Asyl für Snowden

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Lykurg
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Mi 9. Jul 2014, 16:06 - Beitrag #1

Asyl für Snowden

Anläßlich des neuen Spionageskandals über einen Mitarbeiter des BND, der Akten an die NSA weitergab, hat insbesondere Ströbele sich noch einmal vehement dafür eingesetzt, Snowden in Deutschland Asyl anzubieten. Snowden hat die vom Untersuchungsausschuß ins Gespräch gebrachte 'Kompromißlösung', er könne ja per Videokonferenz befragt werden, mit Verweis auf seine Asylbestimmungen in Rußland (nichts tun, was das russisch-amerikanische Verhältnis belastet) abschlägig beschieden. Nun bemüht er sich erst einmal um Visumsverlängerung dort.

Snowden Asyl zu bieten, wäre ein klarer Affront gegen die USA, der die Obama-Regierung beschädigen dürfte - anders als die derzeitigen Mißfallensbekundungen, die nicht zur Kenntnis genommen werden. Würde man tatsächlich zu diesem Schritt greifen, wäre wohl sinnvoll, die Verbindung zwischen den beiden Sachverhalten unmißverständlich deutlich zu machen. Ich bin ein bißchen unschlüssig, was für negative Konsequenzen es für uns haben könnte - sollte über der entstehenden Kontroverse etwa das Freihandelsabkommen scheitern, wäre das unter gegenwärtigen Bedingungen eher ein nettes Surplus, wohingegen in sicherheitspolitischen Fragen nachteilige Folgen wahrscheinlicher wären.

Ipsissimus
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Mi 9. Jul 2014, 16:33 - Beitrag #2

Zwischen Deutschland und den USA besteht ein Auslieferungsabkommen. Snowden kann nicht nach Deutschland kommen und schon gar nicht darf Deutschland ihm Asyl anbieten, nicht nach Maßgabe dieses Abkommens, da kan Stöbele ströbeln, soviel er will. Ob Deutschland dieses Abkommen braucht, ist eine andere Frage, aber erst mal müsste es gekippt werden. Dazu ist nicht die geringste Absicht zu erkennen.

Ob Deutschland danach in der Lage wäre, Snowden überhaupt zu beschützen, ist eine weitere Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein SEK-Einsatz gegen ein Sealteam befohlen würde. Und so ein Team würde kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche.

Der Affront hätte wahrscheinlich Auswirkungen an allen Ecken und Enden der deutsch-amerikanischen Beziehungen, ohne dass es die eine große unmittelbare Auswirkung gäbe. Alles würde nickliger werden, schwieriger, noch weniger von Wohlwollen getragen und die USA ist immer noch einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Es wäre für beide Seiten nach status quo ziemlich Scheiße, böte allerdings für Deutschland die Möglichkeit zur Emanzipation.

Also kannst du´s vergessen^^

Lykurg
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Mi 9. Jul 2014, 19:32 - Beitrag #3

Eine Auslieferung setzt erstens einen internationalen Haftbefehl voraus, der gegen Snowden nicht erfolgt ist - das liegt auch daran, daß es für die USA sehr schwierig werden dürfte, einen solchen zu erwirken, da die ihm zu Last gelegten Verbrechen nicht überall anerkannt werden (vgl. hier: “I would think getting Interpol red notices would also be next to impossible unless there are other criminal charges,” Fuentes said. “I think that Interpol is going to have the same problem that the Chinese had, and that is, you brought charges that aren’t charges in our country.”). Vermutlich würden sie, würde ihm in Deutschland Asyl angeboten, aufgrund des bilateralen Auslieferungsabkommens direkt die Auslieferung beantragen. Allerdings schließen diese Abkommen zweitens explizit politische Vergehen aus, und es dürfte ein Leichtes sein, das Auslieferungsersuchen mit dieser Begründung abzuweisen.

Zur Frage, ob man ihn schützen könnte - in Rußland kann man es ja offensichtlich auch. Unter anderem schützt ihn die Tatsache, daß die USA durch einen verfrühten Tod Snowdens, wie auch immer es dazu kommen sollte, international in erheblcihe Erklärungsnot kämen. Ein Einsatz etwa der Seals ist undenkbar, CIA-Teams wie bei Al-Masri wahrscheinlicher, aber dagegen müßte man die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen - und ob er sich darauf einläßt, wäre dann Snowdens Entscheidung. Zugegeben: Sollte er entführt werden, stünde man in der Pflicht, mit einer noch weiteren Eskalation zu reagieren, das wäre dann im Zweifel die Botschafterausweisung. Schon ziemlich häßlich, aber insofern gebe ich dir Recht, daß darin eine erhebliche Verantwortung läge, die eben Emanzipation bedeutete.

Maglor
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Mi 9. Jul 2014, 19:45 - Beitrag #4

Eigentlich der Maulwurf beim BND doch nichts anderes gemacht als Snowden, nämlich vertrauliche Daten weitergegeben.
Wie sonst hätte die USA von den antiamerikanischen Gemeinheiten des BND erfahren sollen?
Ansonsten sollten wir die Geduld der USA keineswegs auf die Probe stellen, immerhin stationiert sie ihre Atomwaffen in Deutschland. Besser es wird gar nicht ermittelt. Das wäre doch eine Provokation. :crazy:

Ipsissimus
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Mi 9. Jul 2014, 22:18 - Beitrag #5

Russland kann Snowden schützen, weil das Land den unbedingten Willen hat, den USA zu widerstehen und über vergleichbar gut ausgebildete Spezialtruppen verfügt, die das auch durchsetzen können. Natürlich werden sie Snowden nur so lange beschützen, wie das in irgendein politisches Kalkül passt, der Mensch selbst ist im großen Spiel völlig gleichgültig. An Snowdens Stelle würde ich versuchen, die russische Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Ob deutsche Sicherheitsgarantien nicht von vornherein lächerlich sind? Wir bekommen ja noch nicht mal abhörsichere Handys für die Regierungsmitglieder hin, und ob deutsche SEK-Leute auch nur andeutungsweise so hochtrainiert sind wie Seals oder CIA-Feldagenten, darf auch bezweifelt werden.

Der internationale Haftbefehl wegen 250millionenfacher Gefährdung von Menschenleben durch Geheimnisverrat nebst Auslieferungsantrag wäre schon im deutschen Justizministerium, während Snowden noch in der Luft ist. Derartige Kleinigkeiten hätten noch nicht mal verzögernde Wirkung.

Und ob er von einem Seal- oder einem CIA-Team ausgeknipst wird, dürfte für ihn ziemlich gleichgültig sein

Lykurg
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Mi 9. Jul 2014, 22:41 - Beitrag #6

Maglor, stimmt - Nichtermitteln hätte zur Folge, daß die linke Hand nicht mehr wüßte, was die rechte tut, insofern fies.^^

Ipsissimus, ob Geheimdienst oder reguläre Truppen im Gebiet eines Bündnispartners operieren, wäre immerhin politisch ein erheblicher Unterschied - ich denke, an letzterem könnte die NATO platzen. Die EU-Partner fänden das jedenfalls auch nicht witzig, denke ich (GB mal ausgenommen).
Den Rest kann ich nicht hinreichend einschätzen, möglicherweise hast du da Recht.

Ipsissimus
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Do 10. Jul 2014, 09:42 - Beitrag #7

na ja, die USA könnten damit argumentieren, dass es sich dabei nicht um einen Einsatz gegen einen Partner handelt, sondern lediglich um einen Zugriff auf einen Verbrecher aus der eigenen Nation. Es gibt im amerikanischen Polizeiwesen des Begriff des "hot pursuit", damit ist gemeint, dass die Polizei eines Bundesstaates eine akute Verfolgung in der Zugriffsphase nicht abbrechen muss, nur weil der Verfolgte den Bundesstaat wechselt, sondern die Staatsgrenze überschreiten darf (was normalerweise Privileg des FBI ist). So was ähnliches könnten sie hier auch vorbringen, und ich bezweifele, dass darauf mehr als das übliche Knurren folgen würde. Aber du hast natürlich recht, das ist alles Spekulation. Wenn ich allerdings Snowden wäre, würden mir derartige Spekulationen deutliche Entscheidungskriterien bieten, ob ich mich auf deutschen "Schutz" verlassen will oder nicht.


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