Wie unsere Werte verteidigt werden

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
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So 17. Apr 2016, 16:54 - Beitrag #1

Wie unsere Werte verteidigt werden

An zwei mehr oder minder aktuellen Ereignissen kann man sehr gut die wahren Werte des geheimen Deutschlands erahnen.

Das erste Ereignis, das hier behandelt werden soll, ist die mythenumrankte Silvesternacht in Köln, nach der angeblich alles anders. Entsetzt musste das deutsche Volk feststellen, dass ein Grabscher gar keine Vergewaltigung ist. Die Politik hatte ein klares Ziel. All das, was die Orientalen damals getan haben, sollte unter Strafe stehen.

Ein paar Monate später versucht sich ein arischer Satiriker in Majestätsbeleidigung. Ob die Tat strafbar ist oder durch die Freiheit der Kunst gedeckt ist, scheint unter Experten umstritten zu sein. Aber alle Zweifel sollen aus der Welt geschaffen werden. Schnell wird auch hier der Ruf nach einer Gesetzesänderung laut. Unser Wertesystem ist zur Zumutung geworden. Es ist unfassbar, dass ein ausländischer Präsident durch das StGB beschützt, dabei weiß doch jeder ganz genau, dass ein arischer Satiriker in der Hackordnung deutlich höher steht als ein orientalischer Despot.

Worum es eigentlich geht, ist leicht erkennbar. Es geht um das Oben und Unten.
Niemand mehr soll es wieder wagen, einen Deutschen auch nur scheel anzuschauen.

Feuerkopf
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So 17. Apr 2016, 17:04 - Beitrag #2

Das ist aber schon arg polemisch.

Die Strafwürdigkeit von sexuellen Übergriffen ist seit Jahren ein Streitpunkt in der Koalition. Unser Innenminister Maas hat schon im letzten Jahr eine entsprechende Reform der Rechtsprechung versucht, ist aber ausgerechnet an den CDU/CSUlern gescheitert. Im Nachhinein kann man nun leider keine Gesetze anwenden.

Der ominöse § 103, verkürzt "Majestätsbeleidigung", ist ein Erbe aus dem Kaiserreich, das irgendwie halb vergessen herumdümpelte. Zu recht wird er nun wohl aus dem Gesetzesbuch gekegelt, aber noch gibt es ihn und deshalb kann er auch angewendet werden. Ich vermute mal, dass Erdogan im Rahmen der möglichen Verhandlung noch bereuen wird, auf diesem Weg geklagt zu haben.

Wie üblich gibt es hie wie dort einen Unterschied zwischen Rechtsempfinden und Recht. Das ist aber normal.

Maglor
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So 17. Apr 2016, 17:59 - Beitrag #3

Irgendwie ist aber das StGB als Gesamtkunstwerk im wesentlichen ein Erbe der Kaiserzeit! ;)

Die Uhren muss man allerdings gar nicht bis zu Kaiser Wilhelm I. zurückdrehen, um den wahren Wert der Pressefreiheit zu erkennen.

Im Streit um des Kanzlers Haarfarbe ging es zwar gar nicht um Strafrecht, um Pressefreiheit und Polit-Größen allerdings schon.
Die Agentur habe die presserechtlichen Sorgfaltsanforderungen mißachtet, weil sie vor der Verbreitung nicht beim Kanzler nachgefragt habe. Die Imageberaterin Sabine Schwind von Egelstein hatte in dem ddp-Interview im Januar 2002 behauptet, der Kanzler töne seine grauen Schläfen - was, wie in dem Rechtsstreit unstrittig war, nicht den Tatsachen entsprach. Eine Kammer des Ersten Senats nahm die Verfassungsbeschwerde gegen Unterlassungsverfügungen des Landgerichts und Oberlandesgerichts Hamburg nicht zur Entscheidung an. faz


Noch harmloser erscheint der Streitgegenstand bei Altkanzler Kohl. Er ließ sich erst von einem Journalisten interviewen. Jahre später kam es zum Zwist und Kohl verlangte die Herausgabe der Interviewaufzeichnung.
Altkanzler Helmut Kohl (CDU) darf die Tonbänder mit seinen Lebenserinnerungen behalten. Der Bundesgerichtshof entschied, dass sie nicht dem Publizisten Heribert Schwan zustehen (Az.: V ZR 206/14).
...
Der Journalist Schwan hatte in den Jahren 2001 und 2002 lange Gespräche mit Kohl aufgezeichnet. Auf der Grundlage dieser Gespräche verfasste Schwan drei Memoirenbände, in denen jedoch nur Kohl als Autor genannt wird. Während der Arbeiten zum vierten und letzten Band kam es zum Zerwürfnis und Kohl beendete die Zusammenarbeit. zeit


So sieht sie also aus: Die herrliche deutsche Pressefreiheit!

Aber was ist schon dabei, wenn man einen Orientalen einen Sodomisten schimpft? Das ist natürlich so ein lustiger Scherz, den ein Politiker ertragen muss. Mit dem Türken kann man's ja machen.

Lykurg
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So 17. Apr 2016, 22:41 - Beitrag #4

Nö, das StGB hat eine gewachsene Struktur, da ist natürlich vieles aus der Kaiserzeit dringeblieben, aber auch diverse Weimarer und braune Ergänzungen dazugekommen, letztere teilweise wieder rausgeflogen, und die paar Jährchen Bundesrepublik haben auch so ihre Spuren hinterlassen. Das Problem mit dem Streichen der Majestätsbeleidigung ist halt, daß viele andere Länder auch sowas drin haben, und es daher irgendwie zum guten Ton gehört, daß man sich gegenseitig das bißchen Respekt zollt. (Dumm natürlich in dem Sinne, daß unser Staatsoberhaupt gewolltermaßen politisch so irrelevant ist, daß normalerweise im Ausland niemand auf die Idee kommen würde, es zu verunglimpfen - wohingegen der Kanzler je nach nationaler Formulierung des Gesetzes nicht darunter fällt...) Andererseits haben wohl Schweden und die Niederlande (?) vor kurzem auch den entsprechenden Paragraphen ausgemistet. Man darf also - und sollte dann auch. Normale Beleidigung reicht völlig.

Im Fall Böhmermann gilt dann allerdings leider immer noch das geltende Recht; hätte Frau Merkel ihre Ankündigung, das Gesetz zu streichen, mit der Erklärung verbunden, es bereits hier nicht zur Anwendung kommen zu lassen, wäre das genau die Willkürherrschaft, die Erdogan vorgeworfen wird. Daher sehe ich auch keine echte Alternative zur gerichtlichen Klärung, und sehe immerhin der Beweisaufnahme mit einiger Spannung entgegen.

Ipsissimus
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Mo 18. Apr 2016, 10:57 - Beitrag #5

Zitat von Feuerkopf:Wie üblich gibt es hie wie dort einen Unterschied zwischen Rechtsempfinden und Recht. Das ist aber normal.

Na ja, wenn der Ziegenficker nicht Erdogan hieße, könnte sich auch der ziegenfickende Deutsche versucht sein, sich beleidigt zu fühlen^^ das Schlimme ist eigentlich, dass hinter der Verteidigung der heiligsten Werte des Abendlandes eine Frage, die sich sehr unmittelbar stellt, völlig untergeht: Ist das, was Böhmermann macht, eigentlich Satire? Aus meiner Sicht, definitiv nicht, das ist nichts als dummer Junge-Geprolle. Man hätte sich gewünscht, Erdogan würde ein bisschen mehr Souveränität im Umgang mit ihm an den Tag legen, aber an dem Umstand, dass er sich beleidigt fühlt und infolgedessen auch - als Privatmann - das Recht auf eine Beleidigungsklage hat, ist zunächst mal nichts Unangemessenes.

Zitat von Feuerkopf:Die Strafwürdigkeit von sexuellen Übergriffen ...
... bedarf eigentlich keiner verschärften Gesetze sondern der konsequenten Anwendung der bestehenden Gesetze. In deren Rahmen widerum kommt es zu Problemen, die auch bei verschärften Gesetzen weiterhin bestünden, Stichwort Beweispflicht der Anklage ohne Beweislastumkehr. Aber auch die Grenzziehung ist nicht ganz unproblematisch. In den USA kann es schon ein Vergehen sein, einer Frau zu lange in die Augen zu schauen. Was ist mit Blicken auf den Busen oder den Hintern? Wenn wir das alles als übergriffig und somit als Vergehen oder gar Verbrechen einstufen wollen, verlange ich die Pflicht zur öffentlichen Ganzkörperverschleierung oder Nonnenbekleidung der Frauen.

Ipsissimus
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Mo 18. Apr 2016, 11:04 - Beitrag #6

Zitat von Lykurg:Im Fall Böhmermann gilt dann allerdings leider immer noch das geltende Recht; hätte Frau Merkel ihre Ankündigung, das Gesetz zu streichen, mit der Erklärung verbunden, es bereits hier nicht zur Anwendung kommen zu lassen, wäre das genau die Willkürherrschaft, die Erdogan vorgeworfen wird. Daher sehe ich auch keine echte Alternative zur gerichtlichen Klärung, und sehe immerhin der Beweisaufnahme mit einiger Spannung entgegen.


Sind denn Merkel oder Maas gegenüber der Jusitz weisungsbefugt? Gewaltenteilung, da war doch so was.

Lykurg
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Mo 18. Apr 2016, 12:35 - Beitrag #7

Zitat von Ipsissimus:Ist das, was Böhmermann macht, eigentlich Satire? Aus meiner Sicht, definitiv nicht, das ist nichts als dummer Junge-Geprolle.
Naja, auch der Frage gehe recht viele nach, wenn auch meist mit dem Resümee, daß das letztlich vom Gericht geklärt werden muß/wird und die Entscheidung niemand wirklich vorhersehen kann. Viele sehen allerdings einen Freispruch als unbedingt notwendig für die Presse-/Satirefreiheit an, ich sehe das auch nicht unbedingt so; Böhmermann hat ja in der Sendung deutlich genug gemacht, daß das, was er tut, nicht erlaubt ist (also vorsätzlich gehandelt); die Frage ist halt nur, ob es durch den 'edukativen Kontext' zulässig wird, und da bin ich auch skeptisch, das könnte ja schließlich jeder machen: 'Ist ja gar nicht so gemeint', 'nur ein Scherz', 'nur Satire'. So schafft man dann das Gesetzbuch gleich mit ab. Für die Wahrnehmung des Ganzen als untrennbare Einheit und als erfolgreiche Satire spräche die jetzige Debatte um die Zeitgemäßheit von 'Majestätsbeleidigung', die Reaktionen sowohl seitens der Erdogan-Befürworter als auch der dumpfdeutschen Rechten zeigen aber, daß es sich problemlos aus diesem Kontext lösen läßt und dadurch eben zu einer geschmacklosen - u.a. zutiefst rassistischen - Beleidigung wird.

Schlimm finde ich vielmehr, daß über die aktuelle Debatte die eigentlich viel größere Sauerei, nämlich die Unterdrückung der Presse und der Demokratie in der Türkei sowie der Bombenkrieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung in Ostanatolien, die im Extra3-Beitrag noch angesprochen wurden, wieder völlig aus dem Blickfeld geraten sind. Denn damit werden sich die deutschen Gerichte - und entsprechend auch die Medien - selbstverständlich nicht befassen. (Inwieweit Deutschland/die Bundesregierung aufgrund der ethisch reichlich fragwürdigen Flüchtlingsübereinkunft in einer Zwangslage und letztlich erpreßbar sind, wurde und wird allerdings durchaus weiterhin kommentiert.)
Sind denn Merkel oder Maas gegenüber der Jusitz weisungsbefugt? Gewaltenteilung, da war doch so was.
Genau darum geht es ja! §104a StGB besagt, daß Straftaten wie die Beleidigung eines Staatsoberhauptes nur als solche verfolgt werden, wenn "die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt." Hier ist die Gewaltenteilung also per Gesetz eingeschränkt, und genau das ist wohl auch ein Grund, warum dieses Gesetz abgeschafft gehört. Mit ihrer Zustimmung zur Strafverfolgung greift Merkel so gesehen möglichst wenig in die Justiz ein; wobei eben die Sichtweise 'das Gesetz hätte es so nicht mehr geben dürfen, dementsprechend ist es ungültig' mir auch nachvollziehbar wäre. Das Recht auf die normale Beleidigungsklage bleibt davon ja völlig unberührt.

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Mo 18. Apr 2016, 13:05 - Beitrag #8

Zitat von Ipsissimus:Ist das, was Böhmermann macht, eigentlich Satire? Aus meiner Sicht, definitiv nicht, das ist nichts als dummer Junge-Geprolle.

Du verharmlost doch bereits. Ein dummer Junge war Böhmermann nicht. Er wusste genau, dass es sich um ein Delikt handelte. Durch den vorherigen (harmlosen) Wink mit dem diplomatischen Zaunpfahl fühlte sich sich Böhmermann wahrscheinlich herausgefordert bzw. nicht ausrechnet gewürdigt. Böhmermann hat eine Eskalation gewünscht und entsprechend ausgeteilt.
Im übrigen halte ich seine Schmährede für sexistisch und rassistisch. Ein Geschmacksurteil ist unnötig.

Zitat von Lykurg:Schlimm finde ich vielmehr, daß über die aktuelle Debatte die eigentlich viel größere Sauerei, nämlich die Unterdrückung der Presse und der Demokratie in der Türkei sowie der Bombenkrieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung in Ostanatolien, die im Extra3-Beitrag noch angesprochen wurden, wieder völlig aus dem Blickfeld geraten sind. Denn damit werden sich die deutschen Gerichte - und entsprechend auch die Medien - selbstverständlich nicht befassen.

Eigentlich ist es also ein Bärendienst für Erdogan. Die realsatirische Personalisierung lenkt ganz weit vom Thema hat. Statt über Pressefreiheit in der Türkei, wird nun über "Pressefreiheit" in Deutschland diskutiert.


Noch mal zurück zur Überschrift:
"Wie unsere Werte verteidigt werden"

Welche Werte werden hier verteidigt?
Im Diskurs lehnt man sich gern weit aus dem Fenster. Angela Merkel wird nun sogar dafür kritisiert, dass sie keine Willkürentscheidung getroffen hat, sondern eine juristische Prüfung zulässt.
Was hier verteidigt wird, ist ein sexistisches und rassistisches Schmähgedicht. Diese Bildsprache kennt man sonst eigentlich nur aus Stammtischparolen, in Reimform höchstens aus dem Genre Rechtsrock. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Eigentlich geht es doch darum, dass die Ehre des bösen Türken nicht gesetzlich geschützt werden soll, dass die Bundeskanzlerin strafrechtliche Ermittlungen verhindern soll und natürlich darum, dass rassistische Verleumdnungen ein hehrer Wert sind. Das sind also die Werte, die verteidigt werden. Rechtsstaat, Gewaltenteilung, offene Gesellschaft, Würde des Menschen ... Wer braucht das noch? Immerhin geht es gegen den Türken!
Erst wenn die Presse wirklich lügt, wird geglaubt und je dreister und unerhörter ihre Lügen sind, um so mehr verstummt der gewohnte Ausruf. Von Lügenpresse redet auf einmal niemand mehr. :fear:

Ipsissimus
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Di 19. Apr 2016, 11:09 - Beitrag #9

"Wie unsere Werte verteidigt werden"

Na ja, derzeit wohl wieder im Mittelmeers, vorzugsweise weit unter der Wasseroberfläche. Das war ja auch so überhaupt nicht vorhersehbar, dass die wieder übers Meer kommen, wenn die Landlinien dicht sind. Europa findet in der neuen alten Barbarei offenbar wieder zu sich selbst zurück.

Maglor
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Mi 4. Mai 2016, 19:48 - Beitrag #10

Die deutsche Zensur fordert weitere Opfer.
Nun wurde ausgerechnet der bekannte Hitler-Immitator und lebende Witz Lutz Bachmann zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt, obwohl er in seinem fragwürdigen Facebook-Kommentar lediglich von "Viehzeug" und "Gelumpe" geschrieben hatte.
Verglichen mit Böhmermannismen wie "Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner" klingt Bachmanns Volksverhetzung geradezu harmlos.

Im Prozess wegen Volksverhetzung auf Facebook gegen Pegida-Gründer Lutz Bachmann hat das Amtsgericht Dresden sein Urteil gesprochen. Es lautet: schuldig. Bachmann muss eine Geldstrafe in Höhe von 9600 Euro zahlen. Bachmann ist Gründer und vielfacher Redner der rechtspopulistischen Pegida-Bewegung. Als Kopf des islam- und fremdenfeindlichen Bündnisses soll Bachmann Flüchtlinge in Facebook-Kommentaren herabgewürdigt und zum Hass gegen sie angestachelt haben.

Er soll Migranten in einem Kommentar pauschal als "Viehzeug" und "Gelumpe" diffamiert haben.
Spiegel


Aufmerksame Leser haben sich erkennt, dass Bachmann wegen Volksverhetzung und eben nicht wegen Beleidigung verurteilt wurde. Ich bin jedoch der Meinung, dass das berühmte Schmähgedicht auf als Volksverhetzung gem.§ 130 StGB gewertet werden könnte.
Böhmermann hat eine einzelne Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer nationalen, ethnischen und religiösen Gruppe verleumdet und dies über Rundfunk verbreitet. Ihm droht also Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren, § 130 Abs. 2 Ziff. 2 StGB.
Sollte Böhmermanns Schmähgedicht geeignet sein, sogar den öffentlichen Frieden zu stören, droht ihm Freiheisstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahre, § 130 Abs. 1 StGB. Meines Erachtens ist das Schmähgedicht durchaus geeignet den öffentlichen Frieden zu stören.

Böhmermann hat auch Homosexuelle verleumdet, indem er "schwul" in eine Reihe mit zoophil, pädophil u.a. gestellt. Im Wortlaut des Gesetzes sind durch sexuelle Orientierung bestimmte Gruppen jedoch nicht vor Volksverhetzung geschützt - noch nicht.

Lykurg
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Do 5. Mai 2016, 09:37 - Beitrag #11

Böhmermann argumentiert dagegen, daß er sich den Inhalt des Gedichts nicht zueigen gemacht habe. Im aktuellen Zeit-Interview bestreitet er auch dessen Urheberschaft, ob er das auch unter Eid behaupten (und vielleicht sogar beweisen) kann, ist dann eine andere Frage. Jedenfalls wird das Gericht entscheiden müssen, inwieweit das Gedicht im Kontext der Sendung (den Bild, AKP, aber auch du geflissentlich weglassen) als Beitrag zur Debatte über Freiheit der Kunst verstanden den Inhalt rechtfertigen kann oder nicht.

Selbstverständlich bestreitet Böhmermann, ein Rassist zu sein - ich habe aber auch kein "aber" gehört.

Ipsissimus
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Do 5. Mai 2016, 14:13 - Beitrag #12

Zitat von Lykurg:Selbstverständlich bestreitet Böhmermann, ein Rassist zu sein - ich habe aber auch kein "aber" gehört.


Aber sind die Türken denn eine Rasse? Ich dachte bislang immer, das wäre eine Nation^^ Böhmermann behauptet also, dass er nicht gegen etwas ist, was gar nicht existiert^^ ich wäre begeistert als Richter^^

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Do 5. Mai 2016, 16:33 - Beitrag #13

Um zum Ursprungsthema zurückzukommen: "Nein heißt Nein." Trotzdem hat Böhmermann dem Erdogans diverse sexuelle Abartigkeiten* angedichtet.

An dem Fall zeigt sich nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Orientalen und Okzidentalen, sondern auch die von Männern und Frauen. Über orientalische Männer wird man das wohl noch sagen dürfen.
Man stelle sich nur mal hypothetisch eine vergleichbare Rhetorik gegen eine deutsche Frau vor. Ihre Muschi riecht nach Sauerkraut. Eine Äquivalent zum Schweinefurz wird schwierig. Da Schweine in der islamischen Welt als unrein gelten, müsste man hier schon auf Ratten oder Marder zurückgreifen, um eine halbwegs gleichwertige Beleidigung auszusprechen.

* "Schwul" wird von Böhmermann natürlich in eine Reihe gestellt mit Kinderpornografie, Sex mit Ziegen, Kindern, den eigenen Kindern usw. Dagegen wirkt sogar Xavier Naidoo wie ein harmloser Schnulzensänger. :crazy:

Lykurg
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Do 5. Mai 2016, 22:42 - Beitrag #14

Da ja ohnehin beim Menschen keine Rassen existieren, hängt der Begriff ein wenig im luftleeren Raum und kann quasi nach Belieben gefüllt werden; da bietet sich die Anwendung auf Ethnien an; die Turkvölker (mit den Türken als bekanntesten Vertretern) bilden eine solche (und sind jedenfalls keine Araber). Darüber, inwieweit der Begriff "Rasse" im Grundgesetz noch zeitgemäß ist, gibts ja auch Diskussionen - im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist die Rede von "Rasse oder ethnischer Herkunft".

Maglor, wenn man ihn auf das Gedicht reduziert, ja. Rechtlich ist die Frage, ob man das tun kann, und dabei die Relativierungen rausschneiden, wie es die diversen Weiterverbreiter ja auch getan haben. Man könnte auch einen Text weiterverbreiten, aus dem man sämtliche Verneinungen rauskürzt, wäre auch mal ein Experiment. Meinst du tatsächlich, daß Böhmermann damit seine private, persönliche Meinung äußert? Bei Naidoo liegt der Fall dann doch deutlich anders...
Zitat von Die Zeit:Böhmermann wehrt sich in dem Gespräch gegen den Vorwurf, dass das Gedicht rassistisch sei: "Die für mich schmerzhafteste Vorstellung ist wirklich, dass mich jemand wegen dieser Nummer ernsthaft für einen Rassisten oder Türkenfeind halten könnte." Der Moderator verbittet sich ausdrücklich, das Gedicht aus dem Kontext gerissen zu betrachten und die Aktion zu hoch zu hängen.

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Fr 6. Mai 2016, 21:12 - Beitrag #15

Wie ein entsprechender Prozeß übrigens in der Türkei aussehen kann, zeigt dieser Artikel recht eindrucksvoll. Die beiden betroffenen Journalisten sind jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden (der eine wurde in einer Prozeßpause fast erschossen). Besonders interessant sind die Anklagepunkte: Sie hatten darüber berichtet, daß die Türkei syrische Extremisten mit Waffen beliefert habe - ein Vorwurf, den die Türkei selbstverständlich bestreitet. Verurteilt wurden sie aber wegen Verrats von Staatsgeheimnissen sowie Unterstützung einer terroristischen Vereinigung - irgendwie finde ich das ironisch, in beiden Punkten...

Maglor
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Mo 9. Mai 2016, 21:26 - Beitrag #16

Zitat von Lykurg:Rechtlich ist die Frage, ob man das tun kann, und dabei die Relativierungen rausschneiden, wie es die diversen Weiterverbreiter ja auch getan haben.

Welche Relativierung meinst du? Böhmermann hat die Sache doch nur konkretisiert. O-Ton: "Was jetzt kommt, das darf man nicht machen."

Zum Kontext gehört auch, dass Böhmermann in der Vergangenheit immer wieder durch die Verbreitung von fingierten Zitaten, Lügengeschichten und anderen Eseleien auffällig geworden. Wikipedia bietet einen kurzen Überblick über sein Balancieren an den Grenzen des deutschen Rechtssystems. Das wirklich erstaunliche Phänomen ist, dass große Teile der Öffentlichkeit immer wieder auf ihn hereinfallen. :|

Er hat auch immer wieder erklärt, dass er mit der derzeitigen Rechtslage in Deutschland nicht einverstanden ist und beteiligt sich federführend an einem Diskurs, der auf die Abschaffung der Rechtsnormen Beleidigung und Volksverhetzung abzielt.
Den Konflikt mit dem Gesetz bauscht er auch noch als Image-Kampagne auf. Jetzt hat er endlich die Aufmerksamkeit, die er sich immer gewünscht hat.

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Di 10. Mai 2016, 03:13 - Beitrag #17

Bezug auf den Kontext der Sendung, die Absicht, ein Beispiel des Nichterlaubten zu bringen, so daß eine Sendung über Satirefreiheit daraus wurde.

Ja, ein Grenzgänger zweifellos. Er scheint der sanktionswürdigen Überzeugung zu sein, daß Satire scharf sein muß, vor Verletzungen nicht zurückschrecken darf, im Allgemeinen tabufrei sein sollte und ja, daß das deutsche Rechtssystem nicht in jeder Hinsicht vollkommen ist. (Übrigens teilt er diese Ansicht wohl mit allen relevanten politischen Parteien.)

Inwieweit die Unterstützung quer durch alle Lager, insbesondere von rechts, die ihm aus der plötzlichen Bekanntheit erwuchs, ihn tatsächlich (unangenehm) überrascht hat, kann ich nicht sagen; Abschaffung der Volksverhetzung war sicherlich nicht Teil der Absicht, eine der Weiterungen, die wohl eher nicht einkalkuliert waren.

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Sa 18. Jun 2016, 19:47 - Beitrag #18

Es gibt schon wieder ein neues Beispiel dafür, wie unsere Werte verteidigt werden. Art. 6 des Grundgesetzes ist auch nicht mehr so wichtig wie früher.

Wie viele Fälle von Minderjährigenehe es unter Flüchtlingen gibt, ist unklar. In Bayern wird das nicht zentral registriert. In Nordrhein-Westfalen geht die für die Verteilung von Flüchtlinge zuständige Bezirksregierung Arnsberg von 188 Fällen aus; in Baden-Württemberg wurden 177 Kinderbräute gezählt.
...
Als mögliche Maßnahme zur Verhinderung solcher Zwangsheiraten "komme zunächst eine Anhebung des Heiratsalters im deutschen Recht auf 18 Jahre in Betracht", was einer Empfehlung der UN-Kinderrechtskonvention entspricht. Bayern erhofft sich von einer generellen Anhebung, dass die bestehende rechtliche Grauzone für Heiraten im Alter von 14 oder 15 Jahren beseitigt wird. Die Ehe von Alia und Amir wird also zum Präzedenzfall. welt


Es natürlich nur logisch. Aufgrund der Rechtslage in Deutschland, Ehemündigkeit mit 16 Jahren, sind die meisten Ehen der Flüchtlinge auch hier gültig, obwohl die Ehefrau minderjährig. Das kann doch so nicht weitergehen! Die deutschen Gesetze müssen so gestaltet werden, dass alles, was nach der Scharia erlaubt ist, nach dem BGB verboten sein muss.

Zu beachten ist natürlich noch die Alterseinschätzung des Jugendamtes: "Das Jugendamt berief sich darauf, dass die junge Alia noch nicht zur Führung eines selbstbestimmten Lebens in der Lage sei und die Tragweite einer Ehe nicht absehen könne. Deswegen dürften ihr Aufenthalt und der Kontakt mit ihrem Mann vom Jugendamt bestimmt werden. Auf dessen Mitarbeiter wirkte Alia jünger als 15, Amir dagegen älter als 21 Jahre."
Die Alterseinschätzung des Jugendamtes ist willkürlich. Es ist fast die Regel, dass das Jugendamt, dass Alter von Kinderflüchtlingen höher einschätzt, als es in den Papieren steht. Dies scheint für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zu gelten, nicht aber für minderjährige Ehefrauen. Es ist fast die Regel, dass minderjährige Flüchtlinge vorzeitig für volljährig erklärt werden. Naja, auch egal, Hauptsache diese Ehen werden aufgehoben und die Familien zerstört.

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Di 19. Jul 2016, 09:33 - Beitrag #19

Zitat von Spiegel:Schwimmbäder in Zeiten der Flüchtlingskrise

Unter der Überschrift "Sex-Mob-Alarm im Schwimmbad" zitierte "Bild" am 4.7.2016 aus einer internen Mail der Düsseldorfer Polizei. Dort soll unter anderem von einem "enormen Anstieg" von Sexualstraftaten die Rede sein. Die Täter seien "zum größten Teil Zuwanderer". Und weiter zitiert "Bild": "Insbesondere die Tatbestände Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Kindern in Badeanstalten schlagen hier ins Gewicht."

Die Düsseldorfer Polizei hat das anschließend relativiert, wie unter anderem der WDR berichtet: Von einem massiven Anstieg von Sexualdelikten könne nicht die Rede sein. Im Jahr 2014 seien sieben Fälle von sexueller Belästigung in Schwimmbädern angezeigt worden, 2015 waren es 17 Anzeigen und im laufenden Jahr acht. Die Delikte seien nicht gleich schwerwiegend: Neben körperlichen sexuellen Handlungen werde auch Beobachten oder anzügliches Ansprechen angezeigt. Offenbar, so die Polizei, habe sich das Anzeigeverhalten verändert.

Kann man den Verfall unserer Werte noch aufhalten?

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Di 19. Jul 2016, 14:14 - Beitrag #20

Daß Bild und Wahrheit zwei unvereinbare Prinzipien darstellen, ist ja nun wirklich nichts neues... das veränderte Anzeigeverhalten ist dagegen schon eine interessante Beobachtung, und die Statements des erwähnten MDR-Reporters sprechen für sich.
"So, Herr Oloew, dann erzählen Sie mal. Bei ihnen werden doch Frauen vergewaltigt." Als ich ihm gesagt habe, dass das nicht stimmt, sagte er, dass er mir das nicht glaube. Ich habe ihn gefragt, weshalb nicht. Woraufhin er sagte: "Na ja, Sie haben doch so viele Flüchtlinge in Berlin." [...]
Der Kollege fragte, ob ich ihn informieren könne, wenn es Vergewaltigungen gebe. Wörtlich bat er: "Nehmen Sie mich bitte in den Verteiler für Vergewaltigungen auf."
Ist ja schön, wenn für die AfD schon Hausjournalismus betrieben wird (ob sie den dann trotzdem als Lügenpresse bezeichnen?)

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