Randall-Sundrum-Radion

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Ipsissimus
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So 6. Mai 2012, 20:49 - Beitrag #1

Randall-Sundrum-Radion

http://www.zeit.de/2012/19/Lisa-Randall-Paralleluniversen

ein faszinierendes Interview, insgesamt. Speziell die Aussagen über das Randall-Sundrum-Radion finde ich am faszinierendsten. Traitor, erklären Sie! ^^

ZEIT: Der Teilchenbeschleuniger LHC soll gerade die ersten Spuren des lange gesuchten Higgs-Teilchens gefunden haben. Nach einer neuen Berechnung könnte hinter diesen Messungen auch ein weiteres Teilchen stecken, das nach Ihnen benannt ist: das Randall-Sundrum-Radion. Was zum Teufel ist das?

Randall: Die Randall-Sundrum-Theorie beruht auf der Vorstellung zweier sogenannter Branen an den zwei Enden eines höher dimensionalen Universums. Unsere Welt ist eine dieser Branen.

ZEIT: Gibt es dieser Theorie zufolge also zwei statt unendlich vieler Universen?

Randall: Man kann die zwei aber auch als Teiluniversen eines größeren Universums auffassen, jedes mit eigenen Atomen und Kräften. Sie sind aber nicht unerreichbar weit voneinander entfernt, sondern hängen kausal zusammen.

ZEIT: Wie weit liegen sie auseinander?

Randall: Im Prinzip könnten sie beliebig weit auseinander oder nah beieinander liegen. Vermutlich sind es aber nur 10 hoch minus 31 Zentimeter.

...

Professor Randall, könnten die vor Kurzem am Cern gemessenen Daten tatsächlich vom Randall-Sundrum-Radion stammen?

Randall: Durchaus möglich.

ZEIT: Wäre das ein hinreichender Beweis für die Existenz anderer Universen?

Randall: Wenn wir wirklich das Randall-Sundrum-Radion fänden, dann wäre es ein starker Hinweis darauf.


Traitor
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So 13. Mai 2012, 11:09 - Beitrag #2

Oh, die Randall. Die hat in Fachkreisen nicht unbedingt den besten Ruf, schließlich wagt sie es, populär zu sein. ;)

Etwas weitschweifig-feuilletonistisch, das Interview, Zeit halt, aber auch einige nette Sachen drin, ja, insbesondere in Sachen Emergenz und Annahmenüberprüfung scheinen wir uns sehr einig zu sein.

Ohne den Begriff "Radion" gibt es ihr Modell auch bei Wikipedia. Scheint eine moderne Variante fünfdimensionaler Gravitation zu sein, die als Kaluza-Klein-Theorie schon ewig als Erweiterung der ART kursiert. (Mehr jeweils bei enWP.) Und Branen-Konzepte gibt es ja auch beliebig viele, großenteils String- und/oder M-inspiriert, davon wäre Randall-Sundrum wohl die einfachste Variante.
Scheint also nicht sonderlich abwegig zu sein, wäre als Verbindung von Elementarteilchenphysik und Gravitation deutlich spannender als ein Standard-Higgs. Aber irgendwie herausgehoben vor den 10000 anderen Alternativ-Higgsen ist das Modell auch nicht, und es ist gerade definierende Eigenschaft aller noch nicht widerlegten spekulativen Modelle, neue Daten "auch" erklären zu können.
Besonders spannend wäre es nur, wenn diese "neuen Berechnungen" die "vielleicht gemessene" Higgs-Masse konkreter vorausgesagt hätten als das Standardmodell. Das wäre mal zu recherchieren.

Ipsissimus
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So 13. Mai 2012, 12:42 - Beitrag #3

ist das der einzige Grund, warum sie in Fachkreisen nicht den besten Ruf hat? Oder wirft man ihr auch inhaltlich etwas vor?

Traitor
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So 13. Mai 2012, 13:15 - Beitrag #4

Es ist nicht nur die Popularität an sich, sie soll sich in ihren populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Äußerungen auch gelegentlich schuldig machen, theoretische Spekulation als mehr oder weniger fertige Erkenntnisse über die Welt darzustellen. Und damit dem öffentlichen Bild von Wissenschaftlichkeit nicht unbedingt den besten Dienst zu tun.
Ich habe aber weder ihre populären noch fachlichen Arbeiten je gelesen, kann das daher nicht beurteilen. Ihre Zitationsstatistiken sprechen auf jeden Fall für eine durchaus mit der Popularität mithaltende fachliche Produktivität.

Der meistzitierte Artikel (von 2007) zum RSR bzw. RSM scheint nach (gröbstem) Überfliegen eine Masse im TeV-Bereich, also weit über dem Higgs-relevanten, vorherzusagen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob dieses Kaluza-Klein-Gluon wirklich genau das Ding ist, auf das sie sich bei der Zeit beziehen. Mal sehen, ob ich noch was passenderes finde.

Ipsissimus
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Di 15. Mai 2012, 10:54 - Beitrag #5

sie soll ... auch gelegentlich schuldig machen, theoretische Spekulation als mehr oder weniger fertige Erkenntnisse über die Welt darzustellen. Und damit dem öffentlichen Bild von Wissenschaftlichkeit nicht unbedingt den besten Dienst zu tun.


das dürfte ein Missverständnis der meisten Physiker sein. Es geht meiner Ansicht vielen nach gar nicht darum, bei größtmöglicher Abgehobenheit "endgültige" Erkenntnisse über das Sosein der physikalischen Wirklichkeit zu erhalten, sondern einfach nur darum, über diese Dinge semikompetent plaudern zu können. Die letztendgültige Erkenntnisschärfe einer wissenschaftlichen Darstellung dürfte vielen Nichtwissenschaftlern eher gleichgültig bleiben, aber sie wollen das Gefühl haben, einen belastbaren Eindruck von den Ideen zu haben, die in der Szene, pardon, in der Community^^ diskutiert werden.

Und daher dürfte die Randall mit ihren ungefähren Spekulationen der Physik einen wesentlich größeren Dienst geleistet haben, als viele Physiker sich das aus Fachblindheit einzugestehen wagen^^

Traitor
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Sa 19. Mai 2012, 11:19 - Beitrag #6

Das ist ein gefährliches Spiel. Einerseits ja, die Öffentlichkeit will einen Einblick in und ein Gefühl von auch den theoretischeren Spekulationen innerhalb der Wissenschaft bekommen. Aber sie ist meist nicht in der Lage, von selbst zwischen Spekulationen und gesicherten Erkenntnissen zu unterscheiden. Deshalb muss man in der Öffentlichkeitsarbeit stets ganz klar sagen, welches welches ist. Und auch eine gewisse Balance halten, dass nicht zu viel Spekulation im Verhältnis zum Standardmodell beworben wird. Denn wenn das Standardmodell nur noch als eine unter zig Ideen wahrgenommen wird, dann ist man beim "die Wissenschaft weiß ja selbst nicht, was Sache ist", beim "die spekulieren ja auch nur", beim "letztlich erklären die gar nichts".
Als Negativbeispiel sei das von mir eigentlich sehr geschätzte "Spektrum der Wissenschaft" genannt, dass in den letzten Jahren teilweise alle 2-3 Monate eine hochspekulative Idee aus der theoretischen Physik auf der Titelseite hatte, teils fast schon im Tone eines "die Wissenschaft hat entdeckt, dass" statt eines "manche Wissenschaftler überlegen, ob". Zuletzt tendieren sie aber zum Glück wieder zu bodenständigeren Themen.

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Sa 19. Mai 2012, 12:18 - Beitrag #7

aber sorry, es ist doch so^^ auch das Standardmodell ist nur eine Theorie unter vielen, und auch die Physik - vielleicht gerade die Physik - kennt das, was man als Paradigmenwechsel bezeichnet, den vollständigen Bruch mit bis dahin allein und absolut gültigen Theorien, etwa durch die Verdrängung mechanistischer Weltbilder durch das Relativitätsprinzip und später durch die Quantentheorie, und was hat es nicht schon alles an Teilchentheorien gegeben. Und der Duktus war immer: "Das isses jetzt aber." Und dann war es das nie gewesen, und selbst Quantentheorie und Relativitätstheorie können in den heutigen Formen nicht beide gleichzeitig richtig sein, wie wir wissen.

Die nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit nimmt Aussagen aus der Physik ungefähr mit der gleichen Gläubigkeit hin wie Wahlversprechen von Politikern. Von daher genügt ein ungefähr. Was wirklich bleibt, wird in hundert Jahren entschieden, frühestens.

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Sa 19. Mai 2012, 12:49 - Beitrag #8

Nein, ganz so ist es eben nicht. Das Standarmodell hat einen völlig anderen erkenntnistheoretischen Status als alle Alternativen, es ist eben eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne, nicht nur eine Idee. Eine neuartige theoretische Spielerei, selbst wenn sie von einer Randall oder einem Hawking oder einem Weinberg kommt und schon hundertmal zitiert wurde, hat an sich nicht mehr Substanz als eine, die ich mal schnell übers Wochenende zusammenschreiben und auf arxiv.org stellen würde. Das Standardmodell dagegen hat eine riesige datengestützte Evidenz für sich.

Zum meines Erachtens missbrauchten Begriff des "Paradigmenwechsels" habe ich hier schonmal etwas geschrieben.

Die nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit nimmt Aussagen aus der Physik ungefähr mit der gleichen Gläubigkeit hin wie Wahlversprechen von Politikern.
Also mit gar keiner, aber man lässt sie trotzdem reden? ;) Das ist aber zu wenig, wird nicht der Qualität der Aussagen gerecht, die eben eine andere als die von Wahlversprechen ist.
Von daher genügt ein ungefähr.
Ja, ein "ungefähr" genügt völlig, weder mit Details noch Formalismus muss man die Öffentlichkeit zu sehr quälen. Aber ein "ungefährlich" muss auch sein: Einerseits für die Inhalte - es sollte nichts verfälschendes oder verzerrendes kommuniziert werden. Andererseits, ganz pragmatisch, für die Wissenschaft und ihre Stellung in der Gesellschaft selbst - es sollte nichts so kommuniziert werden, dass es die eigene Glaubwürdigkeit, und Nützlichkeit schlecht dastehen lässt.

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Sa 19. Mai 2012, 13:57 - Beitrag #9

ja, das waren alle die mechanistischen Theorien des 19ten Jahrhunderts auch, Theorie im engeren Sinne. Hat ihnen trotzdem nichts genützt^^

"datengestützte Evidenz" - vielleicht benutzen wir den Begriff der Evidenz doch unterschiedlich. "Evident" ist für mich, dass es morgens hell ist, wenn ich die Augen aufschlage und es ist hell. Das Standardmodell ist eine Interpretation wie viele andere auch, vielleicht eine plausible Interpretation, aber ganz sicher nicht "evident" die einzig von den Daten gestützte.

Zum Paradigmenwechsel schreibe ich in dem anderen Thread was^^

Also mit gar keiner, aber man lässt sie trotzdem reden? Bild Das ist aber zu wenig, wird nicht der Qualität der Aussagen gerecht, die eben eine andere als die von Wahlversprechen ist.


Was nützt die Qualität einer Aussage? Wenn ich sie nicht überprüfen kann, bin ich im einen wie im anderen Falle gezwungen, sie gläubig hinzunehmen oder pauschal-skeptisch zu verwerfen. Gerade deswegen wäre es ja so wichtig, wenn sich die theoretische Physik um ein bisschen Allgemeinverständlichkeit bemühen würde, gern auch auf Kosten des letzten halben Prozents wissenschaftlicher Exaktheit, da bei völliger Exaktheit der größte Teil des Publikums ohnehin schon 20 Prozent vorher ausgestiegen ist.

Was ich an Physikers Stelle sehr viel mehr fürchten würde als ein bisschen Ungenauigkeit - selbst wenn die "verfälschend" wirken sollte (als wäre das wichtig) - ist Unverständnis, das sich permanent bestätigt fühlt, weil die Wissenschaft offenbar nicht mehr für die Menschen schreibt, die mit ihrem Steueraufkommen Wissenschaft ermöglicht.

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Sa 4. Aug 2012, 12:06 - Beitrag #10

ja, das waren alle die mechanistischen Theorien des 19ten Jahrhunderts auch, Theorie im engeren Sinne. Hat ihnen trotzdem nichts genützt^^
Waren sie, ja, und es hat ihnen sehr wohl etwas genützt, nämlich, dass sie Standard waren, bis eine Beobachtung kam, die eine neue Theorie nötig machte.

"datengestützte Evidenz" - vielleicht benutzen wir den Begriff der Evidenz doch unterschiedlich. "Evident" ist für mich, dass es morgens hell ist, wenn ich die Augen aufschlage und es ist hell. Das Standardmodell ist eine Interpretation wie viele andere auch, vielleicht eine plausible Interpretation, aber ganz sicher nicht "evident" die einzig von den Daten gestützte.
Ja, in einem völlig anderen Sinne, hätte ich dran denken können. Ich benutze den Begriff im Sinne der [url=Bayes-Statistik]http://en.wikipedia.org/wiki/Bayesian_inference[/url], also im Sinne von "die Daten passen so gut zu den theoretischen Voraussagen, dass sie für unseren Wissensstand die Wahrscheinlichkeit steigern, dass dies die richtige Theorie ist". In diesem technischen Sinne ist das Standardmodell die plausibelste Interpretation. Sehr beliebt ist auch in Papertiteln die Formulierung "evidence for", was als schwächer als "detection of" oder "observation of" gilt, aber stärker als "possible detection" oder "hints of".

Zum Paradigmenwechsel schreibe ich in dem anderen Thread was^^
...und? ;)

Was nützt die Qualität einer Aussage? Wenn ich sie nicht überprüfen kann, bin ich im einen wie im anderen Falle gezwungen, sie gläubig hinzunehmen oder pauschal-skeptisch zu verwerfen. Gerade deswegen wäre es ja so wichtig, wenn sich die theoretische Physik um ein bisschen Allgemeinverständlichkeit bemühen würde, gern auch auf Kosten des letzten halben Prozents wissenschaftlicher Exaktheit, da bei völliger Exaktheit der größte Teil des Publikums ohnehin schon 20 Prozent vorher ausgestiegen ist.
Wie gesagt, es geht hier doch nicht um die Verständlichkeit, die finden wir natürlich beide wichtig, sondern um den Inhalt, den man der Öffentlichkeit präsentiert. "Exaktheit" ist der Unterschied zwischen "das Higgs gibt Teilchen Masse" und "das soundso-Vektorpotential im Lagrangian bewirkt, dass...", aber die Frage, ob man das Standardmodell als Standardmodell kommuniziert oder eine spekulative Idee als "aktuellen Stand der Forschung" ist eine ganz andere, viel wichtigere.

Was ich an Physikers Stelle sehr viel mehr fürchten würde als ein bisschen Ungenauigkeit - selbst wenn die "verfälschend" wirken sollte (als wäre das wichtig) - ist Unverständnis, das sich permanent bestätigt fühlt, weil die Wissenschaft offenbar nicht mehr für die Menschen schreibt, die mit ihrem Steueraufkommen Wissenschaft ermöglicht.
Das Unverständnis ist doch längst da, und es gilt nur, es zu reduzieren. Und dafür ist es mindestens so wichtig, die wissenschaftliche Methode und die tatsächliche Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse zu kommunizieren, als die Öffentlichkeit nur mit spaßigen Themen zu unterhalten.

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Fr 17. Aug 2012, 12:17 - Beitrag #11

Waren sie, ja, und es hat ihnen sehr wohl etwas genützt, nämlich, dass sie Standard waren, bis eine Beobachtung kam, die eine neue Theorie nötig machte.
schon, nur scheint der Umstand, dass sie Standard waren, kompatibel zu sein mit dem Sachverhalt, dass sie falsch waren^^

nun gut, ich kann deine Verwendung des Begriffes "datengestützte Evidenz" nachvollziehen, führe das selbst aber unter "eine gewisse Wahrscheinlichkeit". Ich habe auch keine Schwierigkeiten damit, dass das Standardmodell das Standardmodell sein soll, obwohl es fast alles offen lässt - alles, was über Baryonen, Mesonen und Leptonen hinaus geht -, nur scheint dann auch die Bedeutung des Begriffs "Standardmodell" im wissenschaftlichen Diskurs eine andere zu sein als in meinem^^ ich würde sowas vielleicht als "beste derzeitig verfügbare Näherungslösung, der aber nicht zu viele Fragen gestellt werden dürfen" bezeichnen^^

...und? Bild
vergessen Bild

... aber die Frage, ob man das Standardmodell als Standardmodell kommuniziert oder eine spekulative Idee als "aktuellen Stand der Forschung" ist eine ganz andere, viel wichtigere.
kommt drauf an, würde ich sagen. Wenn das Standardmodell denn alle Fragen abdecken würde, die sich tatsächlich stellen, könnte ich mich relativ bereitwillig damit anfreunden. Tatsächlich beantwortet das Standardmodell aber nur Fragen nach dem "wie" (ist der Sachverhalt?), nicht nach dem "wieso" (sind die Dinge, wie sie sind?), also auf Fragen, die von Wissenschaftlern als einer wissenschaftlichen Klärung für möglich erachtet werden, nicht aber auf Fragen, die die Leute stellen^^ von daher ist da ohnehin schon eine erhebliche Diskrepanz in den Erwartungen gegeben, die gerade durch "wissenschaftlich exakte" Sprache gar nicht behoben werden kann. Dass das Licht etwa 300k km/s schnell ist, ist nur eine interessante Information. Sag mir, warum das Licht so schnell ist, das interessiert mich viel mehr. Ach so, das ist keine wissenschaftliche Frage^^ okay, aber es ist eine meiner Fragen an die Wissenschaft^^

Traitor
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Di 21. Aug 2012, 10:59 - Beitrag #12

Keine der rückblickend unserem Verständnis des Begriffes "Standard" genügenden Theorien ist nach heutigem Stand "falsch", sondern mit eingeschränktem Gültigkeitsbereich behalten sie weiterhin ihre Gültigkeit (Newtonsche Mechanik, Maxwellsche Elektrodynamik, effektive Starke WW auf Kernebene, ...).

"Wahrscheinlichkeit" statt "Evidenz" gerne, wichtig ist aber noch, dass es nicht nur eine "gewisse", sondern "die derzeit höchste" ist.
Ein Modell ist per Definition abgeschlossen, und alle darüber hinausgehenden Fragen führen zu Modellerweiterungen. Weshalb es eben einen riesigen Zoo von Standardmodell-Erweiterungen gibt, von denen genug auf so solider theoretischer Basis stehen, dass sie bei Auftauchen erster diskrimierender Beobachtungen umgehend Teil des Standardmodells werden können. Man könnte "Standardmodell" definieren als "die Schnittmenger aller von den aktuellen Daten erlaubten Modelle". (Selbst dem Standardmodell philosophisch, also von den benannten Konzepten her, exakt entgegengesetzte Alternativmodelle, Beispiel MOND vs. Dunkle Materie, sind notwendigerweise so gebaut, dass sie mathematisch das Standardmodell enthalten.)

Das Licht ist 3*10^8 m/s schnell, weil der Meter so definiert ist. ;) Die spannende Frage ist, warum alles andere langsamer ist. ;)
Ansonsten siehe oben: das Standardmodell umfasst den derzeitigen, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gesicherten Stand des Wissens. Darüberhinausgehend umfasst der Stand der Forschung experimentelle Befunde, die noch nicht durch weitergehende Studien abgesichert sind, und theoretische Ideen, für die es noch keine experimentellen Belege gibt. In der Wissenschaftskommunikation ist es wichtig, beides abzudecken - den Stand des Wissens als allgemeingültige Bildung und den Stand der Forschung, um Interesse und Faszination zu wecken - aber dabei die Trennung klar zu machen, um das häufige "die Wissenschaftler sind sich ja eh nichtmal untereinander einig" von Kreationisten & co zu verhindern.

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Mo 27. Aug 2012, 14:02 - Beitrag #13

sondern mit eingeschränktem Gültigkeitsbereich behalten sie weiterhin ihre Gültigkeit
glaub ich nicht^^ wenn man die SRT-Gleichungen der Geschwindigkeitsaddition auf niedrige Geschwindigeiten anwendet, wird der relativistische Term zwar sehr, sehr klein, aber bei weitem nicht null. In der Newtonschen Gravitationstheorie ist er aber null, weil nicht berücksichtigt, also können die zwei Berechnungen gar nicht denselben Wert liefern, egal wie langsam die addierten Geschwindigkeiten sind. Also ist die Newtonsche Theorie schon immer falsch gewesen, wir wissen es aber erst seit gut 100 Jahren, und im Alltag ignorieren wir das auch noch heute wegen Irrelevanz. Außerdem gibt es die instantane Gravitationswirkung nicht, die im Kern von Newtons Theorie liegt; wenn die Sonne explodiert, merken wir das Ereignis erst etwa 10 min später und verlassen nicht instantan die Umlaufbahn, wie es bei Korrektheit von Newtons Theorie der Fall sein müsste, gleichgültig, wie sehr wir ihren Anwendungsbereich einschränken. Ergo - Theorien können schon immer falsch gewesen sein, selbst wenn sie Standard waren^^

Das Licht ist 3*10^8 m/s schnell, weil der Meter so definiert ist. Bild
sehr elegant der Frage entzogen^^ und warum ist bei gegebener und einschlägig gegebener Grundeinheit "Meter" das Licht ungefähr 300M m/h schnell? ^^ und warum ist das die Obergrenze? Schon klar, wegen diversen relativistischen Dingern^^ und warum sind die relativistischen Dinger wie sie sind?^^

Ansonsten siehe oben: das Standardmodell umfasst den derzeitigen, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gesicherten Stand des Wissens.
woran wir, wie anhand der Newtonschen Theorie dargelegt, erkennen, dass Wissen falsch sein kann, egal, für wie hinreichend wahrscheinlich Wissenschaftler es halten und davon überzeugt sind^^ wenn ich böser sein wollte, könnte ich mich also zu der Aussage versteigen, dass das als "Theorie" mediierte Wissen der Wissenschaftler keine zuverlässige Information über die Wirklichkeit liefert, lediglich eine approximative^^ selbst wenn es die zuverlässigste falsche Information ist, die wir über die Wirklichkeit haben^^ das wäre aber böse formuliert^^

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Sa 1. Sep 2012, 12:57 - Beitrag #14

Womit wir die Wissenschaftstheorie schon fast verlassen und zu ihren erkenntnistheoretischen Grundlagen vorstoßen. ;) Daher auch Antwort von hinten an:
woran wir, wie anhand der Newtonschen Theorie dargelegt, erkennen, dass Wissen falsch sein kann, egal, für wie hinreichend wahrscheinlich Wissenschaftler es halten und davon überzeugt sind^^ wenn ich böser sein wollte, könnte ich mich also zu der Aussage versteigen, dass das als "Theorie" mediierte Wissen der Wissenschaftler keine zuverlässige Information über die Wirklichkeit liefert, lediglich eine approximative^^ selbst wenn es die zuverlässigste falsche Information ist, die wir über die Wirklichkeit haben^^ das wäre aber böse formuliert^^
Ja, Wissen kann falsch sein. Zumindest "Wissen" im Sinne eines Wissensbegriffes, auf dem sich unsere wissenschaftliche Methode sinnvoll aufbauen lässt. "Wissen" im klassischen philosophischen Sinne dagegen habe ich früher mal (2005? :boah:) als "Wahrheitswissen" umdefiniert. Später im Thread kam auch das zu Newton (halb)äquivalente Beispiel der Präkopernikanier.
Wissenschaft zeichnet unter Anerkennung dieser Voraussetzung nichtmal aus, dass sie in irgendeinem wirklich überprüfbaren Sinne das "zuverlässigste" Wissen liefert, sondern nur, dass sie ein formalisiertes und objektivierbares System liefert, dieses Wissen zu erlangen, zu überprüfen und zu überarbeiten. Und natürlich, dass sie empirisch gesehen bisher einfach zuverlässiger war als die Alternativen. Aber das ist vom grundlagentheoretisch-skeptischen Standpunkt aus pures Glück. ;)

glaub ich nicht^^ wenn man die SRT-Gleichungen der Geschwindigkeitsaddition auf niedrige Geschwindigeiten anwendet, wird der relativistische Term zwar sehr, sehr klein, aber bei weitem nicht null. In der Newtonschen Gravitationstheorie ist er aber null, weil nicht berücksichtigt, also können die zwei Berechnungen gar nicht denselben Wert liefern, egal wie langsam die addierten Geschwindigkeiten sind. Also ist die Newtonsche Theorie schon immer falsch gewesen, wir wissen es aber erst seit gut 100 Jahren, und im Alltag ignorieren wir das auch noch heute wegen Irrelevanz.
Selbst, wenn man die philosophischen Wahrheitsfragen beiseite lässt, bleiben die praktischen Messungenauigkeitsbegrenzungen. Vom pragmatischen wissenschaftlichen Standpunkt her ist jedes Modell, das innerhalb der Messungenauigkeiten stimmt, erstmal richtig. Also ist Newton weiterhin eine gültige Erklärung für den Alltag.
Außerdem gibt es die instantane Gravitationswirkung nicht, die im Kern von Newtons Theorie liegt; wenn die Sonne explodiert, merken wir das Ereignis erst etwa 10 min später und verlassen nicht instantan die Umlaufbahn, wie es bei Korrektheit von Newtons Theorie der Fall sein müsste, gleichgültig, wie sehr wir ihren Anwendungsbereich einschränken.
Schon ein fundamentalerer Einwand, aber die instantane Wirkung ist wie der Äther nur so eine quasiphilosophische Untermauerung des mathematischen Kernes von Newtons Gravitationsgesetz. Das Gesetz gilt in exakt der gleichen Form (im approximativ-pragmatischen Sinne) auch als Grenzwert der nichtinstantanen ART-Gravitation für schwachgravitative Systeme wie Sonne-Erde, also bleibt es gültig, auch wenn die Grundlage jetzt eine andere ist.
Wenn ich sage, "Newtonsche Gravitation ist noch heute gültig", dann meine ich nicht "Newtons gesamtes Denkmodell mit all seinen Voraussetzungen und Annahmen", sondern nur den quantitativ überprüfbaren Vorhersagemechanismus (sprich, die Gesetze) innerhalb der inzwischen festgestellten Grenzen.

Ergo - Theorien können schon immer falsch gewesen sein, selbst wenn sie Standard waren^^
Wahrheitsfalsch ja, wissenschaftsfalsch nicht, da sie ja zu diesem Zeitpunkt dem besten Stand der Erkenntnis entsprachen.

sehr elegant der Frage entzogen^^ und warum ist bei gegebener und einschlägig gegebener Grundeinheit "Meter" das Licht ungefähr 300M m/h schnell? ^^
Immer noch entziehbar - die korrekte Frage lautet "warum liegt bei gegebener Lichtgeschwindigkeit die menschliche Erfahrungswelt auf einer solchen Skala, dass sich eine Standardlängenmesseinheit von ca. c/3e8s entwickelt hat". ;) Dass es überhaupt eine Obergrenze gibt, ist vermutlich so grundlegend, dass es quasi trivial ist (ein Universum mit unendlicher Informationsübertragungsgeschwindigkeit wäre sehr, sehr seltsam). Und das ist eben kein "wegen relativistischen Dingern, und warum sind die so?" sondern ein "wie sollten die relativistischen Dinger sein können, damit das nicht so wäre?".
Spannender sind die Verhältnisse zu dieser Geschwindigkeit - warum erreicht Licht das Maximum (weil Photonen masselos sind und durch nichts daran gehindert werden), warum ist das Universum soundso groß und alt, warum sind Galaxien soundsogroß, warum sind Menschen soundso groß. Diese Fragen gehen teilweise über den aktuellen Stand der Erkenntnis hinaus, sind aber durchaus wissenschaftlich formulier- und verfolgbar.

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Mo 3. Sep 2012, 14:30 - Beitrag #15

Wissenschaftswissen, oha^^ das erklärt vieles^^ dieser Messwert da, der das Fitting bricht, ist der denn überhaupt relevant? ^^

ich war schon immer der Ansicht, Wissenschaft liefert kein Wissen über die Wirklichkeit sondern nur über Modelle der Wirklichkeit. Dazu passen dann auch die praktischen Messungenauigkeiten^^ Wobei vielleicht anzumerken wäre, dass es, wenn es nur um den Alltag ginge, kaum einer Revision der Newtonschen Dynamik bedurft hätte. Merkwürdig mutet der Verweis auf die Messungenauigkeiten auch, wenn man bedenkt, dass es bei vielen Theorien um Aussagen geht, die erst weit jenseits aller Messgenauigkeiten ansetzen, im Bereich von Planckgrößen.

Die instantane Wirkung von Gravitation halte ich eher für eine aus der Theorie abgeleitete Vorhersage, weniger für eine Voraussetzung für die Theorie. Wobei sich möglicherweise die Schlange in den Schwanz beißt. Es wäre zu überlegen, ob sich mit unseren mathematischen Voraussetzungen das reale Universum beschreiben ließe, wenn wir die tatsächliche Lichtgeschwindigkeit einfach als unendlich setzen würden, was sie, aus der Perspektive eines Photons betrachtet, ja auch ist (Weg geteilt durch Zeitlosigkeit).

Hmm, der sachliche Unterschied zwischen deiner und meiner Formulierung der Frage nach der Lichtgeschwindigkeit entzieht sich mir ein bisschen^^ kommt mir wie eine Spielerei mit Einheiten vor, denn wenn wir nicht in Metern pro Sekunde sondern in nautischen Meilen pro Halbwoche rechnen würden, wären alle Zahlen anders^^ und die Frage immer noch dieselbe, warum ist die Lichtgeschwindigkeit so groß wie sie ist^^ Brian Greene z.B. antwortet darauf, dass alles, was sich bewegt, mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, es gibt gar keine andere Geschwindigkeit. Dass wir andere Geschwindigkeiten wahrnehmen, liege nur daran, dass die Absolutgeschwindigkeit auf die Bewegungen in den vier Dimensionen der Raumzeit aufgeteilt ist. Keine echte Antwort auf die Frage, aber schon mal was in die richtige(?) Richtung.

Okay, mit dem "wissenschaftswahr" hast du bei mir schon eine Einsicht bewirkt^^ ob es die ist, die du damit beabsichtigt hast, kann ich natürlich nicht sagen^^

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Mo 3. Sep 2012, 20:33 - Beitrag #16

Wissenschaftswissen, oha^^ das erklärt vieles^^ dieser Messwert da, der das Fitting bricht, ist der denn überhaupt relevant? ^^
Nein, das war damit nicht gemeint, sondern schon der halbwegs idealnahe Prozess, dass sich bewusste wie unbewusste Fehler halbwegs schnell rausmitteln und es einen anerkannten Stand der Erkenntnis gibt, der tatsächlich dem gerade bestmöglichen nahekommt.

ich war schon immer der Ansicht, Wissenschaft liefert kein Wissen über die Wirklichkeit sondern nur über Modelle der Wirklichkeit.
So, wie du es formulierst, klingt das immer wie ein spezifischer Mangel der Wissenschaft, während Religionen und Tante Erna intuitiv die wahre Wirklichkeit erfassen. In der Formlierung, dass auch die Wissenschaft nicht direkt die Wirklichkeit, was auch immer die sein mag, erfassen kann, sollte das aber jeder halbwegs wissenschafts- und erkenntnistheoretisch geschulter Wissenschaftler offen zugeben, und mit dem Siegeszug statistischer Methoden, in denen der Modellgedanke viel offener zu Tage tritt als in intuitiveren Formulierungen, hat sich das auch in den letzten Jahrzehnten weitgehend durchgesetzt.

Wobei vielleicht anzumerken wäre, dass es, wenn es nur um den Alltag ginge, kaum einer Revision der Newtonschen Dynamik bedurft hätte.
Hängt davon ab, ob du moderne Elektronik und Optik noch als Alltag betrachtest. Zum Zeitpunkt der Wachablösung waren sie aber das natürlich noch nicht, da waren es nur theoretische Inkonsistenzen und Cutting-edge-Experimente, die eine Neuerung erforderten.

Merkwürdig mutet der Verweis auf die Messungenauigkeiten auch, wenn man bedenkt, dass es bei vielen Theorien um Aussagen geht, die erst weit jenseits aller Messgenauigkeiten ansetzen, im Bereich von Planckgrößen.
Weshalb der Großteil der aktuellen theoretischen Physik ja auch weit von jeder Überprüfbarkeit entfernt ist. Effekte, die an sich auf winzigen Skalen ansetzen, können aber durchaus makroskopische Effekte haben, siehe Physik des frühen Universums, siehe Stabilität de Materie...

Die instantane Wirkung von Gravitation halte ich eher für eine aus der Theorie abgeleitete Vorhersage, weniger für eine Voraussetzung für die Theorie.
Sie ist weder eine zwingende Vorhersage noch eine Voraussetzung, sondern eine reine Interpretation, bzw. eine unzulässige Verallgemeinerung. "Die Gravitation wirkt instantan" folgt erst aus (äquivalent: ist eine Voraussetzung für) "Newtons Gravitationsgesetz gilt immer und auf allen Skalen". Und solange es für keines von beidem Gegenbeweise gab, konnte man es halt bequem annehmen.

Es wäre zu überlegen, ob sich mit unseren mathematischen Voraussetzungen das reale Universum beschreiben ließe, wenn wir die tatsächliche Lichtgeschwindigkeit einfach als unendlich setzen würden, was sie, aus der Perspektive eines Photons betrachtet, ja auch ist (Weg geteilt durch Zeitlosigkeit).
Und wie willst du dann die realen Unterschiede in den Lichtlaufzeiten erklären? Und das Photon hat eben aufgrund dieser Eigenschaft nichts, was man eine Perspektive nennen könnte.

Hmm, der sachliche Unterschied zwischen deiner und meiner Formulierung der Frage nach der Lichtgeschwindigkeit entzieht sich mir ein bisschen^^ kommt mir wie eine Spielerei mit Einheiten vor, denn wenn wir nicht in Metern pro Sekunde sondern in nautischen Meilen pro Halbwoche rechnen würden, wären alle Zahlen anders^^ und die Frage immer noch dieselbe, warum ist die Lichtgeschwindigkeit so groß wie sie ist^^
Eben, die Zahlen sind beliebig, deshalb ist es nicht die Frage, wie groß sie sind. Spannend ist, wie die Objekte und Strukturen im Universum sich zu den grundlegenden Skalen (Lichtgeschwindigkeit, Reichweite der Kernkraft, ...) verhalten, und wieviel davon reine Folge dieser Grundgrößen ist, wie viel entwicklungsgeschichtlich bedingt. Oder eben, warum die Grundgrößen in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Das ist vermutlich die Frage, die dich fundamental interessiert - sie ist aber eine andere als die danach, wie groß c in beliebigen menschgemachten Einheiten ist, darauf wollte ich hinaus. Und sie ist durchaus wissenschaftlich stellbar, mit Pech aber nie wissenschaftlich beantwortbar.

Brian Greene z.B. antwortet darauf, dass alles, was sich bewegt, mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, es gibt gar keine andere Geschwindigkeit. Dass wir andere Geschwindigkeiten wahrnehmen, liege nur daran, dass die Absolutgeschwindigkeit auf die Bewegungen in den vier Dimensionen der Raumzeit aufgeteilt ist.
Das ist eine billige Ausrede, denn er ändert einfach die Definition von Geschwindigkeit. ;) Diese für alles gleiche "Geschwindigkeit" im 4D-Blockuniversum sagt nur aus, dass es eine zeitartige Ordnungsstruktur gibt. Die herkömmliche 3D-Geschwindigkeit dagegen beschreibt die Zustandsveränderung entlang dieses Pfades, und die ist für zeit-, licht- oder raumartige Pfade (normale Teilchen, Photonen, Tachyonen) nunmal enorm unterschiedlich.

Okay, mit dem "wissenschaftswahr" hast du bei mir schon eine Einsicht bewirkt^^ ob es die ist, die du damit beabsichtigt hast, kann ich natürlich nicht sagen^^
Wichtig: Wissenschaftswahr ist nicht weniger wahr als Alltagswahr, es entlarvt nur Philosophenwahr als pure Phantasie.

Ipsissimus
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Di 4. Sep 2012, 11:45 - Beitrag #17

So, wie du es formulierst, klingt das immer wie ein spezifischer Mangel der Wissenschaft, während Religionen und Tante Erna intuitiv die wahre Wirklichkeit erfassen.
Nein, ganz sicher nicht. Vielleicht vertrete ich Wissenschaftskritik ein bisschen zu offensiv, aber ich bin ganz sicher kein Apologet gefühlten Wissens. Ich habe nur Probleme mit dem Verhältnis zwischen pragmatischem Wissen und der behaupteten Sicherheit wissenschaftlicher Erkenntnis. Da geht vieles sehr viel pragmatischer und auch sehr viel spekulativer zu als es außerhalb wissenschaftlicher Kreise in letzter Deutlichkeit bekannt ist. Ich hoffe wirklich, dass dein im weiteren vertretener wahrscheinlichkeits- und erkenntnistheoretisch basierter Ansatz tatsächlich Allgemeingut aller Wissenschaftler minus IDler ist, dann können wir uns hier nämlich vergnügt weiter darüber kabbeln, wieviel Irritation dem normalen, ganz allgemein an wissenschaftlichen Ergebnissen interessierten Bürger zugemutet werden kann oder nicht^^

ob du moderne Elektronik und Optik noch als Alltag betrachtest. Zum Zeitpunkt der Wachablösung waren sie aber das natürlich noch nicht
man könnte das natürlich so lesen, dass Einstein ziemlich viel Glück hatte, dass Gott zu den gleichen ästhetischen Urteilen gelangte wie Einstein selbst^^ wenn er schon eine Theorie formuliert, ohne dass es zu dem Zeitpunkt dafür eine echte Notwendigkeit gab^^

Weshalb der Großteil der aktuellen theoretischen Physik ja auch weit von jeder Überprüfbarkeit entfernt ist.
weswegen sie ja auch theoretische Physik ist^^ also nicht die Wirklichkeit erklärt sondern nur darlegt, wie die Wirklichkeit sein könnte, falls diese und jene ungeklärte Voraussetzung zuträfe. Einander stützende Modelle eben^^

sondern eine reine Interpretation
eher ein Mangel der Theorie. Bei Newton hängt die gravitative Wirkung ausschließlich von Masse und Entfernung ab, nicht von der Zeit. Damit ist eine instantane Fernwirkung unvermeidbar, falls sich spontan etwas an der Massenverteilung ändert, z.B bei explodierenden Sternen

Und wie willst du dann die realen Unterschiede in den Lichtlaufzeiten erklären? Und das Photon hat eben aufgrund dieser Eigenschaft nichts, was man eine Perspektive nennen könnte.
ersteres ist ja die Frage: wäre das mit unseren matehmatischen Möglichkeiten greifbar? Letzteres empfinde ich als außerordentlich spannend. Ein Photon fliegt aus seiner Perspektive in Nullzeit jeden einzelnen Punkt seines Weges ab. Wenn es nicht vorher irgendwo absorbiert wird, ist es im Augenblick am Rand des Universums. Und da die SRT die Gleichwertigkeit aller Beobachter im gleichen unbeschleunigten Bewegungszustand postuliert, kann man dem Photon nicht vorhalten, dass bis dahin tatsächlich ca 15 Mrd. Jahre vergangen sind, weil es dieses "tatsächlich" eben nicht gibt.

Oder eben, warum die Grundgrößen in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Das ist vermutlich die Frage, die dich fundamental interessiert - sie ist aber eine andere als die danach, wie groß c in beliebigen menschgemachten Einheiten ist, darauf wollte ich hinaus.
ich denke, das war einfach nur wieder ein kommunikatives Problem. Natürlich ist das die fundamentale Frage, ich habe sie sprachlich aber offenbar in unzulässiger Weise trivialisiert^^

Wichtig: Wissenschaftswahr ist nicht weniger wahr als Alltagswahr, es entlarvt nur Philosophenwahr als pure Phantasie.
wichtig: weder wissenschaftswahr noch philosophenwahr haben mit Wirklichkeit etwas zu tun, es handelt sich lediglich um unterschiedliche Konstruktionsrichtlinien für die Generierung von Modellen aus Daten^^

Deine Einwände zu Greenes Geschwindigkeitskonzept kann ich nicht bewerten, neige aber dazu, dir zu glauben, weil ich mit dem eleganten Universum ohnehin meine Schwierigkeiten habe. So kritisiert Green z.B. das Konzept punktförmiger, also nulldimensionaler Elementarbausteine als modellhaft, akzeptiert die analoge Modellhaftigkeit aber bei eindimensionalen Elementarbauteilen, also den Strings. Aus meiner Sicht kann in einer real vierdimensionalen Raumzeit nichts null-, ein-, oder zweidimensionales in einem physikalischen Sinn existieren, sondern nur als mathematische Abstraktion. Er verwirft dreidimensionale Strings mit dem Argument, die Gleichungen für eindimensionale Strings seien ohnehin schon komplizierter als alles, was die Mathematik derzeit lösen kann. Aus meiner Sicht heißt das, er ist voreingenommen und misst daher mit unterschiedlichem Maß. Ich hoffe, dass er damit nicht exemplarisch für Stringtheoretiker ist.

Traitor
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Di 4. Sep 2012, 17:28 - Beitrag #18

Da geht vieles sehr viel pragmatischer und auch sehr viel spekulativer zu als es außerhalb wissenschaftlicher Kreise in letzter Deutlichkeit bekannt ist.
Da hast du völlig recht. Daher ja auch meine Betonung der Wichtigkeit, nicht nur Ergebnisse, sondern auch Methoden und Unsicherheiten zu kommunizieren. Aber auch deren relative Abstufungen zwischen verschiedenen Ergebnissen, damit nicht ein "ist eh alles nur geraten und letztlich egal" ankommt.
Ich hoffe wirklich, dass dein im weiteren vertretener wahrscheinlichkeits- und erkenntnistheoretisch basierter Ansatz tatsächlich Allgemeingut aller Wissenschaftler minus IDler ist
Allgemeingut wohl leider nicht, nur zunehmend weit verbreitet, und auch das insbesondere im Grade der Bewusstheit stark schwankend von Diziplin zu Disziplin und Individuum zu Individuuum.
wenn er schon eine Theorie formuliert, ohne dass es zu dem Zeitpunkt dafür eine echte Notwendigkeit gab^^
"Keine Notwendigkeit im Alltag" und "keine Notwendigkeit" sind nochmal zwei völlig verschiedene Dinge. Wissenschaftsintern war es ein schreiendes Unding, Mechanik und Elektrodynamik nicht vereinen zu können (-->SRT). Erst bei der ART war Einstein den allgemein drängenden Fragen seiner Zeit leicht voraus, obwohl auch diese bereits bekannte Probleme (Periheldrehung) anging.
weswegen sie ja auch theoretische Physik ist^^ also nicht die Wirklichkeit erklärt sondern nur darlegt, wie die Wirklichkeit sein könnte, falls diese und jene ungeklärte Voraussetzung zuträfe. Einander stützende Modelle eben^^
Mit dem Unterschied, dass die theoretische Physik bis Anfang des 20. Jahrhunderts meist den Experimenten hinterherhing, dann in etwa gleichauf lag und sie erst in den letzten Jahrzehnten weit hinter sich gelassen hat. Wissenschaftstheoretisch ist das eine deutliche Verbesserung, da man endlich sauber und vom Experiment unbefleckt a-priori-Vorhersagen machen kann, die dann später erst überprüft werden. Wissenschaftspraktisch wirft es so einige Probleme auf. ;)
Bei Newton hängt die gravitative Wirkung ausschließlich von Masse und Entfernung ab, nicht von der Zeit. Damit ist eine instantane Fernwirkung unvermeidbar, falls sich spontan etwas an der Massenverteilung ändert, z.B bei explodierenden Sternen
Wie gesagt, für das Sonne-Erde-System ergibt sich (fast) die gleiche gravitative Wirkung gemäß Newtons Gesetz auch aus der ART mit ihrer nichtinstantanen Wirkung - solange das System stationär ist. Das stationäre Gesetz hat also zwei denkbare Ausweitungen auf explodierende-Sonne-Fälle: gleiches Gesetz mit instantaner Wirkung, oder modifiziertes Gesetz mit noninstantaner Wirkung. Man müsste jetzt in die Originalbücher sehen, ob Newton jemals die erstere Variante explizit behauptet hat. Selbst wenn, hätten wir aber eine den modernen Standardmodell-Erweiterungen analoge Situation vorliegen, da es für diesen Fall keine Beobachtungsdaten gab, und nur der stationäre Fall war Standardmodell (beobachtungsgestützte Schnittmenge der beiden möglichen Erweiterungen).
ersteres ist ja die Frage: wäre das mit unseren matehmatischen Möglichkeiten greifbar?
Ich wüsste nicht, wie, aber das ist eher ein systematisch-ontologisch-algebraisches Problem als eines der mathematischen (im Sinne von kalkulistischen) Methoden, an die du vermutlich denkst. Denn mit der Annahme unendlicher Geschwindigkeiten nimmst du der Ereignis-Punktmenge ja ihre raumzeitliche Struktur weg und müsstest, um die raumzeitliche Erfahrungswelt zu rekonstruieren, äquivalente versteckte Variablen annehmen, die über einen anderen Wirkmechanismus diese Struktur wieder erzeugen.
Zum Photon: weder SRT noch ART lassen eine Transformation von einem lichtschnellen in ein anderes Bezugssystem zu, also gibt es keinen Informationsaustausch (analog zum Tachyonenproblem), und nichts, was Struktur oder Masse hat, kann lichtschnell sein, also kann auch kein (zumindest für mich) denkbares Bewusstsein oder Messinstrument lichtschnell sein und so ein Bezugssystem "wahrnehmen" - insbesondere, weil es keine Eigenzeit hat, aber auch aus simplem Komplexitätsmangel.
wichtig: weder wissenschaftswahr noch philosophenwahr haben mit Wirklichkeit etwas zu tun, es handelt sich lediglich um unterschiedliche Konstruktionsrichtlinien für die Generierung von Modellen aus Daten^^
Nur, dass manche Philosophen bis heute anderes behaupten. ;) Ok, manche Wissenschaftler auch. :D

Ich habe weder Greenes populäres Buch noch seine Fachartikel gelesen, daher will ich ihn nicht verurteilen. Zu Strings vs. null- oder dreidimensional würde ich aber mal vermuten, dass er da nur seinen Pragmatismus nicht hinreichend kommuniziert, sodass ehrliche "halte ich für zu simpel" und "halte ich für zu kompliziert" ungewollt als anmaßendes "kann gar nicht sein" rüberkommen.

Ipsissimus
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Mi 5. Sep 2012, 13:53 - Beitrag #19

Zum Photon: weder SRT noch ART lassen eine Transformation von einem lichtschnellen in ein anderes Bezugssystem zu, also gibt es keinen Informationsaustausch (analog zum Tachyonenproblem), und nichts, was Struktur oder Masse hat, kann lichtschnell sein, also kann auch kein (zumindest für mich) denkbares Bewusstsein oder Messinstrument lichtschnell sein und so ein Bezugssystem "wahrnehmen" - insbesondere, weil es keine Eigenzeit hat, aber auch aus simplem Komplexitätsmangel.
ich verstehe das offenbar nicht richtig, weil, es geht an dieser Stelle ja nicht darum, ob das Photon Bewusstsein hat, oder ob es zu einer Informationsübertragung kommt.

Wir wissen aus der SRT, dass bei Lichtgeschwindigkeit im Bezugssystem des mit Lichtgeschwindigkeit fliegenden Teilchens keine Zeit vergeht. Wir als externe Beobachter sehen also, das Photon legt eine bestimmte Strecke in einer gewissen Zeit zurück, sagen wir ein Jahr, wissen aber gleichzeitig aus unseren Theorien, dass im Bezugssystem des Photons keine Zeit vergangen ist. Meinem naiven Verständnis zufolge gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten: entweder legt das Photon in seinem Bezugssystem auch keine Strecke zurück. Oder aber, das Photon ist in seinem Bezugssystem unendlich schnell.

Stellen wir uns eine relativistische Reise zum Andromedanebel vor. Die Astronauten fliegen in Eigenzeit innerhalb eines Jahres hin und sind nach zwei Jahren wieder zurück. Klar, zuhause sind 4 Millionen Jahre vergangen, aber eben nicht in Eigenzeit. Das heißt, in Eigenzeit haben sie 4 Millionen Lichtjahre in zwei Jahren zurück gelegt, waren also anders gesagt, mit 2millionenfacher Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Und je höher der relativistische Effekt wird, desto höher wird diese Geschwindigkeit in Eigenzeit, bis sie bei LG unendlich erreichen würde, wenn das nicht prinzipiell nicht ginge.

Was ist an dem Gedankengang falsch? Irgendwie kommt es mir so vor, dass man dann, wenn man darauf besteht, dass sie hin und zurück 4 Millionen Jahre brauchten, eben doch eine bestimmte Bobachterperspektive gegenüber der anderen als vorrangig erklärt.


zu Greene noch, er sagt eben nicht "kann also gar nicht sein", er sagt im Prinzip "derzeit sind wir noch zu doof dafür, mit dreidimensionalen Strings zu rechnen, deswegen tun wir so, als wären Strings eindimensional". Aus meiner Sicht heißt das, wir entwickeln bewusst eine Theorie auf vorsätzlich falschen Grundannahmen.

Traitor
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Mi 3. Okt 2012, 12:03 - Beitrag #20

Der Trick ist, dass im bewegten Bezugssystem auch die Entfernungen schrumpfen, subjektiv nimmt also kein Reisender überlichtschnelle Bewegung wahr. Und beim Zwillingsparadoxon ist es immer die Beschleunigung und Abbremsung der Rakete, die die Symmetrie bricht und die Erdperspektive bevorzugt.

Für das lichtschnelle (kausalitätsschnelle) Photon werden nominell die Eigenzeit und Abstände null, aber das ist eben eine Singularität der Transformation, die "unendliche Eigengeschwindigkeit" ist keine sinnvolle Aussage, und, da das Photon nunmal keine physikalisch relevante Innenperspektive hat, auch egal. Was zählt, ist die konstante Lichtgeschwindigkeit betrachtet aus jedem anderen Inertialsystem, und die rührt daher, dass die Trajektorie des Photons der kürzesten kausalen Verbindung zweier Punkte in der Raumzeit entspricht.

zu Greene noch, er sagt eben nicht "kann also gar nicht sein", er sagt im Prinzip "derzeit sind wir noch zu doof dafür, mit dreidimensionalen Strings zu rechnen, deswegen tun wir so, als wären Strings eindimensional". Aus meiner Sicht heißt das, wir entwickeln bewusst eine Theorie auf vorsätzlich falschen Grundannahmen.
Der entscheidende Punkt, den er hoffentlich zumindest implizit auch noch anbringt, ist der fehlende Nachsatz "...und sehen mal, wie weit wir damit kommen". Und das wiederum ist das Grundprinzip wissenschaftlichen Modellierens.

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