viermal Quark: Z(3900)

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Ipsissimus
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Di 18. Jun 2013, 17:33 - Beitrag #1

viermal Quark: Z(3900)

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/neue-materieform-physiker-entdecken-mysterioeses-teilchen-a-906452.html

Es ist viermal so schwer wie ein Proton, sehr kurzlebig und elektrisch geladen: Ein parallel an zwei Beschleunigern nachgewiesenes Teilchen lässt Forscher rätseln. Es heißt Z(3900) und könnte aus vier Quarks bestehen - das wäre ein Novum.

Traitor
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Di 18. Jun 2013, 21:45 - Beitrag #2

Muss ich mir morgen mal in wach ansehen (oder, falls ich hitzebedingt morgen auch nach dem Aufstehen gar nicht geistig wach werden sollte, übermorgen ;)). Die Abstracts sind aber schonmal reichlich verwirrend, weil sie bei Belle nicht von einem Z(3900) reden, sondern von einem Y(4008), dafür aber (3894.5±6.6±4.5)  MeV angeben... Auch müsste ich noch im Detail nachlesen, warum sie sich sicher sind, dass es Charmonium+X sein muss, und nicht andere Grundquarks. Und eine Alternative zum Tetraquark nennt ja sogar schon der Spiegel: gebundener Zustand zweier Mesonen.
Spannend aber, auf jeden Fall, sehr spannend.

Nachdem sie bereits einige interessante Neutrino-Ergebnisse geliefert hat, übrigens auch ein weiterer Durchbruch für die chinesische Wissenschaft. Da kann man sich noch auf eine große Verschiebung der internationalen Gewichte gefasst machen.

PS: Und sowohl ich als auch die SpOn-Redaktion müssten die Teilchenphysik wohl aufmerksamer verfolgen, auf arxiv gibt es die Artikel schon seit März (BESIII) bzw. April (Belle).

Traitor
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Di 25. Jun 2013, 21:28 - Beitrag #3

Auch müsste ich noch im Detail nachlesen, warum sie sich sicher sind, dass es Charmonium+X sein muss, und nicht andere Grundquarks
Der Zustand koppelt wohl stark an gewöhnliches Charmonium (sprich: zerfällt oft darein), deshalb ist es unwahrscheinlich bis ausgeschlossen, dass es ein charm-freier elektrisch passender Zustand ist, also cc+X.

Das gebundene Doppelmeson ist trotzdem die deutlich naheliegendere Erklärung. Gegen Tetraquarks sprechen aber auch keine grundlegenden Einwände, also auch nicht auszuschließen. Spannend wäre beides.

Und das Mutterteilchen Y(4260) scheint auch schon interessant genug zu sein - reales Gluon...?

Was man vielleicht noch klarstellen muss: "Neue Physik" erfordern beide nicht, das liegt alles im Rahmen der noch nicht endgültig abgegrasten Randbereiche der etablierten QCD.

Ipsissimus
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Mi 26. Jun 2013, 09:51 - Beitrag #4

ich dachte, Gluonen wären rein virtuelle Teilchen?

Traitor
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Mi 26. Jun 2013, 13:08 - Beitrag #5

Keine Teilchenspezies ist an und für sich virtuell oder nicht, das ist immer nur eine Frage der Energie, Stabilität und Bindungszustände.

Vermutlich erliegst du einer Fehlassoziation "Austauschteilchen --> virtuell". Aber die wird ja schon von Photonen widerlegt, die kein Problem damit haben, als reale Teilchen zu propagieren. Und nicht nur als virtuelle Boten mal kurz zwischen zwei Elektronen ausgetauscht werden. W und Z, den Trägerteilchen der schwachen WW, dagegen existieren immer nur kurzzeitig, aber das liegt an ihrer Masse/Zerfallszeit, nicht an einer inhärenten Virtualität - als historischer "Nachweis" dieser Bosonen wird ihre erstmalige Beobachtung als reale Teilchen betrachtet. (Ebenso beim Higgs.)

In der QCD ist nun, da sie eben eine starke Wechselwirkung ist, alles viel komplizierter. Während Elektronen und Photonen zufrieden sind, einfach so zu propagieren und nur zu interagieren, wenn sie sich (oder andere elektrisch geladene Teilchen) treffen, neigen Quarks und Gluonen dazu, jederzeit beliebig viele weitere ihrer Kollegen abzustrahlen - real, wenn dazu die Energie reicht, virtuell, wenn nicht. Und die gebundenen Zustände (Hadronen) sind dementsprechend kompliziert - schon für das Proton ist die übliche "up up down"-Formel nur eine Näherung, es enthält einen dauerhaften "See" weiterer virtueller Quarks und Gluonen, die z.B. auch einen wesentlichen Teil zu Masse und Impuls beitragen. Und es gibt auch nicht 3 dauerhafte reale Quarks, um die herum der Rest oszilliert, sondern die "Valenzquarks" ("up up down") sind sozusagen nur die im zeitlichen Mittelwert aus dem Gewaber sichtbaren Verteilungsspitzen.
Und um zum Punkt zu kommen - nichts in der QCD verbietet prinzipiell, dass es in einem Hadron auch "Valenzgluonen" geben kann. Es erscheint seltsam und unintuitiv, bei hohen Energien aber durchaus möglich. Der Extremfall wären sogar sogenannte "Glueballs", gebundene Zustände, die komplett ohne Valenzquarks auskommen.

Ipsissimus
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Mi 26. Jun 2013, 14:18 - Beitrag #6

wir hatten das irgendwo schon mal geklärt, dass im Physikerslang "virtuelle" Teilchen solche sind, die nur innerhalb Kraftübertragungsprozessen vorkommen. Darauf bezog ich mich. Die Frage könnte also lauten: "Ein Gluon, das außerhalb eines Kraftübertragungsvorgangs vorkommt?"

Traitor
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Do 27. Jun 2013, 21:16 - Beitrag #7

Nein, die Umschreibung schränkt es zu sehr ein - oder klingt zumindest gefährlich danach, obwohl sie je nach weiterer Interpretation vielleicht doch richtig ist. ;)

Wie gesagt ist es ganz normal, dass in Hadronen virtuelle Gluonen herumlungern. "innerhalb Kraftübertragungsprozessen" trifft da nicht so ganz, da es (für mich zumindest) stark nach kurzem Austausch zwischen freien Teilchen oder sowas klingt, im Falle gebundener Zustände (Hadronen) aber ein Dauerzustand ist, aber halt eine Überlagerung unzähliger kurzzeitiger Fluktuationen.

Aber ja, wenn es sich bestätigt, ist es wirklich eine Überraschung und Neuheit, Gluonen als Valenzbestandteil zu finden. Aber halt "nur" überraschend im Sinne von "damit hätte man nicht konkret gerechnet", nicht im Sinne von "das darf nicht sein". Und auch eher nur überraschend für die experimentellen oder praxisnah-phänomenologischen Theoretiker unter den QCDlern, für die theoretischen Theoretiker gilt wie in anderen Disziplinen natürlich die Erwartungshaltung "die Natur macht alles, was nicht verboten ist, und auch das verbotene halt nur selten". ;)

Traitor
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Mi 9. Apr 2014, 12:56 - Beitrag #8

Ein Verwandter, Z(4430), wurde nun auch am LHC (genauer: LHCb) nachgewiesen. Damit wäre zumindest schonmal bewiesen, dass die Vier-Quark-Exotika kein auf Asien beschränktes Phänomen sind. :D Ob echte Tetraquarks oder doch nur Doppelmesonen, ist aber weiterhin offen.

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Mi 9. Apr 2014, 15:51 - Beitrag #9

(Wegen der verbreiteten Laktoseintoleranz in Ostasien war auch nicht anzunehmen, daß "Vier Quarks" ein so genuin dortiges Erzeugnis sei wie etwa "Sieben Kostbarkeiten".)


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