht, das Thema war also auch damals nicht völlig unbeachtet.

Jan: Das mit der Hexenjagd bezog sich darauf, dass die Gesellschaft nichts davon hat, gegen Pädophile zu hetzen, da es dadurch nur warscheinlicher wird, dass diese sich keine Hilfe suchen.
Deine Ausführung zur Ausbeutung und den sowohl nicht- als auch pornographischen Bildern ist richtig. Nichtsdestotrotz ist es falsch, die Erzeugnisse, die Edathy da eingekauft hat, als Kinderpornographie zu bezeichnen, dann auch noch in den Nachrichten. Sofern er nur das "normale" Material von denen gekauft hat, hat er nunmal keine Kinderpornographie gekauft und das zu behaupten ist stark rufschädigend.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 14. Mär 2014, 11:10 - Beitrag #8

Pädophile sind der allergeringste Teil des Problems "Pädokriminalität". Kinder müssen im Prinzip sehr viel stärker vor vergewaltigenden, aber nichtpädophilen Vätern, Müttern, Onkeln, Tanten, Geschwistern und Cousins und Cousinen geschützt werden als vor echten Pädophilen. Anders als bei Pädophilen, die sich ihrer Problematik in aller Regel bewusst sind und sich dieser auch stellen, liegt bei Personen aus dem genannten Kreis kaum ein Unrechtsbewusstsein vor. Die Vergewaltigung des Kindes ist dabei einfach nur ein Instrument im Arsenal eines aggressiven Machtspiels. Wenn laut einer ganz neuen Studie der EU zur Pädokriminalität in der EU jedes 3te Mädchen und jeder 5te Junge Opfer pädokrimineller Handlungen wird, lässt sich die Dimension des Problems besser verstehen. Pädophilie ist ein beinahe schon lächerliches Randphänomen. Aber natürlich sind Bauernopfer immer besser, als sich dem wahren Problem zu stellen.

https://www.freitag.de/autoren/der-frei ... kzeptieren

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Fr 14. Mär 2014, 20:29 - Beitrag #9

Ipsi,
du hast es sehr deutlich auf den Punkt gebracht! Wichtig ist vor allem, Kindern Mut zu machen und ihnen zu erlauben, sehr deutlich "Nein!" zu Erwachsenen zu sagen. Schon ein kleines Kind spürt sehr deutlich, was in Ordnung ist (Schmusen, Nackheit am Strand oder im Bad z. B.) und was nicht. Die haben sehr gute Antennen für Übergriffigkeit. Wenn ein Kind ein gutes Körpergefühl hat, wenn es sich traut, auch vermeintlichen Autoritätspersonen gegenüber seine Meinung zu sagen und wenn es ernst genommen wird, dann haben Pädokriminelle es wesentlich schwerer.
Edathys mögliche Veranlagung ist eine Sache - der Kauf von Fotos die andere. Hat der Mann keine Phantasie? Braucht er unbedingt echte Bilder? Ich finde es demütigend, wenn Fotos von Kindern als Wichsvorlage (um es mal sehr drastisch auszudrücken) missbraucht werden (können). Man braucht sich doch bloß selbst zu fragen, wie es sich anfühlen würde, fände man ein Kinderfoto von sich selbst in einer solchen Datei.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
Sa 15. Mär 2014, 17:54 - Beitrag #10

Wenn harmlose Strandfotos erst durch die Augen des Betrachters zum Porno werden, so kann ja die Herstellung der Bilder ja gar nicht das Verbrechen sein, sondern der Gedanke des Betrachters. Das ist natürlich ein schwieriger Fall für die Gedankenpolizei.

Das Fotografieren von Kindern muss ein Vorrecht der Eltern bleiben, ebenso wie das Schlagen. :crazy:

Zitat von Anaeyon:Maglor: Ich wollte bezüglich deines letzten Satzes gerade Maladolescenza nennen, der ist seit 2006 nicht mehr erlaubt, aber das hat tatsächlich schon in den Siebzigern zum Sorgerechtentzug der Mutter gefüht, das Thema war also auch damals nicht völlig unbeachtet.

Ich dachte da eher an "Sieben Sommersprossen", "Der Smaragdwald", "Die blaue Lagune" oder "Schulmädchenreport".

Zitat von Ipsissimus:Die Vergewaltigung des Kindes ist dabei einfach nur ein Instrument im Arsenal eines aggressiven Machtspiels.

Aber das ist ja nicht wieder die Natur. ;)
Das ist dann ein ganz normales Verbrechen, eine Familientragödie, Beziehungstat ... und eben nicht mit der Angst vor dem seltsamen Fremden verbunden.

Wenn jemand ein unberührtes Mädchen vergewaltigt, das noch nicht verlobt ist, und dabei ertappt wird, dann soll der Mann, der das tat, ihrem Vater 50 Silberstücke geben, und er muss das Mädchen zur Frau nehmen, weil er sie vergewaltigt hat. Er darf sie sein Leben lang nicht verstoßen. 5. Moses 22, 28 - 29
:crazy:

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Sa 15. Mär 2014, 19:40 - Beitrag #11

Kinderfotos...
Wir haben unsere Kinder immer so fotografiert, dass ihre Geschlechtsteile nicht zu sehen waren. Mit einer Ausnahme: Es gibt ein Foto unseres Sohnes direkt nach der Geburt und nach meinem heutigen Wissenstand würde ich so ein Foto nicht mehr machen, denke ich. Fotos von unserer Tochter als Kleinkind in Badehose finde ich in Ordnung, aber ich würde wohl keine Kinderfotos solcher Art ins Netz stellen.
Ich erinnere mich, wie Freunde meiner Eltern in einem gemeinsamen Urlaub die Tochter (damals vielleicht 9) gegen ihren Willen nackt fotografiert haben und wie beschissen ich das seinerzeit fand. Wie gesagt: Kinder haben ein feines Gefühl dafür, ob etwas falsch oder peinlich ist.
Es gibt auch von mir kein Foto, für das ich mich schämen müsste. Da war ich immer super pingelig. Allerdings hatten wir auch noch keine Handys - damals. :cool:

Maglor, ich finde diese Schere im Kopf auch beschissen, aber ich will nicht im Namen des freien Bildes eines Tages erleben, dass ein unbedacht veröffentlichtes Foto meines Kindes oder Enkels (nein, noch keiner in Sicht ;) ), in falsche Hände gerät. Über die Verwendung ihrer Bilder sollten die Abgebildeten entscheiden können, wenn sie erwachsen sind.

Gegen die mosaische Regel, die sicherlich ursprünglich mal ein Fall von "gut gemeint" war, und die z. B. in Marokko Gesetz war, wird inzwischen aufbegehrt. Marokko hat diese Gesetzt gekippt.

Anaeyon
VIP Member
VIP Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1287
Registriert: 03.08.2004
So 16. Mär 2014, 13:50 - Beitrag #12

Feuerkopf: Wie würdest du solche Bilder bewerten, wenn sie vielleicht doch davon abhalten können, seine Fantasien in die Realität zu übertragen? Ich bin mir zwar nicht sicher, ob sowas schon untersucht wurde, aber ich könnte mir vorstellen, dass Pornografie und was sonst so als Wichsvorlage taugt, eher ein Ventil ist, als dass es Menschen gefährlicher macht. Das Kind wird warscheinlich nie mitbekommen, ob jemand im Internet es gesehen hat. Solange die Herstellung des Bildes kein negatives Erlebnis war, also z.b. bei harmlosen Urlaubsbildern, könnte das Vorhandensein solcher Bilder positiv sein, aber behaupten will ich da nichts.

Ich hatte vom Internet (gerade in Zeiten vor Social Media und Web2.0) immer den Eindruck, dass es ein Ort ist, an dem Menschen, die draußen nicht sie selbst sein dürfen, einen Platz für sich finden. Gerade was Sexualität angeht. Bislang bin ich davon überzeugt, dass das öfter eine positive als eine negative Wirkung hat.

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
So 16. Mär 2014, 19:04 - Beitrag #13

Anaeyon,
habe gerade noch einmal die Seite von "Kein Täter werden" nachgeschaut. Es scheint wichtig zu sein, eben doch die Finger von einschlägigen Fotos zu lassen, damit sich die Wünsche nicht hochschaukeln. Die Therapie soll die Betroffenen dazu bringen, sich nicht nur über ihre sexuellen Präferenzen zu definieren.
Außerdem werden die Männer dafür sensibilisiert, wie sich bedrängte Kinder fühlen.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Mo 17. Mär 2014, 00:58 - Beitrag #14

@Feuerkopf: Wenn es da wirklich eine eindeutige und unumstößliche fachliche Meinung zu gäbe, wäre das vermutlich das einzige Thema in der Psychologie, auf die das zutrifft. Sicher gibt es auch Vertreter von Anaeyons Variante? Und natürlich bleibt die Frage geklärt, was "einschlägig" ist. Ein restriktiver Therapieansatz muss das sicher deutlich weiter definieren als der Gesetzgeber.

Noch zum von Fischer angesprochenen polizeilich-juristischen Komplex.
Meinem naiven Viertelverständnis des deutschen Rechtssystems nach ist es doch völlig selbstverständlich, dass Staatsanwalt und Polizei miteinander im Bett liegen, da beide versuchen, einen Täter zu finden, zu belasten und zur Verurteilung zu bringen? Selbst in einem idealen Fallverlauf ist doch nur der Richter unbedingt als neutral anzunehmen. Und wenn, würde ich sogar eher noch von der Polizei Neutralität und Fairness dem Verdächtigen gegenüber "erwarten" (in einem a-priori-moralistischen, nicht a-posteriori-probabilistischen Sinne), da sie vom Anfangsverdacht an eine ergebnisoffene Ermittlung führen sollte.
Andererseits wird sie üblicherweise gemeinsam mit den Richtern als "die Justiz" geführt und dementsprechend Neutralität herbeizitiert. Lautwikipedia hat sie auch ein Mandat zu ergebnisoffener Untersuchung. Mir erschließt sich aber nicht, wie das mit der späteren Prozessrolle als aktiv unneutrale Klagepartei auch nur im theoretischen Konzept vereinbar ist. Ist es nicht ehrlicher, sie von vornherein als parteiisch anzunehmen?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 17. Mär 2014, 11:42 - Beitrag #15

ich denke mal, ein vorsitzender Richter des Bundegerichtshofes sollte zumindest formal eine der kompetentesten Instanzen dafür sein, um das Verhältnis der Gewalten zueinander korrekt einordnen und charakterisieren zu können. Allein schon der Umstand, dass ein Staatsanwalt formal gehalten ist, nicht nur belastend sondern auch entlastend zu untersuchen, markiert einen erheblichen formalen Unterschied, selbst wenn die Praxis eine andere Sprache sprechen sollte. Wo sie das tut, scheint es Fischer zufolge eher darauf zurückzuführen sein, dass ein Kommissariat faktisch die Verfahrenshoheit erlangt, wäre also illegitim. "Erfolg" dürfte bei der Polizei mit "Überführung" gleichzusetzen sein - "wir bieten einen Täter an" -, während es bei den Staatsanwaltschaften schon deutlich stärker in Richtung "sachliche Klärung" geht. Alles natürlich mit Praxisvorbehalt.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 17. Mär 2014, 14:22 - Beitrag #16


Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
So 21. Sep 2014, 11:04 - Beitrag #17

Anfänglich gab es diesen schlimmen Verdacht, dass Herr Edathy nur harmlose Strandfotos, daher völlig legale Knabenakte besessen habe.
Der Skandal war perfekt. Perverse hatten also die Möglichkeit ganze normale Fotos durch das bloße Betrachten mit ihren sittenwidrigen Stielaugen in Pornografie zu verwandeln.
In Deutschland herrschte der unglaubliche Zustand, dass nur Handlungen unter Strafe standen und nicht die Gedanken.

Nach deutschem Recht ist es bislang straffrei, sich Nacktbilder von Kindern zu beschaffen, die nicht auf sexuelle Art und Weise posieren, sondern die in harmlosen Alltagssituationen wie am Strand fotografiert wurden. "Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, dass Nacktbilder von ihnen nicht im Internet oder auf anderem Weg verbreitet werden", sagt Maas: "Mit dem Körper von Kindern und Jugendlichen darf niemand Geld verdienen."

Genau hier setzt der Entwurf von Maas an. Künftig soll auch strafbar sein, wer nur "unbefugt" Fotos eines nackten Kindes "herstellt" oder "verbreitet" - ohne, dass das Kind irgendwie posieren müsste. Spiegel


Mit unbefugt ist natürlich gemeint, dass das Bild ohne Einverständnis der Eltern erstellt wird. Die Eltern durfen ihre eigenen Kinder also weiterhin fotografieren, wie sie wollen und die Bilder entsprechend verbreiten. (Der Streit um Bilder ist sicher eine super Vorlage für jeden Scheidungs- und Sorgerechtsstreit.)

Die Politik hat sofort auf die Edathy-Affäre reagiert und die Gesetze verschärft, als würde dies Probleme lösen.
Der Begriff der Kinderpornografie ist nun maßlos erweitert. Was demnächst alles verboten sein könnte, ist aufgrund der Schwammigkeit der Gesetzeslage allerdings noch unklar.
Das Lex Edathy war ja eigentlich gar nicht mehr notwendig, nachdem auch echte Kinderpornografie bei Edathy entdeckt wurde. ;)

Anaeyon
VIP Member
VIP Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1287
Registriert: 03.08.2004
So 21. Sep 2014, 19:54 - Beitrag #18

Besitzen darf man diese Art von Foto weiterhin? Dann hat das auch noch außerordentlich wenig mit Herr Edathy zu tun, oder schlägt "verbreiten" auch dann zu, wenn ich das auf meiner Festplatte/im Fotoalbum habe? Mit ein wenig Rückendeckung hinsichtlich der Interpretationsmöglichkeiten, durch RTL & BND?

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
So 21. Sep 2014, 20:57 - Beitrag #19

Tja, die Zukunft wird zeigen, was erlaubt ist und was nicht.
Die Süddeutsche spricht von einem kaugummihaften Gesetzentwurf.
Der Gesetzentwurf benutzt den Fall Edathy, um selbst Dinge für strafbar zu erklären, bei denen man allenfalls mit viel schlechter Phantasie an Kinderpornografie und Missbrauch denken kann. Er bestraft auch das Herstellen völlig unverfänglicher Bilder, wenn irgendjemand diese Bilder nutzen könnte, um sich daran aufzugeilen. Das kann selbst sein, wenn die Kinder bekleidet sind. Und: Jegliche Nacktheit kann mit dem geplanten Gesetz in die akute Nähe von Pädophilie geraten. Das Gesetz erklärt auch das Natürliche für unnatürlich. Das ist unnatürlich. Süddeutsche Zeitung

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 22. Sep 2014, 00:28 - Beitrag #20

Dann knallen bei "Innocence in Danger" wohl gerade die Sektkorken?

Nächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 29 Gäste