mittlerweile gibt es ja ein paar Erkenntnisse, nach dem Fund der Flugschreiber. Es scheint wohl "eher" auf Pilotenfehler zurückzugehen; die Piloten schafften es offenbar nicht, eines Strömungsabrisses Herr zu werden.
Zwischenberichte nach dem Fund der Datenschreiber
Bericht vom 27. Mai 2011
Am 27. Mai 2011 veröffentlichte die BEA einen vierseitigen Bericht über die ersten Erkenntnisse aus den Datenschreibern. Bei diesem Bericht handelt sich um eine reine Auflistung von Tatsachen ohne jede Bewertung, ein nächster Zwischenbericht mit einer Analyse war für Ende Juli 2011 angekündigt.
Aufgrund der Auswertbarkeit von Stimmenrekorder und Flugschreiber geht die BEA davon aus, dass die Unfallursache vollkommen aufgeklärt werden kann.
Der Bericht hält fest:
Die Zusammensetzung der Besatzung entsprach den Verfahren des Betreibers.
Zum Zeitpunkt des Vorfalls lagen das Gewicht und die Schwerpunktlage des Flugzeugs innerhalb der Betriebsgrenzen.
Zum Zeitpunkt des Vorfalls befanden sich die beiden Kopiloten im Cockpit und der Flugkapitän in der Ruhepause; letzterer kam etwa 1 Minute 30 Sekunden nach Abschalten des Autopiloten bzw. 2 Minuten 50 Sekunden vor dem Aufprall des Flugzeugs auf das Wasser ins Cockpit zurück.
Es kam zu einer Inkonsistenz (Widersprüchlichkeit) zwischen den auf der linken Seite angezeigten und auf dem Integrated Standby Instrument System (ISIS) angezeigten Geschwindigkeiten. (Die Anzeigen des rechten Displays werden nicht aufgezeichnet.) Diese Inkonsistenz dauerte etwas weniger als eine Minute. Sie führte zum Abschalten des Autopiloten. Kurz darauf merkte der Kopilot an, dass die Geschwindigkeitsanzeige verloren gegangen sei und die Flugsteuerung auf "Alternate Law" umgeschaltet habe. In diesem Modus verhindert die Flugsteuerungssoftware nicht mehr alle Manöver, mit denen der Pilot das Flugzeug gegebenenfalls außerhalb der Flugbereichsgrenze bringt.
Nach dem Abschalten des Autopiloten stieg das Flugzeug vom ursprünglichen FL 350 (etwa 10700 m) auf die Höhe von 38.000 ft. (11600 m), dann wurde der Überziehalarm ("Stall Warning") ausgelöst und das Flugzeug sackte ab.
Die Steuereingaben des steuernden Piloten (PF="Pilot Flying") bestanden hauptsächlich in einem Hochziehen des Flugzeugs ("Pitch-up").
Das trimmbare Höhenleitwerk (THS) wechselte innerhalb von einer Minute von 3 auf 13 Grad und blieb bis zum Ende des Fluges in dieser Position.
Der Abstieg dauerte 3 Minuten und 30 Sekunden; das Flugzeug blieb während dieser Zeit im überzogenen Zustand (Strömungsabriss/"Stall"). Der Anstellwinkel erhöhte sich und blieb bei über 35 Grad.
Die Triebwerke funktionierten und reagierten immer auf die Eingaben der Besatzung.
Die letzten aufgezeichneten Werte zeigten eine Längsneigung von 16,2 Grad hochgezogen, eine Querneigung von 5,3 Grad nach links, eine Sinkrate von 10.912 ft/min (knapp 200 km/h) sowie eine Geschwindigkeit über Grund von 107 Knoten (ebenfalls knapp 200 km/h).
Die Aufzeichnungen endeten um 02:14:28 Uhr UTC.
Die vierte Seite des Berichts zeigt den Weg des Fluges ab Natal, eine Detailansicht der Flugbahn für die letzten 6 Minuten und eine „3D-Ansicht der letzten 5 Minuten des Fluges“.
Berichte vom 29. Juli 2011
Die „Sicherheitsermittlung“ teilt den Flug in 3 Phasen ein:
Von Beginn der Aufzeichnung des Cockpit Voice Recorder bis zum Abschalten des Autopiloten
Vom Abschalten des Autopiloten bis zum Auslösen der Überziehwarnung
Vom Auslösen der Überziehwarnung bis zum Ende des Flugs
Im Bericht werden „Ermittelte Tatsachen“ farbig hervorgehoben. Im Gegensatz zum Bericht vom 27. Mai 2011, der nur den Ablauf beschrieb und zusammenfasste, werden in diesem Bericht erstmals Vorgänge beschrieben, die nicht stattgefunden haben und damit als Mängel zu verstehen sind.
„Obwohl der Verlust der Geschwindigkeitsangaben festgestellt und verkündet worden war, hat keiner der beiden Kopiloten das Verfahren «Unreliable IAS» (Unzuverlässige IAS) aufgerufen“
– BEA
„Keiner der Piloten hat die Überziehsituation formell erkannt“
– BEA
„Der Anstellwinkel des Flugzeugs wurde den Piloten nicht direkt angezeigt“
– BEA
In dem Bericht wird keine andere Ursache als das Überziehen des Flugzeugs während der manuellen Steuerung und der daraus folgende Strömungsabriss genannt, die für den schnellen Höhenverlust (dreieinhalb Minuten vom erneuten Auslösen der Überziehwarnung bis zum Aufschlagen auf dem Meer) verantwortlich sein könnten. Ausdrücklich wird wiederholt erwähnt, dass sich Flugzeug und Triebwerke korrekt gemäß den Steuereingaben der Piloten verhielten.
Es wird in dem Bericht zwar noch keine abschließende Bewertung vorgenommen, ob der Pilotenfehler, minutenlang im überzogenen Zustand zu fliegen, durch technische Unzulänglichkeiten des Flugzeugs (unzuverlässige Geschwindigkeitsanzeige und Fehlen einer Anzeige des Anströmwinkels) provoziert wurde, oder ob er die Folge mangelnden Könnens oder mangelnder Ausbildung der Piloten war. Allerdings werden deutlich mehr Piloten- als Flugzeugfehler aufgezählt. Teilweise werden Pilotenfehler sogar doppelt benannt: "Keiner der Piloten verwies auf die Überziehwarnung" und direkt dahinter: "Keiner der Piloten hat die Überziehsituation formell erkannt". Dieses deutet darauf hin, dass die Untersuchungskommission derzeit einen Pilotenfehler als primäre Ursache sieht.
Die BEA verweist aber ausdrücklich auf die Vorläufigkeit auch dieser Ermittlung:
„Die Untersuchung wird gegenwärtig fortgesetzt, um die Analyse zu vertiefen und alle Ursachen des Unfalls zu ermitteln. Diese werden im Abschlussbericht des BEA veröffentlicht.“
– BEA
Mit gleichem Datum wurde ein kurzes Dokument mit 10 „Sicherheitsempfehlungen“ veröffentlicht.
„Die erste empfiehlt den Regulierungsbehörden, den Inhalt der Ausbildungs- und Überprüfungsprogramme zu überarbeiten und insbesondere die Einführung spezifischer und regelmäßiger Übungen für die manuelle Steuerung, eines beginnenden Strömungsabrisses und dessen Beendigung, einschließlich in hoher Flughöhe, vorzuschreiben.“
– BEA
Im aktuellen Stand der Unfalluntersuchung hat dieses Unglück Ähnlichkeiten mit dem Northwest-Airlines-Flug 6231, bei dem im Dezember 1974 drei Besatzungsmitglieder an Bord einer Boeing 727 ums Leben kamen.