Brand als Ursache für Flugzeugabsturz?

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janw
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Fr 5. Jun 2009, 20:17 - Beitrag #1

Brand als Ursache für Flugzeugabsturz?

Zu dem Flugzeugabsturz vor Brasilien gibt es ja nun eine Reihe spekulativer Erklärungsansätze, mir ist nach dem Bericht einer anderen Flugzeugbesatzung ein neuer Gedanke gekommen.
Von einem anderen Flugzeug aus soll ein etwa 6 Sekunden lang dauerndes weißleuchtendes Licht gesehen worden sein, das sich vertikal bewegte.
Nun wird für die Außenhaut von Flugzeugen meines Wissens gerne Aluminium verwendet, iirc gab es auch schon Versuche mit Magnesium.
Wäre es denkbar, daß das Aluminium in Brand geraten ist?

Ipsissimus
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Fr 5. Jun 2009, 23:19 - Beitrag #2

ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Es ist zwar richtig, dass Aluminium extrem reaktionsfreudig ist, aber gerade deswegen ist das, was wir als "Alu" - Leichtmetall - kennen, auch quasi automatisch mit einer undurchdringlichen Schicht von Aluminium-Oxid überzogen, die Alu extrem korrosionsbeständig macht. Diese Schicht bildet sich an der Luft praktisch spontan. Ich glaube nicht, dass irgendetwas, das ein Blitz machen könnte, diese Oxidschicht überwinden kann. Diese Schicht kann neutralisiert werden, aber dafür sind relativ aufwendige chemische Vorgänge mit der Gegenwart von Säuren vonnöten. Könnte natürlich sein, dass der Regen so sauer war, dass die kritische Konzentration erreicht wurde, aber das ist sehr spekulativ.

e-noon
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Fr 5. Jun 2009, 23:35 - Beitrag #3

Aliens. Oder Terroristen.

Die einzige Loesung ist, jede Webseite persoenlich von Herrn Schaeuble kontrollieren zu lassen und Killerspiele sofort weltweit zu verbieten.

janw
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Sa 6. Jun 2009, 01:53 - Beitrag #4

Die Sache mit der Oxidschicht lies mich auch zweifeln.
Gibt es sonst irgendeine denkbare Erklärung für das Leuchtereignis, gesetzt den Fall, daß es sich um das Flugzeug gehandelt hat?

Mich wundert sehr, daß nicht mal ein paar Schwimmwesten gefunden worden sind, die sind ja iirc recht lose und blasen sich bei Wasserkontakt automatisch auf.

Lykurg
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Sa 6. Jun 2009, 01:58 - Beitrag #5

Weißleuchtend klingt tatsächlich merkwürdig, ansonsten hätte ich einfach an eine größere Explosion gedacht - aber ich habe die Nachrichten um diesen Absturz nicht verfolgt.

Ipsissimus
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Sa 6. Jun 2009, 13:53 - Beitrag #6

Weißleuchtend deutet eigentlich auf Plasmabildung hin. Ein normaler Blitz würde nur entlang seiner Verlaufsbahn Plasma bilden, also könnte hier der Fall eines Kugelblitzes vorliegen, die produzieren die unglaublichsten Leuchtphänomene. In dem Fall: extremes Pech gehabt

Ipsissimus
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Mo 19. Sep 2011, 14:05 - Beitrag #7

mittlerweile gibt es ja ein paar Erkenntnisse, nach dem Fund der Flugschreiber. Es scheint wohl "eher" auf Pilotenfehler zurückzugehen; die Piloten schafften es offenbar nicht, eines Strömungsabrisses Herr zu werden.

Zwischenberichte nach dem Fund der Datenschreiber
Bericht vom 27. Mai 2011

Am 27. Mai 2011 veröffentlichte die BEA einen vierseitigen Bericht über die ersten Erkenntnisse aus den Datenschreibern. Bei diesem Bericht handelt sich um eine reine Auflistung von Tatsachen ohne jede Bewertung, ein nächster Zwischenbericht mit einer Analyse war für Ende Juli 2011 angekündigt.

Aufgrund der Auswertbarkeit von Stimmenrekorder und Flugschreiber geht die BEA davon aus, dass die Unfallursache vollkommen aufgeklärt werden kann.

Der Bericht hält fest:

Die Zusammensetzung der Besatzung entsprach den Verfahren des Betreibers.
Zum Zeitpunkt des Vorfalls lagen das Gewicht und die Schwerpunktlage des Flugzeugs innerhalb der Betriebsgrenzen.
Zum Zeitpunkt des Vorfalls befanden sich die beiden Kopiloten im Cockpit und der Flugkapitän in der Ruhepause; letzterer kam etwa 1 Minute 30 Sekunden nach Abschalten des Autopiloten bzw. 2 Minuten 50 Sekunden vor dem Aufprall des Flugzeugs auf das Wasser ins Cockpit zurück.

Es kam zu einer Inkonsistenz (Widersprüchlichkeit) zwischen den auf der linken Seite angezeigten und auf dem Integrated Standby Instrument System (ISIS) angezeigten Geschwindigkeiten. (Die Anzeigen des rechten Displays werden nicht aufgezeichnet.) Diese Inkonsistenz dauerte etwas weniger als eine Minute. Sie führte zum Abschalten des Autopiloten. Kurz darauf merkte der Kopilot an, dass die Geschwindigkeitsanzeige verloren gegangen sei und die Flugsteuerung auf "Alternate Law" umgeschaltet habe. In diesem Modus verhindert die Flugsteuerungssoftware nicht mehr alle Manöver, mit denen der Pilot das Flugzeug gegebenenfalls außerhalb der Flugbereichsgrenze bringt.

Nach dem Abschalten des Autopiloten stieg das Flugzeug vom ursprünglichen FL 350 (etwa 10700 m) auf die Höhe von 38.000 ft. (11600 m), dann wurde der Überziehalarm ("Stall Warning") ausgelöst und das Flugzeug sackte ab.

Die Steuereingaben des steuernden Piloten (PF="Pilot Flying") bestanden hauptsächlich in einem Hochziehen des Flugzeugs ("Pitch-up").

Das trimmbare Höhenleitwerk (THS) wechselte innerhalb von einer Minute von 3 auf 13 Grad und blieb bis zum Ende des Fluges in dieser Position.

Der Abstieg dauerte 3 Minuten und 30 Sekunden; das Flugzeug blieb während dieser Zeit im überzogenen Zustand (Strömungsabriss/"Stall"). Der Anstellwinkel erhöhte sich und blieb bei über 35 Grad.
Die Triebwerke funktionierten und reagierten immer auf die Eingaben der Besatzung.
Die letzten aufgezeichneten Werte zeigten eine Längsneigung von 16,2 Grad hochgezogen, eine Querneigung von 5,3 Grad nach links, eine Sinkrate von 10.912 ft/min (knapp 200 km/h) sowie eine Geschwindigkeit über Grund von 107 Knoten (ebenfalls knapp 200 km/h).

Die Aufzeichnungen endeten um 02:14:28 Uhr UTC.
Die vierte Seite des Berichts zeigt den Weg des Fluges ab Natal, eine Detailansicht der Flugbahn für die letzten 6 Minuten und eine „3D-Ansicht der letzten 5 Minuten des Fluges“.


Berichte vom 29. Juli 2011

Die „Sicherheitsermittlung“ teilt den Flug in 3 Phasen ein:

Von Beginn der Aufzeichnung des Cockpit Voice Recorder bis zum Abschalten des Autopiloten
Vom Abschalten des Autopiloten bis zum Auslösen der Überziehwarnung
Vom Auslösen der Überziehwarnung bis zum Ende des Flugs

Im Bericht werden „Ermittelte Tatsachen“ farbig hervorgehoben. Im Gegensatz zum Bericht vom 27. Mai 2011, der nur den Ablauf beschrieb und zusammenfasste, werden in diesem Bericht erstmals Vorgänge beschrieben, die nicht stattgefunden haben und damit als Mängel zu verstehen sind.

„Obwohl der Verlust der Geschwindigkeitsangaben festgestellt und verkündet worden war, hat keiner der beiden Kopiloten das Verfahren «Unreliable IAS» (Unzuverlässige IAS) aufgerufen“

– BEA

„Keiner der Piloten hat die Überziehsituation formell erkannt“

– BEA

„Der Anstellwinkel des Flugzeugs wurde den Piloten nicht direkt angezeigt“

– BEA

In dem Bericht wird keine andere Ursache als das Überziehen des Flugzeugs während der manuellen Steuerung und der daraus folgende Strömungsabriss genannt, die für den schnellen Höhenverlust (dreieinhalb Minuten vom erneuten Auslösen der Überziehwarnung bis zum Aufschlagen auf dem Meer) verantwortlich sein könnten. Ausdrücklich wird wiederholt erwähnt, dass sich Flugzeug und Triebwerke korrekt gemäß den Steuereingaben der Piloten verhielten.

Es wird in dem Bericht zwar noch keine abschließende Bewertung vorgenommen, ob der Pilotenfehler, minutenlang im überzogenen Zustand zu fliegen, durch technische Unzulänglichkeiten des Flugzeugs (unzuverlässige Geschwindigkeitsanzeige und Fehlen einer Anzeige des Anströmwinkels) provoziert wurde, oder ob er die Folge mangelnden Könnens oder mangelnder Ausbildung der Piloten war. Allerdings werden deutlich mehr Piloten- als Flugzeugfehler aufgezählt. Teilweise werden Pilotenfehler sogar doppelt benannt: "Keiner der Piloten verwies auf die Überziehwarnung" und direkt dahinter: "Keiner der Piloten hat die Überziehsituation formell erkannt". Dieses deutet darauf hin, dass die Untersuchungskommission derzeit einen Pilotenfehler als primäre Ursache sieht.

Die BEA verweist aber ausdrücklich auf die Vorläufigkeit auch dieser Ermittlung:

„Die Untersuchung wird gegenwärtig fortgesetzt, um die Analyse zu vertiefen und alle Ursachen des Unfalls zu ermitteln. Diese werden im Abschlussbericht des BEA veröffentlicht.“

– BEA

Mit gleichem Datum wurde ein kurzes Dokument mit 10 „Sicherheitsempfehlungen“ veröffentlicht.

„Die erste empfiehlt den Regulierungsbehörden, den Inhalt der Ausbildungs- und Überprüfungsprogramme zu überarbeiten und insbesondere die Einführung spezifischer und regelmäßiger Übungen für die manuelle Steuerung, eines beginnenden Strömungsabrisses und dessen Beendigung, einschließlich in hoher Flughöhe, vorzuschreiben.“

– BEA

Im aktuellen Stand der Unfalluntersuchung hat dieses Unglück Ähnlichkeiten mit dem Northwest-Airlines-Flug 6231, bei dem im Dezember 1974 drei Besatzungsmitglieder an Bord einer Boeing 727 ums Leben kamen.

janw
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Mo 19. Sep 2011, 20:53 - Beitrag #8

Da frage ich mich, wie das sein kann, daß erfahrene Piloten die gefährliche Situation erst gar nicht erkennen, geschweige denn angemessen reagieren. Wenn die Geschwindigkeit sinkt, auch noch zu steigen, was soll das? Warum nicht eine Hand am Notsignal-Knopf, wenn schon Überzieh-Alarm ausgelöst wird?
Lag es an der Ruhepause des Piloten?

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Mo 19. Sep 2011, 23:41 - Beitrag #9

ich denke, eher an der Ausbildung, bzw. an dem Umstand, dass Piloten heute immer mehr Aufgaben an den Computer abgeben müssen, und daher nicht mehr so wie früher fliegen lernen

janw
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Di 20. Sep 2011, 00:12 - Beitrag #10

Denkbar...aber immerhin ein Mayday-Signal hätte doch wohl abgegeben werden können...
Warum ist aber der Flieger so langsam geworden überhaupt? Schlechtes Wetter? Damals war ja die Rede davon, daß dort ein schweres Gewitter getobt haben sollte.

Ipsissimus
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Di 20. Sep 2011, 09:47 - Beitrag #11

so wie ich das verstehe wurde die Sache in der Anfangsphase versiebt. Es gab wohl aufgrund von Luftturbulenzen einen Strömungsabriss. Anstatt die Nase nach unten zu drücken und zu versuchen, sich mit kleinen Steuerbewegungen seitlich aus der Abrisszone heraus zu manövrieren, haben die für diese Situation unzureichend trainierten Co-Piloten die Nase hochgezogen und sind durchgestartet. Der Rest war ein Selbstläufer.

Wobei ich mit dieser Erklärung nicht ganz glücklich bin. Das Flugzeug ist ja in einen Sturzflug geraten, und der Chefpilot war eigentlich frühzeitig wieder zurück. Durch den Sturzflug hätte es eigentlich möglich sein sollen, die Fluglage zu korrigieren, Zeit war noch genug zur Verfügung, schlimmstenfalls hätte man das Flugzeug ins Trudeln bringen und dann abfangen können; und als Chefpilot stelle ich mir hoffnungsvoller Weise jemanden vor, der auch in so einer Situation noch angemessene Entscheidungen treffen kann.

Aber natürlich, wenn diese Ausbildungsdefizite schon über viele Jahre Stand der Ausbildung sind, dann hat vielleicht auch ein Chefpilot nicht die Erfahrung, die ich mit dem Begriff eigentlich verbinde. Und die Schuld der Piloten relativiert sich an den Fehlern des Systems. In dem Fall müssten allerdings nicht nur die Ausbildungskonzepte sondern grundsätzlich die Philosophie des Computer-abhängigen Fliegens überdacht werden. Das Problem ist nur, dass die neueren Großraumflugzeuge ohne Computer nicht geflogen werden können.

janw
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Di 20. Sep 2011, 10:53 - Beitrag #12

Das mag sein, nur stört mich an diesem Fall, daß Co-Piloten ja auch schon eine solide Ausbildung in Aerodynamik hinter sich haben, bevor sie mit den Computersystemen in Berührung kommen, und daß es doch eigentlich recht klar ist, was in solch einem Falle zu tun wäre. Wahrscheinlich dachten sie, sie könnten mit dem Steigflug aufgrund der Flügelschrägstellung mehr Auftrieb gewinnen.

Wahrscheinlich wird solch eine Situation zur Kernaufgabe zukünftiger Flugsimulator-Lehrgänge werden...

Und ich wundere mich über die Sicherheitsmaßnahmen. Wenn man in solche Probleme gerät, dann rät man doch den Passagieren, mal die Sicherheitswesten überzuziehen - oder fehlte dafür die Zeit, oder macht man das nicht, weil eh alle schlafen und um eine Panik zu vermeiden?
Aber ein Mayday-Ruf?

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Di 20. Sep 2011, 11:29 - Beitrag #13

na ja, der fehlende Mayday-Ruf kann auch als weiteres Indiz für die Unerfahrenheit der Piloten mit der Situation gelten, andere mögliche Erklärungen zugestanden. Wahrscheinlich müsste auch dringend mal das Verhältnis zwischen den Möglichkeiten der Piloten zum Freiflug und den vom Computer erzwungenen Fluganweisungen ermittelt werden, ich könnte mir vorstellen, dass auch da einiges im Argen liegt. Bekannt ist ja, dass viele Piloten mit vielen Flugzeugtypen gerade deswegen gar nicht glücklich sind.

janw
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Di 20. Sep 2011, 11:53 - Beitrag #14

Haben die Leute von cockpit eigentlich schon etwas dazu gesagt? Derartige Defizite haben ja doch eine gewisse Sprengkraft...

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Di 20. Sep 2011, 12:07 - Beitrag #15

so wie ich das gelesen habe, herrscht da derzeit eine Art Waffenstillstand, bei der alle Seiten so wenig wie möglich Offizielles sagen, bis der offizielle endgültige Abschlussbericht vorliegt; bisher sind das alles Zwischenberichte.

Von Cockpit ist aber bekannt, dass sie mit vielen neuen Errungenschaften des Flugzeugbaus nicht wirklich glücklich sind. Details dazu sind mir nicht bekannt.


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