SPIEGEL ONLINE: Herr Professor Roth, von Hirnforschern sind wir gewohnt, dass sie von kleinen und konkreten Dingen sprechen, von Genen und Hormonen zum Beispiel. Sie haben jetzt einen großen und eher diffusen Begriff hervorgeholt, den der "Seele". Warum?
Roth: Die Seele muss nicht immer etwas Religiöses sein. Alles, was wir empfinden, das ganze Sammelsurium von Gedanken, Wahrnehmungen und Vorstellungen, nenne ich "Seele". Sie umfasst sehr viel mehr als der "Geist". Nicht nur kognitive Vorgänge, sondern unsere gesamte Erlebnis- und Gefühlswelt. Das ist übrigens auch, was große Philosophen wie Descartes oder Kant unter der Seele verstanden haben. Natürlich hat der Titel "Wie das Gehirn die Seele macht" eine gewisse Ironie, weil es in der Philosophie über 2000 Jahre lang die Frage gab, wo die Seele sitzt.
SPIEGEL ONLINE: Und Sie haben die Seele endlich aufgespürt?
Roth: Na ja, schon Platon hat vermutet, dass die Seele im Gehirn sitzt. Aber man hat damals etwas Mystisches darunter verstanden. Erst seit etwa 50 Jahren ist klar, dass die seelischen Funktionen mit Mechanismen und Zentren im Gehirn zu tun haben.
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