Wohin mit der NATO?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Traitor
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Mo 4. Mai 2015, 21:29 - Beitrag #21

Zitat von Maglor:Meine Rechercheleistung ist so schlecht, dass ich glatt darübernachdenken sollte, sowas beruflich zu machen. ^^
Haben die öffentlich-rechtlichen nicht gerade einen Haufen Bonusgeld zu verteilen? Da werden bestimmt Rechercheursposten bei anfallen. ;)

Zitat von Maglor:Spielt die NATO dort überhaupt eine Rolle? Gibt es eine gemeinsame Syrien-Poliktik der NATO?
Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die NATO hat daher versagt. Es gibt keinen Konsens. Die Sicherheit der Türkei ist nicht konsensfähig. Die Sicherheits der Türkei ist verhandelbar und hat keine oberste Priorität. Auch die Balkanpolitik der 90er war nie Konsens.
Braucht man so eine NATO noch?
Zumindest beim Kosovo-Krieg kann ich mich an keine offiziell geäußerten Distanzierungen von Bündnispartnern erinnern...? Spätestens mit der "Koalition der Willigen" war aber tatsächlich klar, dass die NATO für Angriffskriege zu groß und divers ist.

Zitat von Maglor:Bei der sogenannten Russlandkrise gibt es eigentlich nur eine Frage: Ist die NATO Lösung oder Teil des Problems? ;)
Ca. die Hälfte des Problems. Zugestehen kann man ihr dabei, dass Teil davon zu sein noch nicht heißt, willentlicher Mitverursacher zu sein. Ein allzu großes Bemühen, nicht dazu zu werden, war aber auch nicht gerade zu erkennen.

Zitat von Maglor:Ich glaube nicht, dass der Georgienkrieg von 2008 oder der jetzige Ukrainekrieg ohne die NATO und die Idee einer Osterweiterung je ausgebrochen wären.
Würden (zentralregierungstreue) Georgier und Ukrainer vermutlich auch so unterschreiben, allerdings mit der Interpretation, dass sie dann ohne großes Aufsehen von Russland überrannt worden wären. Dass es in der Welt bei ersatzloser rückwirkender Streichung der NATO besser aussähe, halte ich für sehr blauäugig; allerdings sehe ich eine Unzahl an möglichen anders ausgerichteten Alternativorganisationen, die durchaus mehr Gutes hätten bewirken können - zumindest nach 1990.

Zitat von Lykurg:Stimmt - ohne Nato wäre der Warschauer Pakt möglicherweise nicht zusammengebrochen, das hätte dann beide Ereignisse eher unwahrscheinlich gemacht...
Die positivste Wirkung, die ich der NATO als relativ unstrittig anrechnen würde, ist, eine frühe Ausbreitung des Warschauer Paktes abgeblockt zu haben. Ob sie dann in der Spätphase (passiv durch Herausfordern ruinösen Hochrüstens) wirklich so viel zu dessen Zusammenbruch beitrug, oder ob die internen wirtschaftlichen Probleme ausreichten, ist meines Wissens höchst umstritten.

PS: Terroristen bitte hier entlang.

Maglor
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Mo 4. Mai 2015, 22:17 - Beitrag #22

Zitat von Traitor:Zumindest beim Kosovo-Krieg kann ich mich an keine offiziell geäußerten Distanzierungen von Bündnispartnern erinnern...? Spätestens mit der "Koalition der Willigen" war aber tatsächlich klar, dass die NATO für Angriffskriege zu groß und divers ist.

Griechenland wandte sich ganz offen gegen den Kosovo-Krieg. Bereits im Bosnienkrieg verfolgte Griechenland abweichende Interessen, nämlich die Unterstützung der Serben.


Zitat von Traitor:Die positivste Wirkung, die ich der NATO als relativ unstrittig anrechnen würde, ist, eine frühe Ausbreitung des Warschauer Paktes abgeblockt zu haben. Ob sie dann in der Spätphase (passiv durch Herausfordern ruinösen Hochrüstens) wirklich so viel zu dessen Zusammenbruch beitrug, oder ob die internen wirtschaftlichen Probleme ausreichten, ist meines Wissens höchst umstritten.

Der Warschauer Pakt wurde 5 Jahre nach der NATO-Gründung gegründet. Weder zum Austritt Albaniens aus dem Warschauer Pakt noch den Bruch Jugoslawiens mit der Sowjet-Union hat die NATO einen Beitrag geleistet. Die Kommunisten im griechischen Bürgerkrieg (eigentlich die heißeste Phase des Kalten Krieg in Europa) wurden im wesentlichen durch Jugoslawien und Albanien gestützt. Ursächlich für das Ende des Bürgerkrieges war das Einlenken Jugoslawiens und Albaniens.
Die Macht Moskau wurde nur aus der Staaten zurückgedrängt: Jugoslawien, Griechenland und Albanien.

Griechenland ist sowieso der beste Beweis dafür, dass die NATO überhaupt nie etwas gebracht hat. Die NATO war nie ein Garant für Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Die NATO hat die griechische Militärdiktatur weder be- noch verhindert, sondern einfach zugeschaut. Der Konflikt mit der Türkei ging einfach weiter, obwohl beide Staaten in der NATO eigentlich Verbüdete waren. Die ethnischen Säuberungen der 50er oder die Eroberungskriege auf Zypern hat hat die NATO weder be- noch verhindert, noch nicht einmal bewertet.

Ipsissimus
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Di 5. Mai 2015, 11:41 - Beitrag #23

Die positivste Wirkung, die ich der NATO als relativ unstrittig anrechnen würde, ist, eine frühe Ausbreitung des Warschauer Paktes abgeblockt zu haben.

was natürlich nur dann positiv ist, wenn die NATO die Guten und der WP die Bösen sind/waren^^

Traitor
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Di 5. Mai 2015, 13:32 - Beitrag #24

Zitat von Ipsissimus:was natürlich nur dann positiv ist, wenn die NATO die Guten und der WP die Bösen sind/waren^^
Nein, das ist nicht die zwingende logische Umkehr - es reicht auch, wenn die NATO weniger böse war als die Sowjets, und keine dritte, bessere Alternative bereit stand, die in einem Gleichgewicht schlechtere Chancen hatte. Und zumindest unter Setzung "böse = schlecht für unsere Lebensverhältnisse" fällt mir die Abstufung sehr leicht. Unter "böse = schlecht für die langfristigen Lebensverhältnisse der gesamten Menschheit" sollte es dann zwar a priori offen sein; ich täte mich aber sehr schwer, ein allzu positives Szenario unter Annahme dominierender Sowjets zu konstruieren.

@Maglor: Die Hauptschwierigkeit bei der historischen Beurteilung dürfte sein, abzugrenzen, wieviel westliches Abschreckungspotential der NATO zuzurechnen ist, und wieviel nur der USA allein, mit der NATO rein als schmückendem Beiwerk.

Zitat von Maglor:Griechenland wandte sich ganz offen gegen den Kosovo-Krieg. Bereits im Bosnienkrieg verfolgte Griechenland abweichende Interessen, nämlich die Unterstützung der Serben.

Zumindest laut diesem in deWP zitierten Artikel war Griechenland aktiv an "Allied Force" beteiligt. Die Ma[k/z]edonien-Geschichte machte Griechenlands Position auf dem Balkan sicher komplizierter als die der Verbündeten, zu einem offiziellen Ausscheren scheint es aber nicht gereicht zu haben.

Ipsissimus
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Di 5. Mai 2015, 18:40 - Beitrag #25

ich täte mich aber sehr schwer, ein allzu positives Szenario unter Annahme dominierender Sowjets zu konstruieren

Du verstehst also die derzeitige Dominanz der USA als positives Szenario? Verstehe.

Lykurg
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Mi 6. Mai 2015, 06:43 - Beitrag #26

Zitat von Traitor:Nein, das ist nicht die zwingende logische Umkehr - es reicht auch, wenn die NATO weniger böse war als die Sowjets, und keine dritte, bessere Alternative bereit stand, die in einem Gleichgewicht schlechtere Chancen hatte.
;)

NATO ist natürlich immer dann relevant, wenn es um die Nutzung von Flughäfen, Basen etc. der Bündnispartner geht, gelegentlich vielleicht auch um unterstützende Truppen.

Traitor
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Mi 6. Mai 2015, 09:21 - Beitrag #27

@Ipsissimus: Nicht als uneingeschränkt positiv, nichtmal allzu nah dran, aber definitiv positiver als Nazi-Dominanz, Sowjet-Dominanz, IS-Dominanz...

@Lykurg: Ob die Nutzung deutlich niedriger ausgefallen wäre, wenn man in Europa keine Bündnispartner, sondern Kolonien installiert hätte?

Ipsissimus
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Mi 6. Mai 2015, 09:56 - Beitrag #28

Es stellt sich aber die Frage, Traitor, was die damaligen Verdienste der USA - die, nebenbei gesagt, auch nicht schwerer wogen als die damaligen Verdienste der Sowjetunion - mit der heutigen Arroganz des angeblichen Bündnispartners und tatsächlichen Hegemonen zu tun haben.

Die Differenzierung zwischen USA und Nato halte ich für problematisch. Selbstverständlich ist beides formal nicht dasselbe, aber wenn die USA wollen oder nicht wollen, geht in der Nato kaum etwas anderes. Oder ist dir ein Fall bekannt, in dem die Nato sich gegen massive Absichten der USA gestellt hätte und damit durch kam? Ich jedenfalls halte die Nato für einen ausführenden Arm der US-Regierung.

Und was Totalitarismus betrifft: es gibt 1984 und es gibt die schöne neue Welt. Der Totalitarismus, der von den USA ausgeht, verwendet die Mittel des letzteren. Das ist aus meiner Sicht der einzige Unterschied zwischen USA, Russland und China.

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Mi 6. Mai 2015, 20:38 - Beitrag #29

Man muss sich nur solche armen Länder wie Finnland, Schweden oder Österreich anschauen, um zu verstehen, wie schlimm den europäischen Ländern ergeht, die seit jeher schutzlos dem bösen Iwan ausgeliefert waren.

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Do 7. Mai 2015, 03:25 - Beitrag #30

Auch die Lage der blockfreien Staaten hätte anders ausgesehen, wenn es nur einen Block gegeben hätte.

Ich denke, Kolonien hätten eher eine stärkere Nutzung erzwungen, zur Aufrechterhaltung der Kontrolle/Salzsteuer/wai.

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Do 7. Mai 2015, 11:45 - Beitrag #31

Auch die Lage der blockfreien Staaten hätte anders ausgesehen, wenn es nur einen Block gegeben hätte.


Von daher war der Warschauer Packt unverzichtbar. Unvorstellbar, was passiert wäre, wenn Europa schon unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg gemerkt hätte, welche Art Verbündeter die USA sind.

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Do 7. Mai 2015, 18:28 - Beitrag #32

Nun, wären die USA nach dem 2. Weltkrieg zur Monroe-Doktrin zurückgekehrt, hätten große Teile auch Westeuropas bald erfahren können, was für ein fortschrittlicher großer Bruderstaat die Sowjetunion ist, und wie angenehm es ist, wenn man sich um Politik keine Gedanken mehr machen muß - abgesehen vom Verfassen von Aufsätzen über den Marxismus-Leninismus und seine Rolle für die Verbesserung jedes Details der eigenen Lebenssituation, vom Lehrer streng bewertet nach bekannten Detailabweichungen von der Realität. Ist ja nicht so, daß die USA das Bespitzeln der Bevölkerung erfunden hätten, auch wenn manche das heute vielleicht so sehen wollen.

Maglor
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Do 7. Mai 2015, 18:58 - Beitrag #33

Zitat von Ipsissimus:Unvorstellbar, was passiert wäre, wenn Europa schon unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg gemerkt hätte, welche Art Verbündeter die USA sind.

Charles de Gaulle hat es immmerhin schon in den 1950ern bemerkt. Im Grunde hat Frankreich ja die Alternative gezeigt: Eigene Atomwaffen.

Darüber, wer in der NATO die Macht hat, besteht kein Zweifel.
Die Macht liegt in den Gewehrläufen. Grundlage des Bündnisses ist die Angst. Zur notwendigen Einschüchterung der Bevölkerung tauchen dann plötzlich diffuse U-Boote auf oder es werden kommunistische Terrorgruppen in Szene gesetzt. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ob serbischer Hufeisenplan, Atomwaffen im Irak, alles ist möglich. Die aktuellen Hirngespinste bzgl. der Ukraine sollten an anderer Stelle aufgeklärt werden.

Kolonialismus ist in der Geschichte der NATO nicht ohne Bedeutung. Groß-Britannien, die Niederlande, Belgien und Frankreich hatten anfangs noch riesige Kolonialreiche im Schlepptau. Die Frage der Unabhängigkeit der Kolonien wurde im Rahmen des Ost-Westkonflikts instrumentalisiert, wobei der sogenannte "Westen" in der Regel zu Lasten der Unabhängigkeitsbewegungen Partei ergriff.

Ipsissimus
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Fr 8. Mai 2015, 12:00 - Beitrag #34

Zitat von Lykurg:Nun, wären die USA nach dem 2. Weltkrieg zur Monroe-Doktrin zurückgekehrt ...
... wäre die Geschichte Europas nach dem zweiten Weltkrieg vollständig anders verlaufen, so das allen weiteren Aussagen dieses zitierten Satzes lediglich der Status von Mutmaßungen zukommt. Und dies um so mehr, wenn man sich anschaut, von welchen Kleinigkeiten gelegentlich die Historie auf 180-Grad-Kurse umgelenkt wurde und wird.

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Fr 8. Mai 2015, 16:38 - Beitrag #35

Ich bezog mich auf dein "unvorstellbar". ;-) Und ob es sich tatsächlich um 180°-Kursänderungen handelt, läßt sich ohne Paralleluniversum schlecht beurteilen; oft genug dürfte der kleine Anlaß einer großen Veränderung eben nur der letzte Tropfen sein, dessen es vielleicht auch gar nicht bedurft hätte, um dieselbe Veränderung ein wenig später hervorzurufen. Aber das ist dann natürlich ebenfalls Spekulation. Immerhin halte ich für sehr wahrscheinlich, daß die UdSSR das, was sie in ihren unmittelbaren Nachbarstaaten durchgeführt haben, auch gern in weiteren Ländern gemacht hätten. Ist ja auch nicht so, daß sie es mit anderen Mitteln nicht versucht hätten.

Maglor, das Ganze wird natürlich dadurch noch suspekter, daß die ersten U.Boote vor der schottischen Küste gesichtet wurden. Zweifellos handelt es sich dabei um US-Boote, ob in russischer Ummmantelung oder ohne ist letztlich egal, solange sie keiner zu sehen bekommt - und da nicht, höchstwahrscheinlich ohne.

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So 10. Mai 2015, 11:13 - Beitrag #36

Zitat von Ipsissimus:Es stellt sich aber die Frage, Traitor, was die damaligen Verdienste der USA - die, nebenbei gesagt, auch nicht schwerer wogen als die damaligen Verdienste der Sowjetunion - mit der heutigen Arroganz des angeblichen Bündnispartners und tatsächlichen Hegemonen zu tun haben.
Durchaus eine gute Frage. Zwischenbemerkung aber: zumindest die damaligen Schandtaten der Sowjets wogen deutlich stärker als die der Amerikaner - ohne Internierungslager für asiatischstämmige Mitbürger unter den Tisch fallen zu lassen, sind Stalins Säuberungen und Umsiedlungen doch eine völlig andere Dimension; und auch die Erinnerungen der Bewohner der US- bzw. rot-befreiten Gebiete Deutschlands lassen doch fast durchgängig sehr, sehr eindeutig erkennen, wo man damals lieber gewesen wäre. (Siehe auch unten zum Vergleichslabor.)
Zurück zu deiner Frage: Ja, die heutige USA ist sicher eine andere als damals. Und selbst, wenn sie es nicht wäre, ist ihr die Rechtfertigung für ihre arrogant eingeforderte Rolle abhandengekommen. Da sich heute kein Alternativhegemon aufdrängt (an meine in den Raum geworfene "IS-Dominanz" als realistisches Szenario glaube ich sicher nicht), wäre mir eine hegemoniefreie Welt sicherlich auch deutlich lieber.

Zitat von Ipsissimus:Die Differenzierung zwischen USA und Nato halte ich für problematisch. Selbstverständlich ist beides formal nicht dasselbe, aber wenn die USA wollen oder nicht wollen, geht in der Nato kaum etwas anderes. Oder ist dir ein Fall bekannt, in dem die Nato sich gegen massive Absichten der USA gestellt hätte und damit durch kam? Ich jedenfalls halte die Nato für einen ausführenden Arm der US-Regierung.
Genau darauf wollte ich mit meiner Frage nach der Abgrenzbarkeit ja hinaus - ist diese möglich, oder war die NATO eben stets nur Anhängsel. Maglors Frankreich-Beispiel, ebenso wie später die extern geführte "Koalition der Willigen", illustrieren ja schön, dass die Vertragsorganisation nie in der Lage war, abweichende Positionen zu verarbeiten.

Zitat von Ipsissimus:Und was Totalitarismus betrifft: es gibt 1984 und es gibt die schöne neue Welt. Der Totalitarismus, der von den USA ausgeht, verwendet die Mittel des letzteren. Das ist aus meiner Sicht der einzige Unterschied zwischen USA, Russland und China.
Deutlich treffender wäre noch Fahrenheit - zumindest konsumiere ich bisher noch hinreichend wenig high fructose corn syrup, sodass ich nicht an dessen Wirkung als Soma glaube; aber die verdummende Wirkung des US-Medienexports bemerke ich durchaus. ;) Und natürlich möchte ich lieber in einer freien Welt leben als in einer von den dreien; aber solange die Umsetzung nicht vollständig ist, der philosophische Schrecken der totalen Perspektivenvernichtung also fehlt, halte ich die ganz praktischen Schrecken der 1984-Welt für die deutlich grausameren.

@Lykurg/Maglor@Finnland: Die haben ja auch durchaus ihre historisch gut begründete Angst vor Russland. Dass man im Gegensatz zum Baltikum aktuell nichts von ihnen hört, ist interessant. Vermutlich sind sie sich ihrer Zugehörigkeit zum Westen einfach sicherer, da die Wunden viel älter sind.

Zitat von Maglor:Kolonialismus ist in der Geschichte der NATO nicht ohne Bedeutung. Groß-Britannien, die Niederlande, Belgien und Frankreich hatten anfangs noch riesige Kolonialreiche im Schlepptau. Die Frage der Unabhängigkeit der Kolonien wurde im Rahmen des Ost-Westkonflikts instrumentalisiert, wobei der sogenannte "Westen" in der Regel zu Lasten der Unabhängigkeitsbewegungen Partei ergriff.
Im Gegensatz zu Russland, dessen Kolonien nie in Frage gestellt wurden, vermutlich wegen der geographischen Verbundenheit. Aber naja, wenn man Unabhängigkeit für die Tschetschenen, Nenzen und Tschuktschen fordert, dann könnte das ja auch jemand für die Schotten, Basken und Navajo machen, welch absurde Vorstellung... ;)

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So 10. Mai 2015, 12:31 - Beitrag #37

Navajos hatte ich jetzt nicht mitbekommen, aber ansonsten... stimmt schon. Ich würd mir ja mal Belege zur Finanzierung wünschen, wie bei Front National. Die Lega Nord würde ja eigentlich auch gut in das Raster passen, hat es sich aber mit ihrer rußlandkritischen Haltung wohl verscherzt.

Zu den U-Booten sind mir gerade noch ergänzend die amerikanischen Bomber eingefallen, die als russische Maschinen getarnt von Rußland kommend in den schwedischen Luftraum eindringen, um Provokationen zu simulieren. Schon ganz schön abgefeimt.

Maglor
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So 10. Mai 2015, 13:56 - Beitrag #38

Stalin ist ein sehr beliebtes Argument. Es muss aber unbedingt beachtet werden, dass sich die stalinistische Epoche nur zum Teil mit der des Kalten Krieges überschneidet. Die Sowjet-Union oder DDR der 60er, 70er und 80er waren eigentlich nicht mehr ganz so schlimm wie die Zeit davor.

Traitor
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So 10. Mai 2015, 14:19 - Beitrag #39

@Maglor: Ipsissimus fragte ja gezielt nach dem moralischen Kontostand vor/zu Beginn des kalten Krieges.

@Lykurg: Von Navajo-Separatismus habe ich auch nicht mehr gehört als von tschuktschischen Separatisten. ;) Zumindest, wenn ich diverse Alternativweltgeschichten weglasse.

Maglor
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Mo 11. Mai 2015, 18:42 - Beitrag #40

Der Kalte Krieg beginnt mit der Intervention der Entente im Russischen Bürgerkrieg zugunsten der Weißen und der Separatisten. Wer da wen angegriffen hat und wer in wessen Territorium eingedrungen ist, steht eigentlich felsenfest. Bizarrer Gegenwartsbezug: Diese frühen Auseinandersetzungen fanden auf der Krim ihr Finale.


Traitor hat offensichtlich die Navajos mit den Lakotas verwechselt.

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