Gehirnscanner

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Ipsissimus
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Fr 27. Mai 2011, 12:38 - Beitrag #1

Gehirnscanner

es scheint soweit zu sein - laut http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/35785 ist es möglich, aus Gehirnscans Gedankeninhalte zu rekonstruieren.

Lykurg
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Fr 27. Mai 2011, 13:12 - Beitrag #2

Wirklich faszinierend, sowohl vom derzeitigen Stand her, als auch in den dort genannten Weiterungen, insbesondere die Entwicklung eines zuverlässigen neuronalen Lügendetektors. Das dürfte eine erhebliche gesellschaftliche Veränderung mit sich bringen, insbesondere was die Justiz betrifft.

Von erheblicher Bedeutung für das Alltagsleben wird auch irgendwann die Frage, aus welchem Abstand und wie unauffällig sich Gedanken auslesen ließen. Seine Ansichten zur Werbung sind allerdings hoffnunglos: In der Branche dürfte man gezielt danach forschen, mit wieviel Energieabstrahlung man auslesen muß, um den Tomographen als RW-Laufwerk zu verwenden.^^

Ipsissimus
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Fr 27. Mai 2011, 13:17 - Beitrag #3

das R würde ich mir bei unauffälligem Auslesen zähneknirschend gefallen lassen müssen, gegen das W würde ich mich präventiv mal von einem Terroristen meines Vertrauens beraten lassen^^

e-noon
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Fr 27. Mai 2011, 13:50 - Beitrag #4

Was? :boah:

Wenn jemand an ein Haus denkt oder an einen Tisch, können wir das in der Kernspintomografie sehen. Wir können auch einfache Absichten, Erinnerungen und Gefühle erkennen. Noch sind es aber relativ einfache Gedanken.


Das ist ja völlig entsetzlich!

Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass mit fortschreitender Technik Lügendetektoren auch bei uns eingesetzt werden.
Richtig. Wir werden uns dann als Gesellschaft die Frage stellen müssen, ob wir das wollen. Ich kann als Wissenschaftler nur darauf hinweisen, was möglich ist und was nicht.

Ich denke, auch als Wissenschaftler kann man dazu eine Meinung haben. Am Ende des Artikels befürwortet er das ja auch. Ich nicht. Ich finde die gesamte Entwicklung gruselig und finde, man sollte aufhören, in diese Richtung zu forschen. Allein die Anwendung auf die über dem Artikel genannten Gebiete sollte man weiterführen. Ich vermute, hier gibt es einen Fall, in dem das slippery slope - Argument gültig ist. Wenn das genannte unauffällig und auf Entfernung möglich wird... :(

Lykurg
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Fr 27. Mai 2011, 14:05 - Beitrag #5

...du meinst die Möglichkeiten, die sich daraus für Querschnittsgelähmte, MS-Patienten u.a. ergeben. Stimmt, ja. Ich finde aber auch, daß der von Haynes angesprochene Aspekt des Lügendetektors als Möglichkeit zur gerichtlichen Unschuldsfeststellung wichtig ist (wohl am besten explizit nur auf Antrag des Angeklagten). Natürlich gerät man damit in slippery-slope-Gefahr, sobald in dessen Nichtnutzung ein implizites Schuldbekenntnis gesehen wird; das wäre zu vermeiden, und ich weiß nicht, wie.

Wenn es unauffällig und auf Entfernung möglich wird, verändert das unser soziales Handeln. Möglicherweise laufen die Leute dann mit Bleihüten durch die Gegend, möglicherweise sind sie auch ehrlicher zueinander. Sehr fragwürdig wird das Ganze allerdings idT schon, wenn Lügendetektortests außerhalb gerichtlicher Anwendungen um sich greifen... und die Möglichkeiten gehen ja noch viel weiter.

Ipsissimus
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Fr 27. Mai 2011, 14:12 - Beitrag #6

vor allem wäre die Frage zu klären, inwieweit Gedankeninhalte von juristischem Belang sind. Heute kann ich mir in allen Details ausmalen, wie ich einen Mord begehe, aber solange ich ihn nicht begehe, bleibt das folgenlos. Wenn morgen die Phantasie bereits juristisch belangvoll wird, bekommen wir ein Problem oder zwei oder drei.

e-noon
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Fr 27. Mai 2011, 14:16 - Beitrag #7

Selbst, wenn es nicht juristisch belangt werden wird; die sozialen Folgen sind ebenfalls unabsehbar. Denkt mein Mann an eine andere? Lieben mich meine Kinder? Was halten meine Angestellten von mir? Woran denken sie bei der Arbeit? Das Recht, zu schweigen und die Aussage zu verweigern, wo bleibt es in diesem Fall?

Lykurg
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Fr 27. Mai 2011, 15:23 - Beitrag #8

Was für Hintergedanken hat der Stellenbewerber, und was verschweigt er in seiner Erwerbsbiographie? Nicht zu vergessen die Risiken von Geheimnisträgern aller Art, vom Bankangestellten oder Steuerberater über den Arzt bis zum Machtmenschen: Wer schützt sie davor, durch ihre Ausspähung Dritte zu gefährden?

Und ja, der gesamte Bereich der Liebesbeziehungen dürfte davon bedroht sein. Immerhin angesichts der Vielschichtigkeit deratiger Empfindungen wahrscheinlich eher schwierig exakt zu durchschauen, bzw. auch eine Frage der Zeit und technischen sowie sozialen Entwickung.

Ipsissimus
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Fr 27. Mai 2011, 15:34 - Beitrag #9

wenn es überhaupt geht - was aufgrund der Erläuterungen Haynes wohl als Faktum gelten muss - sind Genauigkeit, Auflösung und "ease of use" nur noch eine Frage der Zeit. Vom ersten Elektronenmikroskop (1931) bis zur ersten optisch scharfen Sichtbarmachung einzelner Atome Anfang 2007 vergingen gerade mal 75 Jahre. Soviel Zeit werden uns die kommerziellen Anwender von Gehirnscannern nicht gewähren.

janw
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Fr 27. Mai 2011, 20:40 - Beitrag #10

Wenn ich das richtig verstehe, muss aber zunächst eine Art digitale Karte der Denkinhalte der Probanden erstellt werden, zu der die Probanden entsprechend beitragen müssen. Benennt Proband ein bestimmtes Aktivitätsmuster mit Bär statt mit dem zutreffenden Hund, wirds schwierig.

Aber trotzdem, eine verstörende Vorstellung.
Bleibt zu hoffen, daß MR-Tomographen auf längere Zeit groß und nicht auf größere Distanz anzuwenden bleiben.

Lykurg
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Fr 27. Mai 2011, 20:47 - Beitrag #11

Ich vermute, die Zuordnung von Hirnarealen dürfte, wenn man genügend Massendaten hat, eher eine kryptographische Aufgabe werden, die man also mit entsprechend viel Rechnerleistung auch knacken könnte. Ansonsten neige ich in meinem generellen Vertrauen in das fortwährende und sich beschleunigende technische Fortschreiten zu einer ähnlichen Annahme wie Ipsissimus: das wird kommen; Distanz allerdings ist eine Herausforderung.

Ipsissimus
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Fr 27. Mai 2011, 21:02 - Beitrag #12

das sehe ich ähnlich; in den nächsten Jahren wird die Forschung sicher noch auf die Mitarbeit von Probanden angewiesen sein, aber je besser das Verständnis der Zusammenhänge wird, desto einfacher dürfte es werden, die Gesetzmäßigkeiten personenunabhängig zu erfassen, und dann geht´s zur Sache.

Lassen sich auf der Basis dieser Neuigkeit schon Schlussfolgerungen über den ontologischen Status von Bewusstsein, Geist, Psyche, Seele usw. formulieren?

janw
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Fr 27. Mai 2011, 21:16 - Beitrag #13

Das Problem dürfte aber immer noch sein, daß es keine allgemein verbindlichen Hirn-Loci für Hunde, Katzen oder andere Gegenstände oder Sachverhalte gibt, und daß letztlich die individuell damit verbundenen Assoziationen für den Aussagewert eines Gedankens entscheidend sind.

Ich denke in grober Näherung, daß Gedanken als bewusster Ausdruck der Auseinandersetzung mit den Gegenständen und Sachverhalten der individuellen Welt Ausdruck der individuellen Psyche sind, aber nicht diese selbst.

Ipsissimus
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Fr 27. Mai 2011, 21:33 - Beitrag #14

nein, keine Loci, aber vielleicht Hirnwellen-Muster mit überindividuellen Eigenschaften? So habe ich jedenfalls Hayne verstanden. Sicher, ob ich ihn richtig verstanden habe, bin ich natürlich nicht^^

Lykurg
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Fr 27. Mai 2011, 21:50 - Beitrag #15

Relevant wäre dann ja auch der Kontext, in dem diese Muster auftauchen. Aus der Beobachtung der aktuellen Umgebung des Objekts dürften sich Rückschlüsse auf die Verortung und genaue Vernetzung zuständiger Hirnregionen ergeben.

e-noon
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Sa 28. Mai 2011, 19:11 - Beitrag #16

Wäre es somit moralisch geboten, sich für solche Experimente anzubieten und gezielt zu lügen? ^^ Aufhalten könnte das die Entwicklung natürlich nicht, aber vielleicht verlangsamen... ein gutes Ziel für eine Geheimgesellschaft.

Lykurg
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So 29. Mai 2011, 11:24 - Beitrag #17

Ich fürchte, das würden sie schnell merken und als zusätzliche Informationsquelle auf dem interessanten Gebiet der Lügen benutzen. Sicher wäre es sinnvoller, sich anderweitig dagegen zu organisieren, damit könnte man bewirken, daß die entsprechenden Geräte zunächst in der Version für chinesische Sprech- und Denkmuster entwickelt werden.

janw
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So 29. Mai 2011, 21:49 - Beitrag #18

Ich hab nochmal darüber nachgedacht, wie das wohl zu verstehen ist. Ich denke, es wird sich um einen "Hirnsprache"-Code für die optische, akustische oder Aussprache-Repräsentanz für "Hund" oder "Katze" oder anderes handeln. Das heißt, daß das Gehirn ein gesehenes Objekt als Muster von geometrischen Formen verarbeitet, analog im akustischen Bereich, und dies dann als allgemeines Muster neuronal speichert. Im Gedanken wird dieses Muster dann demnach in ein neuronales Aktivitätsmuster, quasi in Hirnsprache, übersetzt, wobei es, denke ich, unterschiedliche Muster für die optische wie für die sprachliche Entsprechung geben wird, wenn wir in Bildern denken, wird es im MRT anders erscheinen, als wenn wir in Worten denken.

Insofern, daß das Bild eines Hundes für uns alle aus einer ähnlichen Zusammensetzung von geometrischen Grundformen besteht, werden die entsprechenden Aktivitätsmuster für uns alle gewisse Ähnlichkeiten haben, sprachlich wird es sich auf Sprechergemeinschaften einengen.

Was ein Hund für den Einzelnen bedeutet, wird damit aber nicht ausgedrückt.

Ipsissimus
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Mo 30. Mai 2011, 10:11 - Beitrag #19

im Sinne von "Hirnsprache = Assembler", Jan?

Assembler muss für jeden Prozessortyp angepasst werden; da die Prozessoren von Menschen allerdings alle vom gleichen Typ sind, ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass auch der verwendete Assembler auf allen Systemen derselbe ist

janw
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Mo 30. Mai 2011, 17:44 - Beitrag #20

Ja, "Hirnsprache" entspricht Assembler bzw. Maschinensprache.

Die Art und Weise, wie das Gehirn gesehene Objekte speichert und erkennt, ist etwas vertrackt, ein Teil wird dazu durch Lernvorgänge in der frühen Kindheit beigetragen.
Das Auge liefert dem Sehzentrum ein auf dem Kopf stehendes und unscharfes Bild von einem Gegenstand. Das Sehzentrum rechnet dieses Bild erstmal "richtig rum" und scharf, dann zerlegt es das Bild in geometrische Formen, um daraus ein schematisches Muster-Bild zu erzeugen, das mit einer Bedeutung (also Lautung der Bezeichnung, Äußerungen des Gegenstandes, besonders stark erlebte situative Konnotationen) verknüpft und gespeichert wird.
Dazu müssen die geometrischen Formen in der frühen Kindheit angelegt werden. Wenn das nicht richtig geschieht, kann man später nicht richtig scharf sehen und z.B. ein A nicht sicher von einer 4 unterscheiden, beide enthalten schräge und waagerechte Linien, nur in etwas verschobener Position.

Die Art der Speicherung von Informationen ist meines Wissens noch nicht restlos geklärt, man vermutet hier eine Beteiligung von bestimmten Eiweißen als "Gedächtnis-Moleküle". Die Verarbeitung beim Denken wird aber über neuronale Aktivitätsmuster vermittelt, und hier könnte ich mir schon vorstellen, daß diese Aktivitätsmuster letztlich die Art der Verknüpfung der geometrischen Grundformen beschreiben, aus der dann das schematische Abbild eines Hundes resultiert, und daß diese Aktivitätsmuster als geometrischer Beschreibungsalgorithmus über größere Menschengruppen hinweg ähnlich sind. Unterschiede der Schemata dürften sich eher dadurch ergeben, daß das Schema des Einen einen großen Hund darstellt, das des Anderen, der in seiner Sehlernphase eher Rauhhaardackel und ähnliche um sich hatte, etwas kleinere Vertreter darstellt. Derartige Extrema dürften aber selten sein.

Im MRT wird demnach wohl erkannt werden, daß jemand bzw. dessen Hirn gerade den geometrischen Beschreibungsalgorithmus für einen Hund anwendet, was aber dieser Hund für den Betreffenden bedeutet, dürfte nicht direkt erkennbar sein. Aber dem werden geschulte Befrager mit Suggestivfragen sicher abzuhelfen wissen^^

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