Nobelpreise 2012

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Traitor
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Do 11. Okt 2012, 10:54 - Beitrag #1

Nobelpreise 2012

Medizin: John B. Gurdon (79, UK, U Cambridge) und Shinya Yamanaka (50, Japan, U Kyoto) "for the discovery that mature cells can be reprogrammed to become pluripotent".

Physik: Serge Haroche (68, Frankreich, ENS Paris) und David J. Wineland (USA, 68, NIST Boulder) "for ground-breaking experimental methods that enable measuring and manipulation of individual quantum systems".

Robert J. Lefkowitz (69, USA, U Durham) und Brian K. Kobilka (57, USA, U Stanford) "for studies of G-protein-coupled receptors".

Dieses Jahr also de facto zwei Biomedizin-Preise, interessantes Manöver. Die offiziell medizinische Arbeit klingt dabei sehr viel spannender, die chemische war aber sicher auch praktisch wichtig.

Der Physikpreis ist recht unspektakulär. Um Higgs&Co auszuzeichnen, war Stockholm natürlich zu konservativ und wartet noch weitere Bestätigung ab - oder, wie böse Kommentatoren sagen, bis genug preiswürdige Theoretiker verstorben sind, dass sich die 3-Mann-Grenze von selbst erfüllt. (Obwohl ja eh ein Doppelpreis für Theoretiker und LHC nötig wäre.) Ansonsten galt eher "Quantenteleportation" (Zeilinger und Co) als Favorit, das aber schon seit Jahren, mal sehen, ob daraus nochmal was wird.
Von Haroche und Wineland hatte ich noch nie was gehört, von ihrem Arbeitsgebiet schon, das ist groß und hat viele Anwendungen. Ob die beiden da wirklich herausragen, kann ich nicht beurteilen, scheint aber zu passen.


PS: Dann stehen ja noch Literatur und Frieden aus, die nicht in dieses Unterforum passen, bei denen aber immerhin mit mehr Kontroverse zu rechnen ist. ;)

Lykurg
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Fr 12. Okt 2012, 14:27 - Beitrag #2

Angesichts mangelnder Kontroverse führe ich das hier mal in Wissenschaft & Technik weiter, auch wenn die beiden Nachzügler da nicht unbedingt hingehören...

Literatur ging - wohl ziemlich überraschend - an Mo Yan (57, China, Kunsthochschule der Volksbefreiungsarmee), einen systemnahen chinesischen (irgendwie wollte ich gerade "schwedischen" schreiben) Autor, der z.B. bei der Frankfurter Buchmesse den China-Schwerpunkt zentral mitvertrat. Vielleicht handelt es sich dabei um eine kleine Geste der Entschuldigung für den Friedensnobelpreis an Liu Xiaobo 2010. Oder China soll erklären, warum es die Entscheidung 2010 irrelevant und das Komitee antichinesisch fand, jetzt aber - mutmaßlich - davon eingenommen ist. Naja, auch Mo Yan spricht wohl in seinen Romanen Mißstände an, etwa manche Folgen der Ein-Kind-Politik. Ich kannte ihn vorher nicht und habe daher kein eigenes Bild.

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Europäische Union dagegen (20, Brüssel/Straßburg u.a.) betrifft uns ja schon ein bißchen direkter. Für mich persönlich ist es der erste Friedensnobelpreis, ich muß sagen, daß ich von der Entscheidung sehr überrascht wurde, mich aber natürlich darüber freue und schon sehnlichst auf den Einladungsbrief nach Stockholm warte (heute war er noch nicht da). Mit meiner Rede fasse ich mich gern kurz, vielleicht will der eine oder andere Mitpreisträger ja auch noch was sagen.

Der Zeitpunkt erscheint allerdings günstig gewählt, einerseits ist ziemlich wahrscheinlich, daß die EU zum Zeitpunkt der Verleihung noch am Leben ist, andererseits kann sie das Preisgeld jetzt wirklich gut brauchen. Freuen wir uns also mit allen anderen Preisträgern und hoffen auf eine hübsche Feier!

Traitor
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Sa 13. Okt 2012, 11:15 - Beitrag #3

Wenigstens ein bisschen politisch hat er sich jetzt ja prompt geäußert. (SpOn) Aber ja, es klingt eher nach einem Anbiederungspreis. Oder einfach ein besonders deutliches Signal gegen die alljährlichen amerikanischen Favoriten, dass man an ihrer Statt lieber einen Chinesen auszeichnet?

Die EU... inhaltlich eigentlich durchaus berechtigt, wenn auch viel zu spät. Friedensnobelpreise an Institutionen wirken auch immer eher hilflos, als hätte sich kein echter Kandidat gefunden.

Und wenn der Friedenspreis schon an Nichtpersonen vergeben werden kann, warum kann man das nicht endlich in der Physik einführen?
(Ha, Kurve zur Wissenschaft gekriegt.)

Ipsissimus
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Sa 13. Okt 2012, 14:05 - Beitrag #4

kann sein, dass es früher mal eine Zeit gab, in der Friedensnobelpreise verliehen wurden, weil der oder die Geehrte etwas für den Frieden auf der Welt getan haben. 1973 erhielt dann Henry Kissinger den Preis, obwohl Kissinger einen Großteil der amerikanischen Kriegsverbrechen gegen Vietnam mitzuverantworten hatte, mithin ein Verbrecher ist, und der Vietnamkrieg auch noch zwei Jahre weiterging. Damit begann die Ära der Auszeichnungen an Geehrte, die vielleicht was für den Frieden in der Welt getan hätten, wenn sie gekonnt hätten, die dann letztlich auch zu Ehrungen für Leute führten, die vielleicht was für den Frieden tun könnten, wenn sie nur wollten, wie an den derzeitigen amerikanischen Präsidenten. Der Preis selbst ist darüber ziemlich gegenstandslos geworden.

Den Friedensnobelpreis der EU zu verleihen ist aus meiner Sicht eine Lächerlichkeit, die den Preis vollends der politischen Selbstbeweihräucherung und inhaltlichen Überflüssigkeit ausliefert. Da ich aber korrupt bin, werde ich den Erhalt des Friedensnobelpreises trotzdem in meiner Vita auflisten und zukünftig auch mit "Friedensnobelpreisträger 2012" signieren^^

bzgl Mo Yan wäre grundlegend zu diskutieren, ob der Literaturnobelpreis die korrekte, also die der Perspektive nachkolonialistischer westlicher Industriestaaten gemäße politische Gesinnung oder die literarische Qualität eines Lebenswerkes auszeichnen soll. Wenn es um die politische Gesinnung geht, wäre zu fragen, warum der Physiknobelpreis nicht für Leistungen in der Medizin verliehen wird. Andernfalls habe ich kein Problem mit der Ehrung für Mo Yan.

Maglor
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So 14. Okt 2012, 14:46 - Beitrag #5

Vor ein paar Wochen habe ich zumindest Teile der Literatur-Verfilmung "Das rote Kornfeld" gesehen. Ganz vereinahmt von den starken Bildern voller bestialischer Gewalt und alkoholischer Exotik hatte ich schon die Absicht jenes Buch des nunmehr ausgezeichneten Autors zu lesen oder wenigstens den Film zu sehen.

Traitor
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Mi 17. Okt 2012, 21:12 - Beitrag #6

Den EU-Preis sollen nun Rompuy, Barroso und Schulz gemeinsam annehmen, während der ebenfalls gehandelte zypriotische Ratspräsident ausgebootet wurde, damit ist auch beim Frieden das 3-Leute-Kriterium erfüllt, und es musste nichtmal jemand dafür sterben. ;)

Gegenüber Kissinger, Obama und Arafat finde ich den EU-Preis keine Steigerung der Lächerlichkeit. Wie gesagt, ist er angesichts ihrer historischen Rolle durchaus angemessen, kommt nur eigentlich viel zu spät.

Der Literaturpreis wurde leider seit langem mit moralischer Autorität aufgeladen, einerseits extern durch die Medien, aber auch intern durch die andauernden Vergaben an Autoren mit politisch bewegtem Lebenslauf. Im Fall Mo Yan beschweren sich ja aber am stärksten (Exil-)Chinesen, nicht Westler.

Ach ja, Ökonomie gab es ja noch, aber den Preis nimmt ja eh niemand ernst.


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