Standardmodell und Elementarteilchen

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
janw
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Do 27. Jun 2013, 22:27 - Beitrag #21

Vielleicht passt es dazu...

Dunkle Materie - ein Phantom?

Dunkle Materie, ein Phantom?
Astronomen entdecken Hinweise auf eine andersartige Gravitationstheorie
Von Dirk Lorenzen

Kosmologie. - Seit fast 100 Jahren beherrscht Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie den Kosmos. Immer wieder haben Beobachtungen das Konzept bestätigt. Als Astronomen entdeckten, dass die Bewegungen der Galaxien nicht mit den leuchtenden Massen zu erklären war, zweifelten sie deshalb nicht am geltenden Schwerkraftgesetz, sondern an dem was sie sahen. Sie folgerten: Im Universum muss es mehr als die bekannte Materie geben, und führten den Begriff der "Dunklen Materie" ein, nach der seitdem intensiv gefahndet wird. Die große Mehrheit der Fachwelt ist von diesem Konzept überzeugt, nur einige wenige Astronomen halten es für unsinnig. Dieses kleine Grüppchen bekommt nun unerwartet Rückenwind, denn Beobachtungen in sogenannten Zwerggalaxien passen erstaunlich gut zu ihrer Mond-Theorie.

Traitor
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Do 27. Jun 2013, 23:01 - Beitrag #22

@Ipsissimus: Ich glaube nicht, dass es ein Sprachproblem ist, eher ein Herangehensweisenproblem. Du hast eine aus philosophischen Gründen schön erscheinende Idee - "die Naturgesetze sollen sich entwickeln" - und hoffst, dass sich die Realität ihr anschließt. Ich gehe vom aktuellen Kenntnisstand aus und sehe, dass eine gewisse Variabilität bekannt und erfolgreich modelliert ist, es für mehr aber keine Hinweise gibt.

Konkret:
Variable Kopplungskonstanten - bekannt und eine zentrale Eigenschaft des Standardmodells, inklusive im Voraus erfolgter Extrapolationen in neue Energiebereiche, die dann später erfolgreich überprüft wurden.
Variable Lichtgeschwindigkeit - in unzähligen Formen postuliert, gelegentliche Publikation schwacher Hinweise, die sich jedes Mal in Nichts auflösten.
Variable Baryonenzahl - aufgrund der beobachteten Materie-Antimaterie-Asymmetrie muss es sie (ge)geben (haben), zahlreiche Modelle existieren, aber die direkte Überprüfung fehlt.
Variabler Energieerhaltungssatz - in gewissem Sinne durch seine allgemeinrelativistische Verallgemeinerung abgedeckt; darüberhinausgehend ist mir kein selbstkonsistentes Modell mit Verletzungen bekannt, Beobachtungen erst Recht nicht.

Was die Zeitachse und die mit ihr zusammenhängende Energieachse angeht, sollten das doch genügend Beispiele dafür sein, dass eine Variabilität im Rahmen der etablierten Modelle oder deren im selben methodischen Metarahmen diskutierten Erweiterungen zufriedenstellend inbegriffen ist. Das einzige, was ich mir noch vorstellen kann, was du darüberhinausgehend wollen könntest, wäre eine Variabilität der mathematischen und logischen Grundlagen - aber wie soll man das auch nur formell beschreiben...?

Eigentlich hätte ich gedacht, dass in früheren Weltzeitaltern mit höherer Materiedichte die Komplexität sinkt, da der Ausprägung komplexer Materie-Strukturen stärkere Kräfte entgegen wirken, ähnlich wie in einem Schwarzen Loch mutmaßlich die Struktur der gefangenen Materie mit zunehmender Annäherung an das Zentralobjekt durch die Kompression reduziert wird
Wie gesagt, da gibt es eine große Diskrepanz zwischen dem Alltagsbegriff von "Komplexität" und den thermodynamischen Größen, die sich aus seiner Formalisierung ergeben haben (Entropie, Information etc.) und meistens an seiner Stelle verwendet werden. Eine sonderlich gute Abbildung ist das aber auch tatsächlich nicht; genaugenommen ist mir kein physikalisches Konzept bekannt, das wirklich das abdeckt, was man anschaulich unter einem "komplexen System" verstehen will. Vielleicht war es auch kein guter Ansatz, die "Erklärkompliziertheit" eines Systems mit seinem Zustand verbinden zu wollen...
Wenn du nun also eine "Entwicklung der Gesetze mit dem Komplexitätsgrad" haben möchtest, musst du erstmal einen geeigneten Komplexitätsbegriff finden, und dann eine Korrelation nachweisen. Das soll dann sozusagen eine Alternative zur starken Emergenz sein - nicht die üblichen physikalischen Elementargesetze einerseits und spukhafte emergente Gesetze andererseits, sondern beide als Extreme eines mit einem "Komplexitätsparameter" variierenden Metagesetzes?

warum wehrst du dich dann sosehr dagegen?
Ich kann immer noch nicht feststellen, dass ich das tue. ;)

Zur Antwort auf Padreic, und auch an jenen: Ich sehe in den beiden Sichtweisen weder einen Unterschied an Absolutheit, noch an (fundamentaler, nicht notationstechnischer) Metabenenanzahl. In beiden Varianten gibt es eine absolute Relation, man schreibt sie nur anders auf. Ob ich
x(t)=t² und y(x)=2x
oder
y(t)=2t²
schreibe, ist doch egal, wenn ich die beiden Formeln der ersten Variante in einander einsetze, kommt das gleiche Ergebnis heraus.

Und was soll es überhaupt heißen, "auf Biegen und Brechen eine Absolutheit aufrechterhalten" zu wollen? Oder anders gefragt, wie soll eine "Nichtabsolutheit" aussehen? Meinem Verständnis nach kann man gerade eine Veränderung immer nur gegenüber einem absoluten Bezugsrahmen formulieren. Selbst die wegen ihres Namens so oft philosophisch missbrauchte "Relativitätstheorie" heißt nur "relativ", weil sie mit als überkommen erkannten Pseudo-Absolutheiten (von festen Raum- und Zeit-Koordinaten) aufräumte. Gleichzeitig brachte sie ihre eigenen, allgemeineren Absolutheiten mit - die Invarianzen von Tensorgesetzen. Genausogut könnte man sie also "Absolutheitstheorie" nennen. Und eine zukünftige weitere Verallgemeinerung wird diese Absolutheiten wieder ersetzen, aber auch wieder neue auf einer höheren Ebene bringen.
Die Frage ist "nur", ob dieser Prozess einen Grenzwert hat, nicht, ob man aus ihm ausbrechen kann.

PS@Jan: Nein, eher hierhin.

Ipsissimus
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Di 2. Jul 2013, 10:58 - Beitrag #23

Fragen wir mal anders herum: Aus irgendwelchen Gründen gäbe es kein Universum. Abgesehen davon, dass es uns dann auch nicht geben würde und wir keine Fragen stellen könnten: Gäbe es dann trotzdem die Gesetze? Oder wann vor dem Urknall haben die Gesetze begonnen, zu existieren? Oder hat sich die Materie beim Urknall ihre Gesetze "mitgebracht"? Oder wurden sie ihr beim Urknall irgendwie "gegeben"? Oder sind Gesetze Emergenzphänomene des "Soseins" der Materie und der Raumzeit? Wie ist diese Emergenz dann zu erklären, wie ist sie "implementiert"?

Die Kopplungskonstanten sind, soweit ich weiß, im Rahmen des Standardmodells freie Parameter, deren Werte so gewählt wurden, dass sie zu den Beobachtungen passen. Warum ihre Werte sind, wie sie sind, kann bisher niemand erklären, ohne auf ID oder irgendeine Variante des anthropischen Prinzips zurückzugreifen, zutiefst unbefriedigend. Solange nicht geklärt ist, dass es nicht-teleologische Gründe dafür gibt, warum ihre Werte so sind, wie sie sind, sehe ich nicht, warum sie nicht zu früheren Weltzeitaltern, z.B. während der Planckzeit, anders gewesen sein könnten.

Variable Lichtgeschwindigkeit fragt nicht, ob die Lichtgeschwindigkeit "heute" (aka die letzten paar Milliarden Jahre, seit dieses Zeitalter dauert) variabel auftritt, sondern ob sie möglicherweise zu früheren Zeitaltern oder außerhalb unseres Vergangenheitslichtkegels andere Werte hatte. Auch da gilt m.E., solange wir nicht wissen, warum der Wert so ist, können wir nicht wissen, ob er unter allen Umständen so sein muss.

Das einzige, was ich mir noch vorstellen kann, was du darüberhinausgehend wollen könntest, wäre eine Variabilität der mathematischen und logischen Grundlagen - aber wie soll man das auch nur formell beschreiben...?
das ist das oben schon angesprochene Problem^^ du übersetzt eine ontologische Fragestellung in fachwissenschaftliche Konzepte^^ diese Konzepte beantworten die Frage nicht, sondern erklären sie als unsinnig, was sie im Rahmen dieser Konzepte dann vermutlich auch ist. Die Frage bleibt trotzdem bestehen, solange diese Konzepte nicht in der Lage sind, das "warum?" zu beantworten.

Meinem Verständnis nach kann man gerade eine Veränderung immer nur gegenüber einem absoluten Bezugsrahmen formulieren
okay, das erklärt einen Teil der kommunikativen Schwierigkeiten. Mir kommt es gerade so vor, als seien die Gesetze für die Physiker, auch in ihrer flexiblen Formulierung, dieser absolute Bezugsrahmen, auch wenn sie das lieber Tensorinvarianz nennen^^

Traitor
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So 21. Jul 2013, 14:20 - Beitrag #24

Nach aktuellem Stand eher nicht Gesetze als Emergenz des Soseins, sondern genau andersherum (...plus Anfangsbedingungen). Die anderen Fragen kann man formell mit zyklischen Universen, Multiversen etc. beantworten, denen man dann aber auch wieder verallgemeinerte Formen dieser Fragen stellen kann. Will sagen: nicht naturwissenschaftlich beantwortbar, eher eine Frage der eleganten Formulierung des Axiomensystems. Nichtsdestotrotz eine spannende.

Die Kopplungskonstanten sind eben bereits im Standardmodell keine Konstanten, sondern energieabhängig. Eine Variation über "Weltzeitalter" hin ist also schon im Modell erfasst, nominell auch bis über die Planckgrenze hinaus; nur ist klar, dass die Variation dort (oder schon früher) wohl nicht dem extrapolierten, sondern einem allgemeineren Gesetz folgen wird, das noch gefunden werden muss.
Natürlich lassen sich aber auch diese "variablen Konstanten" auf eine Gesetzesform plus freie Parameter reduzieren, und letztere sind, wie von dir beschrieben, Beobachtungen entnommen. Und ja, das ist unbefriedigend und eine der Haupttriebfedern der Suche nach einer grundlegenderen Theorie. Aber nichts garantiert uns, dass diese wirklich grund-grundlegend sein wird, und nicht nur weniger, aber immer noch mehr als Null, freie Parameter enthalten wird. Es ist absolut vorstellbar, dass selbst eine hypothetische komplette Erfassung des gesamten Informationsgehalts der Existenz nicht ausreicht, um aus dieser Realisation die zugrundeliegenden Gesetze komplett zu rekonstruieren.

Variable Lichtgeschwindigkeit kann beides fragen, aber nur die Version, die sich auf unser beobachtbares Universum bezieht, ist physikalisch relevant. Du kannst jede Hypothese gegen Beobachtungen immuniseren und dann für unwiderlegt erklären. Und rein phänomenologische Parametrisierungen (wie "variable Lichtgeschwindigkeit" ohne weitere Hintergrundkonzepte) werden dadurch völlig sinnlos. Produktiver ist es, verallgemeinerte Theorien aufzustellen, die als einen Effekt variable Lichtgeschwindigkeit, meinetwegen auch unbeobachtbar, haben, aber dazu noch weitere, testbare.

Das einzige, was ich mir noch vorstellen kann, was du darüberhinausgehend wollen könntest, wäre eine Variabilität der mathematischen und logischen Grundlagen - aber wie soll man das auch nur formell beschreiben...?
das ist das oben schon angesprochene Problem^^ du übersetzt eine ontologische Fragestellung in fachwissenschaftliche Konzepte^^ diese Konzepte beantworten die Frage nicht, sondern erklären sie als unsinnig, was sie im Rahmen dieser Konzepte dann vermutlich auch ist. Die Frage bleibt trotzdem bestehen, solange diese Konzepte nicht in der Lage sind, das "warum?" zu beantworten.
Wo ist für dich bitte die Grenze von "fachwissenschaftlich"? Die Grundlagen von Mathematik und Logik sind ganz definitiv kein Teil der Physik mehr, sondern reine Philosophie. Da setzt deine Grundfrage nach "variablen Naturgesetzen" ja wohl schon auf sehr viel konkreteren "fachwissenschaftlichen Konzepten" auf.

okay, das erklärt einen Teil der kommunikativen Schwierigkeiten. Mir kommt es gerade so vor, als seien die Gesetze für die Physiker, auch in ihrer flexiblen Formulierung, dieser absolute Bezugsrahmen, auch wenn sie das lieber Tensorinvarianz nennen^^
Nur, dass in diesem Zusammenhang "die Gesetze" für "die Physiker" ein sehr umfangreicher Satz möglicher Gesetze sind, während du dich immer auf den einen, erkenntnistheoretisch beschränkten Satz, den wir derzeit haben, einschießt. Mit der mathematischen Sprache lassen sich sehr, sehr, sehr viel allgemeinere Gesetze finden, und zu jeder Frage, ob und womit etwas "variiert", lässt sich ein Metagesetz aufstellen, das diese Variation parametrisiert. Ansonsten wäre die Frage nach einer Variation doch völlig bezugslos.

Ipsissimus
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Mo 22. Jul 2013, 10:39 - Beitrag #25

eher nicht Gesetze als Emergenz des Soseins, sondern genau andersherum (...plus Anfangsbedingungen)
Also im Anfang waren die Gesetze und es gab Anfangsbedingungen, und auf Grundlage beider Prärequesiten begann die Raumzeit, sich auszubilden? Damit kann ich leben, aber nicht aufhören, zu fragen^^

aber das ist vielleicht das Problem, das Fragen^^ aus meiner Sicht münden derzeit alle Kosmologien in eine unendliche Rekursion. Lass uns die Frage Warum existiert überhaupt etwas? probeweise mit deus lo vult beantworten. Der Gläubige ist zufriedengestellt, der Ungläubige fragt: Wie macht er das? Wie sind Gottes Fähigkeiten technisch implementiert. Wenn wir das systematisch zu Ende fragen, kommen wir darauf, dass Gott seine Fähigkeiten von einem Metagott hat, der wiederum von einem Metametagott und so weiter und so weiter. Keine Begründung liefert uns je ein valides Abbruchkriterium.

Das gleiche ist aber auch der Fall bei wissenschaftlichen Kosmologien. Gerade die Fragen, die von Wissenschaftlern gerne als einer wissenschaftlichen Klärung nicht zugänglich deklariert werden, führen die Rekursion weiter, weil sie zeigen, dass die Abbruchbedingungen, die Wissenschaftler liefern, nicht valide sind. Klassische Urknalltheorie: plötzlich ist da eine Masse von der Größe eines Universums. Woher kommt sie? Kann wissenschaftlich nicht beantwortet werden. Das ist die gleiche Art von Verfügung, die der Gläubige mit seiner Antwort Gott gibt. Es beantwortet die Frage nicht. Fragen wir immer weiter, kommen wir letztlich dahin, dass bestimmte Eigenschaften des Systems nur von einem Metasystem aus zu klären sind. An dieses können wieder die gleichen Fragen gestellt werden, was auf ein Metametasystem führt und immer so weiter.

Meine Frage ist letztlich die: werden wir eine Erklärung finden / können wir überhaupt realistisch auf eine Erklärung hoffen / gibt es überhaupt eine Erklärung, die ein valides Abbruchkriterium der Rekursion beinhaltet, also erklärungsmächtig ist und nicht nur auf den nächsten Durchgang der Schleife verweist?

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Mo 22. Jul 2013, 11:26 - Beitrag #26

Ipsi, nach meinem Verständnis war die Masse des Universums in Gestalt der Energie der Singularität vor dem Knall vorhanden. Was davor war, da kommen wir wohl nicht dran.
Eine Lösung für das Rekursionsproblem könnte sein, daß die Naturgesetze vielleicht mit den Zustandsstufen der Materie entstanden sind, also emergente Eigenschaften.

Ipsissimus
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Mo 22. Jul 2013, 12:11 - Beitrag #27

Was davor war, da kommen wir wohl nicht dran.
Das mag sein, aber die Frage bleibt damit offen und schmerzt beständig^^ Und eines können wir sagen: Wenn es so ist - wenn die Masse in welcher Form auch immer woanders war - dann ist das Universum keine vollständige Beschreibung von Existenz, dann gibt es ein darüber hinaus. Ein darüber hinaus, das zur Erklärung des darinnen unerlässlich ist.

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Mo 22. Jul 2013, 21:05 - Beitrag #28

Vor einem darüber hinaus denke ich erstmal an ein davor, ein vorheriges Universum könnte in der Singularität in Form von Energie komprimiert gewesen sein, die dann beim Urknall freigesetzt und zu Materie umgesetzt worden ist.

Traitor
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Di 23. Jul 2013, 10:08 - Beitrag #29

Zitat von Ipsissimus:Damit kann ich leben, aber nicht aufhören, zu fragen^^
Genau die richtige Einstellung.
Meine Frage ist letztlich die: werden wir eine Erklärung finden / können wir überhaupt realistisch auf eine Erklärung hoffen / gibt es überhaupt eine Erklärung, die ein valides Abbruchkriterium der Rekursion beinhaltet, also erklärungsmächtig ist und nicht nur auf den nächsten Durchgang der Schleife verweist?
Aus allgemeiner wissenschaftlicher Sicht: man weiß es nicht. Meine persönliche, pessimistische Vermutung: nein, wir werden niemals den logischen Schluss der Kette finden. Denn vorher werden uns erkenntnistheoretische Abbruchkriterien aufgezwungen. Entweder nichtprinzipiell, technologisch-energetische Beschränkungen unserer Beobachtungsmethoden, oder eine prinzipielle Schranke des Informationsgehalts unseres Universums (...oder seiner theoretisch auch beobachtbaren Verallgemeinerungen), der wie gesagt die ihm zu Grunde liegenden Gesetze unterdeterminiert lassen könnte.

@Jan: Ich denke, Ipsissimus ist hier gerade weit über spezielle Fragen wie das "vor dem Urknall" hinaus, die ist nur ein Sonderfall all der denkbaren Erweiterungen unseres beobachtbaren Universums. Aber das "vor" ist eben auch schon eine Frage, die eine Erweiterung der Theorien voraussetzt, im (kosmologischen) Standardmodell gibt es kein "davor". Wohl aber in Turoks ekpyrotischen Universum, Penroses zyklischem Universum, den Multiversen von String- oder Looptheorie... Die spannendste Frage ist, ob manche davon überprüfbare Vorhersagen für die Beobachtungsdaten "danach" machen.

Ipsissimus
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Di 23. Jul 2013, 10:49 - Beitrag #30

Jan, das wäre ein einzelner Zyklus eines zyklischen Universums, was selbstverständlich eine bedenkenswerte Möglichkeit ist (wobei der Durchgang durch eine Singularität im Rahmen zyklischer Universen nur eine der diskutierten Möglichkeiten ist; Penroses Modell z.B. kommt ohne Kompression aus). Die Frage, die in die Rekursion mündet und zum darüber hinaus führt, lautet dann: Warum existiert überhaupt etwas?

Meine persönliche, pessimistische Vermutung ...
die ich zu teilen beginne^^ zähneknirschend^^

Traitor
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Di 23. Jul 2013, 11:21 - Beitrag #31

Mit zyklischen Modellen kenne ich mich nicht sehr gut aus. Ich vermute aber, dass es bei fast allen sogar Hauptmotivation ist, die Singularität ganz zu vermeiden. Entweder gibt es einen Zusammensturz auf einen urknallähnlichen, aber noch knapp endlichen Zustand, der dann durch eine neue, abstoßende Kraft "zurückschnellt" (--> Inflation oder Ersatz dafür, quasi-Urknall), oder End- und Anfangszustand werden direkt gleichgesetzt, ohne überhaupt Kompression zu brauchen, siehe Penrose (und unten). Wenn es ernstgemeinte zyklische Modelle gibt, die einen echten Singularitätendurchgang brauchen, dann blicken die andere Zykliker vermutlich auf sie als unelegant und halbgar herab. ;)

Von Penrose habe ich übrigens vor zwei Wochen einen netten Vortrag (schön altmodisch mit bemalten Folien) zum Thema gehört, der zwar zeitrahmenbedingt nicht sehr in die Tiefe ging. Aber verkaufen kann er sein Modell schon.

Ipsissimus
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Di 23. Jul 2013, 11:30 - Beitrag #32

Smolins evolutionäres Universum ist zwar nicht exakt zyklisch, nur so ähnlich^^ aber die Neuentstehung jedes Tochteruniversums benötigt einen Durchgang durch die Singularität eines Schwarzen Lochs.

Penrose beschreibt sein zyklisches Modell in seinem Buch "Zyklen der Zeit" sehr detailliert. Sehr empfehlenswert, aber für Nichtphysiker von grenzwertigem Schwierigkeitsgrad.

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