Mercedes Benz F400 Carving

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Marc Effendi
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Mi 31. Jul 2002, 17:10 - Beitrag #1

Mercedes Benz F400 Carving

Habe heute diesen Bericht gefunden:

F 400 Carving
Tief greifende Radhaus-Reform

Daimler-Chrysler experimentiert mit dem Versuchsträger F 400 Carving an Fahrwerks- und Reifentechnologien der Zukunft


Wenn es die Absicht wäre, dass ein Fahrzeug schon beim bloßen Anschauen Freude bereitet, dann hätte der F 400 Carving von Daimler-Chrysler sein Ziel voll erreicht. Bei einer Vollbremsung stellt er alle vier Räder nach außen und wirkt wie ein störrischer Cockerspanielwelpe, der sich gegen die Leine seines Herrchens stemmt! Wer bei diesem Anblick nicht wenigstens schmunzelt, der muss ein rechter Griesgram sein.

Aber die Ingenieure haben dieses Fahrwerk mit aktiver Sturzverstellung nicht konstruiert, um ihre Mitmenschen zu belustigen, sondern um eine denkbare Technik der Zukunft zu modellieren: Der Bremsweg aus Tempo 100 beispielsweise verkürzt sich damit um glatt fünf Meter. Das ist längst nicht der einzige Vorteil dieses Versuchsfahrzeugs, an dessen eigenwilliger Gestalt sich die Nachwuchsdesigner mal so richtig austoben durften. Im vergangen Jahr mehrfach ausgestellt, wurde der völlig offene Zweisitzer jetzt in fahrbarem Zustand präsentiert.

Das elektronisch geregelte Fahrwerk ermöglicht einen stufenlos variablen Sturz bis zu zwanzig Prozent. Der bringt nicht nur beim Bremsen Vorteile, sondern vor allem auch in der Kurve, wenn sich die äußeren Räder schräg gegen die Fahrbahn abstützen und damit die Bodenhaftung nicht nur sicht-, sondern auch messbar verbessern. Bis zu dreißig Prozent mehr Seitenführungskraft und fünfzehn Prozent mehr Längsführung wurden mit dem F 400 Carving gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen seiner Größenordnung gemessen. Zu Deutsch: Das Auto fliegt - wenn überhaupt - sehr viel später aus der Kurve.

Die beweglichen Radträger, die mit viel Elektronik und der tatkräftigen Hilfe einer Hydraulikpumpe mit einem Druck bis zu 200 bar arbeiten, sind nur ein Faktor des neuartigen Fahrwerks. Der andere besteht aus dem in Zusammenarbeit mit Pirelli völlig umgekrempelten Rad-Reifen-Systems. Die Felgen sind außen mit 19 Zoll deutlich größer als an der 17-Zoll-Innenseite. Sie gleichen damit den wechselnden Sturzwinkel ebenso aus, wie dies die eigens entwickelten Reifen tun. Sie haben nicht nur ein asymmetrisches Profil, sondern auch unterschiedliche Gummimischungen.

ußen zeigt die Reifenschulter übliches Pkw-Profil in harter Mischung für guten Geradeauslauf, Geräuschkomfort und Langlebigkeit. Geht es in die Kurve und werden die äußeren Räder ausgestellt, kommen die Innenschultern mit der Fahrbahn in Berührung. Sie verfügen über eine kurvengierige gekrümmte Lauffläche mit weicherer Gummimischung, um die Haftung zu erhöhen. Weil die inneren Seiten nur bei Richtungsänderungen und Vollbremsungen Bodenkontakt haben, fällt der höhere Verschleiß nicht ins Gewicht.

Sollte dieses System aus Fahrwerk, Rädern und Reifen mit verstellbarem Sturz jemals in Serie gehen, könnte dies das Ende von Sommer- und Winterreifen bedeuten. Per Knopfdruck würde der Fahrer dann den Sturz bei Schnee auf der Straße so verstellen, dass er nur auf der wintertauglichen Mischung der Innenschultern fährt. Ist die Fahrbahn wieder trocken, geht es auf dem äußeren harten Profil weiter. Auch Aquaplaning könnte an Schrecken verlieren, da schon eine Sturzverstellung von fünf Grad die Gefahr des Aufschwimmens deutlich verringert.

Die Ingenieure der Forschung und Vorentwicklung bei Daimler-Chrysler haben beim F 400 Carving keine halbe Sache gemacht und den Versuchsträger auch sonst mit reichlich zukunftsträchtiger Technik ausgestattet. Das beginnt bei einem Space-Frame, der mit Kohlefaser beplankt ist, und hört bei der Beleuchtung mit Glasfaser-Lichtleitern noch lange nicht auf. Am Lenkrad können die stufen des Sechsgang-Automatikgetriebes via Handwippen geschaltet werden, die ihre Befehle ebenso über elektrische Leitungen geben wie die Lenkung und das Bremspedal. Der Fachterminus hierfür lautet By-wire- Systeme. Zwar muss der Fahrer noch selbst ins Lenkrad greifen, aber seine Absichten verarbeitet die Elektronik mit Hilfe des Bosch-ESP Stufe III+x, das bei Schleudergefahr die Räder des F 400 gezielt in die Schräge dirigiert, um die Stabilität wieder herzustellen. Auch sieht es einen automatischen Lenkeingriff vor, um das Fahrzeug in der Spur zu halten.

Bis jetzt gibt es nur diesen einen fahrfertigen Prototypen. Umso erstaunlicher, dass die Daimler- Chrysler-Leute anlässlich einer Fahrvorstellung nach einigen eindrucksvollen Vorführungen sogar Vertreter der Presse ans Lenkrad dieses Unikats von unschätzbarem Wert ließen.

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