Fahrassistenten: Entmündigung des Fahreres?

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Mole
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Mo 22. Aug 2005, 23:45 - Beitrag #1

Fahrassistenten: Entmündigung des Fahreres?

Hallöchen!
Ihr habt doch sicher schon von den Fahrhilfen gehört, die derzeit in der Entwicklung sind. Für alle die garnicht wissen was ich meine, hier ein link: http://www.swr.de/ratgeber-auto/archiv/2004/10/30/index2.html
Der Text enthält zwar nicht alle Infos zum Thema(hab auf die schnelle keinen besseren gefunden), aber um sich ein grobes Bild zu machen sollte er reichen.
Es geht also um Systeme, die, sobald sie zur Marktreife gebracht wurden, dem Fahrer eines Autos durch aktives Eingreifen in Bremse und Lenkung in kritischen Situationen kurzzeitig "ersetzen" sollen, um Unfälle zu vermeiden. Soweit, so gut. Allerdings stehe ich diesen Helferchen recht kritisch gegenüber, wie ihr vieleicht schon aus der Überschrift erahnt habt. Ich stell mir jetzt mal vor, wie in ca. 5 jahren die ersten dieser Fahrhilfen in die Autos eingebaut sind. Also fahr ich jetzt mit meinem "halbautomatischen" Auto rum und fühl mich natürlich aufgrund der ganzen Sicherheitstechnik wie in Abrahams Schoß. Kann diese vermeindliche Sicherheit nicht zum riskanteren Fahrstil führen, da ich mir denke: "wenns kritisch wird macht mein Auto schon das richtige"?
Oder, mal als konkreteres Beispiel: Das Teil, welches die Verkehrsschilder "sieht" und zB bei einem Stopschild automatisch bremst: woher weis es ob das schild wirklich gerde in gebrauch ist oder nur an einer Ampel hängt und garnicht gilt solange die Ampel in Betrieb ist. Nicht dass plötzlich eine Notbremsung an einer grünen Ampel vollzogen wird. Oder spinnen wir noch etwas weiter: ein Witzbold schraubt sich ein Stopschild ab und hält es plözlich am Straßenrand einfach hoch. Das Auto kann doch schwer unterscheiden ob es sich um ein rechtmäßig aufgestelltes Schild handelt oder um einen schlechten scherz.

Das sind nur die Kretikpunkte die mir jetzt gerade einfallen und es gibt sicher noch zig andere Situationen in denen die Technik einfach überfordert wäre. Also, Sicherheit an erster Stelle, aber meiner Meinung nach kann der menschliche Fahrer nicht einfach so ersetzt werden.

Was haltet ihr Fahreugführer oder die, die es noch werden wollen, von diesen Geräten? Super Idee, in gewissen Maßen noch verbesserungsbedürftig oder einfach kompletter Unfug? Bin gespannt auf eure Meinungen.

Gruß

Lord Stiordio
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Di 23. Aug 2005, 09:37 - Beitrag #2

Imho eine super Idee, ich denke die Eingriffe sollten sogar noch viel weiter gehen. Ich bin der Meinung, dass der Mensch von seiner Entwicklung her mit der Tätigkeit des Autofahrens eigentlich überfordert ist. Wir reagieren viel zu impulsiv und unkontrolliert. Im Straßenverkehr kann man tagtäglich überflüssige wie gefährliche Aktionen beobachten, die diese These unterstützen. Beispielsweise sieht man es recht häufig, dass ein Fahrer einen anderen im Stadtverkehr kurz vor einer Kreuzung überholt, nur um dann hart auf die Bremse treten zu müssen, weil er sich einer roten Ampel gegenübersieht. Er hat bereits vorher gesehen, dass dort vorne eine Kreuzung wartet, er hat auch gesehen, dass die Ampel offensichtlich rot ist. Trotzdem hat er überholt. Das Manöver hat ihm keinen Zeitvorteil verschafft, seinen Adrenalinpegel erhöht und ihn Nerven gekostet, trotzdem würde er es unter Umständen wiederholen.
In anderen Fällen wenden Leute in einer Autobahnabfahrt, überholen rechts, fahren rückwärts die Einbahnstraße zurück, etc. All das sind Fälle, in denen bei logischer Betrachtung das Risiko den Nutzen um ein Vielfaches übersteigt. Solche Aktionen zu verhindern sind die Systeme zwar noch nicht in der Lage, aber ich hoffe, dass es irgendwann soweit sein wird. Immerhin muss man sagen, dass der Mensch in kritischen Situationen zwar langsamer, aber dafür flexibler reagieren kann. Manchmal kann sinnvoll sein, bei roter Ampel ein wenig in die Kreuzung hineinzufahren, wenn einem dafür der von hinten heranrasende LKW nicht auffährt. Es muss außerdem dem Fahrer überlassen werden, ob er sich einem Assistenten anvertraut oder nicht, sonst fühlt dieser sich in der Tat entmündigt, ganz unabhängig davon, wie wenig Einfluss der Assisten auch haben mag.

LadysSlave
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Di 23. Aug 2005, 10:10 - Beitrag #3

Wenn ich bedenke, dass jedes Jahr so viele Menschen im Strassenverkehr sterben, dass man damit schon eine Kleinstadt füllen könnte, meine ich, dass jede Fahrassistenz nützlichsein kann.
Aber davon ganz abgesehen, habe ich ähnliche Stellungnahmen wie die von Mole gelesen, als die ersten Automatikgetriebe eingeführt wurden.
Dann hat es sich doch ganz anders ergeben, weil die Automobilwirtschaft sich auf die Interessen der Käufer einstellt.
Ich bin aber eigentlich der Meinung, dass jeder Mensch, der durch solch eine Fahrassistenz leben darf, ein Gewinn ist.
Was ist denn schon die Lust am Fahren, gegen die Lust am Leben?
Aber zu deiner Frage mit der Schildererkennung. Das lässt sich technisch wirklich einfach eintichten. Durch ein elektronisches Kennzeichen am Schild und ein entsprechendes an der Halterung, stimmt beides nicht überein (weil die Ampel aktiv ist, oder weil die ordentliche Halterung vom Schild getrennt ist) wird nicht reagiert.
Doch eines sollten wir bei aller Technikbegeisterung nicht vergessen: Technik kann nicht nur versagen- irgendwann versagt sie.
Deshalb kann es ja nur eine Fahrassistenz sein. Fahren muss weiterhin der Mensch.

Ipsissimus
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Di 23. Aug 2005, 12:09 - Beitrag #4

das Problem ist ja nicht die Fahrassistenz, sondern die Übernahme der Entscheidung durch eine prinzipiell dumme Elektronik (sorry, wir beschäftigen uns hier am Institut unter anderem mit der Entwicklung "intelligenter" Sensorsysteme, daher kann ich nur sagen, daß selbst die intelligentesten solcher Systeme noch nicht einmal strunzdumm sind). Selbst die höchstentwickelte Elektronik verfügt nicht annähernd über eine Muster- geschweige denn Situationserkennung vergleichbarer Leistungsfähigkeit wie die Menschliche. Und ein mechanisches Reagieren auf mechanische Standardbedingungen wird imo sehr schnell in einer Katastrophe enden, wenn nicht alle beteiligten Systeme mechanisch reagieren. Da aber Menschen beteiligt sind ...

Vom Prinzip her halte ich es mit heutiger Technik daher eigentlich nur machbar, daß der Fahrer überhaupt nicht mehr fährt, sondern nur noch die Elektronik, wenn in ALLEN Autos die Elektronik nach denselben Standardalgorithmen agiert. Mischsysteme halte ich derzeit für äußerst riskant, wenn sie in die Auonomie der Fahrer eingreifen

janw
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Di 23. Aug 2005, 12:46 - Beitrag #5

Also, nach meiner Erfahrung mit einer elektronischen Wegfahrsperre neulich vermehren sich meine grauen Haare.
Da hat sich spontan und unmotiviert der Schlüssel entprogrammiert, und ich mußte mich von einem Parkplatz in sonstwo abschleppen lassen. Kann prinzipiell immer wieder passieren, denn die Wegfahrsperre ist fest installiert.

Vergleichbare Fehler können in meinen Augen auch bei Fahrassistenten ständig auftreten, so daß ein Fahrer unerläßlich ist, um ggf eingreifen zu können - wenn das dann noch geht.
Insofern denke ich, daß man eher konventionell Unfälle meiden muß, durch gute Fahrerausbildung, durch gute Gestaltung von unfallträchtigen Bereichen und ggf. durch Tempolimits.

Und machen wir uns nichts vor, auch in Zeiten von Pferd und Wagen war das Reisen alles andere als ungefährlich - Wagen kippten um, Pferde gingen durch,...- nur hat das damals keiner so dokumentiert wie heutzutage die Verkehrsunfälle.

Mole
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Di 23. Aug 2005, 15:07 - Beitrag #6

Zitat von LadysSlave:[...]Aber davon ganz abgesehen, habe ich ähnliche Stellungnahmen wie die von Mole gelesen, als die ersten Automatikgetriebe eingeführt wurden. [...]


Was waren denn die Risiken des Automatikgetriebes? Ich halte es für eine nützliche Erfindung für Leute die entweder zu faul, zu alt oder überfordert sind während des fahrens noch aufs Schalten zu konzentrieren. Ich bin zwar überzeugter Schaltwagenfahrer aber das ändert ja nichts daran, dass ich Automatik generell für eine nützliche Erfindung halte. Schließlich greift es nicht aktiv in die Verkehrssituation ein. Also da würde ich gerne noch genauere Infos haben warum die Leute damals das Automatikgetriebe kritisiert haben.

Zitat von Ipsissimus:
Vom Prinzip her halte ich es mit heutiger Technik daher eigentlich nur machbar, daß der Fahrer überhaupt nicht mehr fährt, sondern nur noch die Elektronik, wenn in ALLEN Autos die Elektronik nach denselben Standardalgorithmen agiert. Mischsysteme halte ich derzeit für äußerst riskant, wenn sie in die Auonomie der Fahrer eingreifen


So ähnlich wie in dem Film "Minority Report" also? Ja das wär natürlich eine lösung, wobei das angesichts der Kosten für die Änderung der Fahrbahnen ect. wohl eine Zukunftsvision bleiben wird. Aber ansonsten finde ich die idee auch klasse seit ich zum ersten mal in dem Film davon gehört hab. Verkehrsunfälle würden dann (solange die Technik nicht versagt) der Vergangenheit angehören. Dazu hab ich auch einmal eine Reportage gesehen, in der Autos mit hilfe von Magnetstreifen in der Fahrbahn wie von Geisterhand gefahren sind und sogar die Sicherheitsabstände selbstständig eingehalten haben. Fahrspaß wär dann zwar nichtmehr vorhanden aber Verkehrstote dann wohl auch nicht. Aber wie gesagt, dank der Kosten wird das so schnell nix...

e-noon
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So 23. Sep 2012, 16:43 - Beitrag #7

Es gibt ja seit längerem Einparkhilfen und auch solche, die ohne Zutun des Fahrers einparken. Was ist davon zu halten?

Lykurg
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So 23. Sep 2012, 19:28 - Beitrag #8

Hmm, mir sind keine Fälle bekanntgeworden, daß eine Einparkautomatik selbständig ein Fahrzeug demoliert hätte (auch google weiß davon nix), insofern scheint es technisch zu funktionieren - zweifellos sehr viel besser als manch ein Mensch. Selbst habe ich keine Erfahrungen damit sammeln können.

Abstandswarner finde ich aber sehr angenehm und nutze sie gern. Die haben vereinzelt wohl Schwierigkeiten mit dem Erkennen von Laternenpfählen - mir ist zum Glück nichts dergleichen passiert. Andererseits macht das mir bekannte Gerät Fehler bei der richtigen Einschätzung von (niedrigen) Bordsteinen, etwa auf Parkplätzen - die werden oft als Hindernis wahrgenommen, auch wenn man da eigentlich das Auto rüberragen lassen kann. Trotzdem würde ich es nicht missen wollen, und hatte bei meinem Umzug, bei erstmaligem Fahren eines richtig großen Transporters, ziemliche Manschetten, weil kein entsprechendes Piepsding vorhanden war, zum Glück aber meistens Beifahrer, die mich einweisen konnten.

Eine logische Fortsetzung ist für mich ein Abstandswarner während der Fahrt, der etwa bei hoher Geschwindigkeit auf hinreichenden Abstand zum Vordermann hinweist, vor allem, wenn der sich rapide verringert (-> Kollisionswarner). Intelligente Systeme, die in dem Moment bereits Crashvorsorge betreiben (Sitzpositionierung etc.) sind ja auch schon zT erhältlich; für automatisches Eingreifen in die Lenkung fehlt bislang wohl noch die Rechtsgrundlage.

Ipsissimus
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Mo 24. Sep 2012, 09:48 - Beitrag #9

die Einparkautomatiken sind mittlerweile so leistungsfähig, dass sie Autos in Lücken manövrieren können, für die ein Mensch, der nicht zufällig professioneller Einparker ist, ernsthaft üben müsste, ehe ihm das Einparken ohne Beschädigung anderer Autos gelingt. Die Kehrseite: die Systeme brauchen für so was gerne schon mal 5 - 10 Minuten. Und man sollte gute Nerven haben, die Geräusche, die das Auto währenddessen von sich gibt, sind nicht immer streng beruhigend^^

Abstandswarner während der Fahrt sind für den Fahrer ein zweischneidiges Schwert. Prinzipiell lässt sich mit so was nämlich auch belegen, wenn du Abstände nicht eingehalten hast^^ natürlich, weil wir alle streng vorschriftseinhaltende Bürger sind, betrifft uns das nicht^^ aber die anderen ...^^

Lykurg
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Mi 26. Sep 2012, 14:34 - Beitrag #10

Ja, zweischneidig, allerdings denke ich, daß das Auslesen bzw. vor-Gericht-gegen-dich-verwenden nicht legal wäre, solange die Geräte nicht allgemein verpflichtend sind.

Zu Ipsissimus' und Moles Überlegung einer vollständigen Übernahme der Lenkung gibt es gerade hier was. Nett auch die zu Anfang des Artikels angesprochene Mischfinanzierung des Forschungsprojekts - sowas kommt mir irgendwie bekannt vor.^^
Die Chancen werden aber als eher gering eingeschätzt, meines Erachtens weit unterschätzt:
Zitat von SpOn:Dabei ist an einen Einsatz im Alltag in den nächsten 30 bis 40 Jahren noch gar nicht zu denken - wenn überhaupt je. Die Autofahrer von heute jedenfalls lehnen den Autopiloten in der Mehrzahl noch rundweg ab.

Ipsissimus
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Fr 4. Jul 2014, 11:13 - Beitrag #11

es scheinen mittlerweile ernstzunehmende Entwicklungsanstrengungen für autonom fahrende LKW unternommen zu werden

http://www.spiegel.de/auto/aktuell/auto ... 78960.html

Lykurg
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Fr 4. Jul 2014, 11:30 - Beitrag #12

Stimmt, das fand ich auch spannend zu lesen. Aus den genannten Gründen ist naheliegend, daß sich die Technik da wohl bald durchsetzen wird - Treibstoffersparnis von bis zu zehn Prozent, Platzgewinn und mehr Ruhezeiten sprächen sehr dafür, Konvoifahrten und möglcihst große Automatisierung zu genehmigen. Und wenn man dafür erstmal die rechtliche Handhabe und Erfahrung hat, dürfte das auch im Privatbereich interessanter werden, jedenfalls für diejenigen, die nicht nur aus Spaß am Fahren im Auto sitzen. - Bleibt natürlich Ipsissimus' Warnung vor den Risiken von Mischsystemen, wie es ja auch im Artikel anklingt - Nutzung auf Bundesstraßen/Autobahnen, aber nicht im Stadtverkehr - dort würde ja auch keiner einen Konvoi haben wollen.
Hoffentlich schaffen sie es, von vornherein kompatible Systeme zu entwickeln, damit sich auch spontan Konvois bilden können.


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