Winterseelen

Gemeinsam Welten und Figuren erfinden - Fortsetzungsgeschichten zum Mitschreiben.
Amy
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Mi 19. Jan 2005, 15:00 - Beitrag #41

Nachdem Ghost zurückgekehrt war und es mittlerweile bereits so dunkel war, dass man nur noch unscharfe Umrisse erkannte, entschiedenen sie sich, sich aufzuteilen und in dem Haus nach brennbaren Sachen zu suchen.
"Das Obergeschoß ist schon etwas zerbröckelt.. Jo, du bist die leichteste von uns, du suchst oben. Adrian, du im Keller und ich such auf dem Erdgeschoß alles ab." Sie nickte, sah Adrian aus dem Augenwinkel nach, als er die Treppe zum Keller hinabstieg und fühlte Schmerz. Es war das geschehen, was sie nicht wollte..
Sie trennten sich.

Joanne schlich über den Boden, auf die Treppe zu und sah zu einem Loch hinauf, durch welches leise Schnee rieselte. Ihre rechte Hand streckte sich aus, griff nach einer Schneeflocke und hielt ihn fest. Als sie die Hand öffnete, war nur noch ein Tropfen kaltes Wasser übrig. So vergänglich war wohl auch das Leben..
Sie ging die Treppe hinauf, wo mehrere Stufen bereits fehlten. Doch sie schaffte es, sich so lange zu strecken, dass sie die nächste Stufe erreichte und zog sich hoch.
Oben angekommen, herrschte Stille. Nur ihre leise Schritte, die in manche kleinen Schneepfützen stieg. Ihr Atem glitt wie Rauch aus ihrem Mund. Sie fror. Kalte Winter würden auf sie zukommen. Sie müssten unbedingt Kleidung finden, die sie mitnehmen konnten, sonst würden sie irgendwann erfrieren, im Schlaf. Leiser, stiller Tod. In den Armen von Adrian.
Sie betrat ein vollkommen leeres Zimmer, lediglich auf dem Boden lagen tote erfrorene Ratten und einige Mäntel und Stricke. Sie ging in die Hocke, nahm einen roten Mantel und zog den alten aus. Zu lange hatte sie darauf gewartet, den alten Mantel loszukriegen, da er fürchterlich nach Erbrochenen, Krankheit und Tod roch. Das Kleidungsstück war warm. Sie schlang ihre Arme um den Leib und blickte auf ihren alten Mantel. Wenige Erinerungen hingen an ihm. Ein Bild vor ihrem geistigen Augen: Die Männer und sie in diesem Raum. Die Männer, von denen sie nicht wusste, ob sie noch am Leben waren oder bereits vernichtet worden waren. Sie stupste den Mantel mit der Fußspitze an, um zu sehen, ob noch irgendetwas in den Tasche war. Doch da war nichts. Ihre einzige Waffe hatte sie verloren. Sie musste wohl im Krankenhaus aus der Tasche gefallen sein oder auf dem Weg dorthin. Vielleicht hatte sie sie auch einfach nur selbst verlegt..
Überprüfend sah sie sich noch einmal im Zimmer um und blickte auf die Wände. Schmutz haftete an ihn, Schmutz und altes Blut. Mit einem unguten Gefühl drehte sie sich um und verließ das Zimmer. Als sie auf die anderen Türen blickte, nachdachte, welches Zimmer sie zu erst durchsuchen sollte, wurde sie von einem leisen Geräusch abgelenkt. Ein Geräusch so leise wie das Knabbern einer Ratte in der Kanalisation.
Ein Geräusch. In dem Zimmer gegenüber. Als sie leiser atmete, um zu lauschen, war ihr klar, dass es kein Engel war. Denn Engel verursachten keine Geräusche, wenn sie töten wollten. Sie waren Katzen gleich, die sich an ihre ahnungslosen Opfer anschlichen und sie im Hinterhalt angriffen und ihnen das Genick brach. "Hallo?" Ein Knarren aus dem Zimmer. Vorsichtig näherte sie sich dem Raum, die Tür war verschlossen, hielt jedoch noch einmal inne. Stand stumm vor der Tür und dachte nach, ob sie den anderen schreien sollte. Ob sie um Hilfe bitten sollte. Nein. Du schaffst das auch alleine. Worte von denen sie nicht wusste, ob sie nun wahr waren oder nur Mutmacher. Ein tiefes Einatmen und ihre Hand glitt zum Türgriff, öffnete sie. Da sah sie ihn..

Am anderen Ende des Zimmers saß auf dem Boden ein Mann, an die Wand lehnend. Mit dem tödlichen Schlaf kämpfend. Er musste Soldat sein, so sah jedenfalls seine Kleidung aus. Vielleicht hatte er sie aber auch nur gestohlen.
Als er sie sah, zielte er mit seiner Waffe auf sie. Seine Hand zitterte. An seinem Arm eine klaffende Wunde, es sah aus, als hätte man ihm fast den Arm abgerissen. Sie hob die Hände als Geste des Friedens und ihr dunkles Haar fiel ihr von den Schultern.
"Ich tu ihnen nichts. Wirklich."
"Hau ab!" Seine Stimme war tief, laut und auf eine Art böse. Doch sie wusste, dass er nicht auf sie böse war. Sondern auf die Schmerzen, die er hatte. Hier hochgekrochen, verletzt, um zu sterben. Sie sah es bildlich vor sich.
"Ich will Ihnen doch nur helfen."
"Ich brauch keine Hilfe. Verschwinde. Hau ab. Verlass dieses Haus."
Sein Haus. Es war, als wüsste sie plötzlich alles über ihn. Es war sein Haus. Er hatte hier gelebt, war verletzt geworden und wollte in einer vertrauten Gegend dem Tod in die Arme fallen. Und nun störte sie ihn dabei..
"Die Wunde kann man heilen.", flüsterte sie, nicht überzeugt davon, was sie sagte. Er sah sie an. Einen Augenblick lang hoffend, ein Schimmer in seinen Augen, der wohl fragte: Wirklich?
Sie spürte die Spannung in der Luft. Denn er konnte sie jederzeit töten, ihr unzählige Kugeln in den Leib schießen, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch er dachte wohl auch, dass sie bewaffnet war. Denn er schoss nicht.
Schnee fiel zwischen ihnen zu Boden. Dann schnaubte er und richtete seine Waffe erneut auf sie.
"Ich will nicht, dass man sie heilt. Hast du nicht gehört? Ich brauche deine Hilfe nicht!"
"Aber..." Sie ging einen Schritt auf ihn zu, ignorierte die Waffe. Sollte er sie doch töten, wenn er wollte. Irgendwann würde sie sowieso sterben.
"Ich kann ihnen helfen." In der Mitte des Zimmers blieb sie stehen und sah ihn ernst an.
"Verschwinde.." Seine Stimme war leiser geworden, die Waffe zog er etwas zurück. Hoffnung. Vielleicht wollte er sich doch helfen lassen..
Sie öffnete die Lippen, einen Spalt, atmete wieder in dieser Kälte aus und wollte etwas sagen. Doch er blickte sie nur mitleidig an, war es satt, zu leiden, war es satt, dass man ihm half. Das Haus war zerstört. Sein Haus. Die Menschen, die hier noch gewohnt hatten. Alle tot. Was nützte das Leben noch? Er schloss die Augen, führte den Lauf der Waffe in seinen Mund und sah sie noch ein letztes Mal an, bevor er abdrückte und sich das Leben nahm.

Joanne spürte, wie das warme Blut des Soldaten auf ihre Wangen spritzte, ihre Finger befleckte. Sie schaffte es nicht einmal, zu schreien. Weder vor Entsetzten und Schock, noch um den anderen zu schreien.
Sie sank einfach auf die Knie, legte sich seitlich auf den Boden und sah auf den Leichnam des Mannes. Die Hände auf den Mund gepresst und immer wieder die Frage in ihrem Kopf: Warum?
Warum nur? Ein Aufschluchzen, aber keine Tränen. Man hätte ihm doch helfen können. War diese Welt denn schon absolut verloren? Ergab es noch einen Sinn, die Engel zu bekämpfen, wo der Kampf doch so gut wie verloren war?
Der Schnee färbte sich rot.
Und Joanne wurde auf einmal so vieles klar..
Ich werde nie wieder vor euch davon rennen! Hört ihr mich? Ich werde so viele von euch auslöschen, wie ich kann. Ich bin nun euer Feind.
Ihre Hände wanderten vom Mund zu den Augen. Sie ertrug den Anblick des Soldaten nicht mehr und sie schaffte es nicht, sich umzudrehen. Drückte einfach die Hände auf die Augen und verfluchte im Stillen die Engel..

Das Leben, einer Eintagsfliege gleich. Denn sie lebt und denkt an Morgen, macht Pläne, ohne zu wissen, dass der Morgen für sie der Tod bedeuten wird. Ohne zu wissen, dass ihr nur ein Tag vergönnt ist.
Und der Tod ist unser ständiger Begleiter. Gibt Acht, dass wir nicht alleine losziehen. Gibt Acht, dass wir nicht zu lange leben.
Du hast es endlich verstanden.

Chennyboy
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Mi 19. Jan 2005, 20:06 - Beitrag #42

Ich durfte ja "meinen Schreibgriffel freien Lauf lassen..." :D

"Was war das? Ein Hinterhalt?"
Das Herz, die Angst, die Wut.
So ein verdammter Mist, er rannte die Treppen hoch, woher sollte man wissen, dass es in diesem völlig zerfallenen Haus noch jemand mit einem wärmeisolierenden Anzug herumlief. Es war nicht vorzustellen,
woher…
Er seufzte, und stoppte.
Es hat keinen Sinn mehr, da ihre Wärmeanzeige drastisch gegen Null abgesunken war.
Die Bewegungen Adrians, als dieser an ihm vorbeilief.
"Halt! Du hast nicht einmal eine Waffe bei dir! Hal…"
Die Zielerfassung ruhte auf dessen Rücken, sodass Adrian gezwungen wurde, anzuhalten.

-Abschnittswechsel-

Ein Schuss, gab es hier etwa noch andere?
Soldat Smith versuchte, schneller zu laufen. In den Händen die Medikamente, die er für seinen verletzten Kameraden aus dem Krankenhaus geholt hatte.
Er nahm das Funkgerät heraus.
"Unterleutnant Johnson, können sie mich hören? Unterleutnant, was ist passiert?“
Er steckte es wieder ein, denn es gab keine Antwort.
Die Tür stand offen, es musste jemand hier sein, als er weg war. Wer zum Teufel hatte sich dort aufhalten gewollt?
Er lud die äußerst schwere Waffe zur Sicherheit nochmals auf. Er wusste nicht mal, wie die Waffe funktionierte! Ha, er hatte dies nur neben einem toten Wissenschaftler in der Nähe des Forschungszentrums gefunden, und damit sollte er jetzt kämpfen?

Er hob das Gewehr. Vor ihm stand ein Ghost, davor ein anderer Mensch, sie hatten Johnson getötet!

Hass stieg in ihm auf, und er biss sich die Zähne zusammen. Wer auch immer vor ihm stand, was auch immer das für ein Gewehr war, er musste Rache für seinen toten Kamerad nehmen.

Amy
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Mo 7. Feb 2005, 12:45 - Beitrag #43

Joanne starrte zur Decke hoch, wo keine Decke mehr war. Nur der schwarze Himmel. Sie hörte Stimmen, schwere Schritte und kurz Ghost Stimme, der ihren Namen rief, dann wieder Stille. Keuchender schwerer Atem. Von einem Fremden. Sie drehte den Kopf nach links, sah nichts. Richtete sich auf, stöhnte auf, wischte sich das Blut von der Wange und sah noch zu dem Toten. Es tut mir Leid.. Stumme Worte auf ihren Lippen, niemand sollte sie hören.
Leise stand sie auf, klopfte sich den Schnee vom Mantel und schreckte zusammen, als die Stimmen vor dem Zimmer lauter wurden, zorniger. Ein Schuss.
Joannes Schrei, als hätte dieser Schuß jemanden das Leben genommen, den sie liebte. Ihre Füße rannten. Ihre Augen sahen Ghost mit einem Gewehr. Nicht seines. Ein angeschoßener Mann an der Mauer lehnend, fluchend. Dem Tod ins Auge blickend. Er wusste, dass er von den gleichen Menschen getötet werden würde, wie Johnson. Und dieser Gedanke war abstoßend!
"Ihr miesen Arschlöcher...", stieß er hinter den Zähnen hervor. Seine rechte Hand drückte er auf die Wunde. Blut.

Ceyx
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Di 8. Feb 2005, 13:08 - Beitrag #44

Der Mann ist aus dem nichts aufgetaucht. Er hat geschrien, wütende Worte in einer Welt, die langsam zu Eis gefriert. Er hat gedroht. Doch keines dieser Worte erreichte das Bewusstsein des Mannes, der nicht weiss, ob er Adrian heisst.
Der Ghost hat sich umgedreht, keine Reaktion und kein Denken, nur das kalte Handeln einer Maschine, und hat die Gefahr eingeschätzt, wahrscheinlich in langen Zahlenreihen und hat geschossen. Hätte er gewollt, hätte er dem Mann eine Kugel in den Kopf gejagt.
Und dann hat sich Adrian endlich umgedreht, der Gewissheit ins Auge sehend, dass er schon lange tot gewesen wäre, wäre da nicht ein Geist gewesen, der schwebend wachend geschossen hat.

Sein Herz klopft in der Disrythmie seines Blutes, das kostbar rot glänzend unter seiner Haut pumpt.

"Ihr miesen Arschlöcher..." ein Flüstern, voller Wut und voller Bitterkeit, wie bittere Galle, die der Mann zu Boden spuckt, wo es sich mit seinem eigenen Blut vermischt. "Ihr habt ihn getötet. Ich werde euch..." Die Stimme erstirbt, in einem langen, blutspuckenden Husten untergehend. Der Geist macht einen Schritt nach vorne, senkt scheinbar die Waffe auf die Seite, ohne jedoch die drohende Haltung zu verlieren.
"Wir haben niemanden getötet." Das, generell gesehen, war eine dreckige Lüge. Adrian hat bis jetzt nicht gewusst, dass der Ghost lügen kann. In diesem Moment tritt eine vierte Gestalt in das Zimmer.
Jo.
Voller Blut, über und über ihr blasses Gesicht, wie Schnee, der den roten Lebenssaft in sich aufsaugt und vergessen macht.
Der Sterbende, mit der Schusswunde an der Seite, starrt sie an und will sich aufbäumen, sicher, das Blut seines Kameraden auf ihren Lippen zu sehen und in ihr den Henker des Soldaten wahrzunehmen. Sein letzter Fehler. Noch bevor er die Waffe hochreissen kann, reagiert der Ghost, drückt nur einmal ab und die Kugel, die von anfang dafür bestimmt war, durchbricht die Schädeldecke des Mannes und stanzt ein Loch in die alte Wand hinter ihm, übelkeiterregende Stückchen Leben im Flug mit sich tragend, die rotfleckend an der Wand kleben bleiben. Ein Schuss, wie ein Schrei, dann Stille, wie Schwere.
Adrian lehnt sich an die Wand hinter sich und versucht nicht die Leiche anzustarren, dreht sich um, sieht durch den Gang, in den Raum, aus dem Amy gekommen ist, nur um den Todesbruder des Gefallen zu sehen, ohne Kopf jedoch, oder nur mit den Überresten desselben, die über und über diese Welt in ein Schlachfest verwandeln.

"Menschen töten Menschen..." er flüstert und weiss nicht zu wem. "Menschen töten Menschen...Menschen töten sich selber...sie sterben..."

Amy
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Mi 9. Feb 2005, 10:19 - Beitrag #45

Sie bestatteten die zwei Soldaten auf einem kahlen Hügel, man konnte
nichts mehr für sie tun, nicht einmal, wenn einem die besten
Medikamente zur Verfügung stünden, mutige Kämpfer.
Kalter Wind zischte, und es schneite immer noch, als verstünde die
Natur, dass es keinen zweiten Winter geben wird.
Ghost prüfte die Waffe des toten Soldaten. AK-93, laut Inschrift. Da
diese noch voll geladen war und anscheinend gegenüber dem C-10 von
Durchschlagskraft her stark verbessert worden war, hob er es für sich
auf, denn bald wird es richtig rundgehen.

Er schaute um, zu Jo, zu Adrian.
„Es ist halt so im Krieg, man tötet Menschen, die wahrscheinlich nette
Freunde sein können, oder wahrscheinlich Verwandte. Trauern nützt
nichts, denn es wird so weitergehen. Das Einzige, was wir tun können,
ist dafür zu sorgen, dass all diese Soldaten nicht umsonst gestorben
sind.“

„Wir sollten uns in Richtung der Militärstützpunkte in den inneren
Städten bewegen, um mehr Informationen bezüglich dem Aufenthaltsort von
dem Bruder Jo’s herauszufinden.
Die Datencomputer dort müssen bestimmte Einträge von ihm aufweisen, wenn
er in dem Brief schon erwähnt, dass er neuerdings umgezogen ist.
Regnum wird wohl die besten Männer, wenn nicht die anderen Ghosts
dorthin schicken, um unsere Sabotage zu verhindern.“
Das wird ein weiterer schwerer Schlag für sie sein. Von unseren Taten
wird sich Regnum wohl nicht mehr erholen können.“

Stimmt’s? Ihr Engeln?

Amy
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So 13. Feb 2005, 14:08 - Beitrag #46

"Können wir zu erst etwas schlafen?" Joanne sah auf. Blickte Ghost mit erschöpften Augen an. Er stimmte zu.

Sie betraten das Haus erneut, mit einem anderen Gefühl. Auf einmal wirkte es nicht mehr fremd und angsteinflössend. Der Schnee bedeckte die Blutpfützen. Nichts erinnerte mehr daran, dass Menschen hier gestorben waren. Nur die Stille, die schwieg und nichts aussprach. Alles für sich behielt. Sie gingen in eine Ecke des Untergeschoßes, setzten sich auf den Boden und versuchten, etwas Schlaf zu finden. Joanne saß mit angezogenen Füßen an der Wand, dachte nach. Über alles. Die ganze Welt. Wenn man ihr vor Jahren gesagt hätte, dass das alles so kommen würde, hätte sie gelacht. Und nun. Kein Lachen mehr. Sie dachte auch an ihren Bruder. Wie sie eines Abends aufgestanden war und er angezogen in einer Wanne mit eiskaltem Wasser geseßen war. Wieso er das getan hatte, wusste sie immer noch nicht. Aber der Anblick. Diese gekrümmte Gestalt. Zitternd, mit blauen Lippen. Tränen in den Augen. Und dann sah sie zu Adrian. Er saß etwas entfernt von ihr. Die Augen geschlossen, obwohl sie wusste, dass er nicht schlief. Sie stand auf, schlich über den feuchten schneebedeckten Boden und ließ sich neben ihm nieder. Ihre Arme umschlangen ihn. Wärme Sie wusste, dass er auch über den heutigen Vorfall nachdachte.. An diese beiden verlorenen Männer.
Sie wollte irgendetwas sagen. Doch wieso die Stille unterbrechen? Sie atmete ruhig aus, legte ihren Kopf auf seine Brust und blickte auf den Schnee. Friedliche Stille. "Wir sollten schlafen.."

Ceyx
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Di 22. Feb 2005, 21:06 - Beitrag #47

Schlafen.
Schlafen.
Ich habe seit tausend Jahren nicht geschlafen, träumst du um zu schlafen oder schläfst du um zu träumen?
Adrian sieht in ihre Augen und sieht den Schnee endlos fallen, eine Decke, ein Vorhang und er sieht die Welt bedeckt in dem feinen Schnee, der auf dem Wind tanzend zu Leben wird und er hat eine Vision, wie tausend Blutstropfen zu Boden fallen und die Wärme sich mit der Kälte vermischt, bevor alles Leben erlischt.
Alles Leben erlischt...
Seine Stimme?
Ihre Stimme?
Keine Stimme?
"Jo...?"
Sie blickt ihn an und er sieht wohlige Wärme. Ein Leuchten umgibt ihre Augen und er sieht, wie der Schatten, der sich um ihre Schultern legte, zu schwärze-ziehenden Flügeln werden und er sieht, wie sie auf ihn zugeht und der zarte Schauer von Sorge sich um ihr Gesicht legt, kurz bevor der Schnee zu weissen Strichen wird und die Welt sich dreht, wie sterbende Körper zur Schwerkraft verdammt und seine Augen sich schliessen und bevor er sich fragen kann, warum er sein Bewusstsein verloren hat, zerfliessen seine Gedanken in einem Fall aus Kälte.


Der Priester II
Er sass da und starrte von seinem Stuhl aus in die heranbrechende Nacht und seine Hand, die bis an zitternd zweifelnd den kalten Bleistift geführt hat, hält inne.
Sie sind da...
...so nah waren sie bis an noch nie...
...und dies bedeutete nur eines...

Sein Blick glitt hinunter und er sah auf die Worte, die seine Gedanken geschrieben hatten.
Überleben...

Unsicherheit. Was Menscheit erleidet.
Mein Friend, ich schwöre, dies wurd noch nie geschrieben, nicht von mir.
Alleine sind wir nicht, doch allein gelassen.
Durst, Hunger, nur nach einem anderen Moment.

Für was ist dieser Glaube denn von Nutzen,
wenn da nichts ist, woran man noch glauben könnte?

Für was ist diese Welt denn von Nutzen,
wenn da nichts ist, was man bewundern könnte...

Menschheit...
Menschheit...
Unsicherheit.


Der Priester stand auf, die warme Berührung der Sonne auf seinem Gesicht spürend. Den blutigen Kreis am Horizont versinken sehend, wohl wissend, dass trotz all der Liebe, die er der sterbenden Sonne schenkte, sie ihn doch alleine lassen würde.
Was könnte er tun, um diesen Moment Ewigkeit zu machen?

Amy
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Sa 12. Mär 2005, 21:22 - Beitrag #48

Schwere erdrückende Finsternis.
Kein Mond am Himmel. Kein Stern zu sehen. Ausgestorben? Vielleicht.
Kein Wort in der Luft, kein Gefühl.
Alles tot. Alles weg. Nur ein kalter Wind, der den Schnee hochwirbelt und ihm zum Tanz einlädt.

Er saß auf einem Dach, die Füße angezogen und starrte ins Nichts. Als würde er sich erhoffen, aus dem Nichts würde ein Etwas werden. Doch der Schnee blieb Schnee. Und er blieb er.
"Sie werden schon kommen.", stöhnte er und unterbrach die Stille.
"Ich hoffe es für dich." Der Engel tauchte neben ihm auf. "Wir haben nicht mehr viel Zeit."
"Zeit für was?" Adrian sah auf. Adrian, Joannes Bruder. Sein schwarzes wildes Haar hing ihm wie immer ins Gesicht. Verdeckte die dunklen Augen fast. Der Engel sah auf ihn herab und lächelte: "Das wirst du schon noch erfahren. So lange wir das Buch und den Schlüssel bekommen.. Du warst der Hüter und hast deine Aufgabe nicht erfüllen können. Zu unserem Glück." Adrian runzelte die Stirn und öffnete den Mund. Noch bevor er reden konnte, hatte der Engel die Hand gehoben und winkte flüchtig. Im nächsten Moment hatte er sich auch schon von dem Häuserdach geworfen und ließ sich von seinen Flügeln treiben.
Adrian sah ihm nach, spielte mit einem kleinem Stein und kaute auf seiner Unterlippe herum. Du warst der Hüter und hast deine Aufgabe nicht erfüllen können Er dachte, er fühlte Schmerz, aber es war nur Einbildung. Kein Gefühl. Er erhob sich, langsam und geschmeidig. Stand auf dem Dach, kämpfte nicht mit dem Gleichgewicht. Der Schnee hatte seit einigen Augenblicken ausgesetzt. Nur noch der kalte Wind. Der kalte Wind, der ihm durch sein Haar strich, durch seine Flügel, für die er seine Aufgabe nicht erfüllt hatte. Nur um sie zu erhalten. Nur um so zu sein wie sie. Strahlend. Anbetungswürdig. Ein Gott. Als er zum Himmel hochsah bereute er es einen kurzen Augenblick, verwarf den Gedanken dann aber, weil er damals nicht egoistisch gehandelt hatte: Immerhin hatte seine Schwester auch einen Vorteil durch den Pakt erhalten, obwohl der Nachteil immer mehr und mehr wuchs..


"Adrian!" Joanne hielt seinen Kopf in den Händen, strich ihm mit den kalten Fingern über die Wange. Sie spürte Kälte. Kälte von dem Mann, den sie zu lieben glaubte. Bei dem sie sich sicher fühlte. Ist es wegen mir? Habe ich ihm das angetan? Wäre das nie passiert, wenn ich mich damals von der Truppe gelöst hätte und ihn getroffen hätte.. Wäre es nie passiert, wenn er anderen in die Arme gelaufen wäre..? Er stöhnte, rührte sich aber nicht. Hinter ihr tauchte Ghost auf. "Was ist mit ihm?" Sie sah zu Ghost, konnte die Tränen nicht verstecken, auch wenn sie sich dafür schämte. "Habe ich ihm etwas getan?"

Amy
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Mi 16. Mär 2005, 20:42 - Beitrag #49

Er ignorierte sie.
"Du bist also Adrian? Und auch du bist einer von denen, die für Macht
sogar ihrer Existenz als Mensch aufgeben? In dieser Stunde, in welcher
es für dich heißt, das Leben deiner Schwester zu beschützen?"
Der Wind heulte lauter, es peitschte gegen die Wände. Begleitet von
diesem Geräusch, wie ein Lied, wie der Tod.

"Jo, geh aus dem Weg."
"Er ist zu den Feinden übergelaufen, um das Chaos zu vergrößern, was
ohnehin schon herrscht. Er hat es getan, um seine eigene Haut zu
retten, dabei hat er alle Menschen, Freunde, Verwandte verraten, nur um
selbst zu überleben."
Er wurde immer lauter, immer zorniger.
"Ist er ein Bruder, für den es zu lieben, für den es zu sterben lohnt?
Sag mir, ist er es?"

Er wollte nach seiner Waffe greifen, wollte es aus ganzem Herzen. Aber
er spürte seine Hand nicht, wie erstarrt, ebenso wenig seine Augen,
auch wenn er krampfhaft versuchte, sie aufzureißen.
Stattdessen sah er einen kleinen Jungen, in Matrosenuniform, als wäre
dieser sich selbst.
Das Bild verschwand, aber er sah die Realität nicht, er sah, wie
Soldaten diesen Jungen verschleppt hatten, wie er aus den Händen von
dessen Verwandten gerissen worden war, er sah, wie sein Vater
erschossen wurde, die Gesichter.
Und wieder verschwand auch das Bild. Und vor ihm saß immer noch Adrian,
dessen Flügeln voller Blut, heftig atmend. Neben ihm Joanne, die Tränen
abwischend.

"Im Lastwagen befinden sich noch einige Verbandsmaterialien. Aber lange
können wir hier nicht bleiben. Die, die deinem Bruder so zugesetzt
haben, sie werden garantiert bald zurückkommen. Entweder, um ihn
endgültig zu töten, oder, um die durch ihm hierher Gelockten."
Mit allem Zorn starrte er Adrian an, auch wenn es nicht seine Schuld
war.
Dann ging er zu ihm hin und half ihm, möglichst schnell von dort zu
verschwinden.

"Jo, du hast ihm nichts getan, aber die, die ihm das angetan haben, sie
müssen bestraft werden, nicht nur für das, was sie Adrian angetan
haben."

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