Der Fall MM47

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Traitor
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Sa 14. Jan 2012, 01:30 - Beitrag #1

Der Fall MM47

Gerade stieß ich in der immer wieder amüsanten "Wissenschaft im Rückblick"-Rubrik im Spektrum der Wissenschaft auf einen unglaubwürdig modern und mächtig erscheinenden "Roboter MM.47", zitiert aus Populäre Mechanik 72, September 1961. Viel zu finden ist zu dem Kürzel nichts, aber die Originalquelle ist Popular Mechanics, Juli 1961, vergooglebookt hier, und die dort verwendete Namensform "MM47" ohne Punkt ergibt deutlich mehr Treffer. Sogar ein Video von dem Kasten gibt es. Hochprofessionelle Seiten stellen allerdings die berechtigte Frage, ob es sich nicht um einen Komparsen im Kostüm handelte.

Aufrecht gehende Maschinen sind ja eigentlich eine deutlich spätere Erfindung, die fortgeschrittenen Haushaltstätigkeiten definitiv nicht glaubwürdig, das Gewicht ist tatsächlich suspekt niedrig, und die Inkonsistenzen zwischen Plastik- und Metallerwähnung auffällig. Optisch würde ein Kostüm auch gut passen. Im Video sieht man dagegen zumindest den Kopf in tatsächlicher mechanischer Aktion, ein wenig Hin- und Hergewackel des Oberkörpers und sich bewegende Füße. Die Schnitte könnten dabei gut darauf hindeuten, dass die einzelnen Teile unabhängig realisiert wurden, also ein nicht weiter spektakulärer animierter Kopf, aufgehängte, aber nicht tragende Beine, und Photos und Bewegungsszenen des Gesamtgerätes entweder mit Mensch drin oder mit funktionsarmer, zurechtpostierter Puppe.
Wenn man die Haushaltstätigkeiten mangels Beweis als reine Behauptung ansieht, könnte die übrigbleibende eingeschränkte Vollbeweglichkeit aber vielleicht doch auch gerade noch so glaubwürdig sein.
Über Stromversorgung und Steuerung muss man sich aber zumindest keine Gedanken machen, die Kabel wurden ja nicht zu vertuschen versucht.

Also, funktionsfähiger Roboter oder reine Inszenierung?

(Nett auch das "Telephone by Light Wave" eins drunter, wo die ersten Laser noch "optical maser" genannt werden.)

Ipsissimus
Dämmerung
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Sa 14. Jan 2012, 14:08 - Beitrag #2

selbst wenn ich eingestehe, dass die Illusion täuschend echt ist, aber dass eine derartige Allzweckwaffe für 760 Dollar, damals wohl etwa 1500 DM, als Bausatz erhältlich ist, überzieht das Ganze dann doch zu sehr^^ abgesehen davon waren die Lagenkontrollmöglichkeiten und die Mikromechanik - heute würde man "Aktorik" sagen - damals noch nicht so entwickelt, dass diese Bewegungen möglich gewesen wären^^ und Alltagshandlungen sind so schwierig zu formalisieren, dass die damalige Computertechnik mit der Steuerung hoffnungslos überfordert gewesen wäre.

von daher, mit letzter Sicherheit kann man es vielleicht nicht behaupten, aber es würde mich schon schwer überraschen, wenn das Ding was anderes als ein Fake gewesen sein sollte^^

Traitor
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Sa 14. Jan 2012, 15:08 - Beitrag #3

Die Haushaltstätigkeiten sind mit Sicherheit ein Fake. Die spannendere Frage ist, ob der Kasten zumindest geradeauslaufen konnte, oder ob auch das nur gespielt war.

Die Kosten sind aber zumindest kein Ausschlusskriterium, die angegebenen 760$ sind "cost to build", also keine Bausatzvertriebskosten, sondern einmalige Herstellungskosten. Wenn damit nur das reine Material und nicht die Arbeitszeit, vorhergehende Prototypen oder nötige Herstellungsmaschinerie gemeint ist, ist das mit damaliger Kaufkraft durchaus realistisch.

Mikromechanik scheint der Fuß in Nahaufnahme gar nicht zu haben, das sieht nach recht groben Gestängen und Drahtzügen aus. Daher auch mein Verdacht, dass das nur eine frei aufgehängte Wackelmaschine ist, kein zum Balancieren fähiger aufrechter Geher.

janw
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Sa 14. Jan 2012, 15:36 - Beitrag #4

Wenn ich mir das Video ansehe, weiß ich nicht, ob das wirklich so unwahrscheinlich sein soll, das Gehen besteht scheinbar in Vorschieben der Beine auf Rollen, zum Ausbalancieren scheinen die Rollen schräg angesetzt zu sein, und die gezeigten Fähigkeiten darin, eine Flasche mit einer Art Zange zu greifen und mit Hilfe eines Drehgelenkes im "Arm" zu kippen. Der Erfolg beim Verfrachten des Bieres in ein Glas liegt dann beim Menschen, der das Glas richtig hinhalten muss.
Bliebe natürlich noch die koordinative Leistung, die Lage der Flasche zu bestimmen und die "Arm"-Elemente passgenau darauf zuzusteuern und mit der Zange zu greifen. Vielleicht eine Fernsteuerung?

Traitor
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Mo 16. Jan 2012, 22:34 - Beitrag #5

Oh, ja, die Füße haben Rollen, gut beobachtet. Das war mir ganz entgangen. Damit ist die Fortbewegung natürlich wesentlich vereinfacht und wird auch glaubwürdig. Obwohl dann die auffälligen Schnitte komisch sind.
Und Fernsteuerung (bzw. Nahsteuerung über die angeschlossenen Kabel) ist klar, automatisiert wird da nichts sein.


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