Gehirnscanner

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Ipsissimus
Dämmerung
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Mo 30. Mai 2011, 20:34 - Beitrag #21

möglicherweise gibt es auch sowas wie kulturspezifische Hirnsprache, so dass der Aufwand deutlich größer wäre, aber letztlich doch überschaubar bliebe

Lykurg
[ohne Titel]
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Mo 30. Mai 2011, 22:00 - Beitrag #22

Sowas hatte ich ja auch angesprochen mit der chinesischen Version. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich angesichts des sprachlich determinierten unterschiedlichen Zahlendenkens verschiedener Völker und Kulturen; ich könnte mir auch gut vorstellen, daß sich Schriftlichkeit weit bis ins Denken auswirkt, wenn auch die wichtigsten Verschaltungen vorher erfolgen dürften.

janw
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Di 31. Mai 2011, 17:03 - Beitrag #23

Ich denke, das Zahlendenken entwickelt sich etwas später, aber sicher könnten sich aus Kulturmerkmalen resultierende Denkmuster der Erwachsenen auf die Musterbildung bei Kindern auswirken, fraglich nur, in welchem Ausmaß.
Ich denke eher, daß Gegebenheiten der Umwelt eine Rolle spielen: Es gibt Versuche mit Ratten, die als Junge in Käfigen mit horizontalen, vertikalen oder gekreuzten Gitterstäben aufgezogen wurden. Danach konnten die Ratten die jeweils fehlende Ausrichtung bei anderen Gegenständen nicht erkennen, im "vertikalen" Käfig aufgewachsene Ratten kollidierten später mit horizontalen Gegenständen.
Darauf aufbauend gibt iirc Paul Watzlawick eine Schilderung wieder, nach der die Indios an der brasilianischen Küste die Portugiesischen Schiffe nicht gesehen haben sollen, da ihnen die Vorstellungskraft für die Silhouette von Segeln über dem Wasser gefehlt haben soll.

Ob diese Schilderung so stimmt, weiß ich nicht, aber sicher wird ein Aufwachsen im Wald sich anders auswirken als das Aufwachsen in einem Offenland, auch was das Orientierungsvermögen betrifft.

Traitor
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Do 2. Jun 2011, 20:58 - Beitrag #24

Ein kürzlich erfolgter Durchbruch wird in dem Interview doch gar nicht angesprochen. Dass bildliche Vorstellungen recht gut lokalisierbar sind, ist schon seit einiger Zeit bekannt.
Zu echtem Gedankenlesen sehe ich da auch durchaus noch einen großen Schritt, da sich alle diese Untersuchungen immer noch nur auf der am leichtesten zugänglichen Ebene, den räumlichen Aktivitätsmustern, bewegen, allenfalls noch eins höher auf einfacher Spektralanalyse der Gesamtüberlagerung aller Hirnwellen. Für alles, was nicht ganz so eindeutig ist wie klar fokussierte bildliche Vorstellungen, braucht es weit feinere Zugangsmethoden.

Davon abgesehen ist das bisher geleistete aber durchaus beeindruckend, insbesondere die doch sehr konkrete Rekonstruktionsfähigkeit, und auch die philosophischen Folgen weitreichend - aber auch das ist ja seit Jahren in der Diskussion.

Eure Spekulationen zu Distanzauslesegeräten sind auch noch sehr weit hergeholt, gerade Ipsis Elektronenmikroskopbeispiel spricht doch eher dagegen - auch das sind immer noch Laborgeräte, zwar kompakter als früher, aber immer noch nur mit präparierten Proben in ihrem Inneren arbeitend. MRT und Tomographie bräuchten nicht nur technische Fortschritte, sondern die derzeitigen physikalischen Grundlagen sprengende Erkenntnisse, um als Fernablesegeräte zu taugen, schließlich basieren sie ja darauf, die Probe (den Kopf) in starke, genau kontrollierte Felder einzubringen.

Spannend sind die juristisch-ethischen Spekulationen aber sicher. Einen Lügendetektor im klassischen Sinne halte ich dabei aber sowohl für unwahrscheinlicher als auch für weniger spannend als einen allgemeineren Informationsextraktor, denn geschickte Suggestivfragen können sicher bei untrainierten Befragungsopfern konkretere und damit auslesbarere Vorstellungsmuster erzeugen als die verschwommenen Gehirnaktivitätsunterschiede zwischen "Lüge", "Wahrheit" und "irgendwo dazwischen".

009
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Mo 6. Jun 2011, 08:40 - Beitrag #25

Fraglich ist dabei mE auch, welche Wirkungen die Ergebnisse eines Hirnscanners auf die Person selber haben kann: besonders bei Langzeit-Scans gäbe es schwarz auf weiss zu lesen, wie oft man woran denkt. Dieses naturwissenschaftliche Ist (sei es mal als sicheres solches angenommen) dürfte bei manchem mit dem Selbstbild, was derjenige von sich selber hat, nicht ganz identisch sein. Demzufolge ein potentieller Irritationseffekt so wie wenn zB ein Psychotherapeut seinem Patienten die Augen über sich öffnet.

Ipsissimus
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Mi 8. Jun 2011, 11:11 - Beitrag #26

ich glaube, das hängt ein bisschen davon ab, wes Geistes Kind eine/r ist. Jemand der/die daran gewohnt ist, sich selbst zu belügen, könnte u.U. einen Schock, vielleicht sogar einen heilsamen, davon tragen; jemand, der/die ohnehin eine Praxis der Selbsthinterfragung pflegt, dürfte davon keine wesentlich neuen Information erhalten

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Mo 26. Sep 2011, 11:16 - Beitrag #27

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,787867,00.html

... Jetzt ist Wissenschaftlern ein noch weit spektakulärerer Coup gelungen: Sie haben allein anhand der Hirnaktivität rekonstruiert, welche Bilder Menschen gesehen haben. "Das ist ein großer Sprung hin zu einer Rekonstruktion der inneren Bilderwelt", sagt Jack Gallant von der University of California in Berkeley, in dessen Labor das Experiment stattfand. "Wir öffnen damit ein Fenster in die Filme unseres Geistes." ...


langsam geht es unter die Haut

janw
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Mi 1. Feb 2012, 22:29 - Beitrag #28

Es wird allmählich konkret...
Lauschangriff auf das Gehirn
Kalifornische Neurowissenschaftler haben aus aufgezeichneten Gehirnaktivitäten einfache Worte rekonstruieren können, die sie den Probanden während der Aufzeichnung vorgespielt hatten. Dazu entwickelten sie ein Computermodell, dass die Hirnströme zurück in Klänge verwandelt.

Traitor
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Sa 4. Feb 2012, 19:26 - Beitrag #29

Eine wesentliche Einschränkung all dieser Methoden ist, dass nur Aktivitätsmuster mit bereits bekannten Mustern verglichen werden, also stets eine individuelle Anlernphase nötig ist. In diesem aktuellen Fall z.B. wurde anscheinend ein recht banales Reiz-Reaktions-Modell an die Daten angepasst (hier der Originalartikel).
Was fehlt, ist also das Verständnis dafür, was im Hirn abläuft. Es wird nur ausgewertet, dass das Gehirn gerade so wirkt, wie es sonst wirkt, wenn es eine bekannte Tätigkeit (Bild/Ton verarbeiten) ausführt. So kann man die Methode weder beliebig von einem Menschen auf einen anderen übertragen, noch auf nicht zuvor trainierte Anwendungen. Was diese Klangauswertung gegenüber bisherigen Bilderkennungsarbeiten auszeichnet, ist aber anscheinend, dass sie zumindest einen Parameterraum aufspannt, in dem eine große Klasse von Lauten rekonstruiert werden kann, auch, wenn diese nicht alle einzeln trainiert wurden.

Natürlich kann man aber auch mit so einem rein deskriptiven Modell schon ziemlich weit kommen, insbesondere was die hier letztes Mal diskutierten gerichtlichen Anwendungen angeht.

Ipsissimus
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Mo 10. Sep 2012, 16:09 - Beitrag #30

die Entwicklung schreitet voran

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/eeg-experimente-an-computerspielen-headsets-lesen-geheime-gedanken-a-854015.html

[...] Sogenannte EEG-Headsets messen mithilfe von Elektroden die Hirnströme. Spieler können allein mit der Kraft der Gedanken das digitale Ich steuern - statt mit Maus und Tastatur. Die Hightech-Geräte sind inzwischen für wenige hundert Euro zu haben.

Was wie Freizeitspaß wirkt, könnte jedoch ein erhebliches Sicherheitsrisiko bergen, warnen nun Forscher: Man könne die EEG-Headsets darauf programmieren, dem Gehirn innerhalb weniger Sekunden sensible Daten wie PIN-Nummern, Bankinformationen, Wohnort, Geburtstag oder Vertrautheit mit bestimmten Personen zu entlocken. Sollte es gelingen, solche Attacken in Software - zum Beispiel in Apps - einzubauen, könnte der Hack ins Hirn Realität werden, mahnen die Wissenschaftler.

Ein Team um den Computersicherheitsexperten Ivan Martinovic von der Universität Oxford hat in einer Reihe von Experimenten gezeigt, dass Hacker ein einfaches Funktionsprinzip der Headsets ausnutzen können: Entdeckt das Gehirn in einer Fülle von Informationen plötzlich etwas von Interesse, feuern die beteiligten Nervenzellen ein Signal, dass von den Elektroden des Headsets etwa 300 Millisekunden später registriert werden kann. Dieses sogenannte P300-Signal wertet das Headset als Indiz dafür aus, dass der Nutzer mit besonderem Interesse auf die 300 Millisekunden vorher präsentierte Information reagiert hat.

Bloß nicht an die PIN denken

Wird der Nutzer nun durch eine geschickt platzierte Frage dazu gebracht, beispielsweise an die erste Ziffer seiner Bank-PIN-Nummer zu denken und sieht dann eine Zufallsfolge von Ziffern über den Bildschirm flackern, ist ein P300-Signal etwa 300 Millisekunden nach der richtigen Ziffer zu erwarten.

Dieses Phänomen haben Martinovic und seine Kollegen mit 28 Studenten in einem ihrer Experimente getestet. Das Ergebnis erlaubt zwar längst noch keine zuverlässige Voraussage. Aber immerhin erkennt das Headset mithilfe der von ihm empfangenen Signale die richtige Ziffer ungefähr zehn Prozent häufiger als durch zufälliges Raten.

Mit anderen persönlichen Daten funktionierte das Gedankenlesen der Studie zufolge noch besser. [...]

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